BGH zur Erbunwürdigkeit eines Ehemannes

von Dr. Claus-Henrik Horn, veröffentlicht am 28.03.2015
Rechtsgebiete: PatientenverfügungErbunwürdigkeitErbrecht2|5578 Aufrufe

Ein tragischer Fall: Aus Mitleid durchtrennte der Ehemann den Schlauch zur Magensonde seiner Ehefrau, mit der seit Jahren eine verbale Kommunikation nicht mehr möglich war und die schon 15 Jahre an Alzheimer litt. Seit Jahren musste sie über eine PEG-Sonde ernährt werden; sie verließ das Krankenzimmer nicht mehr. Auch wenn das Pflegepersonal deswegen der Tod verhindern konnte, stellte der BGH die Erbunwürdigkeit des Ehemannes nach seiner kurz danach verstorbenen Ehefrau fest, sofern das Berufungsgericht die Schuldfähigkeit feststellen würde (Urteil vom 11.3.2015 – Az. IV ZR 400/14, BeckRS 2015, 5672).

Die Ehegatten hatten ein Berliner Testament errichtet, also sich gegenseitig zu Alleinerben und die drei Kinder zu Schlußerben eingesetzt. Der Sohn hatte zunächst von seinem Vater seinen Pflichtteil verlangt, stellte dann aber um und erhob gegen seinen Vater die Erbunwürdigkeitsklage. Ein zulässiger Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen konnte mangels mündlicher oder schriftlicher Patientenverfügung nicht angenommen werden. Das gilt umso mehr, da weder die betreuungsgerichtliche Genehmigung vorlag oder stattdessen das Einvernehmen des behandelnden Arztes. Der Tatbestand der Erbunwürdigkeit sei lt. BGH selbst dann erfüllt, wenn der Ehemann aus anerkennenswerten Motiven gehandelt habe. Mangels Feststellungen zur Schuldfähigkeit des depressiven Ehemannes konnte der BGH nicht final entscheiden, so dass das Berufungsgericht dieser Frage nachgehen muss. Dabei stellte der BGH aber klar, dass bei der Erbunwürdigkeit  die Schuldfähigkeit vorliegen müsste. Damit grenzte der BGH die Erbunwürdigkeit von der Pflichtteilsentziehung ab, bei der der Täter nicht schuldfähig sein muss (so BVerfGE 112, 332, 359).

Interessant: Der Sohn hatte anfangs die Alleinerbenstellung des Vaters anerkannt, indem er gegen ihn seinen Pflichtteil aufgrund seiner Enterbung geltend machte. Dennoch wurde ihm dies nicht zum Verhängnis, als er die Erbunwürdigkeit seines Vaters geltend machte.

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2 Kommentare

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Die Ausführungen des OLG waren mE stärker überzeugend. Zwar ist die Auslegung des BGH streng am wortlaut, aber der historische Gesetzgeber hat evtl. nicht die Fälle einer "Erlösungstat" nach jahrelangen Sichtum bedacht. Die Frage ist, ob es dieses jahrelange Sichtum schon Ende des 19. Jhd. konkret gegeben hat. An sonsten könnte man sich überlegen, dass eine durch den medizinischen Fortschritt eine Art Regelungslücke entstanden ist, wie auch immer man es dann methodisch richtig ausdrückt.

Ein unglaubliches Fehlurteil.

Sowohl Strafgericht als auch Zivilgericht nehmen aus unerklärlichen Gründen an, das Durchschneiden des PEG-Schlauches sei ein versuchter Totschlag.

Das ist es nicht. Es ist einfache Sachbeschädigung. Das Durchschneiden der PEG-Sonde ist ärgerlich, der Schlauch muss geflickt werden, im schlimmsten Fall muss die PEG-Sonde neu gelegt werden. Na und? Das ist ein einfacher Routine-Eingriff.

Selbst wenn der Beklagte die Sonde mit "Tötungsabsicht" durchschnitten hat, diese Methode war dazu gänzlich ungeeignet. In etwa so, als ob man "in Tötungsabsicht" eine Venenkanüle zieht, durch die gerade eine Kochsalzlösung läuft. Die Venenkanüle wird neu gelegt, und gut ist es. Der Patient ist unter keinen denkbaren Umständen gefährdet.

 

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