Flugzeugabsturz: Todesermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 26.03.2015

Verfolgt man den Lifeticker bei n-tv stellen sich einige Fragen zum Verhalten des Copiloten.

Deshalb überrascht es nicht, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, wie gemeldet wird, nunmehr ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet hat. Todesermittlungsverfahren werden gewöhnlich von den Kapitalabteilungen der Staatsanwaltschaften bearbeitet. Es handelt sich dabei wegen "nicht natürlicher Todesursache" um ein UJs-Verfahren.

Es ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft Todesursachen endgültig festzustellen, sondern es geht in erster Linie um den Ausschluss eines Fremdverschuldens.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

163 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

@Sponsel

Laut den Medienberichterstattungen der letzten Tagen gabe es vorherig nur zwei Mitnahmesuizide mit Grossraumflugzeugen. Davon konnte auch nur derjenige der Egypt Airline als eindeutig verifziert werden.

 

Der von Ihnen zitierte Aussschnitt aus dem Bericht halte ich nicht für aussagekräftig.

Es gibt keine Gegenprobe mit Piloten, die ernsthaft über Suizid nachgedacht oder dies geäussert haben und sich in der Folge nicht umgebracht haben. Oder ein anderes Vollendungs-"werkzeug" benutzt haben.

Auch dass 88% häusliche Probleme hatten, sagt gar nichts aus.

A) Fehlt auch hier die Gegenprobe, wieviele Piloten häusliche Probleme haben und weiter ihren Dienst verrichten.

und B) kenne ich keinen Fall, bei dem sich jemand sorgenfrei und aus purer Lebenslust umgebracht hat.

 

Derartige Überlegungen verstärken nur die Falschmeinung, dass ein problem- und sorgenfreies Leben "normal" wäre.

 

Ob es gesund ist, durch solch eine unrealistische Suggestion den gesellschaftlichen Druck zu erhöhen, unter allen Umständen zu funktionieren, sei einmal dahingestellt.

 

"Scheisse!" schreien und lauthals Türe knallen, ist ein überaus natürliches Verhalten beim Menschen. 

 

Psychiater möchten das vielleicht nicht einsehen, wegen dem "ungesunden" sozialen Effekt, aber die Menschheit ist nun mal kein Harmonie-Verein. 

 

Ein Lichtblick in diesem Heer der Scheinheiligen und pseudoperfektionistisch- überaufgeregten qualitäts- und wahrheitsmedialen Superklugen.

Gast schrieb:

 

Flugzeugabsturz Zufall, Schuld, Depression

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/flugzeugabsturz-ka...

 

Vielen Dank für diesen Link.

Dr. Carlo Piltz in diesem Zusammenhang zum BDSG

http://www.delegedata.de/2015/03/flug-4u9525-lag-es-am-deutschen-datensc...

 

Mich überzeugt die Argumentation nicht. Ein ausservertragliches Recht von GermanWings nach § 28 Abs. 6 BDSG Auskunft bei den Ärzten zu verlangen, besteht m.E. nicht.

Versuchen könnten sie es, wenn sie denn wüssten, wo nachzufragen ist. Der Arzt sollte m.E. deshalb darauf aber immer noch keine Auskunft geben dürfen. 

Presserat: Immer noch über 400 Beschwerden

Auf eine Anfrage erhielt ich am 8.4. die Miteilung:

"eine genaue Zahl kann ich Ihnen gerade nicht nennen, es sind einige neue hinzugekommen, andere zurückgezogen worden, wir liegen immer noch über 400. Wenn sich die Zahl der Beschwerden zum Thema wesentlich verändert, werden wir das auf unserer Internetseite natürlich vermelden."

http://www.presserat.de/presserat/

Die Diskussion geht jetzt auch in der Ärzteschaft in die richtige Richtung. Ganz meine Worte!

Für die Psychopathen unter den Piloten wird es auch keine Lösung sein, dann gar nicht mehr zum Arzt zu gehen. Der Besuch beim Betriebsarzt/Flugmediziner ist Pflicht. Drogenscreening wird eigeführt, damit heimliche Medikamenteneinnahme unterbunden wird. Stichproben werden zufällig genommen, wie bei Sportlern. Wer positiv gestestet wird, fliegt - nicht in die Luft, sondern raus. Wem das nicht passt, der muss ja nicht Pilot werden.

Die nachfolgend noch geäußerten datenschutzrechtlichen Bedenken müssen eben hintanstehen.  Die von mir schon lange geforderte Umstrukturierung des Krankschreibe-Systems muss und wird kommen. Jetzt. Arbeitgeber und Krankenkassen werden über die Tatsache der Krankschreibung - und nur über diese! - automatisch informiert.

 

http://news.doccheck.com/de/82995/germanwings-absturz-schweigepflicht-im...

 

Die Diskussion rund um die Schweigepflichtregelung geht bereits weit über die Berufsgruppe der Piloten hinaus. Prof. Dr. Rainer Riedel, Leiter des Instituts für Medizinökonomie und Medizinische Versorgungsforschung der Rheinischen Fachhochschule Köln (RFH), gibt zu bedenken: „Haus- und Fachärzte behandeln täglich Patienten aus Berufsgruppen wie Busfahrer, Straßenbahn-, Lokomotivführer, Taxifahrer oder Gefahrguttransporter in ihren Praxen, die aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung nicht arbeitsfähig sind.“ Für wiederholte Erkrankungen solcher Patienten mit fehlender Einsicht über ihre Verkehrstauglichkeit fordert Riedel eine Neuregelung zum Schutz Dritter. Hierzu schlägt er eine Berechtigung für den behandelnden Arzt vor, die „Verkehrsuntauglichkeit“ dem zuständigen Betriebsarzt mitzuteilen.

Der Arbeitsmediziner ist allerdings dem Arbeitgeber gegenüber ebenfalls zum Schweigen verpflichtet – so wie jeder andere Arzt auch. Kann es demnach sinnvoll sein, wenn der Arzt zumindest eine Krankmeldung direkt an den Arbeitgeber übersenden kann? Dies ist der Vorschlag von Klaus Reinhardt, dem Vorsitzenden des Hartmannbunds. Er hält eine elektronische Lösung für denkbar, bei der die Diagnose jedoch ausgespart wird.

Auch Reinhardt spricht von „Berufen, die ein hohes theoretisches Gefährdungspotential beinhalten“. Dieser Ansatz wirft wiederum neue Fragen auf: Sollte die Option einer „Zwangs-Krankschreibung“ sich nur auf Berufe beziehen, in denen mit Kraftfahrzeugen oder Gefahrengütern hantiert wird? Würden solche Sonderregelungen sich in der Praxis nicht zwangsläufig primär auf psychische Erkrankungen beziehen? Demnach könnte einer Direktübermittlung der Krankmeldung auch ohne ausgewiesene Diagnose eine stigmatisierende Konnotation anhaften. Mit dieser Regelung hätte Andreas Lubitz am 14. März in jedem Fall nicht im Cockpit des Airbus gesessen.

Womöglich stellt eine generalisierte Umstrukturierung des Krankschreibe-Systems eine Option dar – Arbeitgeber und Krankenkassen könnten automatisch über jede Krankschreibung informiert werden. Allerdings wirft auch eine solche Lösung zweifellos datenschutzrechtliche Probleme auf.

0

"Überwachung von Piloten-Tauglichkeit

Vertraulicher Untersuchungsbericht von EU-Behörde EASA bezweifelt Kompetenz des Luftfahrtbundesamtes als Überwachungsbehörde

Ärztliches Personal im Luftfahrtbundesamt wird demnach an seiner Arbeit gehindert

Die Kritik der Europäischen Union an der Überwachung der Flugtauglichkeitszeugnisse von Piloten durch das Luftfahrtbundesamt (LBA) ist weitaus massiver als bisher bekannt. Das geht aus einem vertraulichen Untersuchungsbericht der EU-Flugsicherheitsagentur European Aviation Safety Agency (EASA) vom 30. September 2014 hervor, den das ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ einsehen konnte. In der Zusammenfassung des Berichts heißt es: "Das LBA hat nicht die Kompetenz, um seine Verantwortlichkeit als Überwachungsbehörde im medizinischen Bereich zu erfüllen." "

...

Quelle: Report Mainz

http://www.swr.de/report/ueberwachung-von-piloten-tauglichkeit-vertrauli...

@Sponsel

Vielen Dank für den aufschlussreichen Link und die hochinteressante Quelle. Hier heißt es u.a. auch:

 

Der Chefmediziner der schwedischen Luftfahrtbehörde, Richard Söderberg, weist auf fehlende Sicherheitsmechanismen in Deutschland hin. Im Interview mit REPORT MAINZ sagte er: "Mit einem System, in dem alle behandelnden Ärzte von Piloten den Behörden Bericht erstatten und diese Daten von der Behörde gebündelt werden, hätte man das Risiko eines solchen Absturzes enorm reduzieren können."

Ein solches System existiert in Schweden. Neben den Flugmedizinern sind hier auch behandelnde Allgemeinärzte und Psychiater gesetzlich verpflichtet, der Luftfahrtbehörde zu melden, wenn sie einen Piloten für fluguntauglich halten.

Der Germanwings-Pilot Andreas L. hatte nach Erkenntnissen der Ermittler eine Krankschreibung für den Tag des Absturzes - hätte also gar nicht fliegen dürfen. Das zuständige deutsche Luftfahrtbundesamt wusste nach eigenen Aussagen jedoch weder von dieser Krankschreibung noch von den psychischen Problemen des Piloten.

In Deutschland dürfen als einzigem Land trotz klarer EU-Vorgaben nur wenige medizinische Daten von Piloten an Behörden übermittelt werden - und dies grundsätzlich auch nur anonymisiert, also ohne konkrete Zuordnung zu einem Namen. Als Grund hierfür werden deutsche Datenschutzregeln angeführt. Nach Recherchen von REPORT MAINZ verweigern inzwischen mehrere europäische Länder die Übernahme deutscher Flugtauglichkeitszeugnisse in ihren Zuständigkeitsbereich.

 

Die Lobby der Flugmediziner (vermutlich unterstützt von der Pilotenlobby) hingegen will gegen die Einführung europäischen Rechts in Deutschland klagen:

Der Präsident des Deutscher Fliegerarztverbandes, Hans-Werner Teichmüller, kündigte REPORT MAINZ gegenüber indes an, gegen die europäischen Regeln zur Datenübermittlung Klage einreichen zu wollen. "Wir sind bereit, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen", sagte Teichmüller im Interview mit REPORT MAINZ. "Das geht eine Behörde nichts an, was der Pilot für eine Diagnose hat. Das geht nur mich als Arzt mit hoher Schweigepflicht und den Piloten selber etwas an", so Teichmüller weiter.

 

Dieser elitäre Club der Pilotenlobby und der Flugmedizinerlobby ist offensichtlich an Maßlosigkeit nicht zu übertreffen. Klar, flugmedizinische Tätigkeit ist ja auch wie eine Lizenz zum Gelddrucken, daran möchte man nichts ändern. Und wenn der Pilot genügend bezahlt, so drückt man als Flugmediziner auch schon mal beide Augen zu, wie das Beispiel unten zeigt. Andere Ärzte dürfen ja die Erkrankungen des Piloten nicht melden,selbst wenn sie ebenfalls Kenntnis davon haben. Somit hängt alles vom Flugmedizinergott ab.

Herr Teichmüller meint also tatsächlich immer noch, dass es weder Behörden noch Öffentlichkeit noch Passagiere etwas angehe, was der Pilot für eine Diagnose habe.

 

Welche Folgen sich aus so einer verqueren Sichtweise ergeben können, zeigen anschaulich weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft:

Mehr als zwei Jahre nach einem Flugzeugabsturz in Hessen bei Wölfersheim mit acht Toten ist jetzt bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg Anklage gegen einen Fliegerarzt aus Niedersachsen erhoben hat. Ihm wird das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse vorgeworfen.

Ende Dezember 2012 waren zwei Kleinflugzeuge bei Wölfersheim in der Luft zusammengestoßen und dann abgestürzt. Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung fanden im Cockpit eines der Flugzeuge „Traubenzuckerblättchen, Spritzen sowie ein Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung“, also Utensilien, die auf eine Diabetes-Krankheit eines der Piloten hindeuteten. Dennoch hatte der Pilot von dem Fliegerarzt zuvor ein Tauglichkeitszeugnis erhalten.

Im Laufe der Ermittlungen traten laut Staatsanwaltschaft weitere Fälle zutage, in denen der Fliegerarzt, Dr. Peter K., mutmaßlich falsche Zeugnisse ausstellte. Im Interview mit REPORT MAINZ sagte Frauke Wilken, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Oldenburg: „Es geht konkret um 113 Piloten. Die Piloten sollen nach der Anklage unterschiedliche Erkrankungen gehabt haben, zum Beispiel Herzerkrankungen oder Diabetes. Einige der Piloten sollen auch Sehschwächen gehabt haben. Alles Gründe, die dafür gesprochen hätten, dass Ihnen keine Tauglichkeitszeugnisse hätten ausgestellt werden dürfen.“ Die Fälle sollen sich im Zeitraum von 2008 bis 2012 ereignet haben.

 

Das Versagen der Behörden und der Ärzte hat in Deutschland leider Methode. Das ist seit Jahren bekannt, nur braucht es erst des schlimmsten Unglücks in der deutschen Zivilluftfahrtsgeschichte, um wachzurütteln.

 

 

1

Nach einem Zeitungsbericht erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, dass bislang ausschließlich Verdachtsmomente gegen den Copiloten vorliegen. Weder gegen seine Ärzte noch gegen einen Mitarbeiter von Germanwings habe sich bisher ein Verdacht ergeben (Quelle: dpa; Straubinger Tagblatt vom 22.4.2015 S. 3).

Quote:

Es sei nun abschließend klar, dass Andreas Lubitz mehrfach bewusst eingegriffen habe, um die Maschine zum Absturz zu bringen, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nach der Sitzung. Der 27-Jährige habe sowohl die Höhe als auch die Geschwindigkeit nachgesteuert und zudem aktiv das Steuer betätigt. Damit sei durch die Aufzeichnungen von Stimmenrekorder und Flugdatenschreiber die Handlungsfähigkeit des Mannes "voll nachgewiesen".

Quote:

Ein Zwischenbericht soll nach Dobrindts Worten "relativ bald" veröffentlicht werden. Es werde noch einige Wochen dauern, aber bei Weitem nicht das vom Gesetzgeber maximal vorgesehene Jahr.

http://www.spiegel.de/panorama/germanwings-absturz-dobrindt-untermauert-...

0

Seiten

Kommentar hinzufügen