Flugzeugabsturz: Todesermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 26.03.2015

Verfolgt man den Lifeticker bei n-tv stellen sich einige Fragen zum Verhalten des Copiloten.

Deshalb überrascht es nicht, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, wie gemeldet wird, nunmehr ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet hat. Todesermittlungsverfahren werden gewöhnlich von den Kapitalabteilungen der Staatsanwaltschaften bearbeitet. Es handelt sich dabei wegen "nicht natürlicher Todesursache" um ein UJs-Verfahren.

Es ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft Todesursachen endgültig festzustellen, sondern es geht in erster Linie um den Ausschluss eines Fremdverschuldens.

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163 Kommentare

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MT schrieb:

Berufspiloten müssen sich grds. jährlich einem Medical unterziehen um das medizinische "Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1" zu verlängern, MED.A.045. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung regelt MED.A.040. Danach muss u.a.

Quote:

(2) das flugmedizinische Zentrum, der flugmedizinische Sachverständige [...] die flugmedizinische Beurteilung auf Grundlage der medizinischen Untersuchungen und Tests durchgeführt haben, die für das betreffende Tauglichkeitszeugnis erforderlich sind, um zu bestätigen, dass der Bewerber sämtlichen relevanten Anforderungen dieses Teils genügt.

 

 

 

Vielen Dank, sehr hilfreich. Dann bleiben nur noch wenige Fragen offen:

 

Der flugmedizinische Sachverständige ist Facharzt für Alles, also gleichzeitig Internist und Psychiater?

und:

die Untersuchung bzw. die Flugtauglichkeit wurde in München (dort war die letzte Untersuchung) erst bestätigt, nachdem München alle relevanten Daten der Vorgeschichte / Anamnese übermittelt wurden?

und:

Herr Lubitz wurde nach anderen aktuellen Untersuchungen befragt und hat wie geantwortet?

 

Dass man bei Vorlage der vollständigen Krankengeschichte (die ja immerhin in wesentlichen Teilen der Lufthansa vorlag) nicht noch einen Facharzt für Psychiatrie einschaltet, erscheint mir unbegreiflich. Ich nehme an, der arme Flugmediziner in München hatte von dieser vollständigen Krankengeschichte schlichtweg keine Ahnung. Die Lufthansa hat ihn dumm gehalten (könnte ja Geld kosten). Oder der Mann hat sich maßlos in seinen psychiatrischen Fähigkeiten überschätzt. Immerhin sind ja jetzt erst, nach intensiver interner Recherche, wesentliche Fakten der Krankengeschichte aufgetaucht. Das war offenbar nicht griffbereit.

 

Wie kann das sein?

 

Hintergrund:

d) Das flugmedizinische Zentrum, der flugmedizinische Sachverständige bzw. der Arzt für Allgemeinmedizin darf ein Tauglichkeitszeugnis nur ausstellen, verlängern oder erneuern, wenn:   (1) ihnen der Bewerber eine vollständige Krankengeschichte und — sofern vom flugmedizinischen Zentrum, vom flugmedizinischen Sachverständigen oder vom Arzt für Allgemeinmedizin gefordert — die Ergebnisse der medizi nischen Untersuchungen und Tests vorlegt, die vom behandelnden Arzt des Bewerbers oder von sonstigen Fachärzten durchgeführt wurden,
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Danke, wichtige Information

MT schrieb:

Berufspiloten müssen sich grds. jährlich einem Medical unterziehen um das medizinische "Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1" zu verlängern, MED.A.045. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung regelt MED.A.040. Danach muss u.a.

Quote:

(2) das flugmedizinische Zentrum, der flugmedizinische Sachverständige [...] die flugmedizinische Beurteilung auf Grundlage der medizinischen Untersuchungen und Tests durchgeführt haben, die für das betreffende Tauglichkeitszeugnis erforderlich sind, um zu bestätigen, dass der Bewerber sämtlichen relevanten Anforderungen dieses Teils genügt.

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R1178#176

"Dieses Teils" (= Anhang IV Teil MED) schließt für Berufspiloten MED.B.55 und MED.B.60 ein.

Damit ist also geklärt, dass alljährlich überprüft wird. Zugleich  dürften Germanwings/ Lufthansa nun ein Erklärungs-Problem haben.

RSponsel schrieb:
Zugleich  dürften Germanwings/ Lufthansa nun ein Erklärungs-Problem haben.
Wie kommen Sie darauf?

Und was Haisenko (der nie eine A320 geflogen hat) sagte, war vor der Veröffentlichung der Transponderdaten (für Herrn Sponsel: Transponder-Daten) und ist daher irrelevant, weil veraltet. Auch seine sonstigen Veröffentlichungen machen ihn nicht glaubwürdiger.

Erklärungsproblem Germanwings/ Lufthansa

Mein Name schrieb:

RSponsel schrieb:
Zugleich  dürften Germanwings/ Lufthansa nun ein Erklärungs-Problem haben.
Wie kommen Sie darauf?

Und was Haisenko (der nie eine A320 geflogen hat) sagte, war vor der Veröffentlichung der Transponderdaten (für Herrn Sponsel: Transponder-Daten) und ist daher irrelevant, weil veraltet. Auch seine sonstigen Veröffentlichungen machen ihn nicht glaubwürdiger.

Piloten der Klasse I werden nach MED.A.040  alljährlich einer Tauglichkeitsüberprüfung  unterzogen. Hier stellen sich mir im wesentlichen zwei Fragen: 1) Was haben diese Tauglichkeitsüberprüfungen ergeben? 2) wie gründlich und zuverlässig sind diese alljährlichen Tauglichkeitsüberprüfungen?

Das Erklärungsproblem ergibt sich daraus, dass einerseits die Gesundheitsproblemaktik bekannt war, andererseits der Kopilot aber trotzdem für flugtauglich Klasse I galt, sonst hätte er ja nicht fliegen dürfen.

In Bezug auf die Transponderdaten habe ich Herrn Haisenko angeschrieben. Ich werde mich mit der Sache noch weiter auseinandersetzen und dann wieder darauf zurückkommen.

 

RSponsel schrieb:

Erklärungsproblem Germanwings/ Lufthansa

Piloten der Klasse I werden nach MED.A.040  alljährlich einer Tauglichkeitsüberprüfung  unterzogen. Hier stellen sich mir im wesentlichen zwei Fragen: 1) Was haben diese Tauglichkeitsüberprüfungen ergeben? 2) wie gründlich und zuverlässig sind diese alljährlichen Tauglichkeitsüberprüfungen?

Das Erklärungsproblem ergibt sich daraus, dass einerseits die Gesundheitsproblemaktik bekannt war, andererseits der Kopilot aber trotzdem für flugtauglich Klasse I galt, sonst hätte er ja nicht fliegen dürfen.

 

Ihre Fragen sind völlig berechtigt und zentral.

Nach meinem jetzigen Kenntnisstand beschränkt sich die Tauglichkeitsprüfung in vielen Fachgebieten auf das einfache Ankreuzen von Ja-Nein-Fragen. Bei der Frage nach Schwangerschaft mag das ja noch angehen. Auf anderen Gebieten erscheint das schon problematischer, da man hier voll und ganz auf die Ehrlichkeit des Piloten vertraut. Einfache Herz-Kreislauf-Tests und Seh- Hörtests werden allerdings durchgeführt.

Ergeben sich aus dem Fragebogen oder aus dem Arztgespräch oder aus der Vorgeschichte Auffälligkeiten, dann wird ein Facharzt hinzugezogen.

In diesem Fall war die Vorgeschichte leider weder der Germanwings noch den untersuchenden Flugmedizinern bekannt. Die Lufthansa hatte "aus Datenschutzgründen" (nach eigenem Bekunden) die Informationen über die psychiatrische Vorerkrankung nicht an Germinwings weitergegeben. Somit wurde bei der alljährlichen Tauglichkeitsprüfung auch kein Facharzt für Psychiatrie hinzugezogen.

Insofern war die Gesundheitsproblematik zwar der Lufthansa bzw. der Flugschule in Bremen bekannt, aber eben nicht Germanwings und den nachuntersuchenden Ärzten. Warum man nicht die Problematik in die medizinische Akte für nachfolgende Ärzte aufgenommen hat, entzieht sich meinem Verständnis.

 

 

 

 

 

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@gast2
Die Voraussetzungen für die Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger mit Befugnis zur Verlängerungen von Tauglichkeitszeugnissen Klasse 1 finden sich in MED.D.010 und MED.D.015.

Über die Einzelheiten des Falls weiß ich nicht mehr, als öffentlich bekannt. Ich kann nur die Verordnung lesen und wiedergeben, was ich dort lese.

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MT schrieb:
@gast2 Die Voraussetzungen für die Anerkennung als flugmedizinischer Sachverständiger mit Befugnis zur Verlängerungen von Tauglichkeitszeugnissen Klasse 1 finden sich in MED.D.010 und MED.D.015. Über die Einzelheiten des Falls weiß ich nicht mehr, als öffentlich bekannt. Ich kann nur die Verordnung lesen und wiedergeben, was ich dort lese.

 

Flugmedizin ist eine sog. Zusatzweiterbildung für Allgemeinmediziner, Arbeitsmediziner oder Internisten. Leider eine Schmalspurweiterbildung, was die Psyche angeht. "Facharzt für Alles" war mehr ironisch gemeint.

Kurzfassung (Wikipedia, ist aber soweit richtig):

 

Fachärzte der Gebiete Innere Medizin, Allgemeinmedizin oder Arbeitsmedizin können nach erfolgreichem Abschluss einer entsprechenden Zusatzweiterbildung die Zusatzbezeichnung Flugmedizin neben ihrer Facharztbezeichnung führen.

Die Zusatz-Weiterbildung Flugmedizin umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Luft- und Raumfahrtmedizin einschließlich der physikalischen und medizinischen Besonderheiten des Aufenthaltes in Luft und Weltraum sowie des Wohlergehens des fliegenden Personals und der Passagiere.

Voraussetzung zum Erwerb der Bezeichnung:
Facharztanerkennung im Gebiet Innere Medizin oder für Allgemeinmedizin oder Arbeitsmedizin

Weiterbildungszeit:
6 Monate Weiterbildung bei einem Weiterbildungsbefugten für Flugmedizin gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2
180 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Flugmedizin

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"Die Welt" will "aus Unternehmenskreisen" erfahren haben, dass sich der Copilot nach Unterbrechung seiner Ausbildung 2009 psychiatrisch begutachten hat lassen und als Ergebnis dessen die Ausbildung wieder aufnehmen durfte.

Dass "SIC" für "schwerwiegende Krankheiten" stünde, ist allerdings ein Märchen und hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun. SIC bedeutet schlicht "besondere regelhafte medizinische Untersuchungen" (siehe LBA).

Qualitäts- und Wahrheitsmedien ohne jede Ahnung

aber drauf los spekulieren auf Teufel komm raus.

Mein Name schrieb:

"Die Welt" will "aus Unternehmenskreisen" erfahren haben, dass sich der Copilot nach Unterbrechung seiner Ausbildung 2009 psychiatrisch begutachten hat lassen und als Ergebnis dessen die Ausbildung wieder aufnehmen durfte.

Dass "SIC" für "schwerwiegende Krankheiten" stünde, ist allerdings ein Märchen und hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun. SIC bedeutet schlicht "besondere regelhafte medizinische Untersuchungen" (siehe LBA).

Es gibt viele Formen und Varianten von Depressionen. Man muss schon vom Fach sein, wenn man hier beurteilen will, in welcher Weise Flugtauglichkeit davon berührt ist und wie. Da der Persönlichkeitsschutz auch über den Tod hinaus gilt - oder was sagen die JuristInnen? - ist die Spekuliererei ohne jeden Fundus tatsächlich unprofessionell und ekelhaft.

Dagegen lobe ich mir den hier eingestellten Link zum ehemaligen Lufthansapiloten Peter Haisenko und sein Interiew auf youtube. Der Mann hat Sachverstand, Verantwortungsgefühl und Veröffentlichungsmoral, etwas, das den meisten Qualitäts- und Wahrheitsmedien abhanden gekommen ist. Hier soll mit medialer Brachialgewalt ein Amoktäter in die Köpfe gehämmert werden. Angeblich ein schwer depressiver, suizidaler, der im Cockpit noch mit dem Kapitan lacht und witzelt. Auch wenn man denkt: schlimmer geht's nimmer - bei den Medien immer.

 

 

 

Der Stern erklärt SIC zutreffend so:

Nachdem Lubitz die Checks erfolgreich absolvierte, konnte er seine für ein halbes Jahr unterbrochene Ausbildung an der Flugschule in Bremen wieder aufnehmen. In seine Lizenz wurde der Hinweis SIC eingetragen, der für "besondere regelhafte medizinische Untersuchungen" steht und auf eine chronische Erkrankung hindeutet. Im Tauglichkeitszeugnis von Lubitz tauchte der Vermerk jedoch nicht auf.

 

Der Welt-Redakteur hat das nicht so richtig verstanden und formuliert dann:

Ein SIC-Vermerk ist ein Hinweis auf eine schwerwiegende Krankheit, der der Flugarzt bei der jährlichen Routine-Untersuchung besondere Aufmerksamkeit schenken soll. Bei dieser Untersuchung muss der Pilot auch seine Lizenz vorlegen

 

Was erwarten Sie auch von einem Redakteur? Die Besten werden Piloten, und für die Zeitungen bleibt nicht mehr viel übrig. 

 

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wie kommt die "bixx"-Zeitung" an die Krankenakte von dem Co-Piloten?

 

m.E. ist das schon kriminell, was da abläuft..

 

wenn diese "Journalisten" tatsächlich von irgendjemandem Auszüge aus der Krankenakte des Herrn L. erhalten haben, dann gehört das angezeigt!!

Das sind vertrauliche Unterlagen und falls ein Arzt oder Arzthelfer/in diese Daten rausgegeben hat, dann gehört das bestraft!!

 

Ich kann es gar nicht fassen..die ganze Welt schreit täglich nach Einhaltung der Grundrechte...und Datenschutz wird überall ganz groß geschrieben...aber in solchen Fällen wird der Datenschutz mit den Füßen getreten...

bin wirklich fassungslos...

 

auch die Pressemitteilung der Uni-Klinik, mit der Aussage, dass er dort Patient war...verstößt deutlich gegen den Datenschutz.

Die hätten das nicht öffentlich mitteilen dürfen.

Falls Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbehörden die Gesundheitsdaten anfordern, so hat das seine Richtigkeit..aber die Öffentlichkeit muß doch darüber nicht informiert werden.

 

nicht zu glauben..

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Man kann auch Läuse und Flöhe haben

Danke für die Information.

Gast schrieb:

Die neue Presseerklärung

http://www.sta-duesseldorf.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitt/index.php

Die alte Medizinerweisheit ist eine etwas flapsige aber treffliche Formulierung für das Phäomen der Komorbidität*, d.h. dass man auch mehrere Störungen nebeneinander haben kann. Seit Einführung der ICD-10 ist das auch in den neueren Klassifikationssystemen anerkannt.

Was heißt das nun in Bezug auf den Kopiloten?

Nun, eine frühere Depression oder andere psychische Störung muss hier keine Rolle spielen, kann aber. Nach den Erkenntnissen der heutigen Pressekonferenz der StA Düsseldorf, gibt es Anzeichen für Planung, was gegen eine Impulshandlung aus der momentanen Situation heraus spricht. 

*

http://www.sgipt.org/doceval/epidem/komorbid.htm

 

was ich nicht verstehe:

Zitat aus der Pressemitteilung:

An mindestens einem Tag hat sich der Betreffende darüber hinaus über mehrere Minuten mit Suchbegriffen über Cockpittüren und deren Sicherheits-vorkehrungen auseinandergesetzt

 

wieso sollte sich ein Pilot der Germanwings/Lufthansa übers Internet mit den Sicherheitsvorkehrungen der Cockpit-Türen auseinandersetzen? Ein Pilot kennt sich damit aus, da muß der nicht gogel und co. fragen..Der sitzt jeden Tag hinter diesen Türen und kennt im Zweifel auch den Knopf, der die Tür verschließt..er kennt auch den Code, um wieder ins Cockpit zu gelangen...der muß nicht bei gugel und Co. fragen...

 

Ist das wirklich sein Tablet  gewesen?

 

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@Norddeutsche: wie wäre es mit der Arbeitshypothese, dass er sich vergewissern wollte, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, den LOCK-Mechanismus zu übersteuern? Sie benutzen ja auch tagtäglich Schlösser an Türen und in Autos, ohne sich bisher über deren Möglichkeiten zum Lockpicking informiert zu haben.
Oder dass bei seinen bisherigen Flügen immer der Pilot den Schalter bediente (was auf Kurzstrecken sowieso selten der Fall gewesen sein dürfte) und er sein Wissen auffrischen wollte?

..@Mein Name

Das glaube ich nun weniger, dass sich ein Pilot mit so wichtigen Dingen, wie dem Tür-Mechanismus im Flugzeug, erst über das i-net beschäftigen muß.

 

Man kann eine Wohnungstür oder eine Autotür nicht mit einer Sicherheitstür im Flugzeug-Cockpit vergleichen!

Ein Pilot muß sich mit diesen Sicherheitsaspekten auskennen!

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Unschuldsvermutung und Persönlichkeitsschutz

Frage an die JuristInnen: wie verhält es sich mit der Unschuldsvermutung und dem Persönlichkeitsschutz nach dem Tod von - psychische kranken - StraftäterInnen, etwa auch unter der Hypothese der Schuldunfähigkeit?

 

@Sponsel: lesen Sie bitte den Ausgangsbeitrag. Es wird nicht gegen jemanden ermittelt und die bisher von offizieller Stelle geäußerten Tatsachenbehauptungen ("steuerte das Flugzeug bewusst in den Berg") basieren auf Fakten. Zu einer Schuldfrage gibt von offizieller Seite noch keine Aussage.

Gute Stellungnahme der DGPPN

Danke für die Information. Obwohl ich der Psychiatrie, besonders der forensischen,  sehr kritisch gegenüberstehe,  könnte ich diese Stellungnahme auch unterschreiben.

Gast schrieb:

Stellungnahme zum Absturz von Flug 4U9525

http://www.dgppn.de/publikationen/stellungnahmen/detailansicht/article//...

Übrigens ergab die Diskussionsrunde bei Scobel heute Abend zur Selbsttötung ein differenziertes Bild zur Rolle der Depression bei Suiziden.

 

 

Naja, wie bei einem Grossteil der Amokläufer stellt sich nachher immer raus, dass sie Medis geschluckt haben.

Breivik hat ja bewusst im Vorfeld mit verschiedenen Präparaten esperimentiert, um den körperlichen Stress handeln zu können.

Da stellt sich selbstredend die Frage, ob die vermeintliche Krankheit in die Katastrophe geführt hat oder die Medis.

Wenn das Szenario stimmt von dem die Behörden im Moment auszugehen scheinen, dann war der Co-Pilot bei Bewusstsein.

Ich halte es für bemerkenswert, dass jemand 8 Minuten dem sicheren Tod entgegensteuert und keinen Mucks von sich gibt, sondern auch noch ruhig atmet.

Eine "Krankheit" kriegt sowas m.E. nicht hin.

Was kann wohl dazu geführt haben, dass jemand seine Handlungen so von seinen Emotionen trennnen kann?

@gast2

Ob ich Ihren Beitrag so unterschreiben könnte, bin ich mir nicht sicher.

Klar ist sicher, dass Selbstmord die ultimative Form einer Willenshandlung darstellt. Eine selbstbestimmte Handlungder letzten Konsequenz, die eine Zentriertheit auf das Ich voraussetzt. Egoismus beschreibt das gut.

 

Aber das völlige Ausblenden der ihm anvertrauten Passagiere erstaunt wirklich. 

 

Welch Stresssituation! Der Pilot hämmert mit der Axt gegen die Türe. Die Passagiere schreien. Das geht minutenlang so. Und der sagt kein Wort.

Man kann sich eine Schrottflinte in den Mund schieben, sich erhängen, von der Brücke springen, meinetwegen auch Schlafmittel schlucken oder sich die Pulsadern aufschneiden.

 

Leicht ist das auch nicht. Der Mensch hat eigentlich eine eingebaute Hemmschwelle sich oder andere zu töten. Es braucht eine längere Entwicklung bei sowas planerisch vorzugehen.

 

Bei den "normalen" Selbsttötungen muss dem Handlungsimpuls einmal nachgegeben werden (Abzug drücken bspw.), da geht es vorher aber schon ziemlich ab.

 

Noch krasser bei "geplanten" Morden, wie bspw. im Krieg. Da reagiert der Körper extrem drauf. Den eiskalten Auftragskiller gibt es schon, aber die trainieren da auch jahrelang daraufhin, wie Formel 1 Fahrer.

 

Natürlich gibt es auch Menschen, die am Morden gefallen finden. Bei denen soll das vergleichbar mit einer sexuellen Ersatzhandlung sein. Aber auch nicht beim ersten Mal. Auf den Geschmack muss man erstmal kommen.

 

Das erstaunt mich so. Kein letztes Wort. Im Bewusstsein der Gesamtsituation, das einfach durchzuziehen. Der Körper müsste rebellieren...

 

Daher würde es mich nicht erstaunen, wenn er Medis geschluckt hat. Die Entkoppeln das Bewusstsein von der Gefühlswelt.

 

@f&f

Haben Sie eine Quelle für Ihre Behauptung, dass der Co-Pilot zur Tatzeit unter Medikamenten stand? 

 

Es ist nun bekannt geworden, dass der Co-Pilot bei fünf verschiedenen Ärzten vorstellig wurde, u.a. angeblich auch bei einem Neurologen.

 

Zum einen könnte man durchaus daraus die Überlegung entwickeln, dass er keinem Arzt einen "echten" Einblick in die Schwere und Konstanz seiner Beschwerden gewähren wollte. Vielleicht weil er um das Risiko des Arbeitsplatzverlustes wusste.

 

Das Stigma einer psych. Erkrankung wird man ja zeitlebens nie wieder los. Eine Aufhebung der Schweigepflicht würde m.E. das grosse Risiko in sich bergen, dass ein Betroffener/Ratsuchender sich nicht mehr öffnen würde, sondern im Hinblick auf seinen Beruf eigene Lösungsstrategien entwickelt. Ich bin mir nicht sicher, ob das gewollt sein kann.

 

Man stelle sich einmal vor, einem Anwalt würde nach einem gerichtlichen Freispruch der Vorwurf gemacht, er hätte aus Rücksicht auf die Menschheit dem Gericht von seinen eigenen Erkenntnissen Nachricht geben müssen, schliesslich wollen wir ja keine Mörder auf der Strasse rumlaufen lassen...

Es ist nach wie vor so, dass Ärzte die Möglichkeit haben, bei verdächtigen Fällen, die Schweigepflicht aufzuheben bzw. bei einem Verdacht, dass eine "Tat" geplant ist, diesen Patienten entsprechend bei den Behörden zu melden.

das wird behandelt in § 137 STGB, 138 STGB sowie § 34 STGB...

 

d.h. die Ärzte hätten was melden können, wenn sie denn derartige Dinge erfahren hätten...oder..sie hätten den Patienten direkt einweisen können....aber alles nur Spekulation..da wir nicht wissen, wie oder was der Patient den Ärzten erzählt hat oder eben nicht erzählt hat.

 

 

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@Norddeutsche

Natürlich wissen wir nichts über den Inhalt des Arzt-Patienten-Gesprächs, aber halten Sie es nicht für fernliegend, dass die von Ihnen zitierten Paragraphen überhaupt greifen?

Wie konkret müssen denn die Tatpläne offenbart worden sein?

 

Im vorliegenden Fall haben wir es ja mit einer Mischung aus Tatentschluss und Koinzidenz zu tun.

Der Co-Pilot konnte unmöglich voraussehen, dass der Pilot auf einem Kurzstreckenflug Pipi machen geht.

 

Es ist also generell davon auszugehen, dass dem Arzt höchstens eine Gefährdung bekannt sein konnte, im Sinne eines theoretischen Planspieles. 

Sollte das schon reichen für eine Meldepflicht?

Ich wundere mich überhaupt, wie jetzt wieder nach der Kaffeesatzleserei der Psycho-Doktoren gerufen wird. Wie kann man denn diesen Werbeversprechen auf den Leim gehen, dass die zuverlässig einen Probanden einordnen können? Nach welchen Kriterien?

Macht man das zur Pflicht, lügen die Betreffenden halt. Wer riskiert schon seinen Job?

Im Militär gibt es bei der Luftwaffe absolut keine Nachteile für den Piloten, wenn er sich selbst deklariert als "Unfit-to-fly".

Bei einer Billig-Airline wie der German-Wings? Wie oft kann man das machen? Und noch dazu aufgrund psychischer Probleme?

 

@Max Mustermann,

 

mir ging es nur darum, noch einmal aufzuzeigen, dass es sehr wohl gesetzlich festgelegt ist, wann ein Arzt sich über die Schweigepflicht hinwegsetzen darf...

da bedarf es keinerlei neuer Regelungen, wie sie so gerne jetzt vehement gefordert werden...

Wenn der Patient allerdings dem Arzt über seine Pläne nichts erzählt und es nicht eindeutig klar ist für den Arzt..ja dann kann er auch nichts melden (der Arzt) und somit müssen die Dinge ihren Lauf nehmen..so schlimm wie das ist.

Gegen solche Risiken ist man nicht gefeit...wenn ich heute auf die Autobahn fahre und mir kommt jemand entgegen, der sich mit voller Absicht umbringen will und noch mal eben 5 - 10 andere mitnehmen will...dann ist das Schicksal..

und so wird es auch leider mit den Passagieren des Fluges gewesen sein, Schicksal..zur falschen Zeit im falschen Flieger....

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Fantasien und Hypothesen zur Psychopathologie des Kopiloten
Falls es richtig ist, dass der Kopilot zu einer Freundin gesagt haben soll, von ihm werde noch Großes berichtet werden, so kann dies als ein Indiz für einen narzisstischen Persönlichkeitsstil (man sollte besser von Persönlnlichkeitsstilen als von Persönlichkeitsstörungen sprechen) gewertet werden. Das Größenverlangen ist auch ein Kriterium bei den paranoiden Stilen (Größenidee). Paranoide sind aber überzeugt von ihrer Größe, das passt nicht zum Depressiven, der zweifelt, was bei einem solchen depressiven Typus gerade das Drama ist. Hingegen passen Narzissmus und Depression zusammen. Eine Quelle für Depressionen kann sein, auf  das Auseinanderdriften zwischen Selbst- und Wunschbild (Grandiositätssehnsucht) mit Depression zu reagieren. Die Planung spricht für dissoziale Faktoren.
    Zur Entwicklung psychopathologischer Störungen: Pragmatisches Schwellen-Modell psychischer Störungen.

Quelle mit Links:

http://www.sgipt.org/medien/kritik/mk_15.htm#Fantasien%20und%20Hypothese...

 

 

RSponsel schrieb:

Fantasien und Hypothesen zur Psychopathologie des Kopiloten
Falls es richtig ist, dass der Kopilot zu einer Freundin gesagt haben soll, von ihm werde noch Großes berichtet werden, so kann dies als ein Indiz für einen narzisstischen Persönlichkeitsstil (man sollte besser von Persönlnlichkeitsstilen als von Persönlichkeitsstörungen sprechen) gewertet werden. Das Größenverlangen ist auch ein Kriterium bei den paranoiden Stilen (Größenidee). Paranoide sind aber überzeugt von ihrer Größe, das passt nicht zum Depressiven, der zweifelt, was bei einem solchen depressiven Typus gerade das Drama ist. Hingegen passen Narzissmus und Depression zusammen. Eine Quelle für Depressionen kann sein, auf  das Auseinanderdriften zwischen Selbst- und Wunschbild (Grandiositätssehnsucht) mit Depression zu reagieren. Die Planung spricht für dissoziale Faktoren.
    Zur Entwicklung psychopathologischer Störungen: Pragmatisches Schwellen-Modell psychischer Störungen.

Quelle mit Links:

http://www.sgipt.org/medien/kritik/mk_15.htm#Fantasien%20und%20Hypothese...

 

 

 

Über ihn wurde aber nicht Großes, sondern Erniedrigendes berichtet.

 

Was mich stört ist, dass man auf extreme Art und Weise ihn als Übeltäter darstellen will. Als ob andere Möglichkeiten vehement ausgeschlossen werden müssen. Wieso versucht man ihn nicht auch - wenigstens ein bisschen - zu entlasten, z. B. in dem man ihm gegenüber mal positiv spekuliert???

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@Max:

Quelle: Verschiedentliche TV-Nachrichten (u.a. N24 glaube ich), welche sich wiederum auf Äußerungen der (Düsseldorfer nehme ich an) Staatsanwaltschaft gestützt haben.

Das Rufen nach der psychiatrischen Expertise finde ich, gerade in dem Zusammenhang, auch sehr, ich sag mal, erstaunlich, hat die Zunft doch grade mal wieder das Gegenteil von geglänzt, denn die Erkrankung wurde offenkundig ja weder geheilt noch richtig eingeschätzt.

Ich möchte dennoch, unabhängig von der belegten (oder noch nicht belegten) Faktenlage in diesem konkreten Fall, die Denkweise an sich hier zur Diskussion stellen.

Was soll bzw. kann denn eine Aufweichung der Schweigepflicht bringen?

Diese dürfte ja wohl nur unterlaufen werden, wenn absolut SICHER ist, dass von demjenigen eine tatsächliche, direkte Gefahr für Leib und Leben anderer (oder sein eigenes) ausgeht.

In so einem Fall wäre es aber bereits schon nicht mehr medizinisch korrekt, denjenigen mit Hardcore Psychopharmaka und ner AU nach Hause zu schicken. (Nicht wissend, ob er nach Hause geht oder auf Arbeit!)

Daher habe ich in dem Fall jetzt ganz direkt den Eindruck, es geht jetzt mal wieder ums "zuschieben".

D.h. die Ärzte möcten weiterhin verschreiben dürfen, auch wenns an sich bedenklich ist, aber rufen halt danach, dass dann zu ihrer Absicherung / Rausnahme aus der Verantwortung im Zweifelsfall Gesetze geändert werden müssen.

Und die Juristen sagen, naja, dann müssen wir eben noch viel viel mehr psychologische Tests einführen und gesetzlich vorschreiben, wodurch die Verantwortung wieder bei den Medizinern / Psychologen wäre.

Dass dann, wie schon verschiedentlich, und zutreffenderweise, geäußert wurde, eben noch viel mehr Menschen ihre psychischen Probleme gleich für sich behalten und / oder massives Ärztehopping betreiben (u.a auch um in größeren Mengen an Medikamente zu kommen, ohne dass es auffällt) ist doch absolut unausweichlich.

Sehr wichtig finde ich in dem Zusammenhang die Anmerkung von MM, wie das dann übertragen auf Anwälte wäre.

Es gibt, bzw. f i n d e t sich immer einen Grund, bzw. eine Begründung, um Grundrechte von Menschen einzuschränken, das sollte man nicht aus dem Auge verlieren.

@ Herr Sponsel:

Persönlichkeit-Stile finde ich eine sehr gute Ausdrucksweise, auch eine Möglichkeit wäre Persönlichkeits-Entwicklung. Das wäre schlicht und einfach zutreffend und in keinster Weise stigmatisierend ;-)

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Da die Art der ärztlichen Behandlung und insbesondere die Verschreibung von Psychopharmaka als mögliche Ursache für das Unglück angesehen werden, muss sich hier grundsätzlich etwas ändern. Darüber dürfte doch Konsens bestehen.

Was kann man also tun?

1) in ganz gravierenden Fällen (z.B. der angekündigten Selbstbeschädigung) gibt es schon heute die Möglichkeit und die Pflicht, den Patienten für einige Tage zwangseinzuweisen. Hier muss sich rechtlich nichts ändern.

2) In normalen Fällen der psychischen oder auch organischen Krankheit soll natürlich der Patient selbst weiterhin darüber entscheiden können, ob er behandelt werden möchte (ggf. dann auch mit Medikamenten und Psychopharmaka) oder nicht. Allerdings: wenn er behandelt werden möchte, dann muss der Arzt ihn ggf. auch krankschreiben. Insbesondere dann, wenn die Psychopharmaka eine Berufsausübung nicht zulassen.  Das Problem: Selbst wenn der Arzt ihn pflichtgemäß krankschreibt, kann der Patient immer noch eine verheerende Fehlentscheidung treffen: er kann sich für die Medikamenteneinnahme entscheiden, aber die Krankschreibung zerreißen und in den Mülleimer schmeißen. Das muss zukünftig verhindert werden.

Wenn sich also der Patient zukünftig für die Behandlung und für die Einnahme von Medikamenten entscheidet, dann muss er sich gleichzeitig für die Übersendung der Krankmeldung an eine Behörde entscheiden. Das geschieht bei gesetzlich Versicherten im Grunde genommen schon heute, nämlich durch die Übersendung der Krankschreibung an die Krankenkasse. Ich plädiere ohnehin für die Abschaffung privater Krankenversicherungen, so dass man hier die Lücke einfach schließen könnte.

Die gesetzliche Krankenversicherung muss wiederum verpflichtet werden, in jedem Fall einer Krankschreibung eine neutrale Meldung an den Arbeitgeber abzugeben, etwa der Art: "der Bäcker N.N., der bei Ihnen beschäftigt ist, wurde von einem Arzt [also ohne Benennung des Arztes, des Fachgebietes und der Krankheit bzw. Diagnose] vom 1.1. bis 30.1 krankgeschrieben".

Damit dürfte doch eigentlich niemand ein Problem haben.

Die Bäckerei als Arbeitgeber wird sich vermutlich relativ wenig dafür interessieren, ob der angestellte Bäcker nun tatsächlich krankgeschrieben daheim bleibt oder vorzeitig wieder zur Arbeit erscheint. Das ist ja auch absolut rechtlich zulässig. Ein aufmerksamer Arbeitgeber wird den Bäckergesellen vielleicht noch fragen: "Fühlen Sie sich wirklch schon wieder fit" und dann kann der Betroffene natürlich auch vorzeitig wieder seine Arbeit aufnehmen. Eine "Gesundschreibung" durch den Arzt gibt es jedenfalls nicht.

Im Falle eines Piloten wird das aber vermutlich anders ablaufen, und das ist der Sinn der Sache. Wenn der Pilot sich trotz Krankschreibung fit fühlt, dann wird der Arbeitgeber ihn auffordern, sich mal kurz beim Flugmediziner vorzustellen. Und dieser wird dann höchstwahrscheinlich den Piloten auffordern, seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, damit die Diagnose übermittelt werden kann. Oder alternativ wird der Pilot eben während der Krankschreibung seinem Arbeitsplatz fernbleiben müssen.

Der Pilot hat also immer noch die freie Wahl.

Damit wäre jedenfalls die Gefahr weitgehend gebannt, dass sich ein Pilot beim Arzt Medikamente besorgt und insbesondere dann auch Medikamente einnimmt, die ihn verkehrsuntüchtig machen, er aber gleichzeitig die Krankschreibungen zerreissen kann und weiterhin Flugzeuge steuert. Das geht nicht. Wer das möchte - bitte schön ohne mich. Ich will nicht von solchen Piloten geflogen werden, auch nicht von solchen Busfahrern gefahren werden.

 

 

 

 

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@ gast2: viel zu kurzsichtig gedacht. Eine Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht würde dazu führen, dass die Patienten sich nicht AU schreiben lassen (wozu sie sowieso erst ab dem 3. Tag gesetzlich verpflichtet sind), sondern sich ein Rezept ausstellen lassen. Und wenn sie das nicht kriegen, beschaffen sie sich die Medikamente im Internet.
Alles in allem das Gegenteil einer Verbesserung.

Mein Name schrieb:
@ gast2: viel zu kurzsichtig gedacht. Eine Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht würde dazu führen, dass die Patienten sich nicht AU schreiben lassen (wozu sie sowieso erst ab dem 3. Tag gesetzlich verpflichtet sind), sondern sich ein Rezept ausstellen lassen. Und wenn sie das nicht kriegen, beschaffen sie sich die Medikamente im Internet. Alles in allem das Gegenteil einer Verbesserung.

 

1) eine angebliche "gesetzliche Verpflichtung zu einer Krankschreibung erst ab dem 3. Tag" gibt es nicht. Es war lediglich bei einigen Unternehmen früher üblich, eine Krankschreibung erst ab dem 3. Tag zu verlangen. Das ist heutzutage weitgehend obsolet. Denn die Unternehmen müssen zwangsweise die Arbeitnehmer "gegen Krankheit und Schwangerschaft versichern" (nennt sich Umlageverfahren U1 und U2). Das Umlageverfahren (U1) kann man sich wie eine Kaskoversicherung mit Selbstbeteiligung vorstellen. Der Arbeitgeber versichert sich gegen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Er zahlt einen bestimmten individuellen Beitragssatz und bekommt einen bestimmten Prozentsatz (aber nie 100%) von der Lohnfortzahlung, die im Krankheitsfall geleistet wurde, wieder.

Da der Arbeitgeber aber diese Versicherung U1 und U2 zwangsweise zahlen muss, will er auch ab dem ersten Tag des Fehlens des Arbeitnehmers Geld aus der Versicherung sehen. Kriegt er aber nur, wenn eine Krankschreibung ab dem ersten Tag vorliegt. Deshalb verlangen heutzutage fast alle Arbeitgeber ab dem ersten Tag eine Krankschreibung.

 

2) Wenn ein Arzt Psychopharmaka verschreibt, die eine Arbeit nicht zulassen, dann muss der Arzt dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer auch nicht arbeiten geht. Ansonsten gibt es eben die Medikamente nicht. Wenn der Pilot (oder Busfahrer oder wer auch immer) derart drogenabhängig ist, dass er sich dann die Medikamente auf dem Schwarzmarkt ("im Internet") besorgt, dann viel Glück dabei. Solche Piloten will ich nicht in Deutschland sehen. Sie gehören nicht in eine deutsche Luftfahrtgesellschaft. Und Ärzte, die Medikamente verschreiben, ohne dafür zu sorgen, dass der Patient auch auf seine gefährliche Tätigkeit verzichtet, gehören nicht in unser Gesundheitswesen. Hier muss ganz schnell die Approbation entzogen werden.

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gast 2 schrieb:

2) Wenn ein Arzt Psychopharmaka verschreibt, die eine Arbeit nicht zulassen, dann muss der Arzt dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer auch nicht arbeiten geht. Ansonsten gibt es eben die Medikamente nicht.

Muss der Arzt dann nicht konsequenterweise auch noch kontrollieren, dass/wann der Patient die Medikamente einnimmt? Der kriegt 5 Pillen verschrieben, nimmt nur 2, dann fühlt er sich besser und es liegen noch 3 für unkontrollierbare Selbstmedikation in der Schublade. Da muss man nichtmal im Internet bestellen.

Die Hemmschwelle, mal eben was zu nehmen, ist sicherlich deutlich niedriger, wenn mans schon rumliegen hat als wenn mans erst aus dubiosen Kanälen beziehen müsste.

Quote:
  Und Ärzte, die Medikamente verschreiben, ohne dafür zu sorgen, dass der Patient auch auf seine gefährliche Tätigkeit verzichtet, gehören nicht in unser Gesundheitswesen. Hier muss ganz schnell die Approbation entzogen werden.

"Dafür sorgen" kann er wirksam nur, indem die Medikamente nur unter Aufsicht verabreicht werden. Da kommt Freude auf, wenn die Wartezeiten auf Arzttermine noch länger werden, weil zusätzlich noch überwachte Medikamenteneinnahme geboten werden muss.

I.S. schrieb:

Quote:
  Und Ärzte, die Medikamente verschreiben, ohne dafür zu sorgen, dass der Patient auch auf seine gefährliche Tätigkeit verzichtet, gehören nicht in unser Gesundheitswesen. Hier muss ganz schnell die Approbation entzogen werden.

"Dafür sorgen" kann er wirksam nur, indem die Medikamente nur unter Aufsicht verabreicht werden. Da kommt Freude auf, wenn die Wartezeiten auf Arzttermine noch länger werden, weil zusätzlich noch überwachte Medikamenteneinnahme geboten werden muss.

 

Das verstehen Sie falsch.

Es geht nicht darum, dass der Patient unbedingt Psychopharmaka nehmen muss, ggf. "unter Aufsicht". Der Patient ist nicht etwa unter Medikamenten ungefährlicher. Das Gegenteil ist richtig. Sowohl bei echten bipolaren Störungen als auch bei rein depressiven Affektstörungen führen die verabreichten Medikamente in der Regel zunächst zu einer Steigerung des Antriebes, erst viele Tage danach zu einer Stimmungsaufhellung.

 

Ich persönlich würde also wesentlich lieber mit einem unbehandelten depressiven Piloten fliegen als mit einem, der seit ein paar Tagen gerade behandelt wird (mittels einschlägiger Psychopharmaka).

Amitryptilin macht den Piloten anfangs sehr schläfrig (nicht optimal für das Führen eines Flugzeuges).

Imipramin und Desipramin sind noch gefährlicher: sie steigern den Antrieb, die antidepressive Wirkung setzt jedoch erst nach 14 Tagen ein.

 

Wenn solche Medikamente verordnet werden, dann muss der Mensch der Arbeit (zunächst) fernbleiben, egal welchen Beruf er ausübt. Er kann nicht selbst darüber entscheiden ob er sich fit genug fühlt, unter diesen Medikamenten zu arbeiten.

An einer gesetzlichen Regelung für dieses Problem fehlt es aber in unserem Land.

Deshalb sind Psychiater (zur Zeit) hochgefährlich für die Menschheit (um es mal salopp auszudrücken).

 

 

 

 

5

gast2 schrieb:

I.S. schrieb:

Quote:
  Und Ärzte, die Medikamente verschreiben, ohne dafür zu sorgen, dass der Patient auch auf seine gefährliche Tätigkeit verzichtet, gehören nicht in unser Gesundheitswesen. Hier muss ganz schnell die Approbation entzogen werden.

"Dafür sorgen" kann er wirksam nur, indem die Medikamente nur unter Aufsicht verabreicht werden. Da kommt Freude auf, wenn die Wartezeiten auf Arzttermine noch länger werden, weil zusätzlich noch überwachte Medikamenteneinnahme geboten werden muss.

 

Das verstehen Sie falsch.

Es geht nicht darum, dass der Patient unbedingt Psychopharmaka nehmen muss, ggf. "unter Aufsicht". Der Patient ist nicht etwa unter Medikamenten ungefährlicher. Das Gegenteil ist richtig. Sowohl bei echten bipolaren Störungen als auch bei rein depressiven Affektstörungen führen die verabreichten Medikamente in der Regel zunächst zu einer Steigerung des Antriebes, erst viele Tage danach zu einer Stimmungsaufhellung.

 

Ich persönlich würde also wesentlich lieber mit einem unbehandelten depressiven Piloten fliegen als mit einem, der seit ein paar Tagen gerade behandelt wird (mittels einschlägiger Psychopharmaka).

Amitryptilin macht den Piloten anfangs sehr schläfrig (nicht optimal für das Führen eines Flugzeuges).

Imipramin und Desipramin sind noch gefährlicher: sie steigern den Antrieb, die antidepressive Wirkung setzt jedoch erst nach 14 Tagen ein.

 

Wenn solche Medikamente verordnet werden, dann muss der Mensch der Arbeit (zunächst) fernbleiben, egal welchen Beruf er ausübt. Er kann nicht selbst darüber entscheiden ob er sich fit genug fühlt, unter diesen Medikamenten zu arbeiten.

An einer gesetzlichen Regelung für dieses Problem fehlt es aber in unserem Land.

Deshalb sind Psychiater (zur Zeit) hochgefährlich für die Menschheit (um es mal salopp auszudrücken).

 

 

 

 

Wenn man schon auf dieser, m.E. durchaus berechtigten, Ebene einsteigt, dann kann man durchaus noch eine Schicht tiefer gehen.

Die gängigen, nicht trizyklischen Anti-Depressiva, die sogenannten SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) funktioneren ja im Prinzip lediglich so, dass sie den Serotonin-Spiegel im Blut dauernhaft konstant halten, d.h. derjenige kann einfach nicht mehr zu Ruhe kommen (womit man die "zu viel Ruhe" der Depression "heilen" will.)

Das kann ja nur schiefgehen.

Da muss man sich einfach mal nur die gängigen Beipackzettel sämtlicher Anti-Depressiva durchlesen, in denen DURCHGÄNGIG u.a. eine erhöhte Suizidalität vermerkt wird, und das nicht nur in der Anfangs- oder einer sonstigen Einnahme-Phase.

Das nenn ich mal gekonnt den Teufel mit dem Belzebub austreiben.

Völlig unabhängig davon ist aber die oben angesprochene Kontrolle ja nicht realisierbar (noch nicht mal in der geschlossenen Psychiatrie! Auch dort kann die Tabletteneinnahme nicht 100% kontrolliert/erzwungen werden außer durch Fixierung und Niederspritzen), aber schon gar nicht für einen freien Menschen, von dem man (=Arzt) weiß, der ist Pilot, schwer depressiv und spaziert mit, vom Arzt verschriebenen, Hammer-Medis zur Tür hinaus.

Also so wird da wohl kein Schuh draus werden, leider.

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f&f schrieb:

Wenn man schon auf dieser, m.E. durchaus berechtigten, Ebene einsteigt, dann kann man durchaus noch eine Schicht tiefer gehen. Die gängigen, nicht trizyklischen Anti-Depressiva, die sogenannten SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) funktioneren ja im Prinzip lediglich so, dass sie den Serotonin-Spiegel im Blut dauernhaft konstant halten, d.h. derjenige kann einfach nicht mehr zu Ruhe kommen (womit man die "zu viel Ruhe" der Depression "heilen" will.) Das kann ja nur schiefgehen. Da muss man sich einfach mal nur die gängigen Beipackzettel sämtlicher Anti-Depressiva durchlesen, in denen DURCHGÄNGIG u.a. eine erhöhte Suizidalität vermerkt wird, und das nicht nur in der Anfangs- oder einer sonstigen Einnahme-Phase. Das nenn ich mal gekonnt den Teufel mit dem Belzebub austreiben.

 

Da sind wir uns völlig einig.

Aber warum resignieren Sie? Warum meinen Sie, man kann daran nichts ändern?

Sie schreiben:

Auch dort kann die Tabletteneinnahme nicht 100% kontrolliert/erzwungen werden außer durch Fixierung und Niederspritzen), aber schon gar nicht für einen freien Menschen, von dem man (=Arzt) weiß, der ist Pilot, schwer depressiv und spaziert mit, vom Arzt verschriebenen, Hammer-Medis zur Tür hinaus.

Also so wird da wohl kein Schuh draus werden, leider.

 

Der freie Mensch muss überhaupt nicht zur Tabletteneinnahme gezwungen werden. Ich bin gegen jeglichen Zwang.

Aber wenn er sich denn freiwillig zur Einnahme solcher Psychopharmaka entscheidet (Sie nennen das Hammer-Medis), dann darf er zwar zur Tür der Arztpraxis hinausspazieren, aber nicht zur Tür des Arbeitgebers hineinspazieren.

Das ist doch ein ganz einfaches Problem. Dafür muss es doch eine Lösung geben.

 

 

0

gast2 schrieb:

 

 

 

 

Amitryptilin macht den Piloten anfangs sehr schläfrig (nicht optimal für das Führen eines Flugzeuges).

 

Imipramin und Desipramin sind noch gefährlicher: sie steigern den Antrieb, die antidepressive Wirkung setzt jedoch erst nach 14 Tagen ein.

 

Wenn solche Medikamente verordnet werden, dann muss der Mensch der Arbeit (zunächst) fernbleiben, egal welchen Beruf er ausübt. Er kann nicht selbst darüber entscheiden ob er sich fit genug fühlt, unter diesen Medikamenten zu arbeiten.

An einer gesetzlichen Regelung für dieses Problem fehlt es aber in unserem Land.

Deshalb sind Psychiater (zur Zeit) hochgefährlich für die Menschheit (um es mal salopp auszudrücken).

 

Jetzt muß ich aber lachen...

 

ich selber nahm jahrelang Amitriptylin...abends bis 50 mg..(damit ich schlafen konnte), dazu Targin (Opiat) 60mg täglich...

abends zusätzlich Sirdalud 4mg...ach und Citalopram 20 mg..morgens um tags wieder Antrieb zu haben...

und au geschrieben? nicht dran zu denken..voll arbeitsfähig...damit kann man arbeiten..(lt. Doc und lt. MD-der Krankenkasse sowie Rentenversicherung)...

klar...ich bin beruflich Autofahrer....im Vertrieb und Marketing tätig..d.h. täglich auf der Autobahn, täglich mit Kunden zu tun..täglich 100e km fahren...

aber mit diesen Medikamenten kann man gefahrlos Autofahren und konzentriert Gespräche führen (lt. Ärzten, MDK und RV)

 

Die Dosierung des Amitriptylin war zwar nicht für bzw. gegen Depressionen gedacht...sondern wurde in der Schmerztherapie eingesetzt..aber schläfrig und müde macht das Zeug trotzdem...nie und nimmer hätte ich damit Auto fahren dürfen..geschweige denn Verträge anfertigen und unterschreiben...

 

bis ich eines Tages selber gemerkt habe..so gehts nicht weiter..und alles langsam ausgeschlichen habe.....nach 4 langen Jahren!!

 

so, dies nur als Einwurf am Rande...auch Ärzte haben Verantwortung zu tragen und müssen sich auch mal gegen Krankenkasse und Co. durchsetzen können...und wenn sie das können und dem Patienten unmissverständlich klar machen, dass er auf gar keinen Fall arbeiten darf...dann haben die Ärzte alles mögliche getan...

der Rest liegt dann beim Patienten..und wenn der die Krankmeldung nicht abgibt...dann..ist alle liebesmüh vergebens...

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Norddeutsche schrieb:

gast2 schrieb:

 

 

 

 

Amitryptilin macht den Piloten anfangs sehr schläfrig (nicht optimal für das Führen eines Flugzeuges).

 

Imipramin und Desipramin sind noch gefährlicher: sie steigern den Antrieb, die antidepressive Wirkung setzt jedoch erst nach 14 Tagen ein.

 

Wenn solche Medikamente verordnet werden, dann muss der Mensch der Arbeit (zunächst) fernbleiben, egal welchen Beruf er ausübt. Er kann nicht selbst darüber entscheiden ob er sich fit genug fühlt, unter diesen Medikamenten zu arbeiten.

An einer gesetzlichen Regelung für dieses Problem fehlt es aber in unserem Land.

Deshalb sind Psychiater (zur Zeit) hochgefährlich für die Menschheit (um es mal salopp auszudrücken).

 

Jetzt muß ich aber lachen...

 

ich selber nahm jahrelang Amitriptylin...abends bis 50 mg..(damit ich schlafen konnte), dazu Targin (Opiat) 60mg täglich...

abends zusätzlich Sirdalud 4mg...ach und Citalopram 20 mg..morgens um tags wieder Antrieb zu haben...

und au geschrieben? nicht dran zu denken..voll arbeitsfähig...damit kann man arbeiten..(lt. Doc und lt. MD-der Krankenkasse sowie Rentenversicherung)...

klar...ich bin beruflich Autofahrer....im Vertrieb und Marketing tätig..d.h. täglich auf der Autobahn, täglich mit Kunden zu tun..täglich 100e km fahren...

aber mit diesen Medikamenten kann man gefahrlos Autofahren und konzentriert Gespräche führen (lt. Ärzten, MDK und RV)

 

Die Dosierung des Amitriptylin war zwar nicht für bzw. gegen Depressionen gedacht...sondern wurde in der Schmerztherapie eingesetzt..aber schläfrig und müde macht das Zeug trotzdem...nie und nimmer hätte ich damit Auto fahren dürfen..geschweige denn Verträge anfertigen und unterschreiben...

 

bis ich eines Tages selber gemerkt habe..so gehts nicht weiter..und alles langsam ausgeschlichen habe.....nach 4 langen Jahren!!

 

Gut, dass das jemand mal so deutlich schildert, denn SO sieht es nämlich in echt aus.

Würden diejenigen, die diese Pillen und Tropfen (Medikamente erscheint mir schon gar nicht mehr als das richtige Wort dafür, es suggeriert ja immer auch Hilfe und Heilung) in aller Ehrlicheit von den obligaten Nebenwirkungen( Wir reden ja nicht von exotisch seltenen, sondern von zwangsläufigen, wirkstoffimmanenten) sprechen bzw. diese in eine Verschreibung miteinbeziehen, dann dürften sie sie, getreu dem hypokratischen Eid, ja gar nicht verschreiben.

Die Realität aber sieht so aus, dass es weitaus billiger und für die produzierende (=Pharma-)Industrie lukrativer ist, Arbeitnehmer mittels solcher Medikamente arbeitsfähig (angeblich!, siehe Beispiel Norddeutsche) zu machen / halten, als, nehmen wir das Beispiel Schmerzerkrankung, umgehend (bevor es chronisch wird) eine entsprechende Kur / Reha zu finanzieren.

Analog wird das sicher auch im psychischen Bereich mit Beispielen zu unterlegen sein.

Gast2 hat mich in dem Zusammenhang scheinbar auch völlig falsch verstanden, ich resigniere weder noch halte ich Zwang für das Mittel der Wahl, ganz im Gegenteil ;-)

Ich halte lediglich jeglichen juristischen Weg nicht für eine Lösung des Problems.

Heutzutage wird es als state of the art deklariert, bei Depressionen entweder trizyklische AD oder SSRI zu verschreiben, vor ca hundert Jahren hieß das Ganze noch Melancholie und wurde (Von Ärzten verordnet!!!) mit Kokain behandelt.

Da schütteln wir uns heut doch vor Empörung und Fassungslosigkeit, oder?

Dabei ist die Abschaffung der Lobotomie noch gar nicht so lange her, gell.

Will sagen, der Holzweg, auf dem sich Teile der Medizin da befinden, ist nicht durch juristische Mittel zu einem bruch- und absturzsicheren, stabilen und gangbaren Weg zu verwandeln.

Dass ab jetzt vermutlich KEIN Pilot jemals mehr irgendwo Depressionen angeben wird, ist hoffentlich klar?

Im Übrigen kenne ich aus dem privaten Bereich ein Beispiel, wo eine Pilotin (einer deutschen Airline), die zunehmend unter Depressionen gelitten hat, aber jahrelang darum kämpfen musste, deswegen für berufsunfähig erkärt zu werden.

Was also das betrifft, kann ich da wirklich nur dem von Herrn Spnsel verlinkten Bericht in der Zeit von Thomas Fischer beipflichten.

Ein Zitat daraus (Wobei man im Prinzip den kompletten Artikel zitieren müsste!):

"Lange bevor die Lage geklärt, die Abläufe rekonstruiert und die Ursachenvarianten geprüft sind, hat man auch diesmal den "Schuldigen" entdeckt. Seither rätseln die Bürger über die Depression und die durch sie verursachten Gefahren, als ob sie nie davon gehört hätten. Gerade eben lasen wir doch noch, die Depression sei eine Volksseuche!

Abgeordnete fordern nun die sofortige Abschaffung jeder Gefahr durch depressive Piloten. Das Mittel der Wahl soll die Offenlegung von Diagnosen und ärztlichen Berichten über Patienten sein, die es geschafft haben, einen Arbeitsvertrag als Pilot (oder an anderen sicherheitsrelevanten Plätzen) zu erlangen. "

0

1) Ist Quatsch. siehe § 5 EFZG, Gesetzt verlang verlangt also keine sofortige Krankschreibung, Arbeitgaber kann eseine sofortige AU-Bescheinigung zwar nach Abs. 1 Satz 3 verlangen, die meisten Firmen nachen das aber nicht.
Fraglich, ob das Fluggesellschaften generell könnten. Die Erstattung des Arbeitgebers steht im AAG, bvbei der Erstattung der Entgeltfortzahlung bei AU gibt es eine Betriebsgröße von 30 Arbeitnehmetn, unzer die Fluggesellschaften wohl selten fallen. Auch im AAG ist nicht vorgesehen, dass der Arbeitgeber die Erstattung für die ersten 3 Tage nur erhält, wenn er eibe AU-Bescheinigung vorlegen kann.

2

Nachdem hier alles gelöscht wurde (zu Recht, da die Diskussion am Thema völlig vorbeilief) nochmal kurz zur Klarstellung:

 

Mein Name schrieb:

"Eine Aufweichung der ärztlichen Schweigepflicht würde dazu führen, dass die Patienten sich nicht AU schreiben lassen (wozu sie sowieso erst ab dem 3. Tag gesetzlich verpflichtet sind), sondern sich ein Rezept ausstellen lassen. "

 

Es geht gar nicht darum, was zur Zeit gesetzlich im Rahmen der Lohnfortzahlung vorgeschrieben ist.

Es geht darum, dass der medizinisch korrekt handelnde Arzt auf keinen Fall starke Psychopharmaka rezeptieren darf (diese wurden auch verschrieben), ohne dafür zu sorgen, dass bestimmte Patienten (dazu gehören zweifellos Piloten) der Arbeit fernbleiben. Das ist kein Problem der Lohnfortzahlung, sondern ein medizinisches Problem. Der Arzt, der also Neuroleptica, starke Sedativa o.ä. rezeptiert und schulterzuckend billigend in Kauf nimmt, dass der Pilot weiterhin fliegt, macht sich zumindest mitschuldig am Unglück. Diesbezüglich hat "Norddeutsche" völlig recht.

Allerdings hat der Arzt zur Zeit nur sehr begrenzte Möglichkeiten, zu kontrollieren, ob der Patient sich auch tatsächlich an die Krankschreibung hält oder diese zerreißt und in den Mülleimer schmeißt. So geschehen.

Deshalb meine Gedanken hierzu:

Schon jetzt wird die Krankmeldung nicht etwa geheimgehalten, sondern (zumindest bei gesetzlich Versicherten) auch der Krankenkasse übersandt. Dieses System könnte ausgeweitet und verbessert werden. Extremvorschläge der Politiker gehen dahin, die ärztliche Schweigepflicht aufzuweichen. Das muss nicht sein. Es genügt, ein weitestgehend anonymisiertes Meldesystem zu schaffen, bei dem eine neutrale Stelle (eine Behörde) diese Krankmeldungen aller Menschen in Deutschland zentral sammelt (etwa die AOK) und dann nur zwei Dinge grundsätzlich an den Arbeitgeber weiterleitet:

 

1) Name des Arbeitnehmers

2) die Tatsache der Krankschreibung

 

Nicht übermittelt werden also:

1) Art der Erkrankung

2) Name des Arztes oder auch des Fachgebietes.

 

Das System wäre sogar neutraler als das heutige, da heutzutage auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Name des behandelnden Arztes und dessen Fachgebiet steht. Zukünftig würde der Arbeitgeber nicht einmal erfahren, dass die Krankheit orthopädisch oder eben psychisch ist.

 

ABER: der Arbeitgeber würde auch in solchen Fällen, wo die Krankschreibung medizinisch zwingend erforderlich ist, von der Krankschreibung erfahren. Dieses System fehlt heutzutage noch in Deutschland. Tatsächlich kann der Patient heutzutage frei entscheiden, ob er von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Gebrauch machen will und sie dem Arbeitgeber vorlegt oder eben nicht. In diesem Fall war es eine verheerende Fehlentscheidung des wohl schwer erkrankten Patienten: er hielt sich für arbeitsfähig, trotz der Einnahme der rezeptierten Psychopharmaka, ging zur Arbeit. Und die Ärzte log er an.

 

Wüsste der Arbeitgeber hingegen von der bloßen Tatsache einer Krankschreibung seines Mitarbeiters,  könnte er im Falle eines Piloten dann den betreuenden Flugmediziner heranziehen, der im Falle einer vorzeitigen Arbeitsaufnahme eigene Tests machen kann (und insbesondere im Falle einer vorzeitigen Arbeitsaufnahme vom Piloten verlangen kann, seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden). Das ginge theoretisch heute auch schon, nur erfährt eben der Arbeitgeber heutzutage nicht immer von der Krankschreibung.

 

Hiergegen wurde eingewandt:

"Und wenn sie das [Rezept] nicht kriegen, beschaffen sie sich die Medikamente im Internet. Alles in allem das Gegenteil einer Verbesserung."

 

Ja wo sind wir denn? Sollen sich Ärzte erpressen lassen und zu billigen Pharmalieferanten, Dopinglieferanten degradiert werden? Ja, das sehe ich völlig anders: Solche Medikamente dürfen ohne effektive Krankschreibung nicht rezeptiert werden, und wenn der Pilot sich auch aufführt wie Rumpelstilzchen oder damit droht, sich dann die Medikamente eben schwarz zu besorgen. Ein solcher offensichtlich renitenter Pilot wird eben namentlich der Luftaufsichtsbehörde gemeldet.

Wenn die Piloten aber deshalb gar nicht mehr privat zum Arzt gehen, sondern nur noch zu den vorgeschriebenen flugmedizinischen Kontrollen?

Wenn tatsächlich Piloten sich deshalb zukünftig massenhaft Medikamente auf dem Schwarzmarkt besorgen sollten (mir sind einige bekannt, und tatsächlich haben die Piloten schon jetzt eine gewisse Tendenz zur Selbstmedikamentation, weil sie Angst vor Medizinern haben) dann muss eben Drogenscreening eingeführt werden. In der Form wie Dopingkontrollen, nämlich unvorangekündigt, häufig, nach dem Zufallsprinzip. Wer positiv getestet wird, fliegt raus. Ganz wie bei positiv getesten Sportlern. Was bei Millionen Sportlern jährlich funktioniert, dürfte auch bei ein paar Piloten möglich sein.

 

Im übrigen muss natürlich dafür gesorgt werden, dass erkrankte Piloten nicht etwa von der Kündigung bedroht sind und durch die Krankheit ins Bodenlose fallen, insbesondere wenn sie wirklich die Fluglizenz verlieren. Es kann nicht sein, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung privat gezahlt werden muss (was insbesondere Piloten kleinerer Gesellschaften finanziell gar nicht stemmen können).

 

0

@gast2

Ihre Intention ist wohl verständlich, dennoch stellt sich die Frage, ob der Ruf nach einer vermeintlichen Arzthaftung praktisch überhaupt umsetzbar ist.

Folgt man Ihren Überlegungen und wird die Krankmeldung ohne Kennzeichnung der Art der Erkrankung an den Betriebsarzt übermittelt, kann der Pilot diesem gegenüber behaupten, er habe Magenkrämpfe gehabt.

Ihre dargestellte Kette ist nicht manipulationssicher. Den Arzt in die Haftung zu nehmen und ihm sogar die Approbation abzuerkennnen, wenn der Pilot trotz Psychopharmakaverschreibung fliegt, ist -mit Verlaub- geradezu absurd.

Woher soll der Arzt denn wissen, dass er einen Piloten vor sich hat?

 

Für grundsätzlich denkbar halte ich eine Vertragsgestaltung zwischen dem Piloten und der Fluggesellschaft, die eine Überprüfung der Flugtauglichkeit ermöglicht.

Ein regelmässiges Drogenscreening sollte m.E. zulässig sein. Ehrlich gesagt, bin ich mir aber nicht 100% sicher, ob dafür nicht noch weitere gesetzliche Grundlagen geschaffen werden müssten. (Nebenbei würde ich solche Drogentests auch für Bundestagsabgeordnete begrüssen, aber dann ist wohl Aufstand im Schlaraffenland...allein die Leberwerte...)

 

Gänzlich problematisch erscheint mir der "regelmässige, fachkundige Blick eines psychologischen Experten".

 

Wie soll das denn gehen?

 

In der Diskussion sind doch entsprechende "medizinische" Indizien angeführt worden:

Aus dem Umstand, dass der Co-Pilot seiner Freundin gesagt haben soll, von ihm würde man noch Grosses berichten, wird "medizinisch" folgendes konstruiert:

Narzistischer Persönlichkeitsstil mit paranoider Grössenidee.

Gehts noch?

Welch inhaltsleere Nichtssagerei im Gewande frei geschöpfter Worthülsen-Fachtermini.

Man stelle sich nur vor, das Flugzeug wäre sicher in Düsseldorf gelandet, dann wären solche Feststellungen eine reine unverschämte Frechheit. 

Diese medizinischen "Indizien" erhalten ihren Aussagewert doch nicht durch den Erkenntnisgewinn, sondern ziehen ihren Gehalt aus dem geschehenen Unglück.

Die Menschen stehen fassunglos vor diesem Rätsel menschlichen Handelns und suchen nach einer Erklärung.

Und dann kommt so ein Scharlatan und sagt: "Wissenschaftlich ganz klar Narzismus mit paranoidem Grössenwahn mit Anzeichen einer bipolaren Störung."

Erklärt ist damit gar nichts. Aber klingt gut. Und alle sind getröstet, da man ja jetzt weiss, was los war. Welch Placebo Effekt! Welch Lug und Trug! Aus dem Sinn- und Trostbedürfnis Kapital schlagen! Wie schändlich.

 

Man stelle sich die zivilrechtliche Entschädigungsfrage einmal vor, wenn der Arzt aufgrund dieses Indizes ("Man wird noch Grosses von mir hören") eine Fluguntauglichkeit bescheinigt.

Absolut unhaltbar. 

Natürlich werden die Experten ganz weise vorgeben, sie bräuchten halt mehr Daten um eine gesicherte Aussage zu treffen.

Auch ein grosser Haufen Mist bleibt Mist.

Wissenschaftliches Einordnugnskriterium ist zuerst einmal auch die genetische Präposition.

Halten Sie es mit einer freiheitlichen demokratischen Ordnung für vereinbar, wenn man den Pilotenschein deshalb verweigert, weil die  Eltern sich in einer depressiven Phase dem Suizid hingegeben haben?

In unserer augeklärten Zeit? Ein bisschen Prädestinationslehre mit einem Schuss Erbsünde???

Man wird immer auf Aussagen des Probanden und die Einordnung durch einen "Fachmann" angewiesen sein.

Bei dieser Versuchsanordnung sind schon zwei Stellen drin, die dem Ganzen die Objektivierbarkeit nehmen. 

Selbst wenn der Proband sagen sollte: "Manchmal denke ich darüber nach, wie es wäre die Kiste gegen den Berg zu fliegen."

Damit wäre nichts gesagt. Kann man so oder so interpretieren.

Ich  gebe Ihnen mal ein Beispiel:

Wir haben Tatrichter A und B.

A sagt: "Ich halte mich an Recht und Gesetz und entscheide mich für das, was angemessen ist."

B sagt: "Wenn ich manche unsympathischen Typen schon sehe, möchte ich beim Strafmass am liebsten noch 1 Jahr obendrauf geben."

Welcher ist wohl eher für den Richterdienst geeignet?

Der komplett vernagelte A, der zwar in der Lage ist, locker zu einer Überzeugungsbildung zu kommen und dabei nachts auch noch ruhig schlafen kann?

Oder der B, dem bewusst ist, dass er stets in einer Entscheidungssituation unter Unsicherheit steht und die Lückenfüllung oftmals mit subjektivem Wertungen vornehmen muss und das auch reflektieren kann?

 

Es lässt sich gar nicht sagen, wer von den beiden im Einzelfall wohl den Zweifelsgrundsatz eher anwendet. Und schon gar nicht, wer zu "gerechteren" Urteilen kommen wird.

 

Warum soll sich denn ein Pilot nicht mit den Möglichkeiten seines eigenen Versagens auseinandersetzen? 

Und warum sollte ein Pilot nicht über Selbstmord nachdenken dürfen?

Ist die Philosophie des Existenzialismus so spurlos an uns vorüber gegangen?

War es nicht Sartre, der gesagt hat: "Selbstmord ist die logische Wahl in einer absurden Welt."? 

Der Ruf nach mehr Datentransparenz führt jedenfalls ins Leere, denn selbst in den USA, das zeigt eine ebenfalls in den vergangenen Tagen von der "Times" veröffentlichte Analyse, wo es längst Lockerungen der Arzt-Schweigepflicht gibt, lautet die ernüchternde Erkenntnis: Der Patient wird dadurch nur noch weiter in ein Vorgaukeln von Normalität getrieben, unerreichbar für Ärzte und andere Hilfsangebote. Das vermeintliche Frühwarnsystem wird somit zum Risikoverstärker. Und der Kurzschluss kommt noch unvorhergesehener als zuvor.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/a-1026941.html

Bei 30 Millionen Flügen geht das 4U9525 Risiko gegen 0

Das heißt, es gibt risikotheoretisch betrachtet keinen Grund für die durch den Flug 4U9525 losgetretene Sicherheitshysterie, die in ungeheuerlichen Einmaligkeit des Ereignisses, ihrer medialen Aufbereitung und Vermarktung steckt. 

Im übrigen sollten die bisherigen gesetzlichen Vorkehrungen zur Schweigepflicht im Grundsatz ausreichen.

Hinzu kommt natürlich: alles was wirkt, hat auch Nebenwirkungen. D.h. nicht alles an sich betrachtet Gute, hat nur gute Wirkungen und manchmal verkehren sich die guten Absichten sogar in ihr Gegenteil (Prohibition). In der Pädagogik hat Spranger deshalb vom Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen gesprochen.

Und schließlich sollte man auch nicht vergessen, dass Therapie in der Regel Motivation, Einsicht und Mitwirkungsbereitschaft voraussetzt.

5

Statistische Vergleichbarkeit

Vielen Dank für die Mitteilung dieser Studie:

astroloop schrieb:

Amerikanische Studie zu Selbstmord mit Flugzeug in den Jahren 2003-2012 in den U.S.

8 Fälle aus 2758 tödlichen Abstürzen waren suizidal motiviert. (=0,28%)

50% davon mit toxikologischen Auffäligkeiten

http://ntl.bts.gov/lib/51000/51100/51188/201402.pdf

Der Studie nach waren "außer" den Suizidanten keine Opfer angegeben.

"Six of the 8 airmen (75%) had thought of suicide, talked about suicide, attempted suicide before, and/or left a suicide note. Specifically, 5 had expressed recent thoughts of suicide (63%), 4 (50%) left a suicide note, and 1 had previously attempted suicide (13%). Also, 7 of the 8 victims (88%) had experienced domestic problems (88%), criminal issues (13%), and/or depression (25%) prior to their suicide." (p. 3)

Eine vergleichbare Risikostatistik sollte große Maschinen und entsprechende Opferzahlen ausweisen. Da fällt mir derzeit nur 09/11 mit vier Maschinen ein, wobei die Motive der Terroristen ziemlich sicher keine echt suizidalen waren, sondern Inkaufnahmen.

 

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