Mindestlohn und Sportvereine – die Diskussion geht weiter
von , veröffentlicht am 19.03.2015Ende Februar wollte die Bundesarbeitsministerin einen – der zahlreichen – Streitpunkte zum neuen Mindestlohngesetz entschärfen und verkündete nach einen Treffen mit den Spitzen von Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) und Deutschem Fußball-Bund (DFB) in Berlin, Amateur-Vertragsspieler im deutschen Sport fielen nicht unter das Mindestlohngesetz. Frau Nahles argumentierte: Vertragsspieler bekämen in der Regel eine geringe Aufwandsentschädigung als Minijobber. In diesen Fällen stehe nicht die finanzielle Gegenleistung, sondern der Spaß an der Sache im Vordergrund. Deshalb könnte man hier nicht von einem klassischen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sprechen. Dies gelte im Übrigen nicht nur für den Fußball, sondern für alle Sportarten mit Vertragsspielern. Eine Beruhigung ist durch dieses Statement der Ministerin hingegen nicht eingetreten. Insbesondere die Vereinigung der Vertragsfußballspieler e.V. (VDV) widerspricht dieser autoritativen Leseanleitung mit beachtlichen Gründen. In der Erklärung der VDV heißt es: „Maßgebend ist nämlich nicht die individuelle Einschätzung einer einzelnen Ministerin, sondern einzig der vom Bundestag beschlossene Gesetzestext in seiner gültigen Fassung. Dieser Gesetzestext sieht keine Ausnahmeregelungen für Vertragsspieler vor, die auf Minijobbasis angestellt sind.“ Und weiter heißt es: „Vertragsspieler sind grundsätzlich Arbeitnehmer mit entsprechenden Rechten und Pflichten. Es wird von ihnen auch verlangt, dass sie ordnungsgemäß am Spiel- und Trainingsbetrieb teilnehmen. Anderenfalls drohen ihnen arbeitsrechtliche Konsequenzen.“ Schützenhilfe erhält der VDV durch Thomas Hey (Clifford Chance) in einem Beitrag für die FAZ (vom 18.3.2015, S. 16). Hey stellt klar, dass für die Personengruppe „Vertragsamateure“ eine Sonderbehandlung im Mindestlohngesetz nicht vorgesehen ist. Sodann fährt Hey fort: „Fest steht, dass auch die Bundesarbeitsministerin eine Korrektur des Gesetzes nicht einfach so vornehmen kann. Der Mindestlohn gilt für alle Beschäftigten, auch für Fußballspieler. Diese Aussage von Andrea Nahles ist rechtlich bedeutungslos. (…) Jede Entscheidung über ein in Kraft befindliches Gesetz erfolgt ausschließlich durch die Judikative. (…). Lücken im Bereich des Amateursports mit ministerieller Lesart auszufüllen ist kein zulässiger Weg.“ Abschließend empfiehlt Hey der Ministerin den richtigen Weg: die Anpassung durch ein Änderungsgesetz. Anderenfalls – so ließe sich hinzufügen – werden die Arbeitsgerichte - vermutlich kaum beeindruckt durch die Aussagen der Ministerin – die Anwendbarkeit des Mindestlohngesetzes prüfen.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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4 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenNahles-Kritiker kommentiert am Permanenter Link
Wenn die Nachrichten stimmen, dann maßt sich Frau Ministerin Nahles eine Macht und Befugnis an, die ihr nicht zusteht.
Auch wenn sie Ministerin ist, so gibt ihr das Amt keine Befugnis, sich über das vom Volk demokratisch gewählte Parlament hinwegzusetzen.
Ähnliche Attitüden der Mißachtung der Gewaltenteilung und der Kompetenzanmaßung sind allerdings auch schon bei anderen Politikern gesehen worden.
Frau Nahles ist also kein neuartiger Einzelfall.
Vielleicht haben die Nachrichtenagenturen aber Frau Nahles auch falsch verstanden.
Vielleicht wollte sie bloß sagen, daß sie politisch für eine Änderung des Gesetzes werben will.
Daß ihr der Unterschied eventuell nicht bewußt sein könnte, daß möchte ich ihr nicht unterstellen.
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Die Spielordnung des DFB ist eindeutig:
Dass Nahles bewusst ein unverändertes Gesetz nicht zur Anwendung bringen will, hat sie eindeutig klargestellt - anders lassen sich ihre Äußerungen nicht interpretieren:
Neugierige kommentiert am Permanenter Link
@ Nahles-Kritiker
warum sollte eine Ministerin nicht entscheiden können, welche Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden und welche nicht. Gilt hier bei der Verfolgung nicht das Opportunitätsprinzip?
@ MeinName
Kann ein privater Verein durch eine Spielordnung Arbeitnehmer von Nichtarbeitnehmern abgrenzen?
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@ Neugierige: der DFB und seine Landesverbände verpflichten alle am Spielbetrieb teilnehmenden Vereine, bei Zahlungen an Spieler von 250 Euro und mehr pro Monat für das Abführen von Steuern und Sozialabgaben zu sorgen. Ab dieser Grenze sind die Spieler also mindestens Minijobber, die auch aus dem Spielervertrag arbeitsrechtliche Pflichten haben und es wird schwierig, da noch in Richtung einer reinen Spaßveranstaltung zu argumentieren.
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat als Richtgröße 250-350 Euro angegeben, Vertragsamateure verdienen teilweise das 10-fache.
Man sollte auch bedenken, dass die dort verwendete Argumentation "weil sie so wenig verdienen, steht das Erzielen eines Einkommens nicht im Vordergrund" ein Zirkelschluss ist, mit dem sich jedweder Lohnwucher rechtfertigen lässt: man muss den Lohn für einen Teilzeitjob nur weit genug absenken und schon ist man kein Arbeitnehmer mehr, weil die paar Almosen kein nennenswertes Einkommen mehr sind.
Wenn das Schule macht, was hindert Gastronomen und Hoteliers dann daran, Vereine mit dem Zweck des hobbymäßigen Kellnerns und Putzens zu gründen und ihre Leistungen nur noch von Mitgliedern solcher Vereine erbringen zu lassen? Friss oder stirb, wenn du den Job willst ...
Auch bei der Anwendung des Opportunitätsprinzips ist übrigens die Gleichheit vor dem Gesetz zu beachten. Eine ganze Branche nicht zu kontrollieren dürfte schwerlich mit dem GG vereinbar sein.