BVerfG-Vorlage zum Anschlussverbot bei sachgrundloser Befristung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 10.03.2015

Der Beschluss ist zwar schon fast ein Jahr alt, war mir aber bislang durchgegangen: Das ArbG Braunschweig hält das sog. Anschlussverbot bei sachgrundloser Befristung für verfassungswidrig und hat § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG deshalb dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Unzulässig ist eine solche Befristung nach Satz 2 der Vorschrift dann, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. In einer erstaunlichen (und viel kritisierten) Kehrtwende hatte das BAG 2011 den Begriff "zuvor" nicht mehr im Sinne von "jemals zuvor", sondern von "innerhalb der letzten drei Jahre" uminterpretiert (BAG, Urt. vom 6.4.2011 - 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905; Urt. vom 21.9.2011 - 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255; anders früher z.B.. BAG, Urt. vom 6.11.2003 - 2 AZR 690/02, NZA 2005, 218). Nicht alle Landesarbeitsgerichte haben sich dieser Auffassung angeschlossen.

Das ArbG Braunschweig geht nun die "verfassungsorientierte" Auslegung des Begriffs "zuvor" durch das BAG nicht mit, sondern versteht ihn so, wie er auch im Gesetzgebungsverfahren und der lange Zeit herrschenden Meinung verstanden worden war, nämlich im Sinne von "jemals zuvor". Mit diesem strikten Anschlussverbot aber verstößt § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zur Überzeugung des ArbG Braunschweigs gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Denn er greife in unverhältnismäßiger Weise in die Vertragsfreiheit ein. Deshalb hat das Arbeitsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren ausgesetzt und holt die Entscheidung des BVerfG darüber ein, ob § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungskonform ist.

(ArbG Braunschweig, Beschluss vom 3.4.2014 - 5 Ca 463/13, BeckRS 2014, 70860)

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24 Kommentare

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Ich glaube nicht, dass die Regelung für verfassungswidrig erklärt wird. Zum einen ist die Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zwingend, sondern nur eine der Auslegungsmöglichkeiten. Zum anderen hat das Bundseverfassungsgericht schon eine minimal mildernde höchstrichterliche Auslegung als ausreichend für die Verhältnismäßigkeit angesehen (Beschl. v. 15.01.2008, Az. 1 BvL 2/04, Rn. 130 f., http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20080115_1bvl000...). Deshalb erwarte ich, dass das Gesetz in Gestalt der BAG Rechtsprechung für verfassungsgemäß erklärt wird.

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Die Auslegung im Sinne von "jemals zuvor" ist nach dem Willen des Gesetzgebers zwingend ! (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/4374,S.14: künftig nur bei Neueinstellung zulässig, d.h. bei der erstmaligen Beschäftigung) Ausführlich dazu z.B. LAG Baden-Württemberg (7 Sa 64/13) sowie Wedel, AuR 2011,413; 2014,31.

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Die BT-Drs. 14/4374 dokumentiert nicht den Willen des Gesetzgebers, sondern die Vorstellungen der damaligen Bundesregierung, die eben nicht der Gesetzgeber, sondern die ausführende Gewalt ist.

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Die historische Auslegung (= Wille des Gesetzgebers) ist, wie bereits geschrieben, nur eine mögliche Auslegungsmöglichkeit. Sie ist aber keinesfalls zwingend. Ich denke da an den Klassiker "gefährliches Werkzeug" nach § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB:

Quote:

Der Gesetzgeber hat den Begriff des gefährlichen Werkzeugs dem Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 223a Abs. 1 StGB aF bzw. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nF) entnommen. Er war der Ansicht, auf die zu dieser Vorschrift entwickelten Auslegungskriterien könne auch bei der Interpretation des wortlautgleichen Tatbestandsmerkmals des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB zurückgegriffen werden (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 13/9064 S. 18).
[...]
In Rechtsprechung und Literatur besteht mittlerweile allerdings weitestgehend Einigkeit darüber, dass für die Auslegung des Begriffs "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB die vom Gesetzgeber angeregte Orientierung an der genannten Definition dogmatisch verfehlt bzw. systemwidrig ist (vgl. [...]). Denn anders als bei der gefährlichen Körperverletzung, die "mittels" des gefährlichen Werkzeugs begangen wird, stellt das andere gefährliche Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB - wie im Falle von § 177 Abs. 3 Nr. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB - gerade kein Tatmittel dar. Für die Verwirklichung des Tatbestandes reicht nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes vielmehr das bloße Beisichführen aus, so dass es - im Gegensatz zu § 177 Abs. 4 Nr. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB - zu einer Verwendung im konkreten Einzelfall, an deren Art die Gefährlichkeit gemessen werden könnte, nicht kommt ([...]).

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Ger...

Auch die bei LAG Baden-Württemberg (7 Sa 64/13) zitierte BVerfG Rechtsprechung lässt zwar den Gesetzesmaterialien eine "nicht unerhebliche Indizwirkung" zukommen. Die weiteren Auslegungsmöglichkeiten werden aber jedenfalls daneben für anwendbar erklärt.

Wenn schon die bloße Systemwidrigkeit den erklärten Willen des Gesetzgebers aushebeln kann, dann muss das erst Recht gelten, wenn das Befolgen des Gesetzgeberwillens zur Verfassungswidrigkeit führen würde. Denn auch und gerade der Gesetzgeber ist an die Verfassung gebunden. Wenn nach anderen Auslegungsmöglichkeiten eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist, ist dieser der Vorzug zu gewähren. Ich denke die Entscheidung des BVerfG wird im Ergebnis darauf hinauslaufen.

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zu MT: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine verfassungskonforme Auslegung entgegen Wortlaut und entgegen dem aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren Willen des Gesetzgebers unzulässig. Das ist hier eindeutig der Fall.(vgl. die oben genannten Fundstellen) 

zu formalist: Dass den Gesetzesmaterialien (und dabei insbesondere auch der Gesetzesbegründung) maßgebliche Bedeutung bei der Gesetzesauslegung zukommt wird in der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung immer wieder hervorgehoben.(vgl. z.B. BGH, JurBüro 2013,216, BVerfG NStZ 2014,592 sowie Wedel, JurBüro 2015,61)

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Zu Dr. Wedel: Wenn nach BVerfG (vgl. genannte Fundstelle in #1) entgegen dem Wortlaut in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ein unschädlicher äußerst geringer Anteil Gewerblichkeit hineinzulesen ist, um dessen Verfassungsmäßigkeit zu wahren, dürfte es nicht die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung überschreiten, in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine zeitliche Grenze hineinzulesen.

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Warum wollen Sie (und das BAG) unbedingt etwas "hineinlesen" was gar nicht drinsteht ? Der Wortlaut ist hier eindeutig.

LAG Baden-Württemberg: Die Wortlautakrobatik (Höpfner, NZA 2011,897) und verzweifelten semantischen Bemühungen (Wedel, AuR 2014,31) des BAG wirken gekünstelt und sind wohl dem gewünschten Ergebnis der Entscheidung geschuldet.

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Am Ende kommt's drauf an, was hinten rauskommt.

Was das Wortlautargument angeht: Es gibt sicherlich genügend Beispiele für anerkannte Auslegungen entgegen dem Wortlaut. Spontan fällt mir § 1004 BGB ein, der ja auch nur das Eigentum als Schutzgut nennt.

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es gibt keine anerkannten  A u s l e g u n g e n  entgegen dem Wortlaut, das können dann nur Rechtsfortbildungen sein 

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Sie wären so oder so nach Ihrer Meinung zu § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unzulässig. Wenn dort eine zeitliche Grenze nicht hineingelesen werden darf, steht in § 1004 BGB auch nichts vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das erscheint mir kein zweckmäßiges Ergebnis.

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mein vorheriges Posting war eine allgemeine Aussage, bei § 14 Abs.2 Satz 2 sind Wortlaut und Wille eindeutig, da geht gar nichts

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Kann man so sehen, muss man aber nicht - ich könnte jetzt nochmal auf den Wortlaut § 1004 BGB pochen, aber dann drehen wir uns im Kreis. Wir können uns wohl nur darauf einigen, dass wir uns nicht einig sind.

Mein Ausgangspunkt war schließlich meine Ansicht, dass das BVerfG die Auslegung des BAG zu § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG halten wird. Daran halte ich fest. Man wird sehen, ob das zutrifft.

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Die Ansicht, § 14 (2) S.2 TzBfG "greife in unverhältnismäßiger Weise in die Vertragsfreiheit ein" ist ja schon extrem weit hergeholt. Hunderte, wenn nicht gar Tausende Vorschriften im Bereich des Arbeitsrechts greifen stark in die Vertragsfreiheit ein, vom KSchG über Arbeitsschutzverordnungen bis hin zu § 291 StGB. Ganz im Sinne von Art. 14 GG.

Es gibt genug Möglichkeiten für einen Arbeitgeber, sich einen Sachgrund nach § 14 (1) TzBfG aus den Fingern zu saugen. Nicht zuletzt § 18 TzBfG verdeutlicht, dass unbefristete Arbeitsverträge der Regelfall sein sollen. Daher hat der Gesetzgeber das Recht, wie in § 1 TzBfG dargelegt die Voraussetzungen für eine Befristung nach seinen Vorstellungen festzulegen.

Bislang gibt es weder vom BAG noch vom BVerfG Terminankündigungen. Ich rechne aber damit, dass es aus Erfurt noch dieses Jahr eine Entscheidung gibt, in Karlsruhe wird es siche länger dauern.

Wenn man das Anschlussverbot für verfassungswidrig hält, muss man m.E. erst einmal begründen, warum der Gesetzgeber von Verfassungs wegen überhaupt verpflichtet sein soll, die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages zu ermöglichen.

Christian.Rolfs schrieb:

Wenn man das Anschlussverbot für verfassungswidrig hält, muss man m.E. erst einmal begründen, warum der Gesetzgeber von Verfassungs wegen überhaupt verpflichtet sein soll, die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages zu ermöglichen.

Das wird natürlich schwierig. Aber ware es nicht vertretbar, eine  Ungleichbehandlung arbeitssuchender Personen darin zu sehen, dass nur mit "nie zuvor" Beschäftigten ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis eingegangen werden kann und dadurch die Einstellungschancen der "zuvor" Beschäftigten geringer sind? Einem arbeitssuchenden "zuvor" Beschäftigten dürfte es kaum als sachgerechte Differenzierung zu verkaufen sein, dass er schon mal vor zig Jahren ´dran war und deshalb den Job nicht bekommt. Wenn der Gesetzgeber sich entscheidet, sachgrundlose Befristungen zu ermöglichen, dann darf er diese Option möglicherweise nicht von sachfremden Kriterien wie "niemals zuvor" abhängig machen.

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@ formalist: im Arbeitsrecht gibt es weit größere Ungleichbehandlungen - schauen Sie mal ein paar Themen weiter unten: Kündigung im Kleinbetrieb.

Befristete Verträge verursachen immense volkswirtschaftliche Schäden (einfach mal nach "befristeter Arbeitsvertrag Kinderwunsch" oder "befristeter Arbeitsvertrag Kredit" googlen). Der Gesetzgeber sollte schon im eigenen Interesse das Ziel verfolgen, diese Pest so weit wie möglich einzudämmen. Leider scheinen es beamtete Richter mit ihrer Lebenszeitversorgung nicht zu kapieren, dass damit das unternehmerische Risiko auf die Arbeitnehmr abgewälzt wird, ohne sie an der Belohnung (unternehmerischer Gewinn) teilhaben zu lassen - durch die Steuervermeidung der Unternehmen, die in den letzten Jahren eingerissen hat, werden sie sogar doppelt bestraft.

@ Mein Name

Wenn man die abhängige Beschäftigung und die Unterordnung unter ein Weisungsrecht als erstrebens- und schützenswert ansieht, muss man natürlich sachgrundlose Befristungen als Pest und Kündigungsschutz als Heiligtum ansehen. Aber das amerikanische Gegenmodell scheint trotz der "immensen volkswirtschaftlichen Schäden" auch  im Vergleich zu uns immer noch eine recht erfolgreiche Volkswirtschaft zu sein. Wenn die auch noch unser Arbeitsrecht ohne sachgrundlose Befristungen einführten, wären wir denen gegenüber wahrscheinlich überhaupt nicht mehr konkurrenzfähig.

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@ formalist: es kommt darauf an, was man als "erfolgreich" ansieht und wo man meint, konkurrenzfähig sein zu müssen. Im Lohnniveau nach unten? Sicher nicht. In der Höhe der Unternehmensgewinne? Nicht, wenn davon nur Almosen für die Allgemeinheit übrig bleiben (Art. 14 (2) GG).

Im Human Development Index liegen die USA und Deutschland nahezu gleichauf, obwohl die USA ein um 11% höheres PPP-BIP pro Kopf haben. Im von Michael E. Porter, einem der einflussreichsten Ökonomen überhaupt, entwickelten Social Progress Index liegen die USA um einiges hinter Deutschland. Oder, wie die NYT vergleicht: "Exclude the top 1 percent, and the average French citizen did better [between 1975 and 2006] than the average American" - obwohl die US-Wirtschaft in diesem Zeitraum stärker wuchs. Der Kommentator zieht daraus den Schluss, dass - anders als es das neoliberale Dogma behauptet - steuer- und abgabenfinanzierte Investitionen in soziale Sicherheit, Bildung und Wohlergehen der Bevölkerung die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und nicht vermindern.

Der Kolumnist im Guardian drückt es so aus: "Germany is right - there is no right to profit, but the right to work is essential". Es war gerade das dort erwähnte Bewusstsein für langfristige Entwicklung, das die Bundesregierung im Jahr 2009 das Kurzarbeitergeld von 6 auf 24 Monate verlängern ließ und so Zehn-, wenn nicht gar Hunderttausende Jobs gerettet und eine tiefe Rezession wie in anderen Staaten nach der Finanzkrise vermieden hat.

Zu Ihren Strohmann-Argumenten: natürlich besteht ein Konflikt zwischen den Interessen eines Firmen(anteils)besitzers und denen der Allgemeinheit. Staat und Justiz sind aber nicht auf Partikularinteressen verpflichtet, sondern auf das Wohl der Allgemeinheit (und seit die Hoteliersteuersenkungs- und Hotelierspendenempfängerpartei nichts mehr zu sagen hat, ist man ja auf dem richtigen Weg). Manchmal muss der Staat seine Bürger eben zu ihrem Glück zwingen - seien es Kinder mit der Schulpflicht oder Unternehmer im Bereich soziale Sicherheit und langfristigem Denken. Umso mehr, als letztere die  wichtigste Erkenntnis eines Unternehmers vergessen zu haben scheinen: Autos kaufen keine Autos. Und befristet Beschäftigte auch nicht, weil sie keinen Kredit bekommen. Sie verschieben die Familiengründung nach hinten und konsumieren weniger. Und sie arbeiten schlechter, wenn sie nach der zweiten Befristungsverlängerung das Karotte-vor-der-Nase-Spielchen durchschaut haben und sich nicht mehr verarsçhen lassen. Wohl kein Zufall, dass inhaber- bzw. familiengeführte Unternehmen, die ihre Mitarbeiter langfristig binden, eine höhere Rendite einfahren als Kapitalgesellschaften mit Kurzfrist-Managern - und das auch in Krisenzeiten.

@ Mein Name

Das ist jetzt aber eine politisch inkorrekte Ausgrenzung, Firmen(anteils)besitzer, Unternehmer, Arbeitgeber etc. nicht zur Allgemeinheit zu zählen. Auch wissenschaftlich dürfte es  nicht haltbar sein, bei einer volkswirtschaftlichen Betrachtung, einfach die Vorteile einer nicht genehmen Gruppe auszublenden, um volkswirtschaftliche Schäden zu postulieren. Und die Auffassung, man könne jemanden zu seinem Glück zwingen, setzt eine fremdbestimmte Definition vom Glück voraus, die zwar totalitären Systemen als Rechtfertigung dient, aber tendenziell eher selten zu volkwirtschaftlichem Erfolg geführt hat.

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@ formalist: ich gebe zu, dass ich nicht immer juristisch 100% korrekte Formulierungen verwende, sondern mich lieber griffig und allgemein verständlich ausdrücke (das ist ja schließlich ein Blog und keine Hausarbeit).
Was ich sagen will: der Gesetzgeber hat das Recht, Rechte seiner Bürger nicht nur durch Rechte, sondern auch durch Pflichten zu gewährleisten, wenn dies zweckmäßig erscheint. So z.B. beim Recht auf Bildung (als internationaler Vertrag "nur" Gesetzesrang), das nicht als einklagbares Recht, sondern als Schulpflicht kodifiziert ist (was immerhin mit dem grundgesetzlichen Recht der Eltern auf Erziehung kollidiert).
Verfassungsrang hat jedoch "Eigentum verpflichtet" - und das gilt auch für das Eigentum an Produktionsmitteln. Ihr Gebrauch soll dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Einschränkungen der Eigentümer, die nicht massiv in das Freiheitsrecht eingreifen, sind daher keinesfalls verfassungswidrig. Und da ist, wie bereits erwähnt, § 14 (2) TzBfG angesichts der vorhandenen, zahlreichen Möglichkeiten in § 14 (1) ein weitaus weniger massiver Eingriff als zahlreiche andere, bereits bestehende Regelungen.

@ Mein Name

Na, da sind wir uns doch einig. Nur meine ich, dass es wenig überzeugend und formal angreifbar ist, Partikularinteressen, seien es die von befristet Beschäftigten mit Kinder- und/oder Kreditwunsch oder die von Unternehmern mit dem Wunsch zur Verringerung von Transaktionskosten beim Personalabbau zu "volkswirtschaftlichen Schäden oder Wohlstandsgewinne" hochzustilisieren und das auch noch als verfassungsrechtliches Argument unterbringen zu wollen.

Mir geht es eigentlich nur um die Frage, ob es im Hinblick auf Art. 3 I GG angreifbar ist, dass derjenige schlechtere Einstellungschancen (=Wahrnehmung von Art. 12 GG) hat, der als Schüler vor 30 Jahren mal drei Stunden beim Firmeninhaber=Vertragsarbeitgeber als Babysitter gearbeitet, weil er nicht die gleiche Vertragsgestaltung (sachgrundlos befristeter Vertrag) anbieten kann, wie sein Mitschüler, dessen Lebenslauf sich nur dadurch unterscheidet, dass er seinerzeit zufällig nur beim Nachbarn gejobt hat. Denn das schien mir der Hintergrund der BAG-Entscheidung zur 3 Jahresfrist zu sein.

Wenn man das bejaht, brächte man m. E. nicht so weit wie Prof. Rolfs zu gehen, eine Herleitung einer verfassungsmäßige Pflicht zur Ermöglichung sachgrundloser Befristungen zu verlangen.

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Man muss sich auch einmal die Konsequenzen der BAG Rechtsprechung vor Augen führen! Das BAG ist der Auffassung mit seiner 3-Jahres-Rechtsprechung "Befristungsketten" effektiv Einhalt zu gebieten. Gleichzeitig hat das BAG anerkannt, dass die tarifvertragliche Erweiterung der sachgrundlosen Befristung auf 3,5 Jahre völlig in Ordnung ist. Solche Tarifverträge gibt es überall, vor allem in der Zeitarbeitsbranche.

Da können Sie den Arbeitnehmer einfach alle 3,5 Jahre zwischen zwei Arbeitgebern hin und her schieben und haben sachgrundlose Befristung bis zur Rente. Das geht dann sogar auf exakt dem gleichen Arbeitsplatz, 3,5 Jahre als Leiharbeitnehmer für den Verleiher, die nächste Zeit als befristet Beschäftigter direkt beim vormaligen Entleiher. Das muss man erstmal schaffen, diese Rechtslage als effektiven Schutz vor Dauerbefristung zu verkaufen.

Ja, die zwei Arbeitnehmer stehen in einem ungleichen Wettbewerb, wenn der eine befristet für 2 oder 3,5 Jahre eingestellt werden kann und der andere nur sechs Monate mit Sachgrund zur Erprobung. Die Dramatik, die das BAG dem zuspricht, erscheint mir indes übertrieben. Wer stellt denn bei zwei Arbeitnehmern den schlechteren Kandidaten ein, weil er den länger befristet beschäftigen kann? Diese ungleiche Ausgangslage ist aus meiner Sicht aber auch hinzunehmen, weil man andernfalls überhaupt keinen Schutz gegen Dauerbefristung hinbekommt.

 

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