Von Alibaba zu ABIDA – ein neues Forschungscluster zu Big Data in Münster

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 10.02.2015

Die geheime Macht der Information spürte schon Alibaba, als er das Paßwort zum Ausgang aus der Schatzhöhle vergaß (siehe Hoeren, MMR 1998, Beilage 9, 6 ff.). Und heute im digitalen Zeitalter sind Daten geldwert, sind Informationen die Währung des Internet. Es immer größere Datensammler, Datenkontrolleure, Datenauswerter. Die Macht von Google oder Facebook entzieht sich ebenso der klassischen Rechtsordnung wie die Daten-Begehrlichkeiten der Sicherheitsbehörden.

Hier setzt nun ABIDA ein. Unter diesem Namen startet zum Frühjahr 2015 am ITM (Universität Münster) das interdisziplinäre Forschungscluster ABIDA (Assessing Big Data). ABIDA ist ein BMBF-Projekt, das das ITM und das Karlsruher Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) geschäftsführend organisieren. Dem Projekt angeschlossen sind ferner die HU Berlin, die TU Dortmund, die LMU München sowie nicht zuletzt dem Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover. Das Projekt wird mit ca. 7  Millionen Euro finanziert, verteilt auf 4 Jahre.

Inhaltlich geht es um die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Philosophen, Ökonomen, Informatikern, Politologen und Juristen im Bereich Big data. Big data ist ein Schlagwort für die Auswertbarkeit größter Datenmengen und die damit verknüpften Auswirkungen etwa im Hinblick auf Privatsphäre, Eigentumsfähigkeit von Daten, Datenqualität, Datenbankrechte  (in der Presse derzeit im Zusammenhang mit digitalen Stromzählern, Datarecordern im Auto, Industrie 4.0  etc. diskutiert). Das BMBF fördert hierzu drei Cluster  – zwei Informatikcluster koordiniert über Saarbrücken und Berlin und ABIDA als geisteswissenschaftliches Cluster koordiniert durch Münster.

Die Erzeugung, Verknüpfung und Auswertung großer Datenmengen  gewinnt in nahezu allen Lebensbereichen rasant an Bedeutung. Diese Entwicklung wirft Fragen von großer gesellschaftlicher Relevanz auf: etwa nach dem Schutz der Privatsphäre und informationeller Selbstbestimmung, kommerzieller oder staatlicher Überwachung, den Problemen von Intransparenz, Missbrauch oder Fehlern bei Datenverwendungen oder bei automatisierten Entscheidungen. Die gesellschaftlichen Diskussionen darüber, wie einerseits Innovationspotentiale ausgeschöpft und andererseits individuelle und gesellschaftliche Werte ausreichend berücksichtigt werden können, haben erst begonnen. Das Projekt ABIDA  trägt zu diesen Diskussionen mittels einer Reihe von Forschungsprozessen und Dialoginstrumenten bei. Im Zentrum des Projekts stehen die Beobachtung und Beurteilung gegenwärtiger Trends, die Ermittlung der Bürgersichten, der Wissensaustausch der Fachdisziplinen sowie die Abschätzung künftiger Entwicklungen und Handlungsoptionen.

Im Projekt werden die vielschichtigen Entwicklungen von Big Data-Anwendungen, Datenströmen und Geschäftsmodellen kontinuierlich beobachtet und erfasst. Um gesellschaftliche Veränderungen zu ermitteln und zu beurteilen, werden interdisziplinäre Vertiefungsstudien erstellt, die in Expertenworkshops validiert und in begleitenden Fokusgruppen diskutiert werden. Drei Bürgerkonferenzen und eine repräsentative Bevölkerungsumfrage sind geplant, um die Einschätzungen und Erwartungen der Bürger zu erkennen. Der aktuelle Stand der Gesellschaftswissenschaften zu Big Data soll zusammengeführt, weiterentwickelt und für die Beurteilung konkreter Big Data-Entwicklungen angewandt werden. Dazu dienen Arbeitskreise in den Themenfeldern Ethik, Ökonomie, Soziologie, Rechts- und Politikwissenschaft. Vorgesehen ist weiterhin eine bundesweite Fachtagung. Auf der Grundlage der gesamten Forschungsarbeiten und dadurch, dass mögliche künftige Entwicklungen in Szenarien und einer Expertendelphi abgeschätzt und diskutiert werden, sollen schließlich Handlungsoptionen für Politik, Forschung und Entwicklung erarbeitet werden.

Dabei geht ABIDA von der juristischen Prämisse aus, dass sich Big data eine Herausforderung für viele Bereiche der Rechtsordnung sein wird. Im Datenschutzrecht stehen zentrale Fragen wie die des Personenbezugs von Daten oder der Sinnhaftigkeit von Sphärenmodellen zur Diskussion. Und Big data ist nicht nur ein Problem für das Datenschutzrecht. Auch die Frage des Informationseigentums stellt sich (wem gehören die Daten in Data Recordern eines Autos? Dem Halte? Dem Fahrer? Dem Autohersteller?). Schließlich geht auch um Fragen der Datenqualität und der Datenherrschaft etwa über das Datenbankrecht oder vertragliche Schutzregelungen.

Ein solches Großforschungsprojekt kann nur gelingen, wenn viele Akteure und Interessierte einbezogen werden. Ich lade alle Beckblog-LeserInnen herzlichst ein, das Projekt mit Anregungen, Ideen, Kommentaren, Gesprächen zu begleiten.

Ihr Thomas Hoeren

ITM/Universität Münster .

Weitere Infos: http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/abida-ein-neues-spitzencluste...

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5 Kommentare

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Erster! Das hab ich bei Heise nur einmal geschafft ;-).

Unser Datenbankrecht (vgl. § 87aff UrhG) krankt daran, dass  die schutzbegründenden Tatbestandsmerkmale "Sammlung von Elementen", "Unabhängigkeit der Elemente", "systematische oder methodische Anordnung der Elemente" und "Einzelzugänglichkeit der Elemente" einerseits sowie "hoher Investitionsaufwand" andererseits nicht miteinander harmonieren.

Voraussetzung für den Schutz ist, dass die fünf  Merkmale allesamt erfüllt sind. Wenn auch nur eines nicht zutrifft, liegt keine geschützte Datenbank im Sinne des UrhG vor. Eine Sammlung von Rohdaten ist keine Datenbank, weil hier die Elemente  weder systematisch noch methodisch angeordnet sind, obwohl eine solche Sammlung durchaus unter hohem Investitionsaufwand entstanden sein kann.

In Urteilsbegründungen wird oft unterschwellig bei der Bemessung des Investitionsaufwands auch der Aufwand für die Beschaffung der Daten mit in die Waagschale geworfen.  Wer aber bedenkt, dass eine Sammlung von Rohdaten keinen durch das UrhG gedeckten Schutz genießt, muss zwingend schließen, dass für den Datenbankschutz nur der Aufwand für die Systematisierung und methodische Aufbereitung der Daten gewertet werden darf. Nach dieser Logik ist auch das vielzitierte Urteil "Telefonbuch ist Datenkank" eine Fehlentscheidung. Denn die Daten fallen bei der Telefongesellschaft en passant und zunächst ungeordnet an und der Aufwand für die Sortierung ist nahezu gleich Null.

 

MFG

Johannes

 

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Sehe ich wie Sie. Das Datenbankherstellerrecht ist überflüssig. Warum man nicht einfach § 4 Nr. 9 UWG anwendet, hat sich mir nie erschlossen. Gruss Frank S

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Aber: warum erkennt der EugH dann jetzt vertragliche Regelungen als eine Art "Hausrecht" und Substitut für das Datenbankherstellerrecht an (Urteil vom 15.1.2015)?

 

"Die Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken ist dahin auszulegen, dass sie nicht auf eine Datenbank anwendbar ist, die weder durch das Urheberrecht noch durch das Schutzrecht sui generis nach dieser Richtlinie geschützt wird, so dass Art. 6 Abs. 1, Art. 8 und Art. 15 der Richtlinie es dem Hersteller einer solchen Datenbank unbeschadet des anwendbaren nationalen Rechts nicht verwehren, vertragliche Beschränkungen für ihre Benutzung durch Dritte festzulegen."

http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=161388&pa...

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Zur Einstimmung:

Das Ende des Zufalls (3sat, 19.02. , 20.15)

Die Wissenschaftsdoku nimmt die Zuschauer mit in verschiedene Lebensbereiche, in denen tatsächlich schon Zukunft aus Big Data vorhergesagt wird.

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