OLG Koblenz: Eine Kleinstmenge von 0,07 g Amphetamin stellt bereits ein Betäubungsmittel i.S.d. BtMG dar!

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 02.02.2015

Das OLG Koblenz hat sich mit der Frage befasst, ob 0,07 g Amphetamin, welches als Anhaftungen an Konsumutensilien sichergestellt worden war, als Betäubungsmittel i.S.d. BtMG einzustufen ist, selbst wenn hiermit ein Rauschzustand beim Konsum nicht erzielt werden kann.

Die amtlichen Leitsätze des Beschlusses vom 19.11.2014, 2 OLG 3 Ss 156/14 (BeckRS 2015, 01637) hierzu lauten wie folgt:

1. Die Betäubungsmitteleigenschaft eines Stoffes wird gemäß § 1 Abs. 1 BtMG allein durch seine Aufnahme in die Positivlisten der Anlagen I bis III begründet, ohne dass es zusätzlich einer konkreten Berauschungsqualität oder Konsumfähigkeit bedürfte. Die Betäubungsmitteleigenschaft geht erst dann verloren, wenn die Anhaftungen oder Rückstände nicht mehr zu einer messbaren Wirkstoffmenge zusammengefasst werden können.

2. Der Besitz von Betäubungsmittelutensilien mit Betäubungsmittelanhaftungen von so geringer Menge, dass sie für sich allein zum menschlichen Konsum nicht mehr geeignet sind, stellt keinen strafbaren Besitz an Betäubungsmitteln dar. Für eine Eignung zum Konsum genügt die Feststellung einer noch wiegbaren Betäubungsmittelmenge mit nachweisbarem Wirkstoffgehalt, die in konsumierbarer oder zumindest dahin übertragbarer Form vorliegt.

Zur Begründung führt das OLG Folgendes aus:

„Die Betäubungsmitteleigenschaft eines Stoffes wird gemäß § 1 Abs. 1 BtMG allein durch seine Aufnahme in die Positivlisten der Anlagen I bis III begründet, ohne dass es zusätzlich einer konkreten Berauschungsqualität oder Konsumfähigkeit bedürfte (BayObLG, Urteil 4St RR 80/02 vom 25.09.2002, Rn. 15 zit. n. juris, NStZ 2003, 270; OLG München, Beschluss 4St RR 143/09 vom 06.10.2009, Rn. 7 zit. n. juris, NStZ-RR 2010, 23; OLG Düsseldorf, Beschluss 5 Ss 127/92 vom 15.04.1992, Rn. 10 zit. n. juris, NStZ 1992, 443). Die Betäubungsmitteleigenschaft geht nicht mit einer fehlenden Konsumfähigkeit, sondern erst dann verloren, wenn die Anhaftungen oder Rückstände nicht mehr zu einer messbaren Wirkstoffmenge zusammengefasst werden können (OLG München a. a. O. m. w. N.).

Da Amphetamin in der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt ist und eine Wirkstoffmenge bestimmt werden konnte, fehlt es an der Betäubungsmitteleigenschaft nicht.

Besitz im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (BGHSt 27, 380 f.; BGH NStZ-RR 1998, 148 f.; NStZ-RR 2008, 212; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 2, 4; OLG München a. a. O.; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 13 Rn. 15 m. w. N.).

Sinn und Zweck des verbotenen unerlaubten Besitzes ist es, die spätere Gebrauchsmöglichkeit und die damit verbundenen Gefahren für die Volksgesundheit zu verhindern. Deshalb begründet der Besitz von Betäubungsmittelutensilien mit Betäubungsmittelanhaftungen von so geringer Menge, dass sie für sich allein zum menschlichen Konsum nicht mehr geeignet sind, keinen strafbaren Besitz an Betäubungsmitteln (BayObLG, Beschluss Reg 4 St 176/85 vom 03.09.1985, StV 1986, 145 f.; OLG München a. a. O.; OLG Düsseldorf StV 1994, 23 f.; Patzak a. a. O. Rn. 11). Eine Eignung zum Konsum ist aber nicht erst dann gegeben, wenn eine Wirkstoffmenge nachgewiesen wird, die einen Rauschzustand hervorrufen kann (OLG München, Beschluss 4St RR 143/09 vom 06.10.2009, Rn. 12 zit. n. juris, NStZ-RR 2010, 23; Patzak a. a. O. Rn. 12). Entgegen der Auffassung des Verteidigers in seiner Gegenerklärung vom 17. November 2014 ist es auch nicht erforderlich, dass die Betäubungsmittel unmittelbar zum Konsum und zur Weitergabe geeignet aufbewahrt werden. Solches hat das Oberlandesgericht München in seinem vorgenannten Beschluss auch nicht gefordert. Der Verteidiger übersieht, dass der genannten Entscheidung der Fall geringer Betäubungsmittelmengen in Form eines Tablettenbruchstücks und eines Pulverbriefchens zugrunde liegt und nicht die hier gegebene Konstellation von Betäubungsmittelanhaftungen an Betäubungsmittelutensilien, bei der grundsätzlich keine unmittelbare Konsum- und Weitergabeeignung gegeben ist. Es genügt vielmehr der Nachweis einer noch wiegbaren Betäubungsmittelmenge mit nachweisbarem Wirkstoffgehalt (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1992, 443, wo das bei Restsubstanzen der Cannabispflanze in einer Schlauchpfeife nicht der Fall war), die in konsumierbarer oder zumindest dahin übertragbarer Form vorliegt (Patzak a. a. O. Rn. 12). In einem solchen Fall ist die für den unerlaubten Besitz erforderliche Verfügungsmacht des Täters gegeben und es besteht die abstrakte Gefahr der Drogenweitergabe.

Nach diesem Maßstab ist vorliegend strafbarer Betäubungsmittelbesitz gegeben. Die Betäubungsmittelanhaftungen waren - nicht nur für die Ermittlungsbehörden - abkratzbar und konnten zu einer einheitlichen Menge von 70 mg zusammengefügt werden. Der Besitzwille und das Besitzbewusstsein des Angeklagten sind in Anbetracht der Auffindesituation nicht zweifelhaft. Der Amphetaminbasegehalt der 70 mg betrug 21,6%, was etwa 15 mg Wirkstoff entspricht. In zusammengekratzter Form waren die 70 mg Amphetamingemisch ohne weiteres nasal oder oral konsumierbar, wenn auch durch die Aufnahme der enthaltenen 15 mg Amphetaminbase, die etwas weniger als ein Drittel einer Konsumeinheit von 50 mg (vgl. dazu OLG Koblenz, Beschluss 1 Ss 31/06 vom 04.04.2006; BayObLG NStZ 2000, 210) ausmachen, ein Rauschzustand voraussichtlich nicht zu erzielen war.“

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