Verkehrsgerichtstag 2015: 80 km/h auf Landstraßen?!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 31.01.2015

Na, den Arbeitskreis IV hatte wohl niemand so richtig auf dem Schirm. Während der Umgang mit betrunkenen Radfahrern und das Handy als attraktivere Themen im Vorfeld galten, hat der Arbeitskreis IV mit dem unspektakulären Tilel >Unfallrisiko Landstraße< echt "abgeliefert" und damit alle überrascht:

1. Bäume und andere Hindernisse im Seitenraum bilden eine besondere Gefahr. Bei Neu-, Um- und Ausbauten muss die einschlägige Richtlinie (RPS) konsequent angewendet werden. Im Bestand müssen Hindernisse entfernt oder durch geeignete Schutzeinrichtungen gesichert werden.
2. Zur Reduzierung schwerer Unfälle soll die Regelgeschwindigkeit für Pkw und Lkw gleichermaßen bei 80 km/h liegen. Dazu ist eine Umkehrung von Regel und Ausnahme bei der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erforderlich. Entsprechend ausgebaute oder ertüchtigte Straßen können danach weiter für Tempo 100 freigegeben werden.
3. In Bereichen unzureichender Sichtweite sollen Überholverbote grundsätzlich angeordnet werden. § 45 der StVO muss das rechtssicher ermöglichen.
4. Motorradfahrende stellen einen großen Anteil der auf Landstraßen Verunglückten. Eine Ver-besserung der Situation erfordert an bekannten Motorradstrecken die Möglichkeiten des einschlägigen Merkblattes (MVMot) konsequent umzusetzen. Dies bedeutet unter anderem, dass in Kurvenbereichen die Installation von Schutzplanken nur mit Unterfahrschutz erfolgen darf.
5. Die zeitnahe Umsetzung derartiger Maßnahmen erfordert eine regelmäßige, auskömmliche Finanzierung. Der jeweilige Straßenbaulastträger ist deshalb aufgefordert, über Erhaltungs-maßnahmen hinaus für diese Zwecke ein festes Budget einzurichten.

Na ja, kann man drüber streiten...

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8 Kommentare

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Genau, weg mit den Alleebäumen!

Wo "freie Fahrt für freie Bürger" gelten soll, da hat das kultur- und naturhistorische Erbe eben zu weichen. Für unsere Enkel muss es reichen, in Geschichtsbüchern nachzulesen, was eine Allee ist und wozu sie einmal angelegt wurde. Es ist viel wichtiger, dass jeder, der sich wie Schumi fühlen will, auch einen Rechtsanspruch auf angemessene Auslaufzonen hat. Zumindest für die wenigen Jahrzehnte, in denen sich eine Tankfüllung noch bezahlen lässt.

Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.

Ob man mit 80 oder mit 100 gegen einen Baum fährt, macht den Kohl nicht fett. Hat man aber vorher noch die Chance, zu bremsen, hat man dank geringer Geschwindigkeit und dem quadratischen Zusammenhang zwischen Bremsweg und Geschwindigkeit deutlich höhere Überlebenschancen. 

Wichtig finde ich vor allem das Signal, die Geschwindigkeiten zwischen Pkw und Lkw anzugleichen. Pkw langsamer, Lkw schneller. Im Grunde hätte man dann keinen Grund mehr, zu überholen. (Dass natürlich, wenn das käme, die Praxis häufig anders aussehen wird: Man muss kein Hellseher sein, um genau jenes vorherzusagen.) Derzeit braucht man die zulässige Geschwindigkeitsdifferenz, um zügig am zu Überholenden vorbeizukommen. 

Und was "Mein Name" sicherlich übersehen hat, dass nicht das Roden ganzer Alleen als einzige Alternative verlangt wird, sondern eben Schutzplanken als vernünftige Lösung aufgeführt werden.

 

 

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Ö-buff schrieb:

Wichtig finde ich vor allem das Signal, die Geschwindigkeiten zwischen Pkw und Lkw anzugleichen. Pkw langsamer, Lkw schneller. Im Grunde hätte man dann keinen Grund mehr, zu überholen.

Doch, es gibt einen Grund: Man sieht deutlich weniger hinter einem LKW. Entsprechend schwieriger ist vorausschauendes Fahren. Und nur hinter einem anderen Fahrzeug hinterherzufahren und (übertrieben gesagt) nicht viel von der Straße zu sehen als die immer gleiche LKW-Plane, ist außerdem ermüdender und erhöht deshalb wohl eher die Unfallgefahr.

Von der Tatsache mal ganz abgesehen, dass die dennoch stattfindenden Überholmannöver länger dauern und entsprechend gefährlicher sind.

Merkwürdige Wahrnehmung von Ursache und Wirkung.

Ich würde nicht die neben der Straße stehenden Bäume als Gefahr für die auf der Fahrbahn fahrenden Autos sehen (Bäume laufen selten auf die Straße).

Sondern ich würde die rambomäßigen Raser, die ausstesten möchten wann sie mit Ihren Wagen aus der Kurve fliegen, als Gefahr für die Pflanzen ansehen.

Zumindest im Regelfall dürfte derjenige, der mit seinem Auto auf einer Landstraße aus der Kurve fliegt, selber schuld sein.

Aus Fürsorge für solche Rambo-Raser die Seitenstreifenbepflanzung zu vernichten, hielte ich für unangebracht.

Irgendwechen Rambo-Rasern den Landschaftsschutz und Naturschutz zu opfern, würde diese Leute in ihrem Tempo-Wahn nur noch bestärken.

Und die Rambo-Raser fahren bisweilen ja auch in Fußgänger oder Radfahrer ...

Da ist es vielleicht doch wohl besser sie wickeln sich rechtzeitig um einen Baum ...

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Ein generelles Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen hielte ich für übertrieben.

Die Problemgruppe der Rambo-Raser fährt nämlich meist nicht bloß erlaubte 100 km/h, sondern sehr viel schneller.

Leider wird in vielen gegenden auf dem Lande kaum kontrolliert.

So ist etwa unter anderem z.B. die Eifel ein regelrechtes "Raserparadies" ...

(ob die Raser ins Paradies oder eher in die Hölle kommen lassen wir jetzt hier mal außen vor - wenn sie wenigstens Organspender sind kommen sie vielleicht ins Fegefeuer)

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Das Thema "Unfallrisiko Landstraße" wird uns jedenfalls noch lange erhalten bleiben, denn das hochautomatisierte oder gar vollautomatisierte Fahren, das nach den Ankündigungen der Autoindustrie sukzessive bis 2020 bzw. 2025 zu erwarten ist (Arbeitskreis II), wird erwartbar erst 2030 oder später auch auf Landstraßen möglich sein, wenn überhaupt. Hier treffen die unterschiedlichesten Fahrzeuge mit den unterschiedlichsten Massen und Geschwindigkeiten im Gegenverkehr aufeinander (Fahrräder, Motoräder, normale Pkw, SUV, Lkw, landwirtschaftliche Fahrzeuge u.a.). Zu dem Thema "Unfallrisiko Landstraße" gibt es einen Begleitaufsatz von Prof. Dipl.-Ing Karl-Heinz Schimmelpfennig in der NZV 2015, 23 ff. Er schreibt nach meinem Dafürhalten richtig: "Die Unfallszenarien auf Landstraßen sind viel komplexer als innerörtliche Situationen oder Unfälle beim gleichgerichteten Autobahnverkehr." (S. 25, Fazit, Nr. 1). Auch mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen ereignen sich viele schwere Unfälle (Schimmelpfennig, a.a.O.). Von daher ist es durchaus nicht abwegig, zumindest den Geschwindigkeitsrahmen zu kürzen, denn ist sei nicht erkennbar, so Schimmelpfennig, "dass die derzeitigen Fahrzeugkonstruktionen die zulässige Differenzgeschwindigkeit von 200 km/h bei einer Kollision aufnehmen können" (a.a.O., S. 25, Fazit, Nr. 3).

 

Dr. Oliver Freiburg

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Verkehrsrecht

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Ich glaube eher, dass dies eine Kapitulation vor der Tatsache ist, dass sich LKW auf Landstraßen nicht um die 60 km/h scheren und sowieso 80 fahren, wo es der Motor hergibt.

 

Ich halte alle Vorschläge für ausgesprochen durchdacht. Die "Gegenargumente" finde ich nichts ansatzweise irgendwie überzeugend. Dass Bäume Vorrang vor Menschenleben haben sollen, ist sicherlich politisch korrekte grüne Gesinnung, gleichwohl aber völlig indiskutabel.

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