Betrunken gefahren im Ausland => Führerschein weg in Deutschland!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.01.2015
Rechtsgebiete: VGH MünchenVerkehrsrecht|6730 Aufrufe

Da hatte der Betroffene aus Deutschland einen Unfall in Kössen in Österreich "gebaut". Dort wurde per AAK-Messung eine Trunkenheitsfahrt festgestellt. Sicher hatte der Betroffene gehofft, dass das in Deutschland  keine weiteren Probleme macht. Von wegen. Die Fahrerlaubnis ist jetzt hier weg - der Wiedereteilungsantrag ist erfolglos:

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.
Am 4. November 2012 um 11:15 Uhr verursachte der Kläger unter Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall in der Gemeinde Kössen (Österreich). Mit einem geeichten Alkomaten (Dräger 7110 MKIII A) wurden zwei Messungen des Alkoholgehalts der Atemluft durchgeführt. Der um 11:56 Uhr festgestellte Wert betrug 0,92 mg/l und der um 11:58 Uhr festgestellte Wert 0,94 mg/l. Mit Bescheid vom 6. November 2012 verbot die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel dem Kläger deshalb das Lenken von Kraftfahrzeugen in Österreich für acht Monate und erkannte ihm das Recht ab, in dieser Zeit von seinem deutschen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen. Dieser Bescheid ist nach Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel seit dem 28. November 2012 rechtskräftig.

Ein medizinisch-psychologisches Gutachten der Begutachtungsstelle für Fahreignung (TÜV Süd Life Service GmbH) vom 28. Februar 2013, das der Kläger auf Aufforderung des Landratsamts Traunstein (Fahrerlaubnisbehörde) gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV vorgelegt hat, kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger zwar keine Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs in Frage stellen. Es sei jedoch zu erwarten, dass der Kläger auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Das Auffälligwerden mit einer hohen BAK im Verkehr zu einer frühen Tageszeit weise auf eine ausgeprägte Alkoholproblematik und eine hohe Alkoholtoleranz hin. Eine auf Selbstkritik beruhende Klärung der Vorgeschichte, ein adäquates Problembewusstsein und eine dauerhafte Verhaltensänderung seien beim Kläger derzeit nicht festzustellen. Er habe seine bestehende Trink-Fahr-Problematik nicht ansatzweise reflektiert.
Mit Bescheid vom 9. April 2013 entzog das Landratsamt Traunstein dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn zur Abgabe des Führerscheins. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2013 zurück.
Mit Schreiben vom 14. August 2013 beantragte der Kläger beim Landratsamt Traunstein die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis der Klassen B und BE. Dem auf Aufforderung des Landratsamts vorgelegten Gutachten der Begutachtungsstelle für Fahreignung (TÜV Süd Life Service GmbH) vom 20. Januar 2014 zufolge liegen beim Kläger noch keine tiefgreifende Aufarbeitung der Problematik und kein ausreichend gefestigter grundsätzlicher Einstellungswandel vor. Die zu beobachtenden Verhaltensänderungen seien noch nicht hinreichend stabil. Es sei daher nicht zu erwarten, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum hinreichend sicher getrennt werden könne.

Mit Bescheid vom 13. März 2014 hat das Landratsamt den Antrag des Klägers auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt. Seinen hiergegen eingereichten Widerspruch hat die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2014 zurückgewiesen. Über die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München noch nicht entschieden. Ein Antrag des Klägers, ihm im Wege einer einstweiligen Anordnung die Fahrerlaubnis vorläufig wieder zu erteilen, blieb allerdings erfolglos (VG München, B.v. 25.7.2014 - M 6b E 14.1832; BayVGH, B.v. 28.8.2014 - 11 CE 14.1808).

Den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. Juli 2014 abgelehnt. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
7Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 19.8.2014) und der der Beklagte entgegentritt. Der Kläger trägt vor, die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Ablehnung der Wiedererteilung verstießen gegen das Verbot der Doppelbestrafung. Durch die vom Bezirksgericht Kitzbühel verhängte Geldstrafe und das von der Bezirkshauptmannschaft ausgesprochene Fahrverbot liege ein „Strafverbrauch“ vor, der auch deutsche Behörden und Gerichte binde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung zu Recht abgelehnt, da die Klage auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis der Klassen B und BE und der eingeschlossenen Unterklassen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

10Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht gelten die Vorschriften für die Ersterteilung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr [Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV] vom 18.12.2010 [BGBl S. 1980], zuletzt geändert durch Verordnung vom 16.4.2014 [BGBl S. 348]). Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV) oder wenn die Fahrerlaubnis aus einem der unter § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c FeV genannten Gründe entzogen war (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV).

Der Kläger hat am 4. November 2012 ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,8 mg/l geführt. Das Landratsamt Traunstein hat ihm deshalb nach Vorlage eines negativen Fahreignungsgutachtens mit bestandskräftigem Bescheid vom 13. März 2013 die Fahrerlaubnis entzogen. Entgegen der Auffassung des Klägers steht den Anordnungen zur Gutachtensbeibringung in den Verfahren hinsichtlich der Entziehung und der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis weder der Umstand entgegen, dass die Trunkenheitsfahrt in Österreich stattgefunden hat, noch deren Ahndung mit einer Geldstrafe durch ein (vom Kläger nicht vorgelegtes) Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 5. August 2013. Nach der Rechtsprechung des Senats kann auch eine Zuwiderhandlung im Ausland Anlass für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c und d FeV sein, wenn diese nach inländischen Maßstäben hinreichend sicher nachgewiesen ist (BayVGH, B.v. 9.6.2010 - 11 CS 10.786 - juris Rn. 22; B.v. 16.8.2012 - 11 CS 12.1624 - juris Rn. 11; Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Auflage 2014, § 13 FeV Rn. 16, 20). Davon ist vorliegend aufgrund der Angaben der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel zum Tatzeitpunkt (4.11.2012, 11:15 Uhr), zu den anschließend getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Atemalkoholkonzentration des Klägers (0,92 mg/l um 11:56 Uhr und 0,94 mg/l um 11:58 Uhr) und zum Messgerät, mit dem die Messung durchgeführt wurde (Dräger 7110 MKIII A; vgl. hierzu BayVGH, B.v 5.6.2009 - 11 CS 09.69 - juris Rn. 21), auszugehen. Insbesondere widerspricht der Messzeitpunkt der Einlassung des Klägers vom 20. Dezember 2012 gegenüber dem Bezirksgericht Kitzbühel, die Messung sei nur wenige Minuten nach der Fahrt und damit zu früh durchgeführt worden.

Auch der Umstand, dass die Trunkenheitsfahrt in Österreich mit einer Geldstrafe geahndet wurde, steht deren Berücksichtigung im Verfahren zur Prüfung der Fahreignung des Klägers nicht entgegen. Bei der Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens und dessen Berücksichtigung bei der Entscheidung des Landratsamts über die Entziehung und die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis handelt es sich nicht um eine nach Art. 103 Abs. 3 GG unzulässige mehrfache Bestrafung, sondern um eine präventive Maßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit.

Die vom Kläger vorgelegten Gutachten der Begutachtungsstelle für Fahreignung (TÜV Süd Life Service GmbH) vom 28. Februar 2013 und vom 20. Januar 2014 haben dessen Fahreignung nachvollziehbar verneint. Die Gutachten sind in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Sie rechtfertigen den Schluss auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen, nachdem er sich bislang noch nicht ausreichend mit seiner Alkoholproblematik auseinandergesetzt hat. Auch wenn nach dem zuletzt vorgelegten Gutachten positive Ansätze gegenüber dem Vorgutachten zu erkennen waren, reichen diese dem Gutachten zufolge nicht aus, um erwarten zu lassen, dass der Kläger angemessene Regeln zum kontrollierten Alkoholkonsum aufstellen und konsequent einhalten kann. Den behaupteten Alkoholverzicht hat der Kläger nicht ausreichend nachweisen können. Damit sind jedoch die Voraussetzungen für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nicht gegeben. Ein Gutachten, das seine Fahreignung bejaht, hat der Kläger bislang nicht vorgelegt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil für die Zurückweisung der Beschwerde nach dem hierfür maßgeblichen Kostenverzeichnis eine Festgebühr anfällt (§ 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Anlage 1 Nr. 5502).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

VGH München, Beschluss vom 07.10.2014 - 11 C 14.1809 = BeckRS 2014, 57781

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