Wechselmodell befreit nicht von der Barunterhaltspflicht

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 18.12.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht1|5051 Aufrufe

Der Vater hatte vorgetragen, sein Betreuungsanteil für die Kinder liege bei 46,67%. Deshalb liege ein „echtes“ Wechselmodell vor, weshalb er keinen Barunterhalt zu leisten habe.


Damit fand er bei dem OLG Bremen kein Gehör. Im Hinblick auf seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit verpflichte ihn das OLG zur Zahlung von 60 € Unterhalt für jedes seiner beiden Kinder.


Selbst diese Beträge wollte er nicht zahlen und ging in die Rechtsbeschwerde.


Vergeblich.


Der BGH stellt klar, dass es in diesem Fall auf die Frage, ob ein echtes Wechselmodell vorliegt, überhaupt nicht ankommt.

Eine Befreiung vom Barunterhalt nach § 1606 III 2 BGB  ist nicht eingetreten. Das gilt unabhängig davon, ob die Eltern ein Wechselmodell praktizieren. Denn bei einem Wechselmodell wird kein Elternteil vom Barunterhalt für das Kind befreit. Nach § 1606 III 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes. Die gesetzliche Regelung betrifft den Fall des sogenannten Residenzmodells und der damit verbundenen herkömmlichen Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung. Sie stellt den kinderbetreuenden Elternteil in diesem Fall vom Barunterhalt frei. Entgegen der vom Antragsgegner in den Vorinstanzen vertretenen Auffassung kann hingegen die im Rahmen eines Wechselmodells geleistete Kinderbetreuung nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht führen. Dies muss schon deshalb gelten, weil anderenfalls beide Elternteile vom Barunterhalt befreit wären, obwohl nur der Betreuungsbedarf des Kindes gedeckt wäre. Demgegenüber bliebe der in § 1612 a I BGB und den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesene sächliche (Regel-)Bedarf offen.

Das Oberlandesgericht hat daher zu Recht hervorgehoben, dass im Fall des Wechselmodells beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen haben. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden - erhöhten - Bedarf insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells (vor allem Wohn- und Fahrtkosten), so dass der von den Eltern zu tragende Bedarf regelmäßig deutlich höher liegt als beim herkömmlichen Residenzmodell.

Ein unterstelltes Wechselmodell könne den Antragsgegner nicht weiter entlasten, als ihm infolge der Unterhaltskürzung wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit bereits zugutegekommen ist. Zwar habe das OLG keine Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Mutter getroffen. Es sei aber davon ausgegangen, dass auf Seiten des Antragsgegners die gesteigerte Unterhaltspflicht eingreift. Da der Antragsgegner aufgrund der angefochtenen Entscheidung für die Zeit bis Dezember 2012 nur rund ein Drittel und für die Folgezeit sogar unter einem Viertel des gesetzlichen Mindestunterhalts zu tragen habe, dürfte sich demnach aus einem - unterstellten - Wechselmodell kein geringerer Unterhaltsanteil des Antragsgegners ergeben.


BGH v. Beschluss vom 05.11.2014 - XII ZB 599/13

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Hier bleiben jedoch viele Fragen offen bzw Lebenswirklichkeiten unberücksichtigt. Wenn beide der erhöhten Erwerbsobliegenheit bzw. der Barunterhaltspflicht unterliegen, wie ist es in dem Fall, wenn kein eigenes Einkommen vorliegt, d.h., ein Elternteil Leistungen aus dem SGB II erhält und der andere Elternteil erwerbstätig ist. Geht das BGH dann von einem fiktiven Einkommen z. Bsp. aus oder wird dann doch der Barunterhalt mit dem Betreuungsunterhalt abgegolten, da ja kein Mehrwert zu Gunsten der Kinder eintreten kann, wenn der Elternteil mit Einkommen zur Unterhaltspflicht herangezogen wird. Wenn eine höchstrichterliche Entscheidung so viele Fragen offen lässt, dann kann es nur ein Anstoß für den Gesetzgeben sein, um klarere Verhältnisse für die Zukunft zu schaffen.

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