Schild ist Schild!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.12.2014
Rechtsgebiete: DüsseldorfSchildStrafrechtVerkehrsrecht11|4689 Aufrufe

Gerne wird in OWi-Sachen geltend gemacht, ein Schild sei falsch aufgestellt, unwirksam oder überholt. Mit einer solchen Einlassung musste sich das OLG Düsseldorf befassen:

Die als Aufklärungsrüge erhobene Rüge der Ablehnung des Antrages auf Einholung einer Auskunft der „Landesbehörde Straßen NRW“ (Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen) ist nicht begründet. Der Antrag ist als Beweisantrag vom Amtsgericht behandelt und mit der Begründung abgelehnt worden, ein Verkehrszeichen sei auch dann verbindlich, wenn die ursprüngliche Anordnung nicht verlängert bzw. widerrufen worden sei. Das Amtsgericht hat sich damit ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf den Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit der zu beweisenden Tatsache gestützt (§§ 71 Abs. 1 OWiG, 244 Abs. 3 Satz 2, 2. Variante, StPO). Zutreffend ist das Amtsgericht dabei auch von der Verbindlichkeit eines aufgestellten Verkehrsschildes unbeschadet der etwaigen verwaltungsgerichtlichen Anfechtbarkeit der daraus hervorgehenden Anordnung ausgegangen.

Von der Straßenverkehrsbehörde aufgestellte Vorschriftzeichen sind Verwaltungsakte in Form einer Allgemeinverfügung (st. Rspr.; BVerwG, NJW 1980, 1640). Ein fehlerhafter Verwaltungsakt ist zwar im Verwaltungsrechtsweg anfechtbar, aber grundsätzlich bis zu seiner Aufhebung zu befolgen. Unwirksam ist ein Verwaltungsakt nur, wenn er nichtig ist (§§ 43 Abs. 3, 44 VwVfG). Ein Verwaltungsakt ist nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist, darüber hinaus nur unter den Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 VwVfG (vgl. auch OLG Düsseldorf NZV 1991, 204 m.w.N.). Die Beweisbehauptung aus dem abgelehnten Antrag, nämlich dass die Entfernung der Schilder nach Beendigung einer Baustelle vergessen worden sei, füllt die Voraussetzungen des § 44 VwVfG jedoch nicht aus.

Die Frage der möglichen Rechtswidrigkeit der Anordnung war auch für die Beurteilung der Schuldform ohne Bedeutung. Auf die optischen Wahrnehmungen und das Wissen des Betroffenen von der vorhandenen Beschilderung hat die Frage der Rechtswidrigkeit der Anordnung keinerlei Auswirkung. Dass der Betroffene – aufgrund eines vermeidbaren Rechtsirrtums (Verbotsirrtums) – zur Tatzeit davon ausgegangen wäre, dass die Anordnung aus der vorhandenen Beschilderung nicht zu befolgen gewesen wäre, was im Übrigen ohne Auswirkung auf die vom Amtsgericht angenommene vorsätzliche Begehung der Ordnungswidrigkeit bliebe (vgl. § 11 OWiG), macht er mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend.

Schließlich ist die Frage der Rechtswidrigkeit auch kein zwingend bei der Zumessung der Rechtsfolgen zu berücksichtigender Aspekt gewesen. Auf die erhobene Rechtsbeschwerde ist die vom Tatrichter vorgenommene Zumessung der Rechtsfolgen nur eingeschränkt dahin zu prüfen, ob die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, der Tatrichter von einem falschen Sanktionsrahmen ausgegangen ist oder die ihm – hinsichtlich der Bemessung der Geldbuße nach § 17 Abs. 3 und 4 OWiG – obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Täter sprechenden Umstände verletzt, insbesondere rechtlich anerkannte Sanktionszwecke nicht beachtet hat, sich von Gesichtspunkten hat leiten lassen, die der Zumessung der Rechtsfolgen nicht zugrunde gelegt werden dürfen, oder ob sich die Rechtsfolge so weit nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des Spielraums liegt, der dem Tatrichter bei ihrer Zumessung eingeräumt ist (OLG Düsseldorf NStZ 1988, 325 m.w.N.). Die dadurch gezogenen Grenzen hat das Amtsgericht mit der Außerachtlassung des Aspekts der möglichen Rechtswidrigkeit der Anordnung über die Höhe der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten. Unbeschadet der vom Senat hier nicht zu entscheidenden Frage, ob der Verstoß gegen eine rechtswidrige, aber zu befolgende Anordnung über eine zulässige Höchstgeschwindigkeit regelmäßig ein solch geringeres Gewicht beizumessen ist, dass dies eine minderschwere Sanktion rechtfertigt oder sogar erzwingt, war das Amtsgericht im hier vorliegenden Einzelfall unter Berücksichtigung aller übrigen in die Abwägung eingestellten Aspekte, insbesondere der erheblichen verkehrsrechtlichen Vorbelastung des Betroffenen jedenfalls nicht zur Meidung eines Rechtsfehlers gezwungen, diesen Gesichtspunkt mildernd zu berücksichtigen.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschl. v. 7.11.2014 - IV-2 RBs 115/14

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11 Kommentare

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Für mich als Laien klingt das alles sehr typisch deutsch, typisch preußisch, typisch obrigkeitsstaatlich.

Anscheinend will man streng sein, will man autoritär sein, will man die Autorität verteidigen, Respekt erzwingen.

So ähnlich wie bei Gessler Hut, den Wilhelm Tell grüßen sollte.

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Die hier vom Oberlandesgericht Düsseldorf aufgestellte These, daß die Rechtswidrigkeit einer Anordnung für die Beurteilung der Schuld des diese Anordnung nicht befolgenden Bürgers ohne Bedeutung sei, teile ich nicht.

Denn zur Bestimmung der Schuld sind meiner Meinung nach immer auch die Gesichtspunkte und Fragen heranzuziehen, inwieweit im dem Bürger bzw. Beschuldigten konkret vorgeworfen Einzelfall auch tatsächlich ein (materieller) Unrechtstatbestand verwirklicht wurde, und inwieweit im konkreten Einzelfall das vom Schutzzweck einer solchen Verbots- oder Gebotsnorm generell typische Erfolgsunrecht und das typische Handlungsunrecht verwirklicht wurde, und inwieweit die Rechtsgüter, die durch eine Verbotsnorm geschützt werden sollen, tatsächlich und konkret verletzt oder gefährdet wurden. 

Solche Gesichtspunkte stellen zwar auch im Ordnungswidrigkeitenrecht weder die Tatbestandsmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit in Frage, und lassen natürlich auch nicht etwa automatisch die Schuld entfallen, aber es dürfte wohl nur gerecht sein wenn solche Gesichtspunkte bei der Bemessung der Schuld (und damit bei dem Ausmaß der Vorwerfbarkeit des nicht normkonformen Handels) berücksichtigt würden.

In Fällen, in denen Verbotsschilder rechtswidrig aufgestellt wurden, mag man den Fahrern vielleicht Geldbußen auferlegen, aber die Pönalisierung und Sanktion und Diskriminierung und Belastung durch Eintragung von Punkten ind Flensburger Krfatfahrzeugsverkehrszentralregister sollte man meiner Meinung nach dann doch bitte entfallen lassen.

Freilich ist verständlich, wenn Gerichte und Behörden vermeiden wollen, daß Bürger die Rechtmäßigkeit von Anordnungen anzweifeln, und wenn man, damit niemand diese Anordnungen in Frage stellt, vermeiden will, daß ein bürger der erfolgreich die Rechtswidrigkeit einer behördlichen Anordnung nachweist, dafür quasi irgendwie "belohnt" wird.

Es soll sich (aus Gründen der Staatsräson?) hierzulande für die Bürger also wohl nicht lohnen, die Rechtmäßigkeit staatlicher Anordnungen in Frage zu stellen.

In einem ernsthaften modernen bürgerrechtsfreundlichen und freiheitsfreundlichen Rechtsstaat sollte es aber gerade andersherum sein, da sollte man eigentlich begrüßen und belohnen wenn Bürger sich gegen rechtswidrige Maßnahmen wehren und diese aufdecken.

Aber vielleicht denke ich da auch zu staatsfern und zu individualistisch und zu idealistisch.

 

 

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Ich jedenfalls begrüße es nicht, wenn "erheblich verkehrsrechtlich vorbelastete Betroffene" (vulgo wohl: notorische Raser) dazu ermuntert würden, jede vorsätzlich ignorierte Geschwindigkeitsbegrenzung im Ordnungswidrigkeitenverfahren rechtlich prüfen zu lassen.

Der Witz an Verkehrsschildern ist ja gerade, dass sie abstrakt-generell gelten sollen und nicht erst in jedem Einzelfall abgewogen werden muss, ob es denn tatsächlich notwendig war.

Im Übrigen gibt es ja auch Verfahren, wie man gegen seiner Ansicht nach rechtswidrige Beschilderungen vorgehen kann. Vorsätzliches Ignorieren und im Prozess drauf ankommen lassen ist offenbar nicht die geeignetste.

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Die Entscheidung ist schlicht richtig und stringent.

Es trifft zu, dass Allgemeinverfügungen zu beachten sind. Es sei denn, sie wären nichtig, trügen also das Merkmal ihrer Unwirksamkeit quasi "auf der Stirn". Das festzustellen, ist allerdings bei einem Verkehrsschild nur in absoluten Ausnahmefällen möglich. Kurzum: schon wegen des Vertrauensgrundsatzes im Straßenverkehr, also wegen des Umstands, dass sich andere Verkehrsteilnehmer auf die Beachtung nicht nur der abstrakt-generellen Regeln, sondern auch der Verkehrsschilder durch den übrigen Verkehr verlassen dürfen, kann und darf es nicht in das Belieben des Einzelnen gestellt sein, (nur) für sich die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Verkehrsbeschilderung festzustellen.

Gilt aber die Regel, so ist im Straßenverkehrsrecht auch die Ahndung eines Regelverstoßes am Platz. Das im OWi-Recht geltende Opportunitätsprinzip stellt das nicht in Frage. Denn die Verfolgung von Verkehrs-OWis ist grundsätzlich zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Verkehrsdisziplin geboten. Die Anwendung des Bußgeldregelsatzes - mit der Folge der im VZR ggfs. einzutragenden Punkte - ist eine vom Souverän als Gesetzgeber gewollte Konsequenz, weil massenhaft auftretendes und zu ahndendes einfaches Verwaltungsunrecht von aufwändigen Schuldschwerebetrachtungen frei gehalten werden soll. Es handelt sich um vertyptes Unrecht, das richtigerweise in der Sanktion von objektiven Ordnungskriterien beherrscht wird.

Es ist für mich schon erstaunlich, wie aus einer Mücke ein Elephant gemacht wird, wenn dies zum Lackmustest einer angeblichen "obrigkeitsstaatlichen" Verfasstheit unseres Gemeinwesens hochstilisiert wird (man schauen mal nach der Rechtspraxis in Verkehrssachen in den nördlichen Ländern, z.B. Finnland, da vergeht einem u.U. Hören und Sehen...).

Mit einem Wort: Auch mir ist es schon passiert, dass ich mich nicht an eine Verkehrsvorschrift gehalten habe - aber wenn ich erwischt wurde (in 35 Jahren immerhin zweimal), habe ich "verdammt nochmal" gezahlt und hätte ggfs. auch auch den Punkt genommen. So sind nunmal die Spielregeln.....

Sollten diese jemandem missfallen: schreiben Sie Ihrem/-r MdB!

 

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Gelegentlich frage ich mich, ob es manch einem Politiker, Beamten oder Richter nicht vielleicht klammheimlich eine Art diebische Freude macht, eine Norm oder eine Verfügung oder eine Entscheidung zu treffen, die der Otto-Normalbürger so nicht voraussieht, und die nicht mit seinem Gerechtigkeitsempfinden in Einklang steht.

Vielleicht fühlt man sich als Politiker, Beamter oder Richter gerade in solchen Fällen ganz besonders schlau und überlegen.

Meiner Meinung nach würde es nicht schaden, wenn öfters auch einmal berücksichtigt würde, wie über ein konkrete Sache wohl Laien denken oder empfinden würden (aus diesem Grund hat man ja wohl auch einmal die Schöffen erfunden, die in unserem Justizalltag allerdings praktisch wenig zu sagen haben).

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Lieber Ex-Schöffe,

falls Sie tatsächlich einer sind, wundert es mich, dass Sie diese Gedanken ausgerechnet aus solch einem nichtigen Anlass äußern.

Hier ging es nur darum, ob ein - von vornherein aussichtsloser - abgelehnter Beweisantrag eine Revision rechtfertigt, mehr nicht. Dass unberechtigt bzw. gesetzwidrig aufgestellte Schilder auch mit Bußgeldern durchgesetzt werden, mussten schon zahllose Fahrradfahrer erfahren, die sich nicht auf lebensgefährlich schmale und hindernisreiche "Radwege" begeben wollten, nur weil dort ein ahnungsloser Verwaltungsbeamter einen blauen Lollipop hingepflanzt hat.

Dass auch die rechtswidrige Regelung zu beachten ist, macht - so verrückt es klingt - durchaus Sinn. Die Fairness würde m. E. aber gebieten, auch denen ein Bußgeld aufzudrücken, die die rechtswidrige Regelung getroffen haben. Wer im Verkehr andere vermeidbar und rechtswidrig behindert oder sogar gefährdet, bekommt dafür ein Bußgeld. Dasselbe sollte für den gelten, der es vom Schreibtisch aus tut, und damit sogar viel mehr Menschen betrifft als der "Einzeltäter".

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Soweit ich es sehe, ist unbestritten: Ob die Anordnung einer Verkehrsregelung durch Aufstellen eines Schilds rechtmäßig ist, spielt für die Frage, ob eine Ordnungswidrigkeit vorliegt oder nicht, keine Rolle. Allerdings herrscht unter Verkehrsrechtlern inzwischen wohl weitgehend Einigkeit darüber, dass das Schild selbst keine Regelung trifft, sondern eine solche nur bekanntgibt. Sonst wären nämlich auch gefälschte oder irrtümlich am falschen Platz aufgebaute Verkehrzeichen verbindlich. Das heißt dann aber: Wenn es - etwa nach Auslaufen einer befristeten straßenverkehrsrechtlichen Anordnung - gar keine  Anordnung mehr gibt, dann stellt die Missachtung des nicht abmontierten Schilds wohl keine Ordnungswidrigkeit dar. Anders bei durch die Verwaltung - etwa durch Widerruf - aufzuhebenden Verkehrsregelungen: Die bleiben wirksam, bis sie abmontiert sind, auch wenn die Verwaltung die fragliche Verkehrsregelung bereits aufgehoben hat. Die Aufhebung der Anordnung bedarf nämlich auch der Bekanntmachung, und die erfolgt - ebenfalls entsprechend § 45 Abs. 4 StVO - ausschließlich durch Entfernung des entsprechenden Schildes. Deshalb können Beschilderung und von der Behörde angeordnete Verkehrsregelung - abgesehen von Fälschung, fehlerhafter Aufstellung u. dgl. mehr - tatsächlich nur auseinanderfallen, wenn die Anordnung von vorneherein bedingt und befristet war oder das Verwaltungsgericht sie gemäß § 113 I 1 VwGO aufhebt.

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Rechtsdogmatik bzw. rigorose herrschende Lehren (bzw. schlicht etablierte Meinungen) werden nicht überall wie Gesslers Hut auf der Stange verehrt.

Im katholischen Rheinland kommt es öfter vor, daß man statt auf Rigorismus und Dogmatik lieber auf das setzt, was man für vernünftig und angemessen und

für verständlich und für den Bürgern (auch den juristischen Laien) als gerecht vermittelbar hält.

Der Begriff "gesundes Volksempfinden" ist zwar zu Recht diskreditiert, weil er sich von den Herrschenden zu Willkür mißbrauchen lässt, aber trotzdem sollte man bei der Beurteilung eines Falles seine Gedanken nicht nur im akademischem Elfenbeiturm zirkulieren lassen, sondern auch berüksichtigen, wie ehrliche und vernunftbegabte erwachsene Menschen ohne juristische Verbildung die Schuld der Verkehrsteilnehmer denn bewerten würden.

An der Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Handlung ändern solche Erwägungen zwar nichts, aber wenn der Schuldvorwurf gering ist kann man ohne Verurteilung einstellen.

Lesenswert vielleicht folgender Artikel zur im Rheinland gelegenen sogenannten "Fleher-Brücke":

http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-wieder-tempo-120-auf-fleher-bruecke-aid-1.4778207

 

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