Der US-Senatsbericht zur CIA-Folter

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 14.12.2014


Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 autorisierte die US-Regierung unter Präsident George W. Bush im „Krieg gegen den Terror“ dass jahrelang praktizierte geheime Folterprogramm, das im Namen der nationalen Sicherheit Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung außer Kraft setzte. Fünf Jahre untersuchten nun Mitarbeiter des Senatsausschusses, wie die CIA Terrorverdächtige behandelte. Das am Dienstag vergangener Woche vorgelegte 6.700 Seiten umfassende Dokument belegt schwere Menschenrechtsverstöße. Eine rund 500-seitige Zusammenfassung ist öffentlich. Laut Senatsbericht hat die Folter von Terrorverdächtigen nichts gebracht. Mit den rechtlichen und moralischen Fragen befasst sich der Bericht kaum.

 

Folter ist auch in den USA strafbar. Gleichwohl ist mit einer strafrechtlichen wie zivilrechtlichen Aufarbeitung durch die US-Justiz nicht zu rechnen; nicht einmal auf erfolgreiche Schadenersatzklagen (Schadenersatz statt Strafe?) können sich die Opfer – jedenfalls aus derzeitiger Sicht – berechtigte Hoffnungen machen.

 

In Deutschland hat der Generalbundesanwalt bislang zweimal die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens wegen der Foltervorwürfe nach § 153f Abs. 2 StPO abgelehnt. Ein wichtiger Teil der Begründung greift künftighin aber nicht mehr, nämlich dass die USA selbst für die strafrechtliche Aufarbeitung sorgen werden. Mit Blick auf das ohnehin belastete Verhältnis zu den USA wird die Staatsräson dazu führen, dass der GBA wegen der Foltervorwürfe kein (ergänzt aufgrund des freundlichen Hinweises von Herrn Kollegen Müller; leider zunächst vergessen) Ermittlungsverfahren gegen amerikanische Staatsbürger einleitet.

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15 Kommentare

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Besten Dank für den wichtigen klarstellenden Hinweis! Damit keine weiteren Mißverständnisse entstehen, habe ich meinen Beitrag ergänzt.

 

Die morgige Printausgabe des SPIEGEL habe ich heute schon in der Online-Ausgabe gelesen. Der SPIEGEL befasst sich intensiv in vier Beiträgen mit dem Thema.

Hält sich ein Vertragspartner nicht an seine Verträge, wechselt man für die Zukunft - so es bessere Alternativen gibt - auf einen anderen.

Wie reagiert man auf einen Staat, der sich nicht an seine Gesetze hält?

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Bei aller berechtigter Kritik muss man den USA zumindest zugute halten, dass sie einen solchen Report veröffentlichen. Das entschädigt die Opfer natürlich in keiner Weise, trägt aber wenigstens zur geschichtlichen Aufarbeitung bei.

 

@ #3

Dafür gibt es - mal von bestimmten internationalen Gerichtshöfen abgesehen - keine Handhabe außer fordauernder Verbalkritik.

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Lieber Herr von Heintschel-Heinegg,

ja, leider sind Obamas Ankündigungen und Versprechungen hinsichtlich der verbrecherischen Maßnahmen der Vorgängerregierung uneingelöst geblieben. Weder gab es eine Strafverfolgung derjenigen, die das Folterprogramm angeordnet und durchgeführt haben noch wurde Guantanamo geschlossen bzw. die dort stattfindenden Militärtribunale in "normale" Strafverfahren umgewandelt. Das lag ja zum größten Teil am Widerstand der Republikaner (und einem Teil der Demokraten) im Kongress. Die nun veröffentlichten Tatsachen sind zwar zu einem großen Teil schon vor ca. 5 Jahren bekannt gewesen, aber trotzdem ist die regierungsamtliche Veröffentlichung und der dadurch bekanntgewordene noch größere Umfang der Folter natürlich sehr wichtig.

Wenn die Obama-Regierung es nicht schafft und auch die außerhalb der USA bestehenden Rechtsordnungen (wie die unsere) es aus Staatsraison nicht schaffen, die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen, dann könnte aber die US-Regierung wenigstens noch ein Signal an die Öffentlcihkeit senden, wie es Jane Mayer vorgeschlagen hat. Jane Mayer ist eine der Journalist-innen (sie schreibt für den New Yorker), die die Folteraffäre aufgeklärt haben (Buch: "The Dark Side", 2008). Jane Mayer schlägt vor, die "Patrioten der Folter" zu ehren. Damit meint sie diejenigen CIA-Agenten, FBI-Leute, Soldaten etc., die sich geweigert haben zu foltern und /oder das laufende  Folterprogramm  kritisierten bzw. dagegen intern vorgegangen sind,  und die dafür zum Teil schwere Nachteile in Kauf genommen haben, siehe hier:

http://www.newyorker.com/news/news-desk/real-torture-patriots

Wenn man sich anschaut, was die Folterer, ihre Chefs und die juristischen Folterberater heute tun, dann erfährt man: Es hat niemandem von ihnen auch nur ansatzweise geschadet.

Sie verdienten Geld mit Folter, sie sind im gut gepolsterten Ruhestand oder bekleiden weiterhin gute Positionen

wie z.B. Bundesrichter Jay Bybee

http://en.wikipedia.org/wiki/Jay_Bybee

und Universitätsprofessor John Yoo

http://en.wikipedia.org/wiki/John_Yoo

Beides sind Schreibtischtäter modernen Formats.

Hier noch weitere Informationen zu den "Bush Six", gegen die immerhin in Spanien einmal ermittelt wurde:

http://en.wikipedia.org/wiki/Bush_Six

 

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

 

Denkbar wäre doch die Strafverfolgung durch den ICC Den Haag aufgrund Anzeigen von Opfern, die in Polen (Ratifizierung des Rom-Statuts am 12. November 2001, Inkrafttreten am 1. Juli 2002) oder Afghanistan (Beitritt 10. Februar 2003) gefoltert worden sind? Khaled al-Masri z.B. wurde erst ab 2004 in Afghanistan "verhört" - zur Erinnerung: Mazedonien (Rom-Statut am 6. März 2002 ratifiziert, Inkrafttreten s.o.) musste ihm Schmerzensgeld zahlen, weil er dort 2003 verhaftet und an die CIA ausgeliefert wurde.

Kann der ICC internationale Haftbefehle erlassen?

P.S.: einen Schreibtischtäter, der Folter toleriert, haben wir in Deutschland ebenfalls - und auch der ist noch in gut bezahltem Amt und Würden. Schäuble rechtfertigt Verhöre - Schäuble verteidigt Äußerungen zu Foltergeständnissen (menschenverachtender Hohn übrigens seine Behauptung "dass in Guantanamo gefoltert würde, dafür habe ich niemals einigermaßen seriöse Hinweise gehabt", eineinhalb Jahre nach den ersten Berichten über Folter in Guantánamo und ein Jahr nachdem das Internationale Komitee vom Roten Kreuz diese Berichte bestätigt hat. Das IKRK ist also nach Schäubles Auffassung unseriös.)

@ # 4 

Zweifellos ist zu begrüßen, dass es überhaupt zu diesem Untersuchungsbericht gekommen ist!

 

Nachdem die schon lange bekannten erschütternden Tatsachen nun aber offiziell bestätigt wurden, wäre von einer gefestigten Demokratie wie den USA auch eine justizielle Aufarbeitung zumindest gegenüber den maßgeblichen Entscheidungsträgern zu erwarten, die sich allerdings – soweit ersichtlich – sämtlich zu Unrecht beschuldigt sehen. Andererseits scheint aber in der Regierung wiederum der Mut für eine Amnestie zu fehlen.

 

@ # 6

Der ICC wird nicht schon automatisch durch seine bloße Zuständigkeit (vorliegend: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen; daneben Völkermord und künftighin das Verbrechen der Aggression) tätig. Erforderlich ist vielmehr, dass einer der in Art. 13 IStGH-Statut genannten drei Auslösungsmechanismen betätigt wird. Nachdem die USA nicht Vertragsstaat sind, kommt allein ein Beschluss des UN-Sicherheitsrats in Betracht; denn insoweit kommt es auf die Frage, ob der betroffene Staat Mitglied des Rom-Statuts ist, nicht an. Als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats haben die USA aber ein Vetorecht und werden von diesem Gebrauch machen, zumal auch die USA dem ICC bislang skeptisch gegenüberstehen (zur Ausnahme in der amerikanischen Politik sogleich).

 

Wie der im März 2009 vom ICC erlassene Haftbefehl gegen den amtierenden (!) sudanesischen Staatspräsidenten Omar Al Bashir erlassene Haftbefehl zeigt, wäre rechtlich ein Haftbefehl möglich, vgl. Art. 58 IStGH-Statut. Am Rande bemerkt: die Situation im Sudan wurde durch UN-Sicherheitsratsbeschluss 1593 (2005) an den ICC überwiesen; die USA enthielten sich hierbei ihrer Stimme, weil dieser Haftbefehl politisch gewollt war.

 

 

 

Lieber Herr Müller,

der Vorschlag, immerhin die "Patrioten der Folter"  zu ehren, war mir bislang nicht bekannt. Ein interessanter Gedanke. Aber auch hierzu fehlt der amtierenden Regierung wohl derzeit der politische Mut . Immerhin wäre es ein Signal!

Wie geqäult 

 

http://www.spiegel.de/politik/ausland/cia-folterbericht-die-zehn-schlimm...

 

und

dabei gut verdient wurde

 

http://www.spiegel.de/politik/ausland/cia-folterbericht-us-psychologen-v...

 

belegen auch diese beiden Links zu SPIEGEL ONLINE.

 

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg

Sehr geehrter Herr Prof. von Heintschel-Heinegg,

wenn ich Art. 13 c) und Art. 15 (1) richtig verstehe, kann der Ankläger am ICC auch selbst Ermittlungen einleiten. Und wenn das Verbrechen in einem Vertragsstaat des Rom-Statuts stattgefunden hat (z.B. Polen oder Afghanistan, s.o., oder Litauen, ratifiziert 12. Mai 2003 bzw. Rumänien, ratifiziert am 11. April 2002 - alles Staaten mit CIA-"Black Sites"), reicht das laut Art. 12 (2) a) für eine Ausübung der Gerichtsbarkeit aus. Auf eine Anerkennung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Täter hat und der nicht Vertragspartei ist (wie die USA z.B.) nach Art. 12 (3) kommt es dann nicht mehr an ("oder in Übereinstimmung mit Absatz 3 die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs anerkannt haben" - nicht "und"!)

 

Ist es schon zu früh für Nazivergleiche? Vielleicht ja. Aber trotzdem möchte ich sagen: Gegenwärtig erlaubt die US-Regierung ihren Bediensteten (und angeworbenen Dritten), Menschen im Ausland zu entführen, ohne Anspruch auf ein reguläres Gerichtsverfahren unbegrenzt gefangen zu halten, im Ausland ohne Kriegserklärung zu töten, flächendeckend Kommunikation abzuhören. Die Mehrheit der Bevölkerung soll das entweder gutheißen oder ihm gleichgültig gegenüberstehen. Die USA sind nicht, noch lange nicht bei den Verhältnissen des Dritten Reiches oder ähnlich schrecklicher Regime angekommen. Aber ich frage mich: Sind sie auf dem Weg dahin? Falls ja, wäre das sehr traurig. Bei aller Kritik haben die USA m. E. viel Positives hervorgebracht. Es ist schade, dass die Politik dieses Staats die Freude an Land, Leuten und Kultur langsam, aber stetig belastet.

Eine strafrechtliche Aufarbeitung wäre sehr, sehr wünschenswert, um zu zeigen, dass das Verfehlungen der Vergangenheit sind. Gegenwärtig ist der Folterbericht eher eine Botschaft an die Welt: Seht her, wenn Ihr uns in die Quere kommt, werdet Ihr weggesperrt und gefoltert, bis Ihr Euch vor Verzweiflung umbringt. Und das finden wir zwar offiziell nicht toll, aber mal ehrlich, wenn Ihr es nicht toll findet, ist das Euer Problem. Schließlich haben wir die Predator-Drohnen, nicht Ihr.

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Passend zu den von Prof. Müller angesprochenen Whistleblowern heute abend auf Arte die Doku "Schweig, Verräter!" ("Silenced") von James Spione (der heißt wirklich so!), die z.T. durch eine Kickstarter-Kampagne finanziert wurde. Einer der Protagonisten/Interviewten ist John Kiriakou, "the first CIA agent to publicly confirm the use of torture in terrorism interrogations".

Sehr geehrte(r) Mein Name,

Sie haben recht: der Chefankläger kann selbst von Amts wegen Ermittlungen einleiten, Art. 13 lit.c , 15 Abs. 1 IStGH-Statut. Allerdings ist diese Möglichkeit an die Genehmigung durch die Vorverfahrenskammer des IStGH gekoppelt. Diese prüft gemäß Art. 15 Abs. 4 IStGH-Statut, ob eine hinreichende Grundlage für die Aufnahme von Ermittlungen besteht und die Sache unter die Gerichtsbarkeit des IStGH zu fallen scheint. In Sachen USA hat der Chefankläger - soweit mir bekannt - davon noch nie Gebrauch gemacht, so dass auch nicht bekannt ist, wie die Vorverfahrenskammer da entscheiden wird.    

Wenn man an die letztlich Verantwortlichen heran will, geht dies nur über die dogmatische Figur der mittelbaren Täterschaft und dabei um den "Täter hinter den Täter", Art. 25 Abs. 3 lit. a Var. 3 IStGH-Statut, den neuere Judikate anerkennen (z.B. im Fall von Al Bashir).

Beste Grüsse

Bernd von Heintschel-Heinegg                                                                                                 

                                  

Lieber Herr von Heintschel-Heinegg,

der Beck-Verlag hat mir gestattet, meinen vor 5 Jahren veröffentlichten längeren Festschrift-Beitrag zur kriminologischen Bedeutung der Foltervorwürfe in Guantanamo und Abu Ghraib, nun in Open Access zu veröffentlichen. Ich habe mich damals kriminaltheoretisch v.a. mit denjenigen befasst, die diese Folter anordneten bzw. genehmigten. Es geht dabei um den speziellen Bereich der "Kriminalität der Mächtigen".

Hier der Link:

http://epub.uni-regensburg.de/18555/1/Staatsf%C3%BChrungen%20als%20T%C3%...

 

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

 

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