Vorsatz bei Geschwindigkeitsverstößen: Bei gefahrenen 76 km/h innerorts voll ok!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.11.2014

Der Vorsatz bei Geschwindigkeitsverstößen ist ein verkehrsrechtlicher Klassiker. Das OLG Stuttgart ist da wohl recht entspannt, wenn der Tatrichter Vorsatz bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen bejaht:

Auch die Urteilsfeststellungen zu einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sind nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall hat der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h überschritten. Angaben zur Sache wurden von ihm nicht gemacht. Angesichts der um mehr als 50 Prozent überhöhten Geschwindigkeit ist in der Regel von einer vorsätzlichen Begehungsweise auszugehen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. Juli 2012 - 4a Ss 380/12; KG Berlin VRS 107, 213). Anhaltspunkte, dass ausnahmsweise dennoch ein fahrlässiges Handeln vorlag, waren vorliegend nicht gegeben, zumal die Messstelle innerhalb einer zusammenhängenden Bebauung lag. Das Vorbringen in der Rechtsbeschwerdebegründung hierzu erschöpft sich überwiegend in urteilsfremden Erwägungen.

  OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.08.2014 - 4 Ss 225/14       Mehr zum Vorsatz bei Geschwindigkeitsüberschreitungen: Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2014, § 5 Rn. 16 ff. Fahrverbot in Bußgeldsachen | Krumm | Buch (Cover)  
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1 Kommentar

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Das Urteil erscheint plausibel, allerdings in erster Linie für den konkret entschiedenen Fall.

Leider gehen Kommunen (etwa z.B. die Städte Bonn und Hannover) immer öfter hin, und begrenzen auch auf Straßen, auf denen es niemand (zumindest als Ortsunkundiger) erwartet, die Geschwindigkeit auf 50 km/h, sogar auf autobahnähnlich ausgebauten und durch Leitplanken von Bürgersteigen und Radwegen abgetrennten geraden und kreuzungsfreien scheinbaren Schnell-Straßen - dort kann es einem ortsunkundigen durchaus auch verbotsirrtümlich und fahrlässig passieren 76 km/h zu fahren.

Ähnliches gilt für Kommunen, welche (wie etwa die Stadt Krefeld auf der ehemaligen hauptverkehrsachse Bundesstraße 9), ohne daß irgendwelche Gefahrenstellen erkennbar wäre, auf uralten und sehr breiten Bundestraßen scheinbar willkürlich Tempo 30 anordnen - dort kann es für Ortsunkundige durchaus fahrlässig passieren 26 km zu schnell, also Tempo 56 zu fahren.

Auch z.B. die Tempobegrenzung auf der Fleher Brücke bei Düsseldorf ist nicht naheliegend und kommt unerwartet und ist einleuchtend (und wohl auch rechtswidrig), und oft wird die Sicht auf Geschindigkeitsbegrenzungsschilder durch auf der rechten Spur fahrende große Lastkraftwagenkolonnen verdeckt (was durch Einführung von Giga-Linern vielleicht noch häufiger vorkommen wird).

Letztendlich lässt sich nur im Einzelfall beurteilen, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorlag.

76 km/h zu fahren statt erlaubter 50 km/h ist in einem Normalfall sicherlich ein gewichtiges Indiz, aber es sollten immer alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles gewürdigt werden.

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