Fall Mollath - Einige Anmerkungen zur schriftlichen Urteilsbegründung des LG Regensburg

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 20.11.2014

Die schriftlich verfassten Gründe des noch nicht rechtskräftigen Urteils im wiederaufgenommenen Prozess gegen Gustl Mollath liegen seit 14 Tagen  vor.

Ein erster Blick in die mit 120 Seiten außergewöhnlich umfangreiche Begründung bestätigt meinen Eindruck aufgrund der Pressemitteilung am Tag der mündlichen Urteilsverkündung.

Damals hatte ich von einem „salomonischen Urteil“ geschrieben und bin dafür kritisiert worden. Vielleicht habe ich das Wort „salomonisch“ unangemessen gebraucht – gemeint war, dass dieses Urteil für Herrn Mollath einerseits einen Erfolg darstellt, andererseits auch nicht. Erfolgreich für ihn ist es insofern, als die jahrelange Unterbringung aufgrund einer nachgewiesenen gefährlichen Wahnerkrankung, Ergebnis des Urteils des LG Nürnberg-Fürth, nun vom LG Regensburg nachträglich als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen wurde. Herr Mollath ist für die Unterbringungszeiten zu entschädigen.

Dieses Urteil ist aber nur Teil eines außergewöhnlichen Gesamterfolgs: Vor gut zwei Jahren, Anfang November 2012, war Herr Mollath ein seit sechseinhalb Jahren in der forensischen Psychiatrie Untergebrachter und nahezu ohne Chance in absehbarer Zeit freigelassen und rehabilitiert zu werden. Auf seiner Seite standen zwar schon damals einige private Unterstützer, eine Strafverteidigerin und einige Journalisten. Auf der Gegenseite, die ihn als nach wie vor gemeingefährlichen Wahnkranken ansah, standen aber nicht nur das seit 2007 rechtskräftige Urteil, sondern  auch seine Behandler in der Psychiatrie, mehrere psychiatrische Gutachter, die Strafjustiz an drei bayerischen Standorten und die zunächst noch vom Ministerpräsidenten gestützte bayerische Justizministerin. Gegen diese Institutionen hat Gustl Mollath im Verlauf eines knappen Jahres die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens, und zwar in einmaliger Weise auf Antrag der Staatsanwaltschaft (!), die Freilassung aus der Unterbringung, eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde und nunmehr auch ein neues Urteil erreicht. Im Verlauf dieser Zeit wurden anhand des „Falls Mollath“ außerdem wichtige Fehlkonstruktionen aufgedeckt, was in ein Bundesgesetzgebungsverfahren (StGB) sowie ein Landesgesetzgebungsverfahren (Maßregelvollzugsgesetz) mündete. Ohne dies aktuell empirisch überprüft zu haben: Ein solcher Erfolg ist in der bundesrepublikanischen Rechtsgeschichte einmalig. Wer nun davon spricht (sei es auf Seiten Herrn Mollaths oder auf der Gegenseite), Herr Mollath sei insgesamt gescheitert, der hat einen verzerrten Blick auf die Wirklichkeit. Allerdings: Die verlorenen Jahre kann ihm niemand zurückgegeben; die zu erwartende Entschädigung kann diesen Verlust nicht ansatzweise ausgleichen.

Zugleich enthält das Urteil auch einen „Misserfolg“ für Gustl Mollath, weil  der schwerste Vorwurf, seine Frau am 12.08.2001 geschlagen, gebissen und gewürgt zu haben, als seine rechtswidrige Tat festgestellt wurde. Seiner Darstellung, diese Tat habe so gar nicht stattgefunden bzw. er habe sich nur gegen einen Angriff seiner Frau gewehrt, ist das LG Regensburg nicht gefolgt. Dieser Misserfolg fällt allerdings gegenüber den oben genannten Erfolgen geringer ins Gewicht.

Die  Beweiswürdigung zum Tatvorwurf am 12.08.2001, ausgeführt auf  mehr als 50 Seiten der Urteilsgründe, ist nicht nur ausführlich, sondern akribisch und auch logisch stimmig. Im Kern glaubt das Gericht den Angaben der Nebenklägerin, die sie im früheren Verfahren gemacht hat, und den Beobachtungen des Arztes, den sie zwei Tage nach der Tat aufsuchte. Eine sehr kritische Würdigung dieser Angaben war geboten, denn die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung nicht ausgesagt, aber dennoch auf den geschilderten Vorwürfen beharrt. In einem Strafprozess, der als Prinzipien die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung kennt, ist ein solches Aussageverhalten  problematisch. Der BGH hat es dennoch zugelassen, die früheren Angaben eines Hauptbelastungszeugen zu verwerten, auch wenn dieser  die Aussage in der Hauptverhandlung (berechtigt) verweigert. Allerdings erweist sich eine derartige Beweiswürdigung auch im Fall Mollath als bedenklich: Die schriftlich niedergelegten Angaben der Nebenklägerin konnten praktisch nur untereinander und indirekt über die Vernehmung von Drittzeugen geprüft werden, ohne dass die Nebenklägerin in Gefahr geraten konnte, sich bei Rückfragen  in Widersprüche zu verwickeln. Da das Gericht die Nebenklägerin nie persönlich gesehen hat, konnte ein Gesamteindruck der entscheidenden personalen „Quelle“ der Vorwürfe nicht gewonnen werden. Wenn sich das Gericht dann zentral auf die früheren Aussagen stützt, muss diese Würdigung mit Leerstellen auskommen, die positiv gefüllt werden. So spricht nach Auffassung des Gerichts für die Glaubhaftigkeit der Angaben zentral, dass die Nebenklägerin zum Zeitpunkt ihrer ersten Angaben über die Tat noch nicht die Absicht gehabt habe, sich von ihrem Mann zu trennen bzw. ihn anzuzeigen. Vielmehr habe sie ja noch Monate mit ihm zusammengelebt. Gerade dieser Umstand kann aber auch umgekehrt interpretiert werden: Dass sie noch so lange mit ihm zusammengeblieben ist, könnte eher gegen einen lebensgefährlichen Angriff sprechen. Welche Absicht die Nebenklägerin mit dem Attest positiv verfolgte, ist unbekannt. Dass es keine Motive gewesen sind, die dem Wahrheitsgehalt ihrer Angaben entgegenstanden, wird vom Gericht unterstellt. Dass die Gründe in der "Vorsorge" für ein späteres Scheidungsverfahren gelegen haben könnten, wird vom Gericht nicht diskutiert. Im Übrigen stützt sich die Kammer darauf, dass es sich bei den Tatschilderungen im Kern um konstante und darum auch zuverlässige Äußerungen handele. Das Konstanzkriterium ist allerdings ein recht schwaches Wahrheitsindiz, weil es auch einer lügenden Person ohne Weiteres gelingen kann, eine konstante Tatschilderung in mehreren Vernehmungen aufrecht zu erhalten. Angaben zum Randgeschehen (wie kam es zur Tat, was passierte vorher und nachher?) sind in den verwerteten Angaben nicht enthalten. Hierzu hätte es zur Aufklärung der mündlichen Vernehmung der Nebenklägerin bedurft.

Anders als die Nebenklägerin hat sich der Angeklagte als Beweismittel gegen sich selbst auch in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt. Seine Äußerung, er habe sich gewehrt, wird vom Gericht dahingehend gewürdigt, dass es jedenfalls am 12.08.2001 zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen sein müsse. Diese Würdigung ist nachvollziehbar. Wenn es eine Auseinandersetzung gab, bei der sich der Angeklagte gewehrt hat, dann kann erwartet werden, dass dieser die Auseinandersetzung auch im Einzelnen schildert. Hierzu aber schwieg der Angeklagte in der Hauptverhandlung. Es trifft allerdings nicht zu, dass sich – wie das Gericht meint (S. 66) – die Verteidigungsstrategien Mollaths (einerseits: Verletzungen vom Sprung aus dem Auto, andererseits: Verletzungen von einer Gegenwehr) widersprechen: Es ist denkbar, dass beides zutrifft und die Verletzungen von der Nebenklägerin beim Arzt als von einem einzigen Ereignis herstammend geschildert wurden.

Zentral ist der Zeuge Reichel, nach dessen Aussage er die Nebenklägerin zwei Tage nach der vorgeworfenen Tat gesehen hat und Verletzungszeichen schildert, die zu den Schilderungen der Nebenklägerin passen. Auch hier bemüht sich die Kammer, eventuelle Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen. [Update 22.02.2015: Das Zustandekommen des Attests und des zugrundeliegenden Krankenblattinhalts ist sowohl inhaltlich als auch datumsmäßig  nach wie vor nicht eindeutig nachvollziehbar, diesbezügliche Widersprüche in der Darstellung Reichels wurden in der HV nicht geklärt.]

Insbesondere bleibe ich bei meiner schon kurz nach dem Urteil geäußerten Auffassung, dass die Frage der gefährlichen Körperverletzung durch eine das Leben gefährdende Handlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) für mich nicht zweifelsfrei erwiesen ist. Da es keine Fotografien der Hämatome gibt, war das Gericht allein auf die – von ihm selbst eingeräumt – unzuverlässige Erinnerung des Arztes angewiesen und auf die durch den Arzt indirekt vermittelte Angabe der Nebenklägerin. Zum Würgen (auch mit Würgemalen) gibt es eine umfassende,  im Kern auch differenzierende Rechtsprechung. Die Schlussfolgerung, nicht näher dokumentierte Würgemale gingen in jedem Falle mit einer Lebensgefährdung einher, wird in der BGH-Rechtsprechung nicht geteilt. Die Angabe der Nebenklägerin, sie sei kurzfristig bewusstlos gewesen, beruht allein auf ihrer nicht überprüfbaren und auch von keinem weiteren objektiven Indiz bestätigten Angabe.

Das Gericht kommt hinsichtlich der Schudfrage zu dem Schluss, Herr Mollath habe am 12.08.2001 nicht ausschließbar unter Einfluss einer schwerwiegenden Störung gehandelt, die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB geführt habe. Obwohl dies in dubio pro reo zu einer Entlastung Mollaths führt, so dass er für den Angriff auf seine Frau weder bestraft noch untergebracht werden kann, wird diese Wertung von ihm als belastend empfunden. Ob diese subjektive Belastung als „Beschwer“ für eine Rechtsmittel (Revision) genügt, wird sicherlich Gegenstand der Begründung des von Mollath und seinem neuen Verteidiger eingelegten Rechtsmittels  sein.

Ohne auf diese verfahrensrechtliche Frage näher eingehen zu wollen, kann man aber bezweifeln, dass die materiellen Maßstäbe, die das Gericht hier an eine Subsumtion der Merkmale des § 20 StGB (und sei es auch nur in dubio pro reo) angelegt hat, zutreffend sind.

Diese Maßstäbe werden üblicherweise recht eng gesehen: Es genügen eben nicht schon jegliche Anhaltspunkte oder die bloße Nicht-Ausschließbarkeit einer Störung zur Tatzeit, um dann per Zweifelsgrundsatz eine Exkulpation vorzunehmen. Hier hat das Gericht den Zweifelsgrundsatz doppelt wirken lassen: Erstens hinsichtlich der Frage, ob an dem Tag überhaupt eine schwerwiegende Störung vorlag und zweitens dahingehend, dass diese Störung zum Ausschluss der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Regelmäßig sind auch psychiatrische Sachverständige nicht in der Lage, einen vorhandenen Zustand „zurückzurechnen“. Hier hat der Sachverständige weder über ein aktuelle Exploration verfügt noch über Aktenmaterial mit Begutachtungen, die zeitnah zum 12.08.2001 auf eine Störung hinwiesen. Er hat deutlich gemacht, dass man von ihm praktisch Unmögliches verlangt, wenn man erwarte, er könne eine belastbare Einschätzung zu einem 13 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt abgeben. Das Gericht hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt und den Sachverständigen Nedopil stärker interpretiert als es seiner Stellungnahme nach angemessen war. Natürlich kann er eine Schuldunfähigkeit vor 13 Jahren nicht „ausschließen“. Das kann niemand über den Zustand eines Menschen sagen, den er zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt bzw. gesehen hat. Aber für eine (wenn auch nur aufgrund des Zweifelssatzes) vorgenommene Annahme der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB reicht dieses Nichtwissen normalerweise nicht aus. Die vom Gericht für eine solche Störung aufgeführten Indizien stammen zu einem großen Teil aus der Zeit nach der Trennung der Eheleute und können daher nicht eine Tatwirksamkeit für den August 2001 belegen. Das Gericht meint, der zeitliche Zusammenhang sei „sehr eng“(S. 81), jedoch ist der situationale Zusammenhang eher fern, soweit viele weitere geschilderte Verhaltensauffälligkeiten erst nach dem Auszug der Nebenklägerin aus der gemeinsamen Wohnung auftraten. Eine belastende psychodynamische Ausnahmesituation kommt praktisch in jeder Ehekrise auf beide Partner zu. Nach dieser Logik müssten eine große Anzahl Fälle häuslicher Gewalt unter dem Blickwinkel nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit betrachtet werden.

Die Beweiswürdigung zu den anderen Tatvorwürfen hingegen stimmt mit meiner Einschätzung nach der Hauptverhandlung überein.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil kann hier nachgelesen werden: Urteil des LG Regensburg

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Mit dem Fall Mollath zusammenhängende Fragen werden jedoch von mir weiter verfolgt. Schon für demnächst ist ein  Beitrag zur (speziellen) Frage der Revisionszulässigkeit geplant. Zu dieser Frage kann dann auch wieder diskutiert werden. 

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1753 Kommentare

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Das ist ja ein tolles Ding

WR Kolos schrieb:

Retrospektiv betrachtet war die Entscheidung zur Einholung des psychiatrischen Gutachtens auf 244 II StPO gestützt und nicht auf 246a StPO. Denn die Unterbringung wurde schließlich nicht angeordnet. 246a StPO ist aber nur dann relevant, wenn es dazu kommt. 

Die Entscheidung über die Schuldfähigkeit steht natürlich nur dann an, wenn der Richter von der Täterschaft überzeugt ist (um die Frage zu beantworten, wann sie "feststeht" bzw. "geklärt" ist). Davon zu trennen ist aber die Entscheidung des Gerichts über die Beweisaufnahme, die bezüglich der Bedeutung von den zu erhebenden Beweisen für die Sachentscheidung stets eine Prognoseentscheidung ist. 

Wo kann ich das denn nachlesen "wenn der Richter von der Täterschaft" überzeugt ist?

Das hört sich ja an wie ein echtes Vor-Urteil vor dem Urteil.

WR Kolos schrieb:

Retrospektiv betrachtet war die Entscheidung zur Einholung des psychiatrischen Gutachtens auf 244 II StPO gestützt und nicht auf 246a StPO. Denn die Unterbringung wurde schließlich nicht angeordnet. 246a StPO ist aber nur dann relevant, wenn es dazu kommt. 

Die Entscheidung über die Schuldfähigkeit steht natürlich nur dann an, wenn der Richter von der Täterschaft überzeugt ist (um die Frage zu beantworten, wann sie "feststeht" bzw. "geklärt" ist). Davon zu trennen ist aber die Entscheidung des Gerichts über die Beweisaufnahme, die bezüglich der Bedeutung von den zu erhebenden Beweisen für die Sachentscheidung stets eine Prognoseentscheidung ist. 

Um in dem Zusammenhang das Wort " Retrospektiv" aufzugreifen, es ging ja bei dem Gutachten Nedopils um eine AUSSCHLIEßLICH retrospektive Beurteilung, nämlich um eine "wissenschaftliche" Spekulation über GMs seelischen (nicht geistigen) Zustand vor 13 Jahren. Wo genau ist das denn juristisch irgendwie abgesichert? Oder medizinisch? Also auf welche wissenschaftlich anerkannte Methode wird sich da gestützt, mit der man juristisch weitreichende Feststellungen OHNE belastbare Erkenntnisse/Beweise/Zeugen zum seelischen Zustand des Angeklagten vor 13 Jahren rechtsverbindlich treffen kann und darf? Andersrum ausgedrückt, wenn ein Richte der Meinung wäre, ein Glaskugelleser könnte wesentliches zur Wahrheitsfindung beitragen, dürfte das dann auch als Urteils-Stützend verwendet werden? Nimmt man mal sogenannte "harte Fakten", hätte der technische SV in der WAV jegliches Vorgänger-Gutachten (hätte es denn eines gegeben) z.T. lebensgefährliche Reifenstecherei (worauf sich ja immerhin MAßGEBLICH die Allgemeingefährlichkeit und somit die dauerhafte Wegsperrung begründet hat) problemlos "weggeputz" und komplett widerlegt. Müssen denn nicht vergleichbare Qualitäts-Ansprüche / Vorgaben an ALLE SV angelegt werden, egal aus welchem Fachbereich? Ist das denn i r g e n d w o verbindlich geregelt? In dem Zusammenhang weise ich wieder einmal darauf hin, dass Urteile, die auf Gutachten von Postel beruhen, nicht aufgehoben wurde, nachdem herauskam, dass er NIE Psychiatrie (oder auch nur Medizin) studiert hatte. "Lustigerweise" mit der Begründung, dass auch ein studierter Psychiater zu keinen anderen Ergebnissen gekommen wäre als Postel, da er mit gängigen Versatzstücken( = psychiatrisch gerne genutzten Worthülsen) gearbeitet hatte.

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Nachlesen können Sie das z.B. in 261 StPO, Herr Sponsel.

Schon wieder ein Widerspruch

WR Kolos schrieb:

Nachlesen können Sie das z.B. in 261 StPO, Herr Sponsel.

Dort steht: "Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung."

Wenn das richtig wäre, könnte das Gericht nach der Beweisaufnahme den Gutachter bestellen. So weit mir bekannt ist, ist der Sv das letzte Glied der Beweisaufnahme. Er könnte also begründet bestellt werden, wenn er dran war, sofern er zur Beweisaufnahme gehört. Das wäre der eine Widerspruch. Der andere ist, das das Gericht bereits vor der Beratung der Beweisaufnahme ein Vor-Urteil gefällt hätte. Wo steht das denn?

Überdies müsste der Sv vom Gericht informiert werden, etwa mit den Worten: Erstatten Sie Ihr Gutachten bitte unter der Voraussetzung, dass der Angeklagte der Täter war.

So läuft das ja aber nie. Ich bin mit den bisherigen juristischen Erklärungen mehr als unzufrieden.

 

RSponsel schrieb:

Schon wieder ein Widerspruch

WR Kolos schrieb:

Nachlesen können Sie das z.B. in 261 StPO, Herr Sponsel.

Dort steht: "Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung."

Wenn das richtig wäre, könnte das Gericht nach der Beweisaufnahme den Gutachter bestellen. So weit mir bekannt ist, ist der Sv das letzte Glied der Beweisaufnahme. Er könnte also begründet bestellt werden, wenn er dran war, sofern er zur Beweisaufnahme gehört. Das wäre der eine Widerspruch. Der andere ist, das das Gericht bereits vor der Beratung der Beweisaufnahme ein Vor-Urteil gefällt hätte. Wo steht das denn?

Überdies müsste der Sv vom Gericht informiert werden, etwa mit den Worten: Erstatten Sie Ihr Gutachten bitte unter der Voraussetzung, dass der Angeklagte der Täter war.

So läuft das ja aber nie. Ich bin mit den bisherigen juristischen Erklärungen mehr als unzufrieden.

 

Lieber Herr Sponsel!

Jetzt werd ich da grade mal ganz wortklauberisch, ist denn "Erklärungen" in dem Zusammenhang das richtige Wort?
Wäre nicht vielleicht "Stellungnahme" zutreffender ;-) ?

Vielen Dank übrigens für Ihre aufrichtige Haltung!

f&f

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RSponsel schrieb:

Schon wieder ein Widerspruch

WR Kolos schrieb:

Nachlesen können Sie das z.B. in 261 StPO, Herr Sponsel.

Dort steht: "Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung."

Wenn das richtig wäre, könnte das Gericht nach der Beweisaufnahme den Gutachter bestellen. So weit mir bekannt ist, ist der Sv das letzte Glied der Beweisaufnahme. Er könnte also begründet bestellt werden, wenn er dran war, sofern er zur Beweisaufnahme gehört. Das wäre der eine Widerspruch. Der andere ist, das das Gericht bereits vor der Beratung der Beweisaufnahme ein Vor-Urteil gefällt hätte. Wo steht das denn?

Überdies müsste der Sv vom Gericht informiert werden, etwa mit den Worten: Erstatten Sie Ihr Gutachten bitte unter der Voraussetzung, dass der Angeklagte der Täter war.

So läuft das ja aber nie. Ich bin mit den bisherigen juristischen Erklärungen mehr als unzufrieden.

 

 

#26 Waldemar Robert Kolos 23.03.2015

 

Nachlesen können Sie das z.B. in 261 StPO, Herr Sponsel.

K o m m e n t a r : Dazu die juristischen Grundlagen, schließlich sind wir ja in einem „vornehmlich“ juristischen Blog.

 § 244
 [Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen]

…....(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf                    a l l e  Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

K o m m e n t a r : Nach diesem W o r t l a u t hat das Gericht sehr umfassende Möglichkeiten Beweismitteln zu erheben. Ausgesprochen merkwürdig ist, dass das Gericht das entscheidende Beweismittel: EDV-Dokumente in der Praxis Reichel nicht erhoben hat. Dieser Beweisantrag wurde erst vom Verteidiger gegen Ende des Verfahrens gestellt.

§ 246a
[Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung]

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus …..angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen.

K o m m e n t a r : Dieser Paragraf war die entscheidende Grundlage für die Zwangsbeobachtung beim WAG! Sehr beachtenswert ist, dass die rechtlichen Voraussetzungen ebenso wie in § 244(2) „alle Tatsachen, Beweismittel, die für die Entscheidung von Bedeutung sind“ auch in § 246a (1) sehr allgemein, sehr vage, mit e unbestimmten Rechtsbegriffen geregelt sind. Dies dürfte auch kaum anders geregelt werden können. Gleichwohl ist vom Gericht äußerste Sorgfalt einzufordern, bei der Auslegung und Rechtspraxis dieser rechts bedeutsamen Vorschriften.

Hat das WAG diesem Anspruch genügt?

Auch bei der Urteilsfindung hatte das Gericht in der Causa Mollath nach dem nachfolgenden Wortlaut des § 261 Abs.1 StPO umfassende Entscheidungsmöglichkeiten. Deshalb ist größt mögliche T r a n s p a r e n z einzuforden, da es im Fall Mollath, wie auch im Fall Kulac u.v.a.m um eine Straftat, die existenziell zentrale Frage einer psychischen Erkrankung, einer Unterbringung und einer möglichen Schuldunfähigkeit geht. Wurde dieses Gebot der T r a n s p a r e n z im WA-Verfahren eingehalten?

§ 261
[Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung]
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner f r e i e n , aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

K o m m e n t a r : Tatsächlich hat das Gericht im WA-Verfahren sehr f r e i und nicht nachvollziehbar entschieden, zu welchen Zeitpunkt es zu der Überzeugung gelangt ist, dass der angeklagte Herr Mollath die Körperverletzung begangen hat. Diese verfahrensbestimmende, entscheidende Feststellung wurde nicht mit dem Sachverständigen und den Prozessbeteiligten kommuniziert. Dies ist auch nicht gesetzlich und verfahrensmäßig vorgeschrieben und möglich. Prof. Nedopil hat demnach ein Gutachten abgegeben unter der Voraussetzung, dass G.M. schuldig ist. Dies widerspricht der Unschuldsvermutung und entspricht nicht dem Rechtsstaatsgebot nach dem GG.

Es besteht die dringende gesellschaftliche Notwendigkeit, dass die Rechtslage und justizielle Rechtspraxis in diesem zunehmend wichtigen gesellschaftlichnen Problembereich höchstrichterlich und auch vom Europäischen Menschengerichtshof überprüft wird. Die einfache, lebensnahe, logisch-vernünftige und gerechte Lösung ist die Einführung des „Schuld-Inter-Lokut“. Keine Zwangsbeobachtung v o r einem richterlichen Beschluss über eine Straftat!

Einseitige polizeiliche, zielführende psychiatrische Ermittlungen haben zu dem Justiz- und Psychiatrieunrecht geführt.

Die richterliche Unabhängigkeit und der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung kann nicht so weit gehen, dass das justiziellen Vorgehen nicht den Denkgesetzen entspricht und der Rechtsfindung zuwiderläuft und auch im WA-Verfahren einseitig Recht gesprochen wurde.

Die von Herrn Waldemar Kolos angesprochene Inquisition wurde beendet. Obrigkeitsstaatliche, dem Rechtstaatsgebort entgegenstehende Elemente, die zu willkürlichen, inhumanen Entscheidungen führen können, sind offensichtlich in der Strafprozessordnung und -praxis noch nicht überwunden.

5

Genau - Zwangsbeobachtung ohnehin sinnlos

Menschen-Rechtler schrieb:

... Die einfache, lebensnahe, logisch-vernünftige und gerechte Lösung ist die Einführung des „Schuld-Inter-Lokut“. Keine Zwangsbeobachtung v o r einem richterlichen Beschluss über eine Straftat! ...

 

Die Gretchenfrage war, ist und bleibt: In welcher psychischer Verfassung befand sich der Täter zum Zeitraum der Tat? Da hilft keine Beobachtung Tage, Wochen, Monate, Jahre später. Da hilft meist nur eines: die Exploration und diese hat einige wichtige Randbedingungen, die leider weder die Justiz noch die Psychiatrie interessieren. Und deshalb  taugt dieses System der Justizpsychiatrie nichts und sollte abgeschafft werden.

RSponsel schrieb:

Genau - Zwangsbeobachtung ohnehin sinnlos

Menschen-Rechtler schrieb:

... Die einfache, lebensnahe, logisch-vernünftige und gerechte Lösung ist die Einführung des „Schuld-Inter-Lokut“. Keine Zwangsbeobachtung v o r einem richterlichen Beschluss über eine Straftat! ...

 

Die Gretchenfrage war, ist und bleibt: In welcher psychischer Verfassung befand sich der Täter zum Zeitraum der Tat? Da hilft keine Beobachtung Tage, Wochen, Monate, Jahre später. Da hilft meist nur eines: die Exploration und diese hat einige wichtige Randbedingungen, die leider weder die Justiz noch die Psychiatrie interessieren. Und deshalb  taugt dieses System der Justizpsychiatrie nichts und sollte abgeschafft werden.

Der letzte Satz müsste selbstverständlich lauten: "Keine Stigmatisierung, Psychiatrisierung und deshalb auch keine Zwangsbeobachtung v o r  einem richtlerlichen Beschluss über eine Straftat!

Wer hat Interesse eine zivilgesellschaftliche Inítiative zu begründen, die inhumane gegenwärtige Rechtssprechung publik zu machen und sich dafür einzusetzen, dass die "Schuld-Inter-Lokut" Regelung in die ohnehin beabsichtige Strafrechtsreform einbezogen wird.? Dieses dringliche Anliegen, dieser Apell  richtet sich insbesondere an Juristen, Anwälte, auch an humanistische Sachverständige ,Ärzte und vorallem engagierte Bürger. Über die überfällige Schuld-Inter-Lokut- Regelung lassen sich  zumindest in Zukunft vielfach unrechtmässige Unterbringungen, existenzzerstörenden Urteile, furchtbares Elend in den Forensiken vermeiden.

Dank und Anerkennung Herrn Dr. Sponsel, der durch seine Beitrage, die Problematik beharrlich auf den Punkt gebracht hat.

5

RSponsel schrieb:
Da hilft keine Beobachtung Tage, Wochen, Monate, Jahre später. Da hilft meist nur eines: die Exploration

Gut gebrüllt, Löwe...

Was das jetzt bringen soll, Jahre später über irgendeinen Tag zu reflektieren und welche Gewissheit das bringen soll, versteht kein Mensch.

Erzählen Sie doch mal von Ihrem Geburtstag von vor 10 Jahren, dann können wir uns alle ein Bild machen, wie Sie damals wohl drauf waren...

 

Die wenigsten Menschen können erklären, warum sie heute tun, was sie tun. Sie tun es halt einfach. Kontingenz halt...

 

Gesellschaftlich anerkannte Erklärungen wie Beruf etc. werden als Deutungsmuster der Wriklichkeit als unauffällig akzeptiert. Sinn machen die deshalb noch lange nicht.

 

Exploration...welch Selbsterhöhung dieser Hirnmechaniker.

 

Schicke Worthülsen für keinen Plan haben.

astroloop schrieb:

RSponsel schrieb:
Da hilft keine Beobachtung Tage, Wochen, Monate, Jahre später. Da hilft meist nur eines: die Exploration

Gut gebrüllt, Löwe...

Was das jetzt bringen soll, Jahre später über irgendeinen Tag zu reflektieren und welche Gewissheit das bringen soll, versteht kein Mensch.

Erzählen Sie doch mal von Ihrem Geburtstag von vor 10 Jahren, dann können wir uns alle ein Bild machen, wie Sie damals wohl drauf waren...

Die wenigsten Menschen können erklären, warum sie heute tun, was sie tun. Sie tun es halt einfach. Kontingenz halt...

Exploration...welch Selbsterhöhung dieser Hirnmechaniker.

Schicke Worthülsen für keinen Plan haben.

Herr Mustermann,

ich habe den Eindruck, mit Ihrem Kommentar werden Sie unsachlich und polemisch:

Herr Dr. Sponsel  hat im nachfolgenden Kommentar eindeutig erklärt:

#33

........ "Da hilft keine Beobachtung Tage, Wochen, Monate, Jahre später. Da hilft meist nur eines: die Exploration und diese hat einige wichtige Randbedingungen, die leider weder die Justiz noch die Psychiatrie interessieren. Und deshalb  taugt dieses System der Justizpsychiatrie nichts und sollte abgeschafft werden"

Wie können Sie Herrn Dr. Sponsel unterstellen, dass er 13 Jahre nach der Körperverletzung noch eine Exploration für sinnvoll erachtet. Soweit ich die Aussage von Dr. Sponsel nachvollziehen und beurteilen kann, hat Dr. Sponsel sich gegen die Fern- und Zwangsbegutachtung im WA-Verfahren ausgesprochen und es war sein Anliegen, die Notwendigkeit der Exploration im zeitnahen Zusammenhang herauszustellen.

Der Kommentar war zwar leicht misszuverstehen, aber bei gutem Willen im Zusammenhang nachvollziehbar.

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Diese Fragestellungen zur Verbindlichkeit und Struktur im Verfahrensrecht sind von erheblicher Bedeutung. Einwände in Richtung Praxisferne, fehlende Flexibilität und die richterliche Unabhängigkeit  bekommen nicht durch schlichte Behauptung Substanz, sondern müssen ebenso schlüssig dargelegt und inhaltlich vertieft werden, wie die Kritik am Bestehenden.

Ein damit noch nicht bewältigter Problembereich ist die richterliche Voreingenommenheit gegenüber Beteiligten, die wenig gesicherte Bindung des Richters an das Gesetz und die mangelnde Fehlerkultur und Selbstkritik in der Justiz. Da wird häufiger eher der Verstoss gegen Recht und Denkgesetze fortgesetzt, als das es zu einer Korrektur von Fehlleistungen kommt. Was passiert eigentlich im hierarchischen Justizsystem, wenn ein Richter bei Fehlern oder Voreingenommenheit korrigiert oder abgelehnt wird? Wie bewerten das die Richter, die Verbände, die Justizverwaltung und Andere?   

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Sehr geehrter Herr Sponsel,

Sie fragen:

1) ab wann genau dürfen, sollen oder müssen Sachverständige aufgebrachte Taten als Anknüpfungstatsachen einbeziehen?

Der Sachverständige bekommt seinen Auftrag vom Gericht. Dieses bestimmt auch über die Anknüpfungstatsachen.

2) Gibt es hierzu klare Regeln (Gesetze, Rechtsprechung) oder ist das ungeregelt?

§§ 73 ff. StPO und die Rechtsprechung dazu

3) Falls das ungeregelt ist: was hat das mit Rechtsstaat oder Rechtssicherheit zu tun?

Wie rechtsstaatlich das ist, hängt davon ab, ob man die Regeln für ausreichend hält (tue ich nicht).

4) Es gibt Reformbestrebungen zum 63er Komplex. Falls das noch ungeregelt ist, sollte es nicht klar geregelt werden - gibt es dazu Anstalten?

§ 63 StGB hat damit nur eingeschränkt zu tun. Das eine (Sachverständigenbeweis) ist Prozessrecht, das andere (Voraussetzungen der Unterbringung) materielles Recht, schrieb ich bereits.

5) Bezieht man Taten, sofern sie denn "feststehen" - wann stehen sie denn fest? - in ein Sachverständigengutachten mit ein, ergibt sich die große Gefahr eines Zirkelschlusses. Als Beispiel nenne ich die Idiotenbeweisfrage, ob ein Täter aggressiv sei, der jemand umgebracht hat. Sie hätte nur dann einen Sinn und eine Berechtigung, wenn die Beurteilung ohne Einbeziehung Tat erfolgte.

Ihr Einwand hört sich für mich an wie Küchenpsychologie. Ob jemand einen anderen umgebracht hat, sagt nur teilweise etwas über seine (allg.) Aggressionsbereitschaft. Die Situation, in der die Tötung geschah (innere und äußere) scheinen mir nicht ganz unbeachtlich zu sein. Auch wer einmal in einer bestimmten Situation zugeschlagen hat, kann im Übrigen ein völlig kontrollierter, friedlicher Mensch sein. Für die Frage des § 63 StGB ist beides wichtig - eine in zumindest verminderter Schuldfähigkeit begangene Anlasstat und die (weitere) Gefährlichkeit. Wenn Sie diese Fragen für einen Zirkelschluss, ohne Sinn und Berechtigung halten, entspricht das nicht dem Gesetz de lege lata. Ihr Gegenvorschlag, die Tat ganz wegzulassen bei der Beurteilung trennt willkürlich zusammen gehöriges: Der Anlass für ein Gutachten ist nun einmal der Verdacht einer Straftat.

Eingeschobene Frage: Wann stehen denn die Taten fest?

Ich will mich gar nicht "drücken" vor der Beantwortung dieser Frage. Ich dachte, Sie sei bereits beantwortet in meinen vorherigen Posts. Der klügste Jurist würde vielleicht sagen: Die Frage ist unjuristisch und  kann deshalb auch nicht juristisch beantwortet werden. Der kluge Jurist antwortet: Das kommt darauf an. Auf was kommt es an? Darauf, ob wir uns in einem Strafprozess befinden, in dem schon aus einem Tatverdacht Schlüsse gezogen werden dürfen (und müssen), oder ob es um ein Urteil geht. Im Prozess darf (nach geltendem Recht) ein SV schon mit der Begutachtung beauftragt werden, wenn (nur) ein hinreichender Tatverdacht besteht.  Dem Gutachter werden dann vom Gericht die "Tatsachen" (also etwa die Gründe für den Verdacht)  mitgeteilt, die er seinem Gutachten zugrunde legen soll. Es ist selbstverständlich, dass das Gutachten unter der Hypothese der Tatbegehung erstellt wird, ohne diese Hypothese wäre es ja gar nicht nötig, und festgestellt ist ja die Tatbegehung noch nicht, schon gar nicht rechtskräftig. Abweichungen, insbesondere beim Verdacht mehrerer Taten, habe ich oben bereits mitgeteilt.

Für ein Urteil steht die Tat erst fest, wenn das Gericht sich seine Überzeugung gebildet hat. Nach geltendem Recht findet kein Interlokut statt, d.h. die Beratung findet regelmäßig über Tatbegehung und Schuldfähigkeit in einer Sitzung statt (das Gericht kann davon abweichen), ohne zwischenzeitliche Rückkehr in die Hauptverhandlung - dass es keine Pflicht zum Interlokut gibt, kann man kritisieren, ist aber de lege lata so.

Für die Vollstreckung einer Sanktion steht die Tat erst fest, wenn das Urteil rechtskräftig ist. 

All diese Punkte sind Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Diskussion. Für ein grds. Juristen-Bashing besteht kein Anlass. Die geltenden Gesetze werden vom Gesetzgeber (= Bundestag) gemacht.

Im Falle Mollath wurden die Tatvorwürfe von den Schlechtachtern ebenfalls psychopathologisch verwertet, was ebenfalls höchst zirkulär anmutet.

D`accord. Aber ist der Schluss vom Besonderen aufs Allgemeine immer berechtigt? Oder kann dieser Schluss  vielleicht auch ein Zirkelschluss sein?

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

 Nach geltendem Recht findet kein Interlokut statt.......

All diese Punkte sind Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Diskussion. Für ein grds. Juristen-Bashing besteht kein Anlass. Die geltenden Gesetze werden vom Gesetzgeber (= Bundestag) gemacht.

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

Sie schreiben, dass all diese Punkte Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Diskussion sind.

Haben Sie Kenntnis,davon, inwieweit die bisherige Praxis einer psychiatrischen Begutachtung während eines Strafprozesses in der rechtswissenschaftlichen Diskussion in Frage gestellt und als nicht ausreichend rechtsstaatlich gewertet wird? Gibt es Überlegungen von Seiten der Strafverteidiger, Ihrer Standesvertretungen oder auch von im Bundestag vertretenen Parteien etc. die praktikable und vernünftige Schuld-Interlokut-Regelung auch in Deutschland in die Strafprozessordnung aufzunehmen? Wird diese Inter-Lokut- Regelung tatsächlich und angemessen in entsprechenden Gremien und an den Fakultäten der Rechtswissenschaft diskutiert und die fatalen Folgen der bisherigen fragwürdigen Praxis einer Zwangsbeobachtung während eines Strafprozesses kritisch reflektiert und untersucht ?

An sich müßte die Inter-Lokut-Regelung im ureigensten Interesse der Justiz, der Richterschaft und auch der psychiatrischen Sachverständigen sein! Da durch die gegenwärtige Gesetzeslage Richter, Sachverständige in ein unauflösbares Dilemma geraten und sie Gefahr laufen, einen unschuldigen Menschen in den dunklen Ort des Rechts für lange Zeit oder sogar lebenslang zu verräumen. Es ist offensichtlich, dass gegenwärtig, wie im Fall Mollath die Verantwortung für eine (unrechtmäßige) Unterbringung von der Justiz auf den Gutachter geschoben wird und Gutachter sich auf die Beweiserhebungen der Justiz herausreden können.

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Einspruch: Auch StA beantragen GA

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

erstmal danke. Ich gehe mal punktuell vor.

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrter Herr Sponsel,

Sie fragen:

1) ab wann genau dürfen, sollen oder müssen Sachverständige aufgebrachte Taten als Anknüpfungstatsachen einbeziehen?

Der Sachverständige bekommt seinen Auftrag vom Gericht. Dieses bestimmt auch über die Anknüpfungstatsachen.

 

Einspruch: Mir sind nicht wenige - auch eigene - Fälle bekannt, wo die die GA von den Staatsanwaltschaften (schon) während des Ermittlungsverfahrens in Auftrag gegeben werden.

Anmerkung: Die meisten Aufträge sind falsch formuliert und benennen auch die Anknüpfungstatsachen nicht, womit wieder einmal die allgemeine Wirrnis und das Kauderwelsch belegt sind.

 

Ärzte, die als Sachverständige vernommen werden sollen, müssen doch bei der Erstellung von Gutachten die Regeln der Berufsordnung, Leitlinien etc. beachten. Prof. Nedopil hat gesagt, wenn eine Begutachtung unmöglich ist, dann ist das dem Gericht mitzuteilen. Daran hapert es. Die wenigsten Gutachter sagen doch, die Erstellung eines Gutachtens ist unmöglich, weil Fakten fehlen, sondern sie geben eine Meinung ab, die das Gericht als "Gutachten" wertet und darauf seine Entscheidung stützt. Dr. L. hätte doch - soweit ich verstanden habe - dem Gericht mitteilen müssen, dass eine Einschätzung unmöglich ist. Berufsrechtlich darf doch aus ein bißchen beobachten während der Hauptverhandlung keine Diagnose abgeleitet werden ...

 

Jede Gesetzesänderung ist sinnlos, wenn sie ebenfalls unbeachtet bleibt. Was wäre, wenn schon heute die geltenden Regelungen beachtet werden würden - von Ärzten und Juristen? Wäre dann noch immer Änderungsbedarf?

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Natürlich wäre es schön wenn ein Schuldinterlokut eingeführt werden würde, aber darum geht es doch gar nicht.

 

Wenn eine Person verurteilt werden soll, dann wird sie verurteilt und wenn man noch so viele Sicherungssysteme einbaut.

 

Eine Person wird verurteilt weil es bei bestimmten Prozessen von vorne herein gewünscht wird und nicht weil irgendwelche juristisch-technischen Fehler gemacht werden. Dr. Schlötterer nennt das die politischen Prozesse. Bei den restlichen Prozessen arbeitet die (bayerische) Justiz sowieso ordentlich. Da reicht es dann auch, dass der Richter den gesunden Menschenverstand einschaltet, wenn es mal ein technisches Defizit (wie fehlendes Schuldinterlokut) geben sollte.

 

Aber wenn es erwünschtermaßen zu einer Verurteilung kommen soll, dann kommt es eben auch dazu, und wenn wir hier noch so viele technische Verbesserungsmöglichkeiten ansprechen, oder utopischerweise erreichen könnten.

 

Eines der umwerfendsten Beispiele habe ich gestern bei Oliver Garcia nachgelesen. Selbst nachdem sich dieser abenteuerlich zusammenphantasierte „Mord" gar nicht ereignet haben konnte, wurde dann später, entgegen den Denkgesetzen, auch noch das Wiederaufnahmeverfahren blockiert.

 

In solchen Fällen helfen keine juristisch-technischen Verbesserungen. Da hilft nur eine wachsame Öffentlichkeit, die derartiges nicht durchgehen lässt.

http://blog.delegibus.com/2012/12/30/strafprozes-im-wandel-innenansicht-trifft-auf-ausenansicht/

(Seite 1 – 3 betrifft den angesprochenen Fall und dann noch die letzte Anmerkung ganz am Ende des Garcia-Beitrags).

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Lieber Herr Sponsel,

Verzeihung, dass ich hier keine StPO-Vorlesung in den Blog verlegen kann (das Jurastudium soll ja auch nicht überflüssig werden): Im Vorverfahren ist nach h.M. die Staatsanwaltschaft zuständig (§ 161 a Abs.1 S.2 StPO), auch dies wird in der Wissenschaft kritisiert.  Dass viele (wenn nicht die meisten) Aufträge falsch, unklar und ohne Anknüpfungstatsachen erfolgen, kann ich mir vorstellen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Das ist falsch

Henning Ernst Müller schrieb:

Lieber Herr Sponsel,

Verzeihung, dass ich hier keine StPO-Vorlesung in den Blog verlegen kann (das Jurastudium soll ja auch nicht überflüssig werden): Im Vorverfahren ist nach h.M. die Staatsanwaltschaft zuständig (§ 161 a Abs.1 S.2 StPO), auch dies wird in der Wissenschaft kritisiert.  Dass viele (wenn nicht die meisten) Aufträge falsch, unklar und ohne Anknüpfungstatsachen erfolgen, kann ich mir vorstellen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Prof Müller.

Aha, also doch nicht der § 73 StPO. Aber Satz 2 Abs 1 des § 161 StPO lautet:

Quote:

"Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen."

Ich lese da nichts von Sachverständigen beauftragen dürfen.

An eine Vorlesung hatte ich bei einem einzigen Satz in der Tat nicht gedacht. Und das kommt mir auch bei zwei Sätzen noch nicht in den Sinn.

Aber gut zu wissen, was die  Rechtsprechung und die Rechtswissenschaft aus dem Recht machen. Das wird ja immer doller.

Ich halte fest: Nach Ihrer Auskunft ist herrschende Meinung, dass die Staatsanwaltschaft im Vorverfahren psychiatrische Sachverständige von sich aus beauftragen darf, obwohl davon nichts im § 161 StPO steht?

Ein gutes Verfahren für Vor-Urteilsbildung und Präjudizierung.

 

 

@ Max Mustermann, # 37 vom 23.03.2015

 

Ich habe Ihnen 5 Punkte gegeben, allerdings haben Sie Ihre Ansicht in Bezug auf die Retrospektive-Wunder-Exploration noch sehr zu Gunsten von Herrn Sponsel betrachtet.

 

  • Wenn Sie jemanden fragen wie er sich vor 10 Jahren an seinem Geburtstag gefühlt hat, so hat man die Tatsache, dass der Geburtstag tatsächlich stattgefunden hat, was man von einer mutmaßlichen Straftat nicht sagen kann.
  •  
  • Wenn Sie jemanden fragen wie er sich vor 10 Jahren an seinem Geburtstag gefühlt hat, so können Sie davon ausgehen, dass der Proband von einer entspannten Situation berichten soll, was man bei einem Straftatsgeschehen auch nicht behaupten kann. Der Beschuldigte stand seinerzeit und eventuell seither unter Schock, Druck und Stress und kann einen Gefühlszustand vermutlich gar nicht realistisch beschreiben, weil er ihn nicht vernünftig erinnern kann. Hinzu kommt, dass der Proband die Tat vielleicht als Zuschauer, oder ebenfalls als Opfer oder gar nicht erlebt hat und zu Unrecht beschuldigt wird und deshalb unter Stress steht.
  •  
  • Und ein Geburtstagserinnerer wird vermutlich die Wahrheit sagen, was bei einem eventuellen Täter, oder einem, der einen Täter schützen möchte etc. auch nicht als Realität vorausgesetzt werden kann.

 

Und all das maßt sich ein psychiatrischer Gutachter an, also dass er nach 13 Jahren unter den oben angeführten Belastungs- und Zusatzumständen herausfinden kann in welchem emotionalen Zustand ein Beschuldigter gewesen sei, per Exploration.

 

Vermessener geht es nicht mehr.

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Herr Sponsel,

Sie müssen eine Vorschrift weiter lesen, 161a StPO, sowie Herr Professor Müller geschrieben hat, bevor Sie über Rechtswissenschaft und Rechtsprechung herziehen. Also: Nicht 161 StPO, sondern 161a StPO. Ok?

Ok mit Entschuldigung

WR Kolos schrieb:

Herr Sponsel,

Sie müssen eine Vorschrift weiter lesen, 161a StPO, sowie Herr Professor Müller geschrieben hat, bevor Sie über Rechtswissenschaft und Rechtsprechung herziehen. Also: Nicht 161 StPO, sondern 161a StPO. Ok?

Erst mal Ok mit Entschuldigung.

 

@ Prof. Müller #11

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

zugestanden, auch m.E. gibt es keine Regel im Prozessrecht gegen eine solche Vorgehensweise. Ich habe wohl das Wörtchen "Zäsur" im Beitrag von Gast2 etwas zu juristisch aufgefasst in dem Sinne, dass über die Tat rechtsgültig entschieden wird und es nur noch um die Schuld geht. Das scheint er/sie nicht so gemeint zu haben.

Besten Gruß,

MT

 

@Menschen-rechtler #21

Ganz so eng würde ich die Erklärung von Dr. Strate nicht auslegen, aber zugegebenermaßen wird dort nicht ganz sauber zwischen Hinzuziehung und Anwesenheit unterschieden. Die Hinzuziehung ist aber m.E. rechtlich zwingend. Gegen die Anwesenheit hat sich Dr. Strate im Verfahren dann ja auch mit guten Argumenten gewendet. Darauf kommt es letztendlich an.

 

@Lutz Lippke #10

Danke für den interessanten und differenzierenden Beitrag. So etwas vermisse ich hier manchmal etwas.

Was Wissenschaftlichkeit des Gutachtens betrifft neige ich dazu, Ihnen zuzustimmen. Zwar ist die Wertung letztlich eine rechtliche, aber der Gutachter muss nach den Regeln seiner jeweiligen Kunst arbeiten. Das lese ich auch so aus der BGH Rechtsprechung bzgl. psychiatrischer Gutachten heraus.

Ihre Vorbehalte bezüglich Evaluation der Justiz kann ich teiweise nachvollziehen. Mir sind keine Projekte mit Bezug zu Deutschland bekannt, die die statistische "Treffergenauigkeit" von Strafurteilen untersuchen oder in jüngerer Vergangenheit untersucht haben. Die Frage, die sich mir stellt, ist wie man dabei vorgehen könnte, um zu einem angemessenen Ergebnis zu kommen. Man müsste jeden Prozess ja quasi nochmal aufrollen, um herauszufinden, ob das jeweilige Urteil richtig war. Das ist zum einen aufwändig, zum anderen wird insbesondere bei Zeugenaussagen, auf die es ja häufig ankommt, die Erinnerung mit fortschreitender Zeit immer ungenauer. Gleichzeitig müsste man besser als das Gericht beurteilen können, nicht nur anders. Insgesamt erscheint mir das sehr schwierig.

Was theoretische Modellbildung angeht, verstehe ich zu wenig von theoretischer Modellbildung, um beurteilen zu können, wie dieser Weg funktionieren könnte.

Das einzige "Trostpflaster", das ich Ihnen bieten kann, ist das schon eine Reihe "checks and balances" in das strafprozessuale System eingebaut sind. Ein Fall muss sich erst Mal den Weg über Polizei und Staatsanwaltschaft bahnen, bevor er vor Gericht kommt. Ein Vorgang geht also zumindest mal durch drei Hände, bevor endgültige Konsequenzen drohen. Und nach dem Urteil gibt es neben Berufung, Revision und dem BVerfG mit dem EGMR mittlerweile auch eine außerdeutsche Instanz, die ggf. das Urteil überprüft. In den Prozessregeln und der Rechtsprechung sind auch eine ganze Reihe von Vorkehrungen getroffen, um "den Richtigen" zu verurteilen. BVerfG und EGMR können sogar nur vom Angeklagten zu dessen Vorteil angerufen werden. Das alles wird natürlich Fehlurteile nie verhindern, aber ich würde Probleme eher in der Rechtspraxis sehen als im Recht selbst. Da sind wir dann wieder beim Thema Evaluation, siehe oben.

Nebenbei gesagt ist das Problem Fehlurteil m.E. auch das beste Argument gegen die Todesstrafe.

 

@Thema Gutachtenauftrag

Ich bitte die relative Unordnung zu entschuldigen, ich bin selber noch dabei, die Materialien zu sichten.

§ 78 StPO als gesetzliche Grundlage für die Auftragsbeschreibung an den Sachverständigen:

Quote:

Der Richter hat, soweit ihm dies erforderlich erscheint, die Tätigkeit der Sachverständigen zu leiten.

http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__78.html

BGH zu § 78 StPO:

Quote:

Allgemein bemerkt der Senat: Hält der Tatrichter ausnahmsweise die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens für erforderlich, so fällt es grundsätzlich in seine Zuständigkeit, insofern die Einhaltung der dargelegten wissenschaftlichen Mindestanforderungen sicherzustellen. Zu diesem Zweck wird er ggf. von seiner Befugnis Gebrauch zu machen haben, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten (§ 78 StPO). In diesem Zusammenhang kann neben einer präzisen Auftragsbeschreibung insbesondere die Mitteilung der Anknüpfungstatsachen, von denen das Gutachten ausgehen soll, dienlich sein.

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/98/1-618-98.php3

Quote:

Unabhängig von alledem bemerkt der Senat, dass ein Sachverständiger keine Fürsorgepflicht für den Erfolg (der Anklage oder) der Verteidigung hat. Vielmehr hat er sich darauf zu beschränken, den ihm von seinem Auftraggeber (Staatsanwaltschaft oder Gericht) vorgegebenen Sachverhalt (vgl. § 78 StPO) aus seiner fachlichen Sicht zu bewerten. Findet er im Rahmen seiner Tätigkeit Anhaltspunkte für einen abweichenden Sachverhalt - diese können sich auch aus (neuen) Angaben des Beschuldigten (Angeklagten) ergeben - hat er seinen Auftraggeber hierauf hinzuweisen; gegebenenfalls kann er dann als (sachverständiger) Zeuge in Betracht kommen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 264, 265 m. w. N.). Die Bewertung derartiger Anhaltspunkte ist allein Sache des Gerichts, das dem Sachverständigen gegebenenfalls zu verdeutlichen hat, von welchem Sachverhalt - erforderlichenfalls welchen alternativen Sachverhalten - er bei seinem Gutachten auszugehen hat.

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/07/1-407-07.php

"Mindestanforderungen für Prognosegutachten", NStZ 2006, 537, nimmt explizit Bezug auf die §§ 73 ff. StPO. Bei den Autoren handelt es sich um eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Richtern am BGH, Bundesanwälten, forensischen Psychiatern und Psychologen, Sexualmedizinern und weiteren Juristen, die Empfehlungen für zu erstattende forensische Prognosegutachten erarbeitet haben.

Daraus (endlich mal) ein Beispiel, wie ein Gutachtenauftrag aussehen sollte:

Quote:

Schon der Gutachtenauftrag muss sich daher mindestens an folgenden Fragen orientieren:

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die zu begutachtende Person erneut Straftaten begehen wird?

Welcher Art werden diese Straftaten sein, welche Häufigkeit und welchen Schweregrad werden sie haben?

Mit welchen Maßnahmen kann das Risiko zukünftiger Straftaten beherrscht oder verringert werden?

Welche Umstände können das Risiko von Straftaten steigern?

Der Gutachtensauftrag soll deshalb den Gegenstand des Gutachtens genau beschreiben und klarstellen, welche tatsächlichen Fragen vom Sachverständigen beantwortet werden sollen; die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes reicht dazu regelmäßig nicht aus.

Medizinische Dissertation zum Thema Sicherungsverwahrung, die auch das Thema Gutachtenauftrag anspricht:

http://rosdok.uni-rostock.de/file/rosdok_disshab_0000000500/rosdok_deriv...

Nebenbei: BGH zu Exploration

Quote:

Das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen muss - jedenfalls soweit dies überhaupt möglich ist (vgl. BGHSt 44, 26, 32) - eine Exploration des Probanden durch den Sachverständigen einschließen. Dabei handelt es sich um die zentrale Untersuchungsmethode.

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/10/2-585-10.php

 

 

5

MT schrieb:

[...]

@Lutz Lippke #10

Danke für den interessanten und differenzierenden Beitrag. So etwas vermisse ich hier manchmal etwas.

Was Wissenschaftlichkeit des Gutachtens betrifft neige ich dazu, Ihnen zuzustimmen. Zwar ist die Wertung letztlich eine rechtliche, aber der Gutachter muss nach den Regeln seiner jeweiligen Kunst arbeiten. Das lese ich auch so aus der BGH Rechtsprechung bzgl. psychiatrischer Gutachten heraus.

Ihre Vorbehalte bezüglich Evaluation der Justiz kann ich teiweise nachvollziehen. Mir sind keine Projekte mit Bezug zu Deutschland bekannt, die die statistische "Treffergenauigkeit" von Strafurteilen untersuchen oder in jüngerer Vergangenheit untersucht haben. Die Frage, die sich mir stellt, ist wie man dabei vorgehen könnte, um zu einem angemessenen Ergebnis zu kommen. Man müsste jeden Prozess ja quasi nochmal aufrollen, um herauszufinden, ob das jeweilige Urteil richtig war. Das ist zum einen aufwändig, zum anderen wird insbesondere bei Zeugenaussagen, auf die es ja häufig ankommt, die Erinnerung mit fortschreitender Zeit immer ungenauer. Gleichzeitig müsste man besser als das Gericht beurteilen können, nicht nur anders. Insgesamt erscheint mir das sehr schwierig.

Was theoretische Modellbildung angeht, verstehe ich zu wenig von theoretischer Modellbildung, um beurteilen zu können, wie dieser Weg funktionieren könnte.

Das einzige "Trostpflaster", das ich Ihnen bieten kann, ist das schon eine Reihe "checks and balances" in das strafprozessuale System eingebaut sind. Ein Fall muss sich erst Mal den Weg über Polizei und Staatsanwaltschaft bahnen, bevor er vor Gericht kommt. Ein Vorgang geht also zumindest mal durch drei Hände, bevor endgültige Konsequenzen drohen. Und nach dem Urteil gibt es neben Berufung, Revision und dem BVerfG mit dem EGMR mittlerweile auch eine außerdeutsche Instanz, die ggf. das Urteil überprüft. In den Prozessregeln und der Rechtsprechung sind auch eine ganze Reihe von Vorkehrungen getroffen, um "den Richtigen" zu verurteilen. BVerfG und EGMR können sogar nur vom Angeklagten zu dessen Vorteil angerufen werden. Das alles wird natürlich Fehlurteile nie verhindern, aber ich würde Probleme eher in der Rechtspraxis sehen als im Recht selbst. Da sind wir dann wieder beim Thema Evaluation, siehe oben.

Nebenbei gesagt ist das Problem Fehlurteil m.E. auch das beste Argument gegen die Todesstrafe.

[...]

@MT

Ich danke auch für Ihren Beitrag, der insgesamt interessante Hinweise enthält. Ich habe aber nur den obigen Teil zitiert, weil ich dazu mit- und weiterdenken will. Zunächst eine Frage.

Sie schreiben:

"Zwar ist die Wertung letztlich eine rechtliche, aber der Gutachter muss nach den Regeln seiner jeweiligen Kunst arbeiten."

Ist damit gemeint, dass der Gutachter selbst eine rechtliche Wertung vornimmt oder dass das Gericht die fachliche und eben nicht rechtliche Wertung des Gutachters rechtlich bewertet?

Zur Evaluation/Kontrolle von Gerichtsurteilen gibt es ja durchaus länger zurück liegende Beispiele, die man als Referenz heranziehen und weiterentwickeln könnte. Ich würde vermuten, dass es informell oder indirekt auch Evaluationen in der Justiz und der Justizpolitik gibt. Nur, dass diese entweder nicht öffentlich werden oder eher statistische Daten wie Erledigungszahlen, Verfahrensdauern, Verfahrensarten etc. für die Justizverwaltung erfassen. Letztlich ist auch ein juristischer Blog eine Art qualitative Evaluation, nur eben ohne formale Methodik. Aus Stellungnahmen von Rechtspolitikern und Juristen weiß ich, dass Evaluationen generell als problematisch angesehen werden. Meist wird in diesem Zusammenhang die Unabhängigkeit der Justiz ins Feld geführt, die ja genaugenommen eher die Unabhängigkeit des einzelnen Richters und Rechtspflegers vom Staat und der Justizverwaltung meint bzw. meinen sollte. Damit ist eine institutionelle Kontrolle des Einzelfalls außerhalb des Rechtsweges anscheinend ausgeschlossen. Allerdings sind die Richter an das Gesetz gebunden, so dass ich mir in diesem Sinne eine Evaluation/Kontrolle auch von Einzelfällen vorstellen könnte, ohne das damit direkt in die richterliche Unabhängigkeit eingegriffen wird. Denn vom Gesetz ist der Richter eben nicht unabhängig. Ob eine solche Evaluation gut ist und nicht auch zur unzulässigen Kontrolle von Oben missbraucht werden könnte, müsste man aber auch bedenken.

Aber es geht ja bei Evaluationen meist auch eher um typisierende, zusammenfassende, anonymisierte bzw. sogar nur formale, statistische Auswertungen. Theoretisch wäre eine technische Erfassung und schematische Analyse sämtlicher Entscheidungen keine unlösbare Aufgabe. Aber das wäre sicher rechtlich auch problematisch und ist vermutlich zum Glück derzeit rein praktisch nicht realisierbar. Aber die Justiz wird auch informationstechnisch den Anschluss finden und dann stellen sich diese Fragen mit den verbesserten Möglichkeiten von selbst. Es wäre wohl sinnvoll dies in einem frühzeitigen Diskussionsprozess und unter geregelten Rahmenbedingungen zu entwickeln, bevor ein Wildwuchs der Tatsachen unbezwingbare Fakten und Gewohnheiten im negativen Sinne schafft.

Mit der Zeugenaussage greifen Sie natürlich eine der vermutlich am schwierigsten zu modellierenden und zu prüfenden Aspekte heraus, sicherlich noch schwieriger als forensisch- psychologische Gutachten ;-)

Ich stelle mir eher vor, dass gerade aus einer konkreten Problemsicht heraus, selektiv Funktions- und Ablaufmodelle entwickelt werden, die dann sowohl am Modell wie auch an der Praxis evaluiert werden können. Zur Modellevaluation kann die IT-Technik viel anbieten, nur die Modellierung selbst erfordert natürlich fundiertes juristisches Fachwissen in Zusammenarbeit mit den Experten für die Modellgenerierung. So ergeben sich ja implizit bereits aus StGB und StPO bestimmte Standard-Modelle von Prozessen, die "nur" in ein variierbares und durchspielbares Modell (z.B. einen Zustandsgraphen) überführt werden müssten. Schon allein daraus und dem IT-technischen Durchspielen der Variationen ließen sich vermutlich eine Menge Erkenntnisse zu Qualität und Fehlern ableiten, die sonst verborgen bleiben.

Derzeit geschieht Evaluation faktisch meist auf informellem und ungeordnetem Weg, oft auch aus dem (politischen/medialen) "Bauch" heraus. Ein Fall Mollath sorgt eben für Aktivität und Reflexe, schon um die Aufregung zu bremsen oder eben die Situation für Veränderungen zu nutzen. Je nach Blickwinkel. Dann gibt es aus den Aktivitäten heraus scheinbar eine Abhilfe erkannter Mängel, die aber wie schon die Ursachen nicht in ihrer Wirkung erfasst und evaluiert werden. "Try and Error" sind keine Schimpfworte, aber eben auch nicht die einzigen Entwicklungsmethoden. Die von Ihnen angesprochenen "checks and balances" im Strafprozess sind letztlich Ergebnis solcher teils behäbigen/teils ungeordneten Entwicklungen, wobei ich behäbig in diesem Zusammenhang nicht negativ meine. Hierunter fällt auch "Fehlurteile als bestes Argument gegen Todesstrafe". Ich verstehe Sie da schon im positiven Sinn richtig, aber es ist auch bedenklich, dass wir dieses Argument möglicherweise sogar brauchen und aus der unbehelligten Ferne diese ungeplanten "Kollateralschäden" in diesem Sinne noch sinnvoll umfunktionieren.

Ich möchte auch gar nicht grundsätzlich gegen die allgemeine Sicherungen durch den Rechtswegs und das Viele-Augen-Prinzip argumentieren. Es gibt Bereiche oder Rechtsfragen, die sind so verlässlich geregelt oder zumindest unproblematisch, wie der Umtausch eines Fehlkaufs im Einzelhandel. Es gibt aber ebenso Bereiche, die extrem problematisch und zudem existenziell bedrohlich sind, dass es dabei um die Lebensgrundlagen und Existenzrechte an sich geht. Gerade in diesen Bereichen, denen erhebliche Konsequenzen innewohnen, das ist so mein Verdacht, sind die Sicherungen des Rechtswegs und das Viele-Augen-Prinzip brüchig und zudem nicht nur von Vorteil. Umso komplexer das Problem und massiver die Konsequenzen, umso eher vervielfältigen sich Fehler und schleichen sich manipulativ sachfremde Interessen ein. Selbst ohne den Argwohn der von vornherein absichtlichen Manipulation drängt schon die Absicht der Vereinfachung und der Entlastung dahin, dass die Dinge formal abgeschlossen werden und damit Ruhe einkehrt, ohne das eine gerechte Entscheidung getroffen wurde. In diesen Fällen geht scheinbar ohne mediale Unterstützung nichts mehr. Verloren oder veröffentlicht! Und der Grenzbereich bis dahin?

Genau da wäre nach meiner Ansicht anzusetzen und durch strukturierte Methoden der problematische Bereich deutlich zu verringern. Das müsste eigentlich allgemeines Interesse sein. Aber das scheint wohl noch ein unbearbeiteter Acker zu sein. 

 

 

4

Nochmal BGH (aus 1962), zum einen bestätigendend bzgl. Zulässigkeit von Vorberatungen, zum anderen erklärend in Sachen Überzeugungsbildung vor dem Urteil (Hervorhebungen von mir).

Quote:
Die Vorschriften der §§ 261, 258 Abs. 2 und 3 StPO sind nicht verletzt. Die eingeholten richterlichen Auskünfte haben ergeben, daß die Strafkammer den überaus umfangreichen Verfahrensstoff der Hauptverhandlung, die 56 Verhandlungstage in Anspruch genommen hat, in der Zeit zwischen den Schlußvorträgen der Verteidigung am 30. März 1960 und den Schlußworten der Angeklagten am 6. April 1960 geordnet und vorberaten, ihre Entscheidung jedoch erst nach den Schlußworten gefällt hat. Dieses Verfahren ist rechtlich nicht zu beanstanden. In besonders umfangreichen Verfahren ist es vielfach unmöglich, mit der Sichtung und Erörterung des gesamten, in vieltägiger Hauptverhandlung behandelten Tatsachenstoffes erst nach den Schlußworten zu beginnen. Die zur Verfügung stehende Zeitspanne reicht, selbst bei Berücksichtigung der Grundsätze des Urteils BGHSt 9, 302, in solchen Fällen zur umfassenden und eingehenden Beratung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und für eine etwa beabsichtigte schriftliche Ausarbeitung der Urteilsgründe (§ 268 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 StPO) oftmals nicht aus. Aus § 261 StPO und aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt allerdings., daß der Richter das letzte Wort der Angeklagten anhören und bei der Urteilsfindung berücksichtigen muß (BGHSt 11, 74). Vorher darf er sich keine endgültige Überzeugung bilden. Die vorbereitenden Erwägungen zur Bildung der richterlichen Überzeugung beginnen aber naturgemäß nicht erst nach dem letzten Wort des Angeklagten, sondern in der Regel schon viel früher, da die Richter ihrer Entscheidung das Ergebnis der gesamten Haupt Verhandlung zu Grunde zu legen haben (vgl. BGHSt 11, 74, 78) [BGH 22.11.1957 - 5 StR 477/57]. Es bestehen daher auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß die Mitglieder eines Kollegialgerichts in einer umfangreichen Sache die bisherigen Ergebnisse der Hauptverhandlung vorbereitend besprechen und für die endgültige Beratung schriftlich festhalten. Erst recht gilt dies in Fällen wie hier, wo Feststellungen nicht nur über das Tun der Angeklagten zu treffen waren, sondern auch über Zwecke und Tätigkeit der Organisationen, für die sie sich, der Anklage zufolge, betätigt haben sollten. Daß die Strafkammer erst nach den Schlußworten der Angeklagten endgültig beraten hat, ergibt sich aus den eingeholten richterlichen Erklärungen und war auch -anders als in dem Fall RGSt 42, 85- äußerlich daran erkennbar, daß das Urteil erst zwei Tage nach den Schlußworten verkündet worden ist.

https://www.jurion.de/Urteile/BGH/1962-07-03/3-StR-22_61

5

# 49:

Von "zeitnahem Zusammenhang" war da nichts zu lesen. Es hörte sich so an als ob Dr. Sponsel die Exploration u. a. hier sinnvoll finden würde:

"Da hilft meist nur eines: die Exploration".

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Das WFZ berichtet über ein Dr. Strate Interview in der NJW

    NJW: Herr Strate, von forensisch-psychiatrischen Sachverständigen halten Sie nicht viel. Ihrer Meinung  nach ist deren Wirken mit einem Rechtsstaat unvereinbar. Können Sie uns das erläutern?
    Strate: Seit rund 150 Jahren versuchen Nervenheilkundler, den Ursachen psychischer Erkrankungen auf die Spur zu kommen. Das Ergebnis dieser Bemühungen geht gen Null. Stattdessen begnügt sich die heutige Psychiatrie mit Klassifikationssystemen wie dem ICD 10, die im Grunde keine Diagnosen darstellen, sondern die Zuordnung bestimmter Verhaltenssymptome zu bestimmten Krankheitsbildern sind. Mehr nicht. Kein Arzt ist daran gehindert, trotz mangelnder Kenntnis über die eigentlichen Ursachen psychischer Erkrankungen sich um die beschädigte Seele eines Patienten zu bemühen. Schlimm wird es aber, wenn die Psychiatrie, obwohl sie über die Erfassung von Symptomen nicht hinauskommt und im Grunde nichts weiß, als so genannte forensische Psychiatrie über Schuld oder Unschuld, über Freiheit oder Unfreiheit eines Menschen oder gar über vermeintliche Therapien unter Anwendung körperlichen Zwangs (mit-)entscheidet. Die Arbeitsergebnisse der forensischen Psychiatrie erfüllen mehrheitlich nicht ansatzweise die Mindestanforderungen, die man an jedes andere Beweismittel stellen würde, sondern spinnen ihre Opfer in ein dichtes Gewirk aus halbgaren Mutmaßungen und übergriffigen Feststellungen ein. Ältere Damen, die den Kaffeesatz lesen, arbeiten auf gleichem Niveau....

    NJW: Besonders hart ins Gericht gehen Sie mit dem Berliner Forensiker Hans-Ludwig Kröber. Weshalb?
    Strate: Er war eine dieser Koryphäen. Er mag früher Gutachten verfasst haben, die diesem Status gerecht werden. Sein Gutachten über Mollath wurde es nicht. Entgegen seinen eigenen Vorgaben begnügte er sich mit unvollständigen Akten und war sichtlich angefasst von Mollaths Verhalten, der eine Exploration abgelehnt hatte. Noch im Jahr 2013 kündigte er für eine Fortbildungsveranstaltung einen Vortrag zu dem Thema "Unser Gustl: Realität, Wahn, Justiz und Medien" an. Zynischer geht's nimmer. Der Titel des Vortrags wurde nach Protesten der Öffentlichkeit geändert.

    NJW: Im Fall von Gustl Mollath haben die Gerichte die ihn belastenden Gutachten bereitwillig und unkritisch übernommen. Warum lässt sich die Justiz von den Sachverständigen das Heft so aus der Hand nehmen?
    Strate: Obwohl die Entscheidung über die Unterbringung eines Menschen im Maßregelvollzug den Gerichten obliegt, ist es in der Praxis so gut wie immer das forensisch-psychiatrische Gutachten, das den Ausschlag gibt. Zur Rechenschaft gezogen werden Mediziner dennoch so gut wie nie, da sie sich bei kritischen Fragen reflexhaft auf die richterliche Verantwortung berufen und ihre Hände in Unschuld waschen. Es gilt die Unsitte der wechselseitig delegierten Verantwortung. ...

    NJW: Thomas Fischer, Vorsitzender des 2. Strafsenats des BGH, wirft Ihnen vor, Sie hätten den Psychiatrieskandal zu überdimensionaler Größe aufgeblasen. Wie sehen Sie diese Kritik?
    Strate: Thomas Fischer schreibt in seiner Rezension, das Buch sei "als Lektüre sehr zu empfehlen" und alle meine Fragen seien berechtigt. Wo er Übertreibungen erkennt, sehe ich allenfalls Pointierungen. Sie sind ein Hilfsmittel, um die verbalen Nebelschwaden der forensischen Psychiater aufzuklaren. Und wenn Thomas Fischer konstatiert, vom deutschen Maßregelvollzug zu Guantánamo sei es nur ein kleiner Schritt, geht er über meine Kritik noch hinaus.

    NJW: Sehen Sie Wege, die unheilvolle Allmacht der forensischen Sachverständigen zu beschneiden?
    Strate: Zunächst einmal müssen die als Richter und Staatsanwälte verantwortlichen Juristen erkennen, dass die forensische Psychiatrie keine Wissenschaft ist, die über die Ursachen psychischer Erkrankungen tatsächlich irgendetwas Valides wüsste....

RSponsel schrieb:

Das WFZ berichtet über ein Dr. Strate Interview in der NJW

Hier ist die Quelle der Zitate:
http://www.zwangspsychiatrie.de/2015/03/njw-interview-mit-gerhard-strate/

Und hier gibt's weitere Zitate aus dem Buch "Der Fall Mollath - Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie" von Dr. Strate und dessen Rezension des WFZ:
http://www.zwangspsychiatrie.de/der-fall-mollath-von-gerhard-strate-eine...
http://www.zwangspsychiatrie.de/2015/01/der-fall-mollath-von-gerhard-str...

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Vielen Dank für die Quellenangaben

Gast schrieb:
RSponsel schrieb:

Das WFZ berichtet über ein Dr. Strate Interview in der NJW

Hier ist die Quelle der Zitate: http://www.zwangspsychiatrie.de/2015/03/njw-interview-mit-gerhard-strate/ Und hier gibt's weitere Zitate aus dem Buch "Der Fall Mollath - Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie" von Dr. Strate und dessen Rezension des WFZ: http://www.zwangspsychiatrie.de/der-fall-mollath-von-gerhard-strate-eine... http://www.zwangspsychiatrie.de/2015/01/der-fall-mollath-von-gerhard-str...

 

Ich hatte die Information aus der newsgroup de.sci.psychologie

 

 

Um überhaupt irgendwelche juristischen Vorgänge überprüfen zu können wäre es unabdingbar das gesamte Prozessgeschehen zu dokumentieren, bzw. dokumentieren zu dürfen.

 

Gibt es denn für Normalbürger, die sich keine Stenographen leisten können überhaupt eine legale Möglichkeit eine Verhandlung aufzuzeichnen?

 

Ist es erlaubt eine Tonbandaufzeichnung anzufertigen, die dann nicht unbedingt als Beweismittel dienen braucht, aber zumindest für den prozessbeteiligten Bürger eine Gedächtnisstütze darstellt?

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Gibt es für den betroffenen Bürger bis dato überhaupt keine Möglichkeit anstelle des guantanamoählichen Maßregelvollzugs in den normalen Strafvollzug zu gelangen?

 

Wie ist das wenn eine der Voraussetzungen für den Maßregelvollzug fehlt, der Beschuldigte aber trotzdem an einer psychiatrischen Erkrankung leidet? Ich denke da an den Fall, dass ein Täter zwar psychiatrisch erkrankt ist, dauerhaft, aber die Straftat nicht im Zustand dieser Erkrankung begangen hat.

 

Wird dieser Täter dann möglicherweise nach den Unterbringungsgesetzen untergebracht, was bedeutet, dass er sich im gleichen BZK unter den gleichen Bedingungen wie ein im Maßregelvollzug Untergebrachter wiederfinden wird?

 

Im aktuellen Fall Kulac wurde der Mann im WAV des Mordes frei gesprochen, sitzt aber weiterhin, im 14. Jahr, wegen des (angeblichen) Mordmotivs der Vergewaltigung im BZK Bayreuth. Die Vergewaltigung als Mordmotiv wurde im WAV perfiderweise einfach nicht behandelt. Hier strebt die Betreuerin jetzt ein eigenes WAV an, nachdem es keinerlei Beweise, oder Indizien für die Vergewaltigung gibt.

 

Wie wäre es gewesen wenn Kulac im WAV vom Vorwurf der Vergewaltigung (hier wurde er im Ursprungsverfahren als schuldunfähig betrachtet) freigesprochen worden wäre und der (angebliche) Mord wäre stehen geblieben (hier wurde Kulac im Ursprungsverfahren als schuldfähig eingestuft und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt)?

 

Müsste, oder dürfte der geistig Behinderte dann in normalen Strafvollzug wechseln?

 

Ich denke immer an mit Mollath gleichzeitig untergebrachte Männer, die darum gefleht haben in den normalen Strafvollzug wechseln zu können.

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Sehr geehrte atropa belladonna,

nein, auf Grundlage eines strafgerichtlichen Urteils Untergebrachte können sich grds. nicht aussuchen, in den Strafvollzug zu wechseln. Im Bereich des § 64 StGB kommt eine (Rück)Verlegung in den Strafvollzug in Betracht, wenn die Therapie aussichtslos ist - was immerhin, da die Aussichtslosigkeit auch mit der Mitwirkung des Untergebrachten zu tun hat, eine gewisse "Mitsprache" des Verurteilten beinhaltet. In Fällen des § 63 StGB ist dies aber grds. nicht der Fall. (Nur) Wenn die Voraussetzungen des § 63 StGB nicht vorliegen, dann kommt, wenn der Angeklagte nicht freigesprochen wird,  (nur) eine Freiheitsstrafe in Betracht.

Immerhin kenne ich auch einige Fälle, in denen Strafgefangene lieber in den Maßregelvollzug wechseln wollen, und wenn Sie annehmen, dass es Herrn Kulac im Strafvollzug besser ergangen wäre, liegen Sie meines Erachtens falsch. Mittlerweile wird ja berichtet, das Herr Kulac bald entlassen werden soll. Soweit bekannt, ist er rechtskräftig aufgrund des (mehrfachen) sexuellen Missbrauchs untergebracht. Die Beweislage dazu kenne ich nicht; diese wird auch auf der Unterstützer-Internetseite nicht dargestellt. Das alles gehört eigentlich nicht zum hiesigen Thema.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Ergänzung zu #1 vom 24.03.15

Mir ist klar, dass meine Anregungen zur Modellierung/Evaluation nicht richtig greifbar sind und als themenfremd empfunden werden.
Deswegen will ich das ein bisschen näher an das Thema und die Praxis bringen.
Die Theorien zu Modellierung z.B. mit Graphen sind umfangreich und werden sehr schnell sehr mathematisch. Jeder hier nutzt jedoch darauf basierende Technologie, z.B. Routing/Suche im Internet, auf der Strasse, im Versand u.v.m.
Als Einführung und Überblick hier ein Link mit netter Einstiegsgeschichte zum Mann am Fluss mit Boot, Wolf, Ziege und Kohlkopf und einem Problem

Nun zur praktischen Ideenskizze.

Gesetzes-Modell zu § 63 StGB

Ich bestimme z.B. den § 63 StGB zum zentralen Knoten meines Modells (z.B. eines Beziehungsgraphen). Der steht sozusagen im Mittelpunkt meines Interesses. Aus juristischem Grundwissen bestimme ich weitere Gesetze, Vorschriften und auch Rollen (wie Staatsanwalt, Richter, Gutachter, Angeklagter etc.) als Knoten und ordne die Beziehungen zwischen den Knoten mit Kanten, die die Beziehung der jeweiligen Knoten untereinander beschreiben, z.B. Vorgänger, Nachfolger, Nachbarn, Teil von usw.
Dies kann zunächst sehr grob erfolgen und sukzessive verfeinert werden.
Allein diese händische Modellierung offenbart schon versteckte Informationen, Definitionsmängel und schafft Überblick. Selbst sehr umfangreiche und detaillierte Graphen können mit IT-Algorithmen schnell modelliert und untersucht werden. Ich bin sicher, dass allein dies schon zu interessanten Ergebnissen auch für die Juristen führen könnte. Aber es geht weiter.

Rechtsprechungs-Modell zu § 63 StGB
Aus Urteilsdatenbanken können im Grunde relativ einfach alle Urteile mit Bezug zum § 63 StGB selektiert werden. Im Abgleich mit dem theoretischen Modell können die praktischen Variationen des Beziehungsgraphen aus den Urteilen gewonnen werden.
Dies ermöglicht den Vergleich theoretisch/praktisch, die Erzeugung eines übergeordneten Rechtsprechungs-Modells aus dem die Gewichte der Beziehungen, Häufigkeiten und Konflikte deutlich werden. Es könnten schwer oder unerreichbare Knoten (z.B. auch ein Rechtsanspruch), Zirkelschlüsse, Endlosschleifen, Umwege und Flaschenhälse erkannt werden. Das Modell selbst kann möglicherweise auf Effektivität (Ziel erreichen) und Effizienz (Aufwand dafür) mit allgemeinen Algorithmen verglichen werden. Probleme sind nämlich abstrakt beschreibbar, innerhalb bestimmter Problemklassen auch ineinander überführbar und mit den gleichen effizienten Algorithmen lösbar.

Fazit

Diese Modelle würden also Klarheit zum Soll- und Ist-Zustand, sowie deren Schwächen aufzeigen. Besser als jede verschriftete Fallsammlung oder jeder Randnummernwälzer es je könnten.

Es könnten auch Urteile selektiert werden, die vollkommen aus dem Modell herausfallen oder an bestimmten Stellen besonders schwächeln.

Natürlich kann ein solches Modell nicht Motive, Überzeugungen oder unbestimmbare Eindrücke so ohne Weiteres aufnehmen, aber deswegen ist es ja nur ein Modell. So wie das Auto-Navi nur mit einem Strassen-Modell zur Gerichtsverhandlung führt und nicht wissen kann, ob dort der weitere Weg in die Forensik oder an die frische Luft entschieden wird, um nah am Thema zu bleiben.  

Die Technologien sind überall in unserer technischen Umwelt im Einsatz und lösen Probleme, die weder mit einem Studium oder einem Brainstorming im Gesetzgebungsausschuss oder dem Wälzen dicker Bücher gelöst werden können. Ich bin mir gefühlt sicher, dass ansatzweise so etwas auch schon existiert, aber grundsätzlich scheint es ein "vergessener" Anwendungsbereich existierender Technologie zu sein.

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Dient der § 161a StPO einem fairen Verfahren oder ist er ein bequemes Mittel frühzeitiger und vorurteilsvoller Psychiatrisierung?

In (1) heißt es: " (1) Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten."

Voraussetzungen werden hier nicht genannt. Aber der Wortlaut beinhaltet auch psychiatrische Sv, die sinnvollerweise ausgenommen sein müssten, wenn nicht einer frühzeitigen und vorurteilsvollen Psychiatrisierung des Angeklagten Vorschub geleistet werden soll.

Außerdem steht das psychiatrische Explorationsanliegen mit dem Recht zu schweigen in Konflikt. Es ist ja ein Unding ohnegleichen, dass derjenige, der von seinem elementaren Recht zu schweigen Gebrauch macht, durch okkulte Akten- und Meinungsachten bestraft wird. Eine psychiatrische Exploration zur Tat-Sache käme auch einem Geständnis gleich (so wurde der Rechtsstaat mit dem Kröber GA im Falle Ulvi Kulac ausgehebelt). Mir scheint, hier liegt der dunkle Ort des Strafprozesses.

Auch sollte feststehen, dass der Angeklagte die Tat begangen hat, wenn das Anknüpfungstatsache sein soll, was aber damit unverträglich ist, dass die Rechtskraft erst nach Ende der  HV eintreten kann. Prof. Müller führte nun den Ausweg an, ein hinreichender Tatverdacht reiche:

Quote:

"Im Prozess darf (nach geltendem Recht) ein SV schon mit der Begutachtung beauftragt werden, wenn (nur) ein hinreichender Tatverdacht besteht.  Dem Gutachter werden dann vom Gericht die "Tatsachen" (also etwa die Gründe für den Verdacht)  mitgeteilt, die er seinem Gutachten zugrunde legen soll. Es ist selbstverständlich, dass das Gutachten unter der Hypothese der Tatbegehung erstellt wird, ohne diese Hypothese wäre es ja gar nicht nötig, und festgestellt ist ja die Tatbegehung noch nicht, schon gar nicht rechtskräftig. Abweichungen, insbesondere beim Verdacht mehrerer Taten, habe ich oben bereits mitgeteilt."

Nun, um Befinden und Verfassung eines Menschen für einen bestimmten Zeitraum zu erkunden, etwa für den 12.8.2001, 08-20.00 Uhr braucht es grundsätzlich keine Tat, obschon eine ungewöhnliche Tat sehr erinnerungsfördernd sein kann. Was heißt jetzt genau "hinreichender Tatverdacht"? Und wofür ist der nützlich, außer dass Zirkelschlüsse und Vorurteile gebahnt werden? Z B. er war so außer sich, wie sein in den Ellenbogen beißen zeigt, dass wohl anzunehmen ist, dass er sich nicht mehr kontrollieren konnte."

Zusammengefasst: Es braucht keine Tat, um ein Befinden oder eine Verfassung zu erkunden, wohl aber verwertbare und verlässliche Auskünfte des Angeklagten zu seinem Befinden und zu seiner Verfassung im fraglichen Zeitraum (das würde auch Vernehmung und Exploration von Tatabstreitern, womöglich Nichttätern, sehr erleichtern). Verweigert der Angeklagte solche Auskünfte, ist eine sachverständige Beurteilung nicht möglich, nur freies Phantasieren und Meinen. Daraus ergäbe sich zwingend eine vierte Zwischenstätte für die Unklaren neben dem Gefängnis für die Schuldfähigen und Maßregelvollug für die Nichtschuldfähigen - die Sicherungsverwahrung hat inzwischen ja ihren eigenen Status.

RSponsel schrieb:

Dient der § 161a StPO einem fairen Verfahren oder ist er ein bequemes Mittel frühzeitiger und vorurteilsvoller Psychiatrisierung?

In (1) heißt es: " (1) Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten."

Voraussetzungen werden hier nicht genannt. Aber der Wortlaut beinhaltet auch psychiatrische Sv, die sinnvollerweise ausgenommen sein müssten, wenn nicht einer frühzeitigen und vorurteilsvollen Psychiatrisierung des Angeklagten Vorschub geleistet werden soll.

Außerdem steht das psychiatrische Explorationsanliegen mit dem Recht zu schweigen in Konflikt. Es ist ja ein Unding ohnegleichen, dass derjenige, der von seinem elementaren Recht zu schweigen Gebrauch macht, durch okkulte Akten- und Meinungsachten bestraft wird. Eine psychiatrische Exploration zur Tat-Sache käme auch einem Geständnis gleich (so wurde der Rechtsstaat mit dem Kröber GA im Falle Ulvi Kulac ausgehebelt). Mir scheint, hier liegt der dunkle Ort des Strafprozesses.

Auch sollte feststehen, dass der Angeklagte die Tat begangen hat, wenn das Anknüpfungstatsache sein soll, was aber damit unverträglich ist, dass die Rechtskraft erst nach Ende der  HV eintreten kann. Prof. Müller führte nun den Ausweg an, ein hinreichender Tatverdacht reiche:

Quote:

"Im Prozess darf (nach geltendem Recht) ein SV schon mit der Begutachtung beauftragt werden, wenn (nur) ein hinreichender Tatverdacht besteht.  Dem Gutachter werden dann vom Gericht die "Tatsachen" (also etwa die Gründe für den Verdacht)  mitgeteilt, die er seinem Gutachten zugrunde legen soll. Es ist selbstverständlich, dass das Gutachten unter der Hypothese der Tatbegehung erstellt wird, ohne diese Hypothese wäre es ja gar nicht nötig, und festgestellt ist ja die Tatbegehung noch nicht, schon gar nicht rechtskräftig. Abweichungen, insbesondere beim Verdacht mehrerer Taten, habe ich oben bereits mitgeteilt."

Nun, um Befinden und Verfassung eines Menschen für einen bestimmten Zeitraum zu erkunden, etwa für den 12.8.2001, 08-20.00 Uhr braucht es grundsätzlich keine Tat, obschon eine ungewöhnliche Tat sehr erinnerungsfördernd sein kann. Was heißt jetzt genau "hinreichender Tatverdacht"? Und wofür ist der nützlich, außer dass Zirkelschlüsse und Vorurteile gebahnt werden? Z B. er war so außer sich, wie sein in den Ellenbogen beißen zeigt, dass wohl anzunehmen ist, dass er sich nicht mehr kontrollieren konnte."

Zusammengefasst: Es braucht keine Tat, um ein Befinden oder eine Verfassung zu erkunden, wohl aber verwertbare und verlässliche Auskünfte des Angeklagten zu seinem Befinden und zu seiner Verfassung im fraglichen Zeitraum (das würde auch Vernehmung und Exploration von Tatabstreitern, womöglich Nichttätern, sehr erleichtern). Verweigert der Angeklagte solche Auskünfte, ist eine sachverständige Beurteilung nicht möglich, nur freies Phantasieren und Meinen. Daraus ergäbe sich zwingend eine vierte Zwischenstätte für die Unklaren neben dem Gefängnis für die Schuldfähigen und Maßregelvollug für die Nichtschuldfähigen - die Sicherungsverwahrung hat inzwischen ja ihren eigenen Status.

Lieber Herr Sponsel!

Wieder einmal herzlichen Dank für Ihren kritischen und sehr wichtigen Beitrag!

Vielleicht solte man aber auch die Expertise der psychiatrischen Fachkräfte nicht zu sehr unterschätzen.

Es gibt ja schließlich auch sehr verschiedene Arten zu Schweigen.

Auch kann selbst bei einem Schweigenden noch die Mimik beobachtet werden, sowie jegliche körperliche Reaktion auf Geschehnisse im Laufe des Verfahrens, wird er blass, wird er rot, schwitzt er, sitzt er aufrecht oder eher zusammengesunken, was hat er sich angezogen, welche Kleidungsfarben bevorzugt, welche meidet er.

Wie viele Knöpfe am Hemd sind zu, wie eng sitzt der Krawattenknoten, welche Knotentechnik wird verwendet. Trägt er eher teure oder billige Sachen, von der Stange, maßgeschneidert, dem Wetter angepasst oder nicht, welche Frisur, welcher Bart, schnauft er schnell oder langsam, in den Bauch oder mehr in den Brustkorb.

Wirkt er gewaschen, welches Deo verwendet er, welches Rasierwasser oder auch gar keines, hat er Schmuck dran, Ohrringe, wenn ja wie viele, welche und wo, was isst/ trinkt er in Verhandlunsgpausen, und wie, schnell oder langsam, gesundes oder Fast food, vegan, low carb usw usf.

Es kann also zumindest NICHT a u s g e s c h l os s e n werden, dass ein wirklich sachverständiger, erfahrener und talentierter Gutachter aus all diesen Punkten zutreffend schließen kann, wie sich diese Person 13 Jahre vorher gefühlt hat, nicht wahr?

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Genau, für Koryphäen alles kein Problem ...

f&f schrieb:

Es kann also zumindest NICHT a u s g e s c h l os s e n werden, dass ein wirklich sachverständiger, erfahrener und talentierter Gutachter aus all diesen Punkten zutreffend schließen kann, wie sich diese Person 13 Jahre vorher gefühlt hat, nicht wahr?

;-)

 

Dr. Sponsel schrieb:

Nun, um Befinden und Verfassung eines Menschen für einen bestimmten Zeitraum zu erkunden, etwa für den 12.8.2001, 08-20.00 Uhr braucht es grundsätzlich keine Tat, obschon eine ungewöhnliche Tat sehr erinnerungsfördernd sein kann. Was heißt jetzt genau "hinreichender Tatverdacht"? Und wofür ist der nützlich, außer dass Zirkelschlüsse und Vorurteile gebahnt werden? Z B. er war so außer sich, wie sein in den Ellenbogen beißen zeigt, dass wohl anzunehmen ist, dass er sich nicht mehr kontrollieren konnte."

Zusammengefasst: Es braucht keine Tat, um ein Befinden oder eine Verfassung zu erkunden, wohl aber verwertbare und verlässliche Auskünfte des Angeklagten zu seinem Befinden und zu seiner Verfassung im fraglichen Zeitraum (das würde auch Vernehmung und Exploration von Tatabstreitern, womöglich Nichttätern, sehr erleichtern).

Das bringt es ziemlich auf den Punkt, eine Untersuchung eines Graphenmodells zu den Gutachten würde sicher auch zu diesen Ergebnissen kommen ;-)

Wir hatten vor einiger Zeit auch die Diskussion, ob eine Frage der vorsitzenden Richterin an GM explizit auf den 21.08.01 bezogen war bzw. ob GM eindeutig zu diesem Tag mit "ich habe mich nur gewehrt" antwortete. Ich habe es jetzt nicht mehr so auf dem Plan, ob das noch vor der Anhörung von Nedopil oder doch eher danach war. Jedenfalls wurde wohl aus dieser Antwort geschlossen, dass am 21.08.01 eine Tat stattgefunden hatte. D.h. aber auch, zuvor bestanden offensichtlich noch Zweifel beim Gericht zur Tat selbst. Wenn Nedopil also vorher angehört wurde, dann konnte ja noch nicht einmal die Tat feststehen, wie dann also die Täterschaft. Andernfalls wäre bei schon längst erfolgter Festlegung auf die Täterschaft die offene Frage zum Tatgeschehen reine Schikane gewesen. Motto: Ich weiß schon das sie es auf diese Art und Weise waren, das sage ich ihnen aber nicht und gebe ihnen noch die Möglichkeit ein wenig zu zappeln. Nur so zum Spass für die Öffentlichkeit.

Das bringt mich auch zu Fragen im Prozessrecht und der Vernehmungstechnik.

Ein Beschuldigter hat doch u.a. das Recht zu erfahren, was ihm konkret vorgeworfen wird und aufgrund welcher Anhaltspunkte und Beweise dieser Vorwurf besteht. Je nach Grad der Verdächtigung müssen die Anhaltspunkte und Beweise auch fundierter werden. Damit der Angeklagte sich dann verteidigen kann, muss auch er in der HV die Anhaltspunkte und Beweise kennen und wissen worauf sich die Anklage stützt. Wenn das Gericht dem Angeklagten nun in der Verhandlung eine offene Frage stellt, also z.B. Was war an diesem Tag?, ohne die Voraussetzung und Absicht dieser Exploration zuvor offen zu legen, dann unterbricht es doch diese Klarheit, oder?

Ich könnte mir z.B. Folgendes vorstellen:

Der Richter sagt zum Angeklagten, aufgrund A und B habe ich den dringenden Verdacht, dass sie am Tag X die Tat Y verübt haben. Wollen Sie dazu noch etwas erklären?

Jetzt kommt z.B. die Antwort: Ich habe mich nur gewehrt. 

Damit ist klar, das es um diesen Tag geht und zumindest ein Ereignis am Tag X stattfand.

Die nächste Frage müsste eigentlich sein: Sie haben sich also am Tag X nur gewehrt. Wie wurden sie denn angegriffen oder zur Abwehr heraudgefordert?

Käme jetzt: "Aliens oder Stimmen in meinem Kopf", dann hätte man vielleicht einen psychiatrischen Fall.

Käme: "Die hat nicht auf mich gehört. Oder die muss doch gehorchen." Dann wäre man auch weiter.

Kommt aber nichts, dann ist entweder das Aussageverweigerungsrecht oder auch das Zeugnisverweigerungsrecht.  Also eben auch das Recht den (Ex-) Partner vor Strafverfolgung zu schützen, sich möglicherweise selbst im Gegenzug vor Nachteilen, Enthüllungen, eigenen Schamgefühlen zu schützen usw.

Es ist aufgrund der bekannten Tatsachen sehr wohl denkbar, dass GM nicht die Aussageverweigerung sondern die Zeugnisverweigerung in Anspruch nahm. Denn 1. war es über mehrere Jahre sein Ansinnen, die eigene Frau von kriminellen Geschäften abzubringen und eigentlich gerade nicht zu denunzieren. 2. hätten detaillierten Erklärungen von GM zu seiner Ex vielleicht etwas Schützenswertes beinhalten können, dass unter das Zeugnisverweigerungsrecht fällt mit den denkbaren Folgerungen.

Ich habe nicht das gesamte Anzeigeverhalten von GM auf dem Plan. Aber zunächst ging es ums Aufhören mit den Geschäften, dann wurde von GM wohl die Bank unter Druck gesetzt, die Geschäfte zu stoppen, später wurde dann der Schwarzgeldskandal zum zentralen Thema für ein Komplott, in dem die Ex nur ein Teil der Verschwörung war. Oder hat er sie irgendwann als Kopf als Anführer des Komplotts bezeichnet und nur wegen ihr an den Pabst oder den Bundespräsident geschrieben?

Also noch mal zusammenfassend:

Was wusste GM zu dem Anlass und Ziel der Richterfrage und was hätte er nach Prozessrecht dazu wissen müssen oder dürfen?

Wenn der Angeklagte auf eine offene Frage zu einem Thema, das ihn gleichermaßen in die Rolle des Verdächtigen mit Aussageverweigerungsrecht als auch in die Rolle des Zeugen mit Zeugnisverweigerungsrecht bringen kann, nur eine unklare Antwort gibt und dann jedoch schweigt, folgt daraus eine Beliebigkeit der Interpretation des ausgeübten Verweigerungsrechts? Müsste das festgestellt werden? Was folgt überhaupt daraus?

 

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Dr. Sponsel vermutet im o.a. Kommentar in dem § 161a StPO den (einen) dunklen Ort des Rechts #12

Dient der § 161a StPO einem fairen Verfahren oder ist er ein bequemes Mittel frühzeitiger und vorurteilsvoller Psychiatrisierung?

In (1) heißt es: " (1) Zeugen und Sachverständige sind verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen oder ihr Gutachten zu erstatten."

Dazu ein Teil des Kommentars von Prof. Müller:

Zitat:

"Im Prozess darf (nach geltendem Recht) ein SV schon mit der Begutachtung beauftragt werden, wenn (nur) ein hinreichender Tatverdacht besteht.  Dem Gutachter werden dann vom Gericht die "Tatsachen" (also etwa die Gründe für den Verdacht)  mitgeteilt, die er seinem Gutachten zugrunde legen soll.

Mein Kommentar:

Die Rolle der Staatsanwaltschaften auf der Ebene des Amtsgerichts- und des Landgerichtsverfahrens 2006 wurden im Fall Mollath m.E. vollkommen ausgeblendet, nicht kritisch überdacht und reflektiert. Dies ist m.E. umso verwunderlicher, da in dem brisanten Fall Mollath die weisungsgebundene Staatsanwaltschaften sicherlich eine bedeutende Rolle gespielt haben dürften. Es ist davon auszugehen, dass diese Staatsanwaltschaften die Psychiatrisierung, die Zwangsbeobachtung durch den Gerichtspsychiater Lippert, das Unrechtsurteil von 2006 und auch die illegale Unterbrinung mitzuverantworten haben.

Welche Anträge haben die Staatsanwaltschaften im AG- und LG-Verfahren gestellt, insbesondere nachdem Herr Mollath die Geldstrafe und das damit verbundene Schuldeingeständnis nicht akzeptieren wollte?

Wer kann durch entsprechende Informationen dazu beitragen, welche Rolle die Staatsanwaltschaften eingenommen hat?

Im WA-Verfahren hatte der Herr Oberstaatsanwalt - der auch im Untersuchungsausschuss des Bay. Landtages ausgesagt hat - für die Schuld von G.M. in allen Anklagepunkten plädiert und sich auch nachdrücklich für die psychiatrisierende Zwangsbeobachtung eingesetzt und dadurch maßgeblich zu der erfolgten Psychiatrisierung und dem Urteilsspruch mögliche Schuldunfähigkeit beigetragen.

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Heute mein letzter Einwurf. Ich nenne mich jetzt mal kurz Moralischer Logiker.

Moral: Tue Anderen nichts, was Dir nicht angetan werden soll. (Ist schon mal nicht schlecht.)

Erkenntnis: Was für mich gut oder schlecht ist, muss für Andere noch nicht gut oder schlecht sein. Der Andere ist der Andere, weil er das Recht hat, anders zu sein.

erweiterte Moral: Schließe nicht nur von Dir auf Andere.

Wie klärt man mit subjektiver Überzeugung eine objektive Frage?

Beispiel: Ich bin überzeugt, einen Bernstein gefunden zu haben. Ich zeige ihn Jedem Interessierten. Alle bewundern den Bernstein. Aus der subjektiven Überzeugung Einzelner wird eine gemeinschaftliche (subjektive) Überzeugung, die wir als objektive Tatsache wahrnehmen.

Kann man den Bernsteinfund bzw. dessen Nachweis verheimlichen, mit Niemanden teilen und dann diesen objektiven Fund verkünden?

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Sehr geehrter Herr Lippke,

Sie schreiben:

Jedenfalls wurde wohl aus dieser Antwort geschlossen, dass am 21.08.01 eine Tat stattgefunden hatte. D.h. aber auch, zuvor bestanden offensichtlich noch Zweifel beim Gericht zur Tat selbst. Wenn Nedopil also vorher angehört wurde, dann konnte ja noch nicht einmal die Tat feststehen, wie dann also die Täterschaft. Andernfalls wäre bei schon längst erfolgter Festlegung auf die Täterschaft die offene Frage zum Tatgeschehen reine Schikane gewesen. Motto: Ich weiß schon das sie es auf diese Art und Weise waren, das sage ich ihnen aber nicht und gebe ihnen noch die Möglichkeit ein wenig zu zappeln. Nur so zum Spass für die Öffentlichkeit.

Mittlerweile weiß ich, dass es schwierig ist, Sie und Herrn Sponsel zu überzeugen, aber ich versuche es trotzdem: Herr Mollath selbst wollte sich (nachdem der SV nicht mehr anwesend war) "zu den Tatvorwürfen äußern"; dazu gehörte auch die Äußerung zum 12.08.2001, der im Mittelpunkt des zentralen Tatvorwurfs des tagelangen Prozesses stand. Das Gericht ist (bzw. darf) bis zum Ende der Beweisaufnahme (und das letzte Wort vor der Beratung hat ohnehin der Angeklagte) nicht schon festgelegt (sein), was Tat und Schuld angeht, alles andere wäre eine verbotene Beweisantizipation. Wenn Sie quasi verlangen, ein Gericht müsse jederzeit sagen, was es (bisher) aus der Beweisaufnahme schließe, bevor es weitere Fragen stelle, machten Sie den Prozess praktisch unmöglich. Ihre Schlussfolgerungen: wenn Fragen gestellt werden, bestehen also noch Zweifel oder: wenn der Sachverständige zur Schuld gehört wird, dann muss die Tat schon feststehen, entsprechen nicht dem geltendem Prozessrecht, das eben eine abschließende Beratung vor der Urteilsfindung zu sämtlichen Tat- und Schuldfragen grds. erst nach Abschluss der Beweisaufnahme über alle diese Fragen vorsieht. Es ist deshalb auch nicht perfide oder gemein, wenn man einen aussagenden Angeklagten nach dem konkreten Tatvorwurf fragt, egal, welche Meinung man sich bislang gebildet hat. Ehrlich gesagt, halte ich das auch für ein Gebot jeder menschlichen Kommunikation, nicht nur der gerichtlichen; das mag bei einem Computerprogramm anders sein, aber nach geltendem Recht richten Menschen über Menschen, (noch) nicht Software.

Es ist de lege lata auch erlaubt, einen Sachverständigen zur Schuldfrage zu hören, wenn man sich noch kein endgültiges Bild über die Tat gemacht hat (das habe ich bereits mehrfach geschrieben - das könnte man auch ändern, aber de lege lata ist das eben so). Ich weiß nicht, ob die Regensburger Kammer im Fall Mollath zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch "offen" war, jedenfalls aber war es gerichtliche Pflicht, Herrn Mollath das Wort zu erteilen, wenn er sich (wie angekündigt) zu den Tatvorwürfen äußern wollte.

Ihre Interpretation, Herr Mollath habe nichts Näheres zu den Umständen gesagt, die ihn veranlassten, sich zu wehren, weil er seine Frau schützen wollte (und er habe quasi ein Zeugnisverweigerungsrecht geltend gemacht), halte ich für fernliegend. Jedenfalls war die Schlussfolgerung des Gerichts (am 12.08.2001 hat eine körp. Auseinandersetzung stattgefunden und für Notwehr gibt es keinerlei Anhaltspunkte) grds. nachvollziehbar, auch wenn andere Schlussfolgerungen möglich waren. Ich persönlich bleibe trotzdem bei meiner Auffassung, dass die in Regensburg insgesamt vorgelegten Beweise noch nicht für die konkrete Feststellung einer (gef.) Körperverletzung ausreichen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

P.S.: In der Blog-Redaktion wird derzeit darüber nachgedacht, diese Kommentarsektion demnächst zu schließen (nicht zu löschen), da nach mittlerweile fast 2000 Kommentaren und mehrere Monate nach dem Ursprungsbeitrag sich die Argumente doch wiederholen bzw. erschöpft haben.

Natürlich wird es zum Fall Mollath, aber auch zu  den hier darüber hinaus abstrakt aufgeworfenen Fragen (Maßregelvollzug, Schuldfähigkeitsfeststellung, Revisionszulassung), bei gegebenem Anlass wieder einen neuen Beitrag mit Diskussionsmöglichkeit geben.

Vielen Dank für Ihre Diskussionsfreude, auch wenn ich mit Vielem nicht einverstanden war.

Henning Ernst Müller

 

 

 

@ Professor Müller # 6

 

Vielen Dank für Ihre Replik.

 

  • Könnten Sie bitte genauer auf die Fragen eingehen, wie es sich bei einem psychisch kranken Täter gestaltet, bei dem eine der Voraussetzungen für den Maßregelvollzug fehlt, nämlich die Tatbegehung auf Grund der psychischen Erkrankung. Käme dieser psychisch Kranke also in den Strafvollzug?

 

  • Wie ist es wenn ein Täter (psychisch krank oder geistig behindert) wegen zweier Straftaten „verurteilt“ wird, einmal als schuldfähig und einmal als schuldunfähig. Kommt er im Anschluss an Maßregelvollzug dann in den Strafvollzug?

 

  • Genau wie Sie bin ich auch nicht der Meinung, dass es speziell dem geistig behinderten Herrn Kulac im Strafvollzug besser ergangen wäre als im Maßregelvollzug.

 

  • Sie sprechen an auf Grund welches Kindesmissbrauchs Herr Kulac seit über 13 Jahren im BZK Bayreuth festgehalten wird:

 

Also, da war ursprünglich das Onanieren und Entblößen vor der männlichen Dorfjugend, teilweise auf Zuruf, und teilweise nachdem man ihn betrunken gemacht hatte. Nachdem eine der Mütter der Jungen die Mutter von Herrn Kulac darüber informiert hatte, hat diese ihrem Sohn eine gewaltige Standpredigt gehalten. Dieser war sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht darüber im Klaren, dass derartiges Verhalten verboten ist. Er war nach dieser Standpauke so aufgeregt, dass er sich Mut angetrunken hat und sich in diesem Zustand in eine öffentliche Telefonzelle begab um über den Notruf die Polizei auf seine Taten hinzuweisen.

 

Ich habe ein Video von Kulac Mutter gesehen, in dem diese erzählt, dass sie heute noch das Schreiben der damals zuständigen Staatsanwältin in ihrem Besitz habe, mit dem diese mitteilte, dass entweder kein Verfahren eröffnet werden würde, oder dass das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt werden würde.

 

Außer der etwas theatralischen Selbstanzeige von Kulac gab und gibt es nämlich bis heute niemanden der sich als Opfer ansieht, oder der eine Anzeige gestellt hätte.

 

Die zwischenzeitlich jungen Männer, vor denen sich Herr Kulac seinerzeit entblößte und masturbierte verkehren als Gäste in der Gaststätte von Herrn Kulac Eltern und amüsieren sich heute noch darüber wie lustig das seinerzeit war, „wenn der Ulvi seinen rausgeholt hat“.

Die sehr verantwortungsvollen Eltern von Herrn Kulac haben seinerzeit aus eigenem Impetus einen freiwilligen Therapieplatz für ihren Sohn im BZK Bayreuth besorgt. Zu diesem freiwilligen Aufenthalt kam es nicht, weil zwischenzeitlich die Peggy Knobloch verschwunden war und deren Mutter/Stiefvater Herrn Kulac als Verdächtigen ins Spiel brachten.

 

Herr Kulac wurde im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Verschwinden des Mädchens auf Grund des bayerischen Unterbringungsgesetzes ins BZK Bayreuth gebracht.

 

Zwei Jahre später wurde er wegen des angeblichen Mordes (Leiche gibt es bis heute nicht) an der Peggy Knobloch und als schuldfähig zu lebenslanger Haft verurteilt.

 

Des Weiteren wurde er wegen des angeblichen Mordmotivs einer vorausgegangenen Vergewaltigung des Mädchens als schuldunfähig verurteilt und die laufende Unterbringungsmaßnahme wurde in eine Maßregelvollzugsmaßnahme umgewandelt.

 

Vom Mordvorwurf wurde Herr Kulac 2014 in einem Wiederaufnahmeverfahren aus tatsächlichen Gründen frei gesprochen.

Das angebliche Mordmotiv der Vergewaltigung, für die es keine Zeugen, Beweise oder Indizien gibt wurde im WAV perfiderweise nicht behandelt. Demzufolge musste Herr Kulac auch nach dem Mordfreispruch erster Klasse im Maßregelvollzug verbleiben.

 

Nunmehr soll er nach über 13 Jahren aus Gründen der Verhältnismäßigkeit entlassen werden.

 

Die Betreuerin strebt ein Wiederaufnahmeverfahren wegen der angeblichen Vergewaltigung an, für die es noch nicht einmal Faser- oder sonstige Spuren von Herrn Kulac an Peggys Kleidung gab, oder Faser- oder sonstige Spuren von Peggy an der Kleidung oder in der Wohnung von Herrn Kulac.

 

Das Geständnis des geistig Behinderten in Bezug auf den Mord und die Vergewaltigung wurden unter unsäglichen Bedingungen erwirkt. Eine gewisse Rolle spielte auch ein getürkter Zeuge, dem Herr Kulac im BZK Bayreuth den Mord gestanden haben sollte. Der Zeuge hat seine Aussage später eidesstattlich widerrufen.

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Sehr geehrter Herr Professor Müller,

 

vielen Dank für Ihr Engagement und das geduldige Antworten auf die vielen Fragen. Sie haben stets eine allgemein verständliche Ausdrucksweise gewählt, so dass jede Person, die des Lesens und Schreibens fähig ist, sich an der Diskussion beteiligen konnte.

Interessant ist, dass die Diskussion, sobald die Worte Bank oder Schwarzgeld oder Finanztransaktionen oder etwa in diese Richtung fielen, vehement wieder in Richtung Psychiatrie gelenkt wurde.

Ob jemals aufgeklärt werden wird, warum wer was beabsichtigt hat?

Die Bayerische Landesvermögensverwaltung, einstmals eine mächtige Behörde in Nürnberg, ist übrigens fast komplett aus dem Internet verschwunden.

 

Herzliche Grüße

 

Hobbydetektiv

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Abschließend noch zur Zulässigkeit und Begründetheit der Revision in Sachen Mollath - statistisch nicht juristisch.

Es stellt sich immer wieder die Frage, ob man aus der Dauer des Revisionsverfahrens irgendwelche Schlüsse ziehen kann. Dazu die Statistik des BGH aus 2014: Für die Verwerfung der Revision als unzulässig nach 349 Abs.1 StPO benötigten die Strafsenate in keinem Fall länger als 3 Monate. Die Erfolgsquote insgesamt betrug 531 von 2556 (20,8 Prozent) und im 1. Strafsenat 83 von 596(13,9 Prozent). In den ersten 3 Monaten betrug die Erfolgsquote insgesamt 451 von 2338 (19,3 Prozent) und im 1. Strafsenat 72 von 570 (12,6 Prozent). Nach 3 Monaten erhöhte sich die Erfolgsquote erheblich: insgesamt 80 von 218 (36,7 Prozent) und im 1. Senat 11 von 26 (42,3 Prozent). 

Das Revisionsverfahren in Sachen Mollath dauert inzwischen 4 Monate. Rein statistisch ist Mollath Revision inzwischen zulässig und zu 42,3 Prozent begründet.

Aushebeln des Schweigerechts durch psychiatrische Gutachten

Angeklagte haben das Recht zu schweigen und müssen sich nicht selbst belasten. Dieses Recht wird durch § 161a (1) StPO angegriffen, wenn ein psychiatrisches Gutachten noch während des Verfahrens in Auftrag gegeben wird, so dass sozusagen auf kaltem Wege - quasi von hinten durch die Brust - ein Geständnis entlockt werden soll (wie im Falle Ulvi Kulac). Ich kann nicht sehen, dass das irgendeinen positiven Nutzen für ein faires Verfahren haben kann, aber viel Schaden. Hat es noch  keine Bestrebungen gegeben, diese Praxis abzuschaffen?

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

die Ausführungen von Herrn Waldemar Robert Kolos sprechen dafür, dass die von Dr. Ahmed eingelegte Revision rein statistisch für zulässig gewertet wird.

Diese Ausgangslage möchte ich zum Anlass nehmen, Sie zu ersuchen, diese Kommentarsektion - wenn möglich - nicht zu schließen. Zweifelsohne haben sich einige Themen in Kommentaren wiederholt und das aufwendige Lesen und Kommentieren ist für Sie neben Ihrer Professorentätigkeit erfordert Geduld und ist sicherlich belastend. Gleichwohl sind einige juristische Problembereiche im Fall Mollath bezüglich der schriftlichen Urteilsbegründung nicht angesprochen, nicht beantwortet und nicht diskutiert worden. Zumindest bitte ich Sie, diesen Blog nicht abrupt zu schließen, sondern zu ermöglichen, dass er noch bis Ende Mai fortgeführt wird.

Die dritte Gewalt, die Justiz ist m.E. noch nicht ausreichend im Bewußtsein der breiten Zivilgesellschaft angekommen und wird deshalb von vielen Bürgern als undurchschaubar und deshalb als nicht vertrauenserweckend gewertet. Weite Bevölkerungskreise verfügen nicht über ein Mindestmass an Informationen über die Justizverfahren, die grundlegenden Gesetze, wie BGB, StPO. Im Gegensatz zu der relativen Informiertheit über den dt. Bundestag, die Regierung.

Auch insofern sind die vielseitigen Blogthemen des Beck-Verlags und Ihr wertvolles Engagement von Bedeutung und Wichtigkeit.

 

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Prof. Müller führt im Kommentar 42 Abschnitt 37 aus: „Im Vorverfahren ist nach h.M. auch die Staatsanwaltschaft (§ 161a Abs. 1 Satz 2 StPO) zuständig, auch dies wird von der Wissenschaft kritisiert.“

In der anschließenden Diskussion folgert Herr Dr. Sponsel nach dem zitierten Paragraphen, dass der Staatsanwalt ein psychiatrische Gutachten in Auftrag geben kann. Dies ist m.E. nur indirekt dieser Rechtsvorschrift zu entnehmen, da nur Zeugen und Sachverständigen aufgeführt werden, wird aber der Rechtslage entsprechen.

Da der Staatsanwaltschaft Herr des Vorverfahrens ist, hat bereits die Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde die entscheidende Macht die Weichenstellung auf den Verdacht einer psychischen Erkrankung und Schuldunfähigkeit zu lenken.Wenn ich es richtig verstanden habe, bereits ein psychiatrisches Gutachten einzuleiten und auch den Gutachter zu bestimmen. Dies bedeutet, dass nicht erst im Gerichtsverfahren ohne Feststellung einer Straftat, eine stigmatisierende möglicherweise folgenreiche psychiatrisierende Vorverurteilung w e i t vor dem eigentlichen Urteil bereits durch den Staatsanwalt stattfinden kann.

Da die Staatsanwalt weisungsgebunden ist und dem Generalstaatsanwalt und dem Justizminister untersteht, kann relativ leicht aus politischen Gründen oder anderen Interessen über die Befugnis einen Angeklagten zu stigmatisieren, begutachten zu können, u.U. missbräuchlicherweise ein Gerichtsverfahren so gelenkt und beeinflusst werden, um einen unbequemen Bürger existenziell zu schaden und schlimmstenfalls in die Forensik zu bringen.

Da die Rolle der Staatsanwaltschaft im AG und LG-Verfahren (2006) im Fall Mollath nicht bekannt ist, wäre es von Bedeutung die Anträge der Staatsanwaltschaften, einen möglichen Auftrag  für eine psychiatrische Begutachtung von Herrn Mollath aufzuklären.

Welche Kritik hat die Rechtswissenschaft an der Befugnis der Staatsanwaltschaft im Vorverfahren in diesem Zusammenhang?

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Überschlagsweise habe ich die „Laborrattenbeobachtung“ des Beschuldigten währende der Gerichtsverhandlung jetzt so verstanden, dass es psychiatrischer SV in diesem Fall anwesend sein musste, weil das erste Verfahren u. a. ein Unterbringungsverfahren war.

 

Ich habe es aber auch so verstanden, dass der SV nicht notwendigerweise mehr als kurze Zeit anwesend sein musste, um den aktuellen Vorschriften Genüge zu tun.

 

Es hat sich herausgestellt, dass ein Schuldinterlokut die Anwesenheit des SV während der Schuldfeststellung überflüssig machen würde.

 

Der psychiatrische SV hätte dem WAG im Fall Mollath gleich zu Anfang mitteilen können, dass er unter keinen Umständen eine Feststellung zum mentalen Zustand Mollaths zum (angeblichen) Tatzeitpunkt der (angeblich) gefährlichen KV vor 13 Jahren treffen könne, nachdem noch nicht einmal das (angebliche) Opfer diesbezüglich Indizien, oder gar Beweise beigetragen hat, abgesehen von einer (angeblich) blutenden Bisswunde, von deren Narbe es bis heute kein Foto gibt (so ein Foto hätte man auch heute noch vorlegen können, sofern die Narbe existieren würde), oder auch nur einen einzigen Zeugen, der diese Narbe, welche das einzige Indiz für skurrile Tatumstände wäre jemals gesehen hat.

 

Nicht einmal der aktuelle Ehemann hat sie gesehen, obwohl das Gericht das schriftlich, gegenläufig zu seiner Aussage, so festhielt.

 

Um den allgemeinen, aktuellen Zustand von Mollath zu beurteilen hätte sich der SV auf die zahlreichen TV-Interviews von Mollath beziehen können, die mehr über den geistigen Zustand aussagen als ein vor Gericht wegen des SV schweigender Beschuldigter.

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Sehr geehrter Herr Professor Müller,

 

es wäre sehr schade, wenn Sie den Blog schließen würden bevor die Sache juristisch abgeschlossen ist.

 

Ich verstehe, dass Sie und die Blogadministratoren von sachfremden Beiträgen, die nichtsdestoweniger von Ihnen gelesen werden müssen, genervt und zeitlich überlastet sind.

 

Vielleicht löschen Sie derartige Beiträge einfach rigoroser.

 

Unser kleiner „Untersuchungsausschuss“  hat sehr viel zu Tage gebracht in Bezug auf die Glaubwürdigkeit, bzw. Unglaubwürdigkeit der Zeugen (v. a. Dr. R. und seiner Sprechstundenhilfe), in Bezug auf die angeblich nicht vorhandene Falschbeschuldigungsmotivation von Mollaths Exfrau (Motiv: Unterhaltsverpflichtung und Versorgungsausgleich und Zugewinn konnten durch die Belastung Mollaths zu ihren Gunsten gesteuert werden), um nur einige wenige Punkte zu nennen.

 

Auch die Tatsache, dass Herr Bixler auf seiner Homepage die Reifenstechermanipulation zu Lasten von Mollath minutiös nachweist, hat einen Bezug zu diesem Blog, bzw. wurde möglicherweise durch diesen Blog angeregt.

 

Ich persönlich würde gerne noch einige Punkte diskutieren, beispielsweise auch die Erklärungsmöglichkeiten, die es für die Tatsache gibt, dass bei Mollath, kurz nach dem Auszug der Ehefrau, eine gravierende Bleivergiftung festgestellt worden ist, und zwar durch zwei verschiedene Labore, mit zwei verschiedenen Methoden (Blut- und Haaranalyse). 18.06.2002 bei einem Dr. S. in Erding (Blei- und Lösemittelvergiftung). Später durch Haaranalyse eine „Blei- und Aluminiumvergiftung“. Dr. R. Frankenapotheke hierzu: „…so hohe Bleiwerte habe ich noch nicht erlebt…“. Weitere Zeugin einer „Frau B., Apotheke, Nürnberg“.

 

Eine Bleivergiftung kann bekanntermaßen zu seltsamen Verhaltensweisen, auch zu aggressiven Verhaltensweisen führen. Sie kann sogar in einer Bleiencephalopathie enden.

 

Wir haben hier einen von der Ehefrau, im Rahmen eines Rosenkriegs, Beschuldigten, der nicht nur einem allgemeinen Vernichtungsfeldzug in Bezug auf angeblich begangene Straftaten (Reifenstechereien und Freiheitsberaubung etc. wurden vom WAG zwischenzeitlich verworfen), sondern auch massiven Psychiatrisierungsaktivitäten ausgesetzt war, die letztendlich erfolgreich waren und zu einer nicht gerechtfertigten 7-jährigen Unterbringung im Maßregelvollzug geführt haben.

 

Wie konnte es sein, dass die Exfrau bereits vor Mollaths diesbezüglichen Laboruntersuchungen von einer Intoxikation Ahnung haben konnte?

 

Warum hat sie ihre persönliche Ferngutachterin und Bankkundin Dr. K. vom BZK in Erlangen auf eine von ihr vermutete Intoxikation angesprochen?

 

Bekanntermaßen hat sich Frau Dr. K. dann (eventuell von P3M gesteuert) mit dem Leiter der Forensik, dem Dr. W., über die „Krankheitsgeschichte Mollath“ unterhalten, wobei dieser antwortete: „Ja, da wird schon was sein“.

 

Möglicherweise kam auch der Verdacht auf Intoxikation zur Sprache.

 

Anschließend wurde Mollath ausgerechnet bei diesem Arzt, also dem Dr. W. in der Forensik des BZK Erlangen, vorübergehend untergebracht, rechtswidrig, der bereits präpariert war, von P3M via Dr. K.

 

Mollath hat sich, Gott sei Dank, nicht nur sämtlichen Psychountersuchungen, sondern auch sämtlichen körperlichen Untersuchungen widersetzt. Er hat sich in all den Jahren seiner Unterbringung kein einziges Mal Blut abnehmen lassen.

 

Im übelsten Fall hätte man ihm also im BZK Erlangen gleich eine Bleiintoxikation nachgewiesen, die dann natürlich alle ihm von der Ehefrau unterstellten aggressiven Straftaten, sowie die ebenfalls von der Ehefrau behaupteten psychiatrischen Auffälligkeiten sozusagen wissenschaftlich begründet zementiert hätten.

 

Wie konnte man 2002 noch zu einer außergewöhnlich hohen Bleiintoxikation kommen? Das lässt natürlich gleich an Mollaths Mechanikeraktivitäten denken. Allerdings waren auch 2002 bei Mechanikern, auf Grund der verbesserten Vorschriften bei Treib- und Schmierstoffen keine Bleivergiftungen mehr üblich.

 

Eine Trinkwasserbleivergiftung scheidet aus, weil Mollaths Ehefrau sonst auch daran gelitten hätte.

 

Eine Bleivergiftung kann man sich auch oral zuziehen.

 

Mollaths Ex, die möglicherweise tatsächlich hellseherische Fähigkeiten besitzt, fragte ihre psychiatrische Ferngutachterin Frau Dr. K. fürsorglich, ob sie wegen der von ihr vermuteten Intoxikation des Ehemanns ggf. die „Ernährung umstellen“ solle.

 

Denkbar ist natürlich auch, dass Mollaths Exfrau hier einen siebten Sinn hatte und über beispielsweise eine heimlich vorgenommene Haaranalyse von Mollath das Ergebnis über die außergewöhnlich hohe Bleivergiftung bereits vor ihm in Händen hatte.

 

Das Gespräch von Mollaths Ex mit der Frau Dr. K. fand auf jeden Fall statt bevor Mollaths Exfrau aus der gemeinsamen Ehewohnung auszug, und bevor Mollath selber die Analyse anfertigen ließ, nachdem die Exfrau ja sonst keine Möglichkeit mehr gehabt hätte Mollaths Ernährung umzustellen.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Mit Zulassung der Revision könnte ja ein neuer blog aufgemacht werden

atropa belladonna schrieb:

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

es wäre sehr schade, wenn Sie den Blog schließen würden bevor die Sache juristisch abgeschlossen ist.

Wichtig oder nützlich könnte sein, dass die Justiztkritischen ein Zenrtum bilden, z.B. unter den Drei Säulen ein Wiki "Psychiatriejustizreform" starten. Dort könnte dann auch die 63er Problematik ausführlich abgehandelt werden.

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