LAG Berlin-Brandenburg zum Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Betriebsänderung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 26.08.2014

Zu einem besonders umstrittenen und höchstrichterlich nicht geklärten Fragenkreis aus dem Bereich der betrieblichen Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten verhält sich ein gerade ergangener Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg (vom 19.06.2014 – Aktenzeichen 7 TaBVGa 1219/14). Umstritten ist bekanntlich, ob der Betriebsrat, um seine Mitwirkungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG zu sichern, dem Arbeitgeber per einstweiliger Verfügung untersagen lassen kann, eine Betriebsänderung durchzuführen bis das Interessenausgleichsverfahren abgeschlossen ist. Gegen einen solchen Unterlassungsanspruch wird vielfach vorgebracht, dass der Gesetzgeber mit dem Nachteilsausgleich gem. § 113 Abs. 3 BetrVG anders als bei der Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG eine ausdrückliche Sanktion für die Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats vorgesehen hat. Die Meinungen in der Instanzrechtsprechung zum Unterlassungsanspruch sind geteilt, nicht anders stellt sich die Lage im Schrifttum dar (vgl. die umfassenden Nachweise bei ErfK-Kania § 111 BetrVG Rdn. 27). Das LAG Berlin-Brandenburg hatte sich nun mit folgender Fallkonstellation zu befassen: Der bei einem Unternehmen der IT-Branche gebildete Betriebsrat hatte eine einstweilige Verfügung beantragt, mit der dem Antragsgegner der Einsatz von 20 der insgesamt 323 Arbeitnehmer an einem neuen Standort untersagt werden sollte. Das Unternehmen wollte den Einsatz der betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen einer Zusammenlegung von zwei bisherigen Standorten durchführen. Diesen Antrag hat das LAG Berlin Brandenburg abgewiesen. Das Gericht lässt es offen, ob dem Betriebsrat zur Sicherung seines Anspruchs auf Verhandlung über einen Interessenausgleich auch ein Anspruch auf Unterlassung von auf die Durchführung der Betriebsänderung gerichteten Maßnahmen zukommt. Ein solcher Anspruch könne gegebenenfalls nur auf die Unterlassung von Maßnahmen gerichtet sein, die rechtlich oder faktisch nicht mehr umkehrbar seien und damit den Verhandlungsanspruch des Betriebsrates gefährdeten. Dies sei bei der vorliegend geplanten Umsetzung von 20 Arbeitnehmern an einen neuen Standort nicht der Fall. In der Pressemitteilung wird das wie folgt zusammengefasst: „Ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung einer Betriebsänderung dient nur der Sicherung seines Verhandlungsanspruchs für den Interessenausgleich, nicht losgelöst hiervon, der Untersagung der Betriebsänderung selbst. Durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung können deshalb nur solche Maßnahmen des Arbeitgebers untersagt werden, die den Verhandlungsanspruch des Betriebsrats rechtlich oder faktisch in Frage stellen.“ Was das in der Praxis konkret bedeutet, müsste wohl noch genauer durchgespielt werden. Vielleicht gewinnt ja diese mittlere Linie in Zukunft an Zuspruch. Eine höchstrichterliche Stellungnahme wäre jedenfalls weiterhin sehr begrüßenswert.

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2 Kommentare

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Lieber Herr Prof. Stoffels - ich stimme Ihnen zu, meine aber, dass eine höchstrichterliche Entscheidung in einer Rechtsfrage, die nur im einstweiligen Verfügungsverfahren erheblich wird, kaum möglich sein dürfte.

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