Freundlichkeit und Respekt bringen mehr Erfolg

von Dr. Thomas Lapp, veröffentlicht am 15.08.2014

Weit verbreitet ist die Auffassung, mit  Härte könne man beim Verhör mehr Informationen erlangen. Nicht nur die in der Presse immer wieder berichteten und zurecht kritisierten Foltermethoden weisen darauf hin. Auch nahezu jeder Tatort oder andere fernsehen zeigt, wie Polizisten teilweise ruppig mit den verdächtigen Personen umgehen. Zweifel an der Wirksamkeit brutaler Verhörmethoden gibt es schon lange.

Jetzt haben Wissenschaftler der Universität Liverpool in einer Studie die Wirksamkeit von Verhörmethoden untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass mit Freundlichkeit und Respekt mehr Informationen zu erlangen sind, als mit brutalen Methoden und Drohungen. Darüber berichtet die Frankfurter Rundschau.

Lernen kann man daraus nicht nur für polizeiliche, staatsanwaltlicher oder gerichtliche Verhöre, sondern auch für ganz normale Gespräche und Verhandlungen. Kurzfristige Erfolge erzielt auf der dreiste, unverschämte oder brutale Gesprächspartner. Langfristige und nachhaltige Erfolge erzielt man eher mit wertschätzendem, respektvollem und freundlichem Umgang. Erfolgreiche Verhandler sind in der Regel hat in der Sache, aber freundlich zur Person.

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12 Kommentare

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Um das zu verheimlichen, hat George W. Bush offen gelogen - die Befragung von Abu Sufeida, der im März 2002 Chalid Scheich Mohammed als Drahtzieher der Anschäge vom 11. September identifizierte, erfolgte auf Vertrauensbasis und nicht wie von ihm behauptet, unter Folter. (SPON)

Ob man einem Vergewaltiger oder Kinderschänder Freundlichkeit und Respekt entgegenbringen kann, möchte ich doch stark bezweifeln. Oder gibt es derart abgebrühte Ermittler, die eine solche Tat nicht ständig im Hinterkopf haben; man müßte wohl schon sehr angestumpft sein um das ganze wie eine Art Kreuzworträtsel lösen zu wollen.

Hier sind es mutmaßliche Terroristen, die in der Form verhört wurden - und im Grunden nur gesichtetes Material zur Verfügung gestellt wurde. Wie glaubwürdig wäre also eine Studie in einem solchen Fall überhaupt und könnte man tatsächlich daraus ableiten das man es für jeden Straftäter gleich einsetzen kann?

Ich habe da so meine Zweifel.

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Domestos.Kakerlakis schrieb:

Ob man einem Vergewaltiger oder Kinderschänder Freundlichkeit und Respekt entgegenbringen kann, möchte ich doch stark bezweifeln. Oder gibt es derart abgebrühte Ermittler, die eine solche Tat nicht ständig im Hinterkopf haben; man müßte wohl schon sehr angestumpft sein um das ganze wie eine Art Kreuzworträtsel lösen zu wollen.

Möchten Sie in der Haut eines Vergewaltigers oder Kinderschänders stecken? Ist Ihnen nicht klar, dass es sich dabei um "arme Schweine" handelt?  Was meinen  Sie, warum viele Richter eine "schwere Kindheit" als Schuldminderungsgrund einstufen? Der "glückliche Bösewicht" ist so unmöglich wie ein winziger Riese oder ein gigantischer Zwerg,

Domestos.Kakerlakis schrieb:

Hier sind es mutmaßliche Terroristen, die in der Form verhört wurden - und im Grunden nur gesichtetes Material zur Verfügung gestellt wurde. Wie glaubwürdig wäre also eine Studie in einem solchen Fall überhaupt und könnte man tatsächlich daraus ableiten das man es für jeden Straftäter gleich einsetzen kann?

Ich habe da so meine Zweifel.

 

Man kann das nicht verallgemeinern, schon deshalb nicht, weil der Zweck von Verhören stark variieren kann, auch verschieden danach, welchen generellen Zielen die Verhörer dienen und danach, was der Verhörte davon hält.  Je mehr die grundsätzlichen Ziele der Verhörer von dem Verhörten mitgetragen werden, desto leichter wird die "Schmuse-Tour", wenn aber Nazis Kommunisten verhörten, um belastendes Material über andere zu bekommen, so wären sie mit der "Schmuse-Tour" allein sicherlich nicht weit gekommen.

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@ #3:

Genau diese Vorurteile sind es, die Erfolge verhinden. Abgesehen davon: schon mal was von einer so genannten Unschuldsvermutung gehört?

Was Sie als "abgestumpft" abqualifizieren, nennt sich professionelle Distanz. Emotionale Einflüsse machen ein optimales Ergebnis fast immer unmöglich: ein Notarzt, der sich bei der Erstbehandlung davon ablenken lässt, dass "Patient, männlich, ca. 40 Jahre, Verdacht auf Infarkt" möglicherweise kleine Kinder zu versorgen hat, macht potenziell mehr Fehler als einer, der sich auf das rein Medizinische konzentrieren kann.

Mein Rat: verringern Sie Ihren Fernsehkonsum.

Es ist wohl ein gravierender Unterschied, ob es sich hier um einen Notfall handelt und ein Mediziner das Wissen abruft wie es nun benötigt wird um dem menschen dort zu helfen, oder ob man es mit einem mutmaßlichem Straftäter zu tun hat, dem eine Sexualstraftat an einem Kind vorgeworfen wird. Vielleicht sollten Sie sich mal mit den Ermittlern unterhalten; ganz besonders denen die mit Fällen mit Kindern zu tun haben und zu Hause das eigene Kind im ungefähr gleichen Alter ist. Erklärem Sie diesem Mann oder der Frau, das man völig emotionslos sein muß um den Job richtig zu machen - ach verdammt, das geht ja gar nicht; wie sollte denn der vernehmende Beamte noch Freundlichkeit aufbringen können., wo doch Freundlichkeit mit einer Emotion behaftet ist. Über Respekt dem vermeintlichen Täter gegenüber müssen wir dann sicher gar nicht mehr sprechen. genaugenommen würde ich einen vernehmenden Beamten einweisen und Dienstunfähig schreiben lassen, wenn er einem Sexualstraftäter Repekt zollt.

Und nur so nebenbei: Die Vernehmungsmethode hat hier nichts mit der Unschuldsvermutung zu tun, sondern es geht hier im Beitrag rein um die Methode.

Über meinen Fernsehkonsum müssen Sie sich keine Sorgen machen, denn ich sehe nicht fern und beabsichtige es auch in Zukunft nicht zu tun. Aber danke, das Sie sich so viel Sorgen machen.

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Ist es diese Schwierigkeit, scheinbar emotionslos an den Verdächtigen heranzugehen, nicht genau die Fähigkeit, die einen guten Vernehmungsbeamten auszeichnet? Selbstverständlich ist es in solchen Situationen leicht den starken Mann zu spielen, aber es geht ja darum Informationen zu erlangen.

 

Im übrigen verdient jeder Mensch Respekt.

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Oph schrieb:

Ist es diese Schwierigkeit, scheinbar emotionslos an den Verdächtigen heranzugehen, nicht genau die Fähigkeit, die einen guten Vernehmungsbeamten auszeichnet? Selbstverständlich ist es in solchen Situationen leicht den starken Mann zu spielen, aber es geht ja darum Informationen zu erlangen.

Richtig. Die Studie stellt aber eine allgemeine Effizienz-Behauptung auf, die sie aus dem Vergleich eines sehr begrenzten Bestandes an Äpfeln und Birnen ableitet.

Oft sind es dieselben Leute, die sich in der Lage sehen, Emotionen bei der Befragung beiseite zu lassen, und andererseits bei der Beurteilung von Sachfragen die nach ihrer moralischen und sozial-normativen Prägung ausgeschlossenen Alternativen nicht rational in Betracht ziehen. Entsprechende Bestätigung löst diese wenig glaubhafte Forschung aus.

In der Realität würde eine solche Einstellung von einem amoralisch handelnden Täter als die Unterlegenheit ausgelegt, die er all seinen Mitmenschen oder zumindest seinen Opfern zuschreibt, und jede Chance verwehren, sein Vertrauen zu gewinnen.

Zugleich täuscht sie darüber hinweg, dass Folter, abhängig von der Persönlichkeit des Befragten, dem Gegenstand der Befragung und dem verfügbaren Zeitfenster, durchaus die zielführendere Methode sein kann.
Schließlich liegt es auch in der Person des Vernehmenden. Intuitiv entwickeln die meisten Menschen mehr Kreativität beim Zufügen von Schmerzen als im Vollbringen psychologischer Meisterleistungen.

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Auch wenn die Gefahr besteht, einem Troll aufzusitzen:

Gast schrieb:
 Zugleich täuscht sie darüber hinweg, dass Folter, abhängig von der Persönlichkeit des Befragten, dem Gegenstand der Befragung und dem verfügbaren Zeitfenster, durchaus die zielführendere Methode sein kann.
Das ist eine Behauptung, die nicht verifizierbar (und schwer falsifizierbar) ist. Es spricht aber aus wissenschaftlicher Sicht einiges dagegen, dass Folter"ergebnisse" brauchbar sind: unter Stress und Angst ist das Erinnerungsvermögen erwiesenermaßen vermindert (was jeder, der mal im Prüfungsstress einen Blackout hatte, bestätigen kann) und um der Folter zu entgehen, werden die Erinnerungslücken bewusst und unbewusst mit Erfindungen oder Assoziationen gefüllt, um den Folterer zufriedenzustellen - hier (wiss. Artikel) und hier (SPON) mehr dazu. Von den zahllosen erwiesenen Falschbelastungen unter Folter will ich gar nicht erst anfangen. Man erfährt zwar vielleicht quantitativ mehr, wenn man foltert, aber man weiß nicht ob es stimmt - und wenn man so denkt wie Sie, ist der Weg in den Teufelskreis zu immer mehr Folter vorgezeichnet. Folter ist nur zielführend, wenn man in einer Bevölkerung(sgruppe) Angst und Schrecken verbreiten will und daher Kennzeichen von Willkürherrschaften. 
Gast schrieb:
Schließlich liegt es auch in der Person des Vernehmenden. Intuitiv entwickeln die meisten Menschen mehr Kreativität beim Zufügen von Schmerzen als im Vollbringen psychologischer Meisterleistungen.
Was ist das denn für eine Begründung? "Weil es Naturtalente dafür gibt, foltern wir"? Die meisten Menschen sind eben keine Sadisten, was man schon daran erkennt, dass Folterspezialisten eine umfassende Ausbildung durch Ihresgleichen brauchen. Erlernen der "richtigen" Techniken (man will das Opfer ja nicht durch amateurhafte "Kreativität" umbringen, sondern zum Reden bringen) und Abstumpfung brauchen ihre Zeit. 

Dagegen könnte man aus jedem guten Verkäufer einen Verhörspezialisten machen - in beiden Fällen geht es darum, durch die richtige Gesprächsatmosphäre und -technik sowie die Fähigkeit, sich in den anderen hineinversetzen zu können, Vertrauen und eine emotionale Beziehung aufzubauen, um ein Sachergebnis zu erreichen. Und ich behaupte: es gibt mehr Menschen mit diesem Talent als Sadisten.

@ Domestos.Kakerlakis

"Ob man einem Vergewaltiger oder Kinderschänder Freundlichkeit und Respekt entgegenbringen kann, möchte ich doch stark bezweifeln. "

1.) Ja, kann man. Wieso sollte man nicht mit jemandem zivilisiert sprechen können, auch wenn man sein Verhalten, sogar sein Wesen nicht gut heißt? Suchen Sie bei youtube mal nach dem letzten Interview mit Ted Bundy, um ein Beispiel dafür zu sehen, dass so etwas erstens möglich ist und zweitens höchst interessant sein kann. Man muss nicht alles glauben, was Herr Bundy zu sagen hatte, aber hörenswert ist es durchaus - obwohl und gerade weil er schreckliche Taten begangen hat.

2.) Die Untersuchung hat - soweit erkennbar - keinen Schwerpunkt oder besonderen Bezug zu "Vergewaltigern und Kinderschändern". Meines Erachtens gibt der Artikel wenig Anlass, sich auf diesen Bereich zu beschränken oder ihn anzusprechen.

3.) Zweck des Verhörs wäre es, die Täterschaft überhaupt erst einmal festzustellen. Wenn eine Verhörsperson schon vor Beginn des Verhörs durch die Annahme, der zu Verhörende sein "Vergewaltiger oder Kinderschänder" emotional so belastet ist, dass kein zivilisiertes Gespräch mit mehr mit ihm führen zu ist, wäre die Verhörsperson für diese Aufgabe wohl nicht geeignet. Wie sollte eine solche Person denn jemals zu dem Ergebnis kommen, der Verdächtige sei nicht der Täter?

4.) Stellen Sie sich mal folgende schreckliche Situation vor: Ein "Vergewaltiger oder Kinderschänder" bedarf medizinischer Behandlung, bspw. weil ein emotional nicht ausreichend distanzierter Polizist ihm während eines Verhörs Verletzungen zugefügt hat. Der hinzugezogene Arzt muss jetzt nicht nur davon absehen, ihn weiter zu quälen, sondern ihn sogar behandeln, ihm helfen. Vielleicht hilft der Gedanke dabei, zu erkennen, dass und wieso wir auch und vielleicht sogar besonders den "bösen" Menschen Respekt und Hilfe zukommen lassen.

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Vernehmungslehre in der JuristInnen-Ausbildung. Ergebnisse einer Umfrage bei juristischen Fakultäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz und  bei den Justiz-Ministerien der 16 Bundesländer in Deutschland.

Es wurden 44 juristische Fakultäten in Deutschland, jeweils 5 in Österreich und Schweiz sowie die Justizministerien der 16 Bundesländer angeschrieben, ingesamt also 80. Der Rücklauf für die erste Auswertung betrug 52 = 73%. Inzwischen hat sich der Rücklauf auf 84% erhöht und im September wird wahrscheinlich die zweite Auswertung durchgeführt).

Aus den Informationen, die die Auskunfterteilenden zur Verfügung stellten, wurde transparent und kritisierbar ein Score (Zahlenwert) gebildet, der den Bereich 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 umfasste. 5 mal wurden Zwischenwerte gewählt.

Histogramm der Scores der 30 dt. jur. Fakultäten: Die "Noten" 1 und 2 wurden nicht vergeben. Die "Note" 3 wurde 7 mal; 3.5 wurde 4 mal, 4 wurde 3 mal, ... die  "Note" 7 wurde 12 mal vergeben. Man "sieht" dieser Verteilung an, dass sie idealisiert, wie in der Eingangsgraphik durch Vergröberung der Klassen hervorgehoben, eine U-Funktion (sozusagen das Gegenstück zur Normalverteilung) beschreibt. Grob: es gibt viele "bessere", viele "schlechterere"  Vernehmungspfleger und wenig "Mitte".

Der Gesamtmittelwert entspricht einer 5, der aber aufgrund der U-Funktion, sozusagen das Gegenteil einer Normalverteilung, nicht mehr vernünftig inhaltlich interpretiert werden kann.

Hintergrund der Studie: Die Bedeutung der Vernehmung in Kriminalistik und Forensik ist kaum zu überschätzen. In der Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie heißt die Vernehmung Exploration. In den letzten 35 Jahren habe ich eine Vielzahl von Vernehmungen durch meine (Teilzeit-) Arbeit als forensischer Psychologe kennengelernt. Besondere Bedeutung hatten hierbei Vernehmungen von - oft kindlichen - OpferzeugInnen, wo man besonders viel falsch und oft auch nicht wieder gutmachen kann (Stern 1926). ...

Immerhin: die Situation scheint nach Peters Kritik (1972, 2. Bd. S. 142) -  "Es ist eigentlich erstaunlich, daß offenbar bei Juristen weithin die Vorstellung herrscht, daß die Beherrschung der Vernehmungsmethoden und der Grundfragen der Zeugenpsychologie sich in der Praxis von selbst ergibt." -  auf dem Weg der Besserung.

Quelle und mehr:

http://www.sgipt.org/forpsy/Vernehmung/VLidJA.htm

 

Nachtrag 30.8.2014:  Inzwischen sind 59 Rückmeldungen gekommen, die Rücklaufquote damit auf 84% angestiegen. Eine neue und vorläufig abschließende  Auswertung wird wahrscheinlich gegen Ende September erfolgen.

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