Die Conterganrente im Versorgungsausgleich

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 13.08.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht|3880 Aufrufe

Versorgungsanrechte hat der Ehemann in der Ehezeit nicht erworben.

Er ist Contergangeschädigter und bezieht eine steuer- und sozialabgabenfreie Conterganrente von der Beteiligten zu 3 (Contergan-Stiftung), deren Höhe zunächst monatlich 1.116 € betrug und die im Zuge einer erheblichen Anhebung des Rentenniveaus im Jahre 2013 auf mittlerweile monatlich 3.686 € (zuzüglich einer jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 1.840 €) erhöht wurde. Ausgezahlt wird dem Ehemann bis Ende Januar 2016 lediglich ein um monatlich 523,56 € gekürzter Betrag, weil er sich diesen Teilbetrag seiner Rente An- fang der 2000er Jahre kapitalisieren ließ.

Die 1966 geborene Ehefrau ist Krankenschwester. Sie ist schwerbehindert und bezieht neben Erwerbseinkünften aus einer Teilzeitbeschäftigung (15 Wochenstunden) eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie hat in der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworben.

Das AG hat den Versorgungsausgleich ausgeschlossen, das OLG ihn auf die Beschwerde des Mannes durch interne Teilung der Anrechte der Ehefrau durchgeführt.

VKH für die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau hat der BGH mangels Erfolgsaussicht nicht bewilligt.

Die Conterganrente gehört - was nicht in Zweifel gezogen wird - nicht zu den gemäß §2 Abs.2 VersAusglG in den Versorgungsausgleich ein-zubeziehenden Anrechten, weil sie aus Entschädigungsgründen gezahlt wird und weder durch Arbeit noch durch Vermögen erworben worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde deswegen auch lediglich wegen der Frage zugelassen, ob der Bezug einer Conterganrente im Rahmen des § 27 VersAusglG bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ausgleichsberechtigten berücksichtigt werden dürfe.

Gemäß § 18 Abs. 1 ContStifG bleiben Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, außer Betracht. Die Aufzählung dieser Gesetze ist - wie die Formulierung "insbesondere" verdeutlicht - nicht abschließend (vgl. BT-Drucks. 15/5654, S. 13) und schließt deshalb das Versorgungsausgleichsgesetz nicht aus. § 18 Abs. 2 Satz 1 ContStifG bestimmt darüber hinaus, dass Verpflichtungen Anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger und der Träger der Sozialhilfe oder anderer Sozialleistungen, durch das Conterganstiftungsgesetz nicht berührt werden. Im Versorgungsausgleich würde die Ausgleichspflicht des Ehegatten mit den höheren Versorgungsanrechten jedoch durchaus berührt, wenn man (auch) die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gewährten Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zum Anlass nehmen würde, den auf § 1 Abs. 1 VersAusglG beruhenden Anspruch des Contergangeschädigten auf Halbteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nach § 27 VersAusglG herabzusetzen oder auszuschließen. Zwingende gesetzessystmatische Gründe, welche die Schlussfolgerung nahelegen könnten, dass § 18 ContStifG der Berücksichtigung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zumindest bei der Anwendung von Härte- oder Billigkeitsregelungen des bürgerlichen Rechts nicht entgegenstünde, bestehen nicht. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er es - wie beispielsweise in § 11 Satz 4 BEEG und der dort enthaltenen Bezugnahme auf §§ 1579, 1611 Abs. 1 BGB - ausdrücklich anordnen könnten.

Leitsatz deshalb:

Der Versorgungsausgleich zugunsten eines contergangeschädigten Ehegatten kann nicht nach § 27 VersAusglG mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass der Ausgleichsberechtigte wegen seiner Conterganrente auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht angewiesen sei.

BGH v. 16.07.14 - XII ZB 164/14

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