Der Richter, der keine Ahnung hat, kann doch befangen sein

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 28.07.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht|3725 Aufrufe

Entgegenen diesem Fall zeigt das OLG Frankfurt, dass die Unkenntnis des Richters doch zur Befangenheit führen kann.

Was war geschehen?

Unter dem 31.10.2013 hatte der Ehemann die Scheidung beantragt und vorgetragen, die Beteiligten würden seit September 2012 innerhalb der Ehewohnung getrennt leben.

Die Ehefrau beantragte Antragsabweisung, da die Trennung erst im Oktober 2013 erfolgt sei. Sie beantragte ferner Anberaumung eines nahen Termins zur mündlichen Verhandlung, da es nicht zu verantworten sei, dass der Antragsteller die Rechte der Antragsgegnerin in Bezug auf Trennungsunterhalt und Versorgungsausgleich willkürlich beschneiden wolle.

Die Richterin teilte daraufhin mit, eine Terminierung komme vor Entscheidungsreife der Folgesache Versorgungsausgleich nicht in Betracht.

Folge: Befangenheitsantrag durch die Ehefrau.

Das OLG gab dem statt.

Die Richterablehnung könne zwar grundsätzlich nicht auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden, denn ob eine richterliche Entscheidung inhaltlich „falsch“ war, sei für das Ablehnungsverfahren vom Grundsatz her ohne Belang, da die Befangenheitsablehnung kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle darstelle; im Ablehnungsverfahren gehe es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein dem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist. Etwas anderes müsse jedoch dann gelten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht des Beteiligten nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch geeignet sind, den Eindruck einer jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters zu erwecken. Unabhängig davon komme es nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob bei objektiver und vernünftiger Betrachtung der Eindruck der Befangenheit entstehen könne.

So liege die Sache hier:

Ein verfrühter Scheidungsantrag wäre aber mit Blick auf Sinn und Zweck des Trennungsjahres, nämlich der angestrebten Überlegungsfrist und dem hiermit verbundenen Schutz vor Übereilung, nicht nur zweckwidrig. Die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages hat auch - selbst bei dem verfrühten Scheidungsantrag - erheblichen Einfluss auf die Scheidungsfolgen (vgl. nur § 3 VersAuslgG bzw. § 1384 BGB)

Dieser Gesetzeszweck sowie die letztgenannten Rechtsfolgen verlangen daher danach, dass die Sache in einer Konstellation wie der vorliegenden - ohne auf die etwaige Entscheidungsreife der Folgesache Versorgungsausgleich abzustellen - unverzüglich terminiert und der Scheidungsantrag dann gegebenenfalls, entweder wegen Unschlüssigkeit oder nach Erhebung des angebotenen Beweises, wenn dieser den Vortrag der Antragstellerseite nicht zu tragen vermag, zurückgewiesen wird.

Die verfahrensrechtliche Handhabung der Sache durch die abgelehnte Richterin führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Beteiligten, da aufgrund zweckfremder Erwägungen die Pflicht zur einer zeitnahen Terminierung verletzt wird.  Denn sie führe auch bei objektiver Betrachtung zu einer einseitigen Bevorteilung der Antragstellerseite, da nicht nur das Bestreiten der Antragsgegnerin zum Trennungszeitpunkt mit Blick auf die Verzögerung des Verfahrens ohne jede rechtliche Auswirkung bleibt, womit dem bestrittenen Vortrag des Antragstellers ein Rechtswirkung beigemessen wird, die ihm nicht zukommen darf. Überdies habe die Antragsgegnerin auf die Rechtsnachteile hingewiesen, die eine derartige Verfahrensweise für sie im konkreten Fall hat, ohne dass dies Konsequenzen in der Verfahrensführung gehabt hätte.

OLG Frankfurt v. 04.07.2014 - 1 WF 131/14

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