Tag dreizehn – Prof. Nedopils psychiatrische Stellungnahme zu Gustl Mollath

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 26.07.2014

Schon zu Beginn der Hauptverhandlung hat Prof. Nedopil, beauftragt mit der (nach Leipziger, Simmerl, Kröber, Pfäfflin  und Weinberger) erneuten  Begutachtung des Angeklagten Mollath, eine begriffliche Einschränkung gemacht: Wenn ihm eine Exploration des Probanden nicht möglich sei, könne er regelmäßig kein Gutachten erstellen, sondern lediglich eine „Stellungnahme“ abgeben.  Überschrieben ist sein Text nun tatsächlich mit „Psychiatrische Stellungnahme“.

Man merkt seiner Stellungnahme die Schwierigkeiten an, die es macht, den gerichtlichen Ansprüchen gerecht zu werden und zugleich zu vermeiden, seine Kollegen, die früher im Fall Gutachten erstellt haben, allzu hart zu kritisieren. Kaum hat er eine bestimmte Aussage getroffen, wird sie auch schon wieder relativiert und in Frage gestellt. Am Ende bleiben im Wesentlichen Erwägungen, die in der juristischen Bewertung nur mit in dubio pro reo bearbeitet werden können: Weder belegbar noch ausschließbar sind die in Betracht gezogenen Verdachtsdiagnosen oder Hypothesen „paranoide Persönlichkeitsstörung“ bzw. „wahnhafte Störung“, über deren Realität er eigentlich auch nur spekuliert. Hinsichtlich der Reifenstechereien (wären sie beweisbar) würde Nedopil selbst bei einer diagnostizierbaren Störung zur Schuldfähigkeit tendieren, bei den Angriffen auf seine Frau (wären sie beweisbar) ließe sich eine Schuldunfähigkeit nicht ausschließen. Schon daraus ergibt sich: § 63 StGB kann schon rein theoretisch nicht mehr bejaht werden, da dieser eine positive Feststellung von die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Störungen/Krankheiten voraussetzt. In dubio pro reo wirkt für die begünstigenden Rechtsfolgen des §§ 20, 21 StGB, aber gegen die belastende Rechtsfolge des § 63 StGB.

Folgt man dem bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung, kann man sich allerdings relativ sicher sein, dass es auf die psychiatrische Stellungnahme Nedopils gar nicht mehr ankommt: Weder die konkret angeklagten Taten gegen die frühere Ehefrau noch die Reifenstechereien sind strengbeweislich überzeugend belegt. Allerdings scheint die Staatsanwaltschaft – erkennbar an einem noch gestern gestellten Beweisantrag zum Reifenkomplex – anderer Auffassung zu sein. Sie hält offenbar Sachbeschädigungen (wohl in einfacher, nicht gemeingefährlicher Weise) noch für belegbar. Deshalb konnte auf das schon vorbereitete „Gutachten“ nicht verzichtet werden. Und natürlich ist es auch zur Rehabilitation Mollaths vom Verdacht, er sei wahnkrank, sinnvoll, eine solche Stellungnahme anzuhören. Bedauerlich ist, dass Mollath nicht durch eine Entbindung von der Schweigeplicht dafür gesorgt hat, dass die früheren Gutachtenergebnisse zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurden.

Zutreffenderweise stellt Nedopil  schon in seinen Vorbemerkungen dar, dass ohne Exploration des Angeklagten eine zuverlässige Einschätzung seiner Persönlichkeit nicht möglich sei. Er würde sich "nie" explorieren lassen, hat er einmal in einem Interview gesagt. Das relativiert er nun für die spezielle Situation Mollaths: Der durch Psychiater bestätigte Verdacht einer psychiatrisch relevanten Störung lasse sich eben nur mithilfe eines Psychiaters falsifizieren, meint Nedopil.

Dass es nach 13 Jahren ohnehin nicht möglich ist etwas zur Tatzeitpsyche des Angeklagten zu sagen, lässt er  merkwürdigerweise unerwähnt. Hätte er dies für erwähnenswert gehalten, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass auch einige frühere Gutachter diese Problematik (Blick in die damals  4 – 8 Jahre zurückliegende Vergangenheit) in ihren Erwägungen völlig übergangen haben. So als lasse sich eine aktuelle Beobachtung beliebig in die Vergangenheit extrapolieren. Tatsächlich haben sich vorherige Gutachter insofern allein auf die Angaben der Hauptbelastungszeugin verlassen, deren mögliches Motiv zur Falschbelastung sie (ebenso wie die Nürnberger Strafkammer im Urteil) ignorierten.

An anderer Stelle entlastet Nedopil  seine Kollegen direkt: Schließlich seien sie ja angewiesen auf die aktuell erhältlichen Informationen, man könne ihnen also nicht vorwerfen, dass sie die aufgrund neuerer  Informationen bessere Erkenntnis nicht damals schon gehabt hätten. Das ist eine richtige Feststellung, trifft aber erstens nicht auf alle Vorgutachter gleichermaßen zu (insbesondere nicht auf Pfäfflin) und zweitens hätte auch mangelnde Information nicht von der Pflicht befreit (insbesondere betr. Leipziger) den Zusammenhang zwischen diagnostizierter Störung bzw. Krankheit und den konkreten Taten darzustellen. Diese Kernanforderung der forensisch-psychiatrischen Begutachtung haben Leipziger, Kröber und Pfäfflin weitgehend missachtet. Etwas verhalten weist Nedopil, der sich gerade mit diesem Punkt Mühe gibt, darauf hin, dass er die Auffassung Kröbers nicht teile. Und er selbst unternimmt es jedenfalls, seine hypothetisch-diagnostischen Erwägungen auf die (angeblichen) Taten differenziert anzuwenden.

Das Bemühen um Wahrhaftigkeit und Fairness ist in Nedopils Stellungnahme erkennbar, ebenso wie die in Interviews zum Ausdruck kommende selbstkritische Distanz zu den Möglichkeiten der eigenen Profession. Dennoch verlässt er diesen Pfad an einigen wichtigen Stellen; zwei seien erwähnt:

Hinsichtlich der (subjektiven) Bewertung der Rolle Dr. Wörthmüllers durch Mollath, argumentiert Nedopil, es dürfte für „die meisten Menschen abwegig“ sein, einen Zusammenhang zwischen Nachbarschaft und geschäftlichen Verbindungen zu Geldverschieberkreisen zu begründen – ein Hinweis auf Wahn. Auf den Vorhalt, ausgerechnet der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe dies in seinem Wideraufnahmegesuch nicht als abwegig sondern als subjektiv nachvollziehbar beschrieben, reagiert Nedopil seinerseits  „nachhaltig“: Er bleibe bei seiner Auffassung. (Vgl. zur psychiatrischen Bewertung der Wörthmüller-Episode eingehend und lesenswert auch Sascha Pommrenke).

Für eine Rigidität des Angeklagten, die nur vorübergehend Kompromisse zulasse, zieht Nedopil auch die Mandatsniederlegung der Wahlverteidiger des Angeklagten heran. Dies erscheint wenig fair, da der Angeklagte die Verhandlungsöffentlichkeit dieser Situation nicht vermeiden konnte und Nedopil Mollaths  besonnene Reaktion auf diese Nachricht sowie die offenkundig nach wie vor funktionierende Kooperation mit seiner Verteidigung unbeachtet lässt: Hier drängt sich die Vermutung auf, dass Nedopil in seiner  Informationsmangelsituation ein Ereignis aus der Hauptverhandlung überinterpretiert, weil sie in das schon von ihm gefasste Schema (Kompromisslosigkeit Mollaths) passt. Generell ist es auch problematisch, wenn über den Umweg des psychiatrischen Gutachtens ungeprüfte Tatsachen Eingang in die Erörterung und Bewertung finden, wie etwa das angebliche Verhalten Mollaths gegenüber Mitpatienten oder seine Anwaltswechsel.

[Update: in einer Antwort auf einen Leserkommentar habe ich ergänzt, was ich oben mit "spekuliert" meine. Aus Gründen des Zusammenhangs will ich es hier einfügen:

Ich hatte den Eindruck, dass bestimmte Punkte, die den Verdacht stützen, verstärkt wurden, andere, die den Verdacht eher vermindern könnten, eher vernachlässigt wurden. Dabei passieren dann, wie auch schon in den Vorgutachten, Verwechslungen und Schludrigkeiten: Die Verwechslung der Montagsdemos wg. Hartz IV mit der Schüler-Friedensdemo (schon die Wahrnehmung des Demonstrationsrechts wird von Nedopil psychiatrisch bewertet und zwar in einem Satz mit dem "Verdunkeln des Zimmers" - ich halte das für salopp gesagt: Quatsch) z.B. oder die (angesichts dessen was wir heute wissen) schon merkwürdige Ansicht, bei den Geldverschiebungen in die Schweiz habe es sich um "Peanuts" gehandelt. Das sind Punkte, die durchaus für die Frage eine Rolle spielen, ob es sich bei den Verhaltensweisen  Mollaths, noch um akzentuierte, aber normalpsychologische Verhaltensweisen gehandelt hat, oder ob es sich um (im Rahmen des § 20 StGB relevante) Störungen handeln könnte. Zudem wird einerseits die Egozentrik Mollaths (bei den Konflikten mit anderen Patienten in der Forensik) betont, andererseits aber wird nicht darauf eingegangen, dass sich Mollath bekanntermaßen seit seiner Entlassung auch für andere Forensik-Patienten einsetzt.]

Eine zusammenfassende Bewertung fällt schwer. Meines Erachtens konnte Nedopils Ergebnis gar nicht anders ausfallen. Zu Recht weist er darauf hin, dass er ohne sein Haupthandwerkszeug – eine Exploration –seiner Aufgabe auch nur eingeschränkt gerecht werden kann. Und auch die unterbliebene Generalkritik an den früheren Gutachten ist nur zum Teil ihm vorzuwerfen, wenn die (früheren) Befunde weiterhin von der Schweigepflicht erfasst sind. Weniger nachvollziehbar sind unkritische Wertungen Nedopils, insofern es darum geht, die Verdachtsdiagnosen der Vorgängergutachten zu rechtfertigen.

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Gast schrieb:
Um es deutlich zu machen: Der beste Beweis für einen unbedenklichen Geisteszustand 
Um es mal ganz deutlich zu machen:

Es ist nicht der Angeklagte, der einen Beweis für einen "unbedenklichen" Geisteszustand erbringen muss - es ist Aufgabe des Gerichts festzustellen, ob evtl. der Geisteszustand des Angeklagten zum Tatzeitpunkt derart neben der Spur war, dass eine Schuldunfähigkeit vorliegt. Und zu Unterbringung muss zusätzlich eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit destgestellt werden - nix mit "kann nicht ganz ausgeschlossen werden" oder ähnlich unkonkretes Gesülze. Bei keinem Menschen der Welt kann ausgeschlossen werden, dass er zum Verbrecher oder gar Mörder wird und daher eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.

So lange aber die forensische Psychiatrie das Stiefkind der Psychologie und Psychiatrie ist und so lange Psychologie vor allem von Menschen studiert wird, die selber psychische Störungen haben, so lange wird fachlich und menschlich kompetentes Personal in dieser Disziplin die Ausnahme bleiben.

Sehr geehrte Stella,

Sie schreiben:

1. Ist es sinnvoll, mit untauglichen Mitteln zu arbeiten, weil man keine tauglichen hat?

2. Kann es legitim sein, auf solcher Basis in schwerwiegender Weise Menschenrechte zu beschneiden?

3. Kann es legitim sein zu sagen: "Ja, die Grundlage, auf der wir teilweise sehr erheblich in Menschenrechte eingreifen, ist von schweren Mängeln geprägt. Aber ich denke nicht einmal darüber nach, wie eine vernünftige Grundlage aussehen könnte!"

und

Wenn man davon ausgeht, dass eine valide Diagnose / Prpgnose betreffend Geisteskrankheit und Gefährlichkeit nicht möglich ist (ausgeschlossen ist), dann ist es mir unklar, warum Sie es nicht sehen, dass jede solche Diagnose / Prognose willkürlich ist: Sobald es subjektiv nutzbare Spielräume gibt, kann eine Diagnose / Prognose doch nur willkürlich sein?

Ihre Fragen sind von einer Sichtweise auf die Realität geprägt, die von einer Eindeutigkeit der Bestimmung von tauglich/untauglich, legitim/illegitim schon "ausgeht", und dabei Methoden, die zumindest zu einer Annäherung an eine angemessene Würdigung von Sachverhalten führen könnten, schon von vornherein als willkürlich delegitimiert. Ja, es gibt willkürliche und falsche Entscheidungen, sowohl im Recht als auch in der Psychiatrie. Es gibt willkürlich handelnde Richter, es gibt auch willkürlich gutachtende Psychiater, es gibt auch Menschenrechtsverletzungen in der Psyschiatrie und in der Rechtsprechung. Aber Sie meinen (wie auch einige andere hier Mitdiskutierende), es gebe gar keine legitimen, keine tauglichen  und keine angemessenen Verfahrensweisen, es gebe also auch keine nicht willkürlich entscheidenden Richter, keine nicht willkürlichen Psychiater etc. Sie schließen aus der Existenz von Menschenrechtsverletzungen durch psychiatrische/juristische Entscheidungen darauf, dass alle solche Entscheidungen menschenrechtswidrig seien. Damit machen Sie es sich zu einfach und geben (sicher ungewollt) allen ein Alibi für Fehlentscheidungen nach dem Motto: "Es gibt ja sowieso keine richtigen Prognosen, warum sollte ich mir dann Mühe geben?".

Nur weil es (bislang) keine sicheren Methoden gibt, zwischen für die Allgemeinheit gefährlichen und  ungefährlichen Personen zu unterscheiden, bedeutet das nicht, dass es Personen mit einem Gefährdungspotential überhaupt nicht gibt. Die Schwierigkeiten der Prognose hat auch Prof. Nedopil in seinen Antworten auf die Fragen von Herrn Mollath dargelegt. Und nur weil es bislang nicht gelungen ist, wie in anderen Bereichen der Medizin, bei psychischen Phänomenen klar zwischen krank und gesund zu unterscheiden, heißt das nicht, dass es das Phänomen "psychisch krank" nicht gibt.  Wir sind eben alle partiell Unwissende. Ich habe in dem von Ihnen wiedergegebenen Text nur darauf hingewiesen, dass es mir jedenfalls potentiell besser erscheint, psychiatrische Ssachverständige hinzuzuziehen, als die Entscheidung allein den Juristen zu überlassen. Genauso wie es mir besser erscheint, wenn man Richtlinien hat, an denen man methodisch "bessere" von "schlechteren" Gutachten unterscheiden kann.

zu 1. Solange man keine tauglichen Methoden hat, ist man für notwendige Entscheidungen angewiesen auf "relativ taugliche", die immer zugleich "relativ untauglich" sind.

zu 2. Die Beweislastregeln (die in § 20 und § 63 StGB jeweils zugunsten des Angeklagten ausschlagen) sollten dies grds. verhindern, ein Versäumnis des Psychiaters und  des Richters, das im Fall Mollath ein wesentlicher Fehler war. Im Übrigen wird - in dieser Gesellschaft mehrheitlich - vertreten, dass das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit auch die langfristige Einsperrung auf Gefährlichkeits-Verdachtsbasis  legitimiert (insbes. Sicherungsverwahrung). Hier stellt quasi die demokratische Entscheidung die Legitimation dar. Es sind gerade viele Praktiker (Psychiater, Juristen, Kriminologen), die das kritisieren, während die Mehrheit  die Sachlage  im Allgemeinen anders sieht: Wer eine Straftat begangen hat, der soll praktisch das Risiko einer unzutreffenden belastenden Gefährlichkeitsprognose tragen. Ich halte das auch nicht für legitim.

zu 3. Die Antwort heißt: Nein. Es gibt viele Wissenschaftler, die darüber nachdenken, wie eine vernünftige Grundlage aussehen könnte.

zur vierten Frage:

Ihre Frage stellt nicht klar, ob Sie meinen, dass die valide Diagnose/Prognose im Allgemeinen nicht möglich sei oder im Einzelfall. Im Übrigen gilt das oben Gesagte - "wenn man davon ausgeht" - erscheint mir hierzu eine unangemessene Fragebasis.

dann ist es mir unklar, warum Sie es nicht sehen, dass jede solche Diagnose / Prognose willkürlich ist: Sobald es subjektiv nutzbare Spielräume gibt, kann eine Diagnose / Prognose doch nur willkürlich sein?

Die Behauptung (Frage?) erscheint mir wenig sinnvoll. Bei allen menschlichen Entscheidungen gibt es subj. Spielräume. Auch in der Krebsdiagnose z.B. gibt es die. Wollen Sie dann zwei voneinander abweichenden Diagnosen immer ("jede" "nur") Willkür vorwerfen? Mit Ihrem Argument könnten Sie auch sofort für die Abschaffung des Grundgesetzes, der Menschenrechtskonvention, der UN-Charta für Menschenrechte etc.  werben, denn die dortigen Wertungen erlauben ebenfalls erhebliche subjektive Bewertungsspielräume. "Irren ist menschlich" ist nicht nur ein Sprichwort, es ist die Realität.

 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:
 Genauso wie es mir besser erscheint, wenn man Richtlinien hat, an denen man methodisch "bessere" von "schlechteren" Gutachten unterscheiden kann.
Hier wird es interessant.

Gibt es solche Richtlinien? Wer hat sie erarbeitet? Für wen sind sie verbindlich? Wer kontrolliert ihre Einhaltung? Sind sie den Richtern bekannt? Werden sie überprüft? Wird das in der juristischen Ausbildung gelehrt?

Hat sich seit dem Stand von 2003 (Einführung eines DGPPN-Zertifikats "Forensische Psychiatrie") etwas geändert? Dürfen Richter auch Psychologen ohne dieses Zertifikat beauftragen? Kontrolliert irgendjemand, ob die von derart zertifizierten Sachverständigen erstellten Gutachten auch den wissenschaftlichen Standards entsprechen?

Das Hauptproblem ist doch, dass kein SV befürchten muss, wegen eines dahingeschluderten Gutachtens je zur Verantwortung gezogen zu werden (außer die Betroffenen wehren sich, wie die hessischen Steuerprüfer). Denn anders als Fachveröffentlichungen bleiben diese Werke unter Verschluss und es besteht keine Gefahr, sich mit schlechter Arbeit seinen Ruf zu ruinieren. Wie wäre es denn - wie bei Urteilen - mit einer anonymisierten Veröffentlichungspflicht als Qualitätskontrolle?

Zum Abschluss noch ein 15 Jahre altes, bemerkenswertes Fundstück um zu zeigen, wie tief man sinken kann:

Der Berliner Psychiater Hans-Ludwig Kröber rügte jüngst die "Verquastheit und gestelzte Sprache von Krankenakten". In ihren Jahresgutachten an die Vollstreckungskammern würden manche Kollegen das reine "Nichts sprachlich hochstylen" - leichtes Handwerk, weil, so Kröber, "die vokabel- und wendungsreiche psychoanalytische Sprache besonders geeignet ist, aus jedem Pups ein langdauerndes Gewitter zu machen".

Eine auf Akten basierende Ferndiagnose scheint dagegen völlig in Ordnung zu sein.

... zu den 27 "Mist"-Beweisanträgen: 

Quote:

Waldemar Robert Kolos sagte am 1. August 2014 um 16:27 :

Mit Rücksicht auf Nr. 171 Abs. 2 RiStBV ist zu beachten, dass der Verurteilte ein “berechtigtes Interesse daran hat, dass seine Ehre in öffentlicher Verhandlung wiederhergestellt wird.”

Die Frage bei Unterbringung dürfte sein, ob dem Rehabilitationsanspruch dadurch schon genüge getan ist, dass der Angeklagte von den Anklagevorwürfen freigesprochen wird oder ob er darüber hinaus einen Anspruch auf positive Feststellung seines Geisteszustands hat. Vieles spricht für die erste Variante.

Wäre die Kammer auch dieser Ansicht, dann hätte sie gründlich prüfen müssen, ob nicht auch aus Gründen der Rehabilitation auf die Vernehmung Nedopils hätte verzichten müssen. Dadurch aber, dass sie sich für die Vernehmung entschieden hat, hat sie die Frage der Rehabilitation unnötig verkompliziert. Dadurch auch, dass Nedopil viele unschöne Dinge über Mollaths Geisteszustand in dem Raum gestellt hat, unabhängig davon, dass ihrer Herleitung unsinnig war, erscheint nicht unverständlich, dass Mollath jetzt im Gegenzug die Vernehmung aller möglichen Leute erreichen möchte, die dann sagen sollen: Mollath ist nicht geistig gestört. Es dürfte nur schwierig sein, ihm zu vermitteln, dass selbst dann, wenn seine Beweisanträge so laufen würden wie er sich das wünscht, er das von ihm angestrebte Ziel trotzdem verfehlen könnte und dann noch schlechter dasteht als jetzt. Diesen Effekt kennt man auch aus zivilrechtlichen Verleumdungsklagen.


http://gabrielewolff.wordpress.com/2014/07/04/der-fall-gustl-mollath-die...

 

Stresstest - "Großraum Krefeld"

3

Henning Ernst Müller schrieb:

 

Ihre Fragen sind von einer Sichtweise auf die Realität geprägt, die von einer Eindeutigkeit der Bestimmung von tauglich/untauglich, legitim/illegitim schon "ausgeht", und dabei Methoden, die zumindest zu einer Annäherung an eine angemessene Würdigung von Sachverhalten führen könnten, schon von vornherein als willkürlich delegitimiert.

 

Sehr geehrter Herr Propf. Müller,

Tauglich/untauglich sind eindeutig bestimmbar, wenn man vor augen hat, was man erreichen will. Will man Gutachten, die zu 50% korrekt, zu 50% aber falsch sind, dann kann man z.B. das Bernopulli-Experiment (Münze werfen) als taugliche Methode einstufen.

Doch ist es legitim, mit einem solchen Verfahren zu arbeiten? Das Werfen einer Münze würden Sie in dem Zusammenhang vermutlich ablehnen, es erschiene Ihnen als nicht legitim.  Doch unklar bleibt, welche Versagensquote Sie der Psychiatrie zugestehen wollen, bevor Sie den Einsatz der Psychiatrie an der Stelle als illegitim einordnen können? Dabei steht schon aufgrund fehlender Methodiken zur Erzeugung valider Ergebnisse fest, dass es im Grunde um die 50% : 50% geht, jedenfalls dann, wenn die Psychiater sich um korrekte Ergebnisse mühen (und nicht etwa Ergebnisse nach den Wünschen von Richtern "produzieren").

 

Ein sauberes Vorgehen erforderte u.a.:

 

1. Eine saubere Erfassung der Daten, anhand derer geurteilt wird. Schon daran mangelt es so gut wie immer in den "psychiatrischen Gutachten": Es werden oftmals Behauptungen aufgestellt ("eingeschränkte Sichtweise", "kann Gegenargumente nicht akzeptieren" usw. usf., ohne dass dies durch nachviollziehbare Tatsachenfeststellungen belgt wird.

 

Anders herum wäre es korrekt: "Auf den Vorhalt...... (konkretes Beispiel) wusste der Proband nichts zu entgegnen, doch das änderte nichts an seiner Überzeugung."  => Ein Beleg dafür, dass er der Vernunft nicht immer zugänglich ist.

Tatsächlich ist mir sogar ein Fall bekannt, in dem ein Gutachter mangels Hinweisen auf einen Wahn eine Lüge konstruierte, einen tatsächlichen Sachverhalt so umgestaltete, dass es nach Verrücktheit aussah. Im Falle Mollath geschah etwas sehr Ähnliches: Man bezog sich auf  ihm gemachte Vorwürfe, die man wohl von Anfang an als haltlos betrachten musste.

 

2. Eine Methode ist eine festgeschriebene Vorgehensweise, doch welche Methoden haben die "Gutchachter" im Falle Mollath angewandt?

Sie reden selbst von Methoden, sehr geehrter Herr Prof. Müller, und zweifellos haben Sie die veröffentlichten Gutachten gelesen: Welche Methoden der Diagnose / Prognose sind Ihnen dabei oder in anderen Zusammenhängen bekannt geworden? Diese Frage müssten Sie beantworten können, Da Sie behaupten, es werde mit Methoden gearbeitet, die zumindest näherungsweise an die Wahrheit heranführten.

Henning Ernst Müller schrieb:

Ja, es gibt willkürliche und falsche Entscheidungen, sowohl im Recht als auch in der Psychiatrie. Es gibt willkürlich handelnde Richter, es gibt auch willkürlich gutachtende Psychiater, es gibt auch Menschenrechtsverletzungen in der Psyschiatrie und in der Rechtsprechung. Aber Sie meinen (wie auch einige andere hier Mitdiskutierende), es gebe gar keine legitimen, keine tauglichen  und keine angemessenen Verfahrensweisen, es gebe also auch keine nicht willkürlich entscheidenden Richter, keine nicht willkürlichen Psychiater etc.

 

Ich meine nicht, dass es keine tauglichen Verfahrensweise gebe, ich meine, dass die angewandten Verfahrensweisen nicht tauglich sind und taugliche gar nicht gewollt sind.

Stellen Sie sich doch einmal vor, man hätte einen Apparat, der objektiv Gesiteskrankheiten feststellen könnte. Es würde nicht lange dauern, und es kämen die ersten Stimmen, die das sagten: "Es müssen unbedingt alle Menschen abgecheckt werden, die  besonders verantwortungsvolle Positionen inne haben: Politiker, Richter, Polizisten,  Ärzte usw.!"

Ich glaube, an der Stelle brauche ich nicht weiter auszuführen.

Und: Solange Richter und Psychiater subjektive Spielräume haben, solange bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als willkürlich zu handeln, ob sie wollen, oder nicht! Unwillkürlich bedeutet nämlich in diesem Fall: Automatisch, mechanisch.  Das heißt, erst dann, wenn ein Richter mit einem (methodischen) Verfahren arbeitet, das einen Rechtsfall in allen Punkten eindeutig löst, so, dass jeder andere Richter im selben Fall und mit der selben Methodik zum selben Ergebnis gelangte, erst dann arbeitet er nicht mehr willkürlich!

Henning Ernst Müller schrieb:

Sie schließen aus der Existenz von Menschenrechtsverletzungen durch psychiatrische/juristische Entscheidungen darauf, dass alle solche Entscheidungen menschenrechtswidrig seien.

Wo bitte tue ich das? Natürlich gibt es Fälle, in denen eine psychiatrische Entscheidung korrekt ausfällt, nirgendwo behaupte ich, dass sie zu 100% falsch sind.

Auf den Rest Ihres Beitrages werde ich später eingehen. Tatsächlich fehlt mir jetzt leider die Zeit dazu, diese sehr wichtige Diskussion mit Ihnen weiterzuführen, weil ich einen Auswärtstermin wahrnehmen muss.

LG

Stella

4

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

 

auf einen Teil Ihres oben an mich gerichteten Beitrages bin ich bereits eingegangen, leider hatte ich vergessen, in der Namenszeile meinen Namen anzugeben, so dass er unter "Gast" veröffentlicht wurde (# 10).

Da ich zu Ihren dort zitierten Ausführungen Gegenrede erhob, wäre es schön, wenn Sie auch darauf eingehen würden.

 

Nun zu den bisher unbeantworteten Ausführungen Ihrerseits:

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Nur weil es (bislang) keine sicheren Methoden gibt, zwischen für die Allgemeinheit gefährlichen und  ungefährlichen Personen zu unterscheiden, bedeutet das nicht, dass es Personen mit einem Gefährdungspotential überhaupt nicht gibt.

Das behauptet auch niemand. Dazu ist zu sagen:

1. Jeder kann zum Mörder werden - soll man deshalb alle wegsperren?

2. Wenn jemand erhebliche Straftaten begeht, wird er ohnehin für Jahre eingesperrt, spätestens im Wiederholungsfalle sicherungsverwahrt (Mord, brutale Vergewaltigung).

3. Aktuell gibt es zahllose Fälle, in denen verhältnismäßig geringfügige und und oftmals nicht wirklich bewiesene (Aussage gegen Aussage-Konstellationen, z.B.) zum Anlass genommen werden, nach § 63 StGB wegzusperren, und wohl nicht zufällig trifft  genau das sehr oft Menschen, die sich über staatliches Unrecht beschweren.  Solche Beschwerden werden von Justiz und Psychiatrie generell als Wahnideen abgetan, auch wenn bei nüchterner Tatsachenschau tatsächlich schweres staatliches Unrecht begangen wurde, so wird das einfach mit pauschalen Worten bestritten.  Bereits damit nimmt das Psychiatrieunrecht dann seinen Lauf.

 

Sehr geehrter Herr Prof. Müller, die Aufzählung war nicht vollständig, aber ich möchte die Diskussion nicht überfrachten. Der Punkt 3.  dürfte der problematischste sein, unter ihn fallen Fälle offensichtlichen Missbrauchs des § 63, und zwar in einer Weise, die nicht nur dem Rechtsstaat, sondertn auch der Demokratie höchst abträglich ist: Wo kommen wir denn hin, wenn geistig gesunde Staatskritiker als geistig Kranke weggesperrt werden?

 

Wo kommen wir hin, wenn es Situationen gibt, in denen Menschen schwerstes Unrecht von der Justiz angetan wird, und diese Menschen dann, um endlich Ruhe zu bekommen, von der Justiz als geistig Kranke weggesperrt werden? Können Sie diese Variante in Anbetracht des Falles Mollath noch für absurde Fiktion halten?

Auf Ihre weiteren Ausführungen werde ich im nächsten Beitrag eingehen - um Sie nicht zu überfrachten.

 

LG

 

Stella

5

 

Sehr geehrter Mein Name,

 

Sie schreiben:

Um es mal ganz deutlich zu machen: Es ist nicht der Angeklagte, der einen Beweis für einen "unbedenklichen" Geisteszustand erbringen muss - es ist Aufgabe des Gerichts festzustellen, ob evtl. der Geisteszustand des Angeklagten zum Tatzeitpunkt derart neben der Spur war, dass eine Schuldunfähigkeit vorliegt

Das trifft nicht zu. Die Schuldfähigkeit muss gerichtlich festgestellt werden, für die Annahme von § 20 StGB genügt es, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte die Schuldunfähigkeit nicht ausgeschlossen ist. Das ist die Folge von in dubio pro reo. Bei § 63 StGB ist es allerdings umgekehrt. Der Angeklagte muss freilich gar nichts beweisen. Das ist in dem zitierten Stück der "Strafakte.de" wohl auch nicht gemeint (eher das außerprozessuale Bestreben als "psychisch gesund" zu gelten).

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

Das trifft nicht zu. Die Schuldfähigkeit muss gerichtlich festgestellt werden, für die Annahme von § 20 StGB genügt es, wenn die Schuldunfähigkeit nicht ausgeschlossen ist. Das ist die Folge von in dubio pro reo. 

Wenn bei Ihnen im Elfenbeinturm irgendwo ein Urteil verstaubt, in dem es heisst:

"Die Ausführung des Taschendiebstahls zeugte nicht nur von einer planerischen, sondern auch von einer feinmotorischen Rafinnesse, dass das Gericht angesichts der tollkühnen Umsetzung der Tat nich umhin kam, bei dem Täter die Schuldfähigkeit festzustellen."

 

dann bitte ich um sofortige Vorlage dieses exklusiven Stückes richterlicher Erkenntis.

 

Ansonsten gilt für mich weiterhin die gesetzliche Vermutung der Schuldfähigkeit und dass Zweifel an derselbigen begründet werden müssen.

 

Und wie will das Gericht dies in diesem Fall tun?

 

Vor Strates Augen Krachs Attest als besonders begründeten Zweifel einführen?

Oder Mollaths wiederholten Ruf, seine Sicht der Dinge einführen zu wollen, als besonders zweifelerregenden Eindruck in der HV einführen?

 

Unter den Augen der Öffentlichkeit beruft sich der kluge Jurist da lieber auf die begründungslose Denkmöglichkeit des wiederaufgehobenen Vorverfahrens.

 

Beruhigend das man falsche Weichenstellungen gerade in der Juristerei mangels Begründung wiederholen muss.

 

 

5

So erklärt Herr Dr. Strate die Notwendigkeit der Begutachtung:

 

 

 ... Tatsächlich besteht für die von der 6. Strafkammer des Landgerichts Regensburg beabsichtigte Heranziehung eines psychiatrischen Sachverständigen eine rein formelle Notwendigkeit. Deshalb hat die Verteidigung dieser Ankündigung nicht widersprochen. ...

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Erklaerung-der-Verteidigu...

 

... Um dies auch für Nichtjuristen verständlich darzustellen:

§ 246a StPO, welcher die Zuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen zur Hauptverhandlung regelt, hat seine jetzige Fassung durch ein Gesetz vom 16.7.2007 erhalten. Bis dahin lautete die Vorschrift:

“Ist damit zu rechnen, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus … angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen.”

Die Formulierung “Ist damit zu rechnen …” verlangte ein gewisses Maß der Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer derartigen Anordnung kommt. Die Gesetzesänderung setzt jedoch einen neuen Maßstab. Seit dem 16.7.2007 hat die Vorschrift nunmehr folgenden Wortlaut:

“Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus … angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen.”

Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung ist nunmehr schon dann erforderlich, wenn nur die schlichte Möglichkeit einer Unterbringungsanordnung besteht (sie mag auch tatsächlich fernliegen). Diese Möglichkeit ist im Falle Gustl Mollaths schon deshalb formell zu bejahen, weil die Zuständigkeit der 6. Strafkammer des Landgerichts Regensburg sich aus der Vorlegungsentscheidung des Amtsgericht Nürnberg vom 29.12.2005 herleitet, die allein damit begründet war, dass die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB in Betracht kommt. Die 7. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 27.1.2006 “die Sache übernommen”. Diese Zuständigkeitsbegründung war zwar Ergebnis einer Vielzahl von Rechtsverletzungen unter Verantwortung des Richters Brixner, sie wirkt aber bis heute fort und lässt sich nicht mehr revidieren.

Die 6. Strafkammer würde sich einer erfolgversprechenden Revisionsrüge der Nebenklage (theoretisch auch der Staatsanwaltschaft) aussetzen, wenn sie allein deshalb von der Zuziehung eines Sachverständigen absähe, weil sie die Erwartung hat, die erneute Anordnung der Unterbringung sei höchst unwahrscheinlich. Exakt diese Konstellation war Gegenstand einer Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein die Maßregel ablehnendes Urteil des Landgerichts Rostock (Urteil des 4. Strafsenats des BGH vom 26.11.2009, in wistra 2010, 68). Die Rüge, das Gericht habe § 246a StPO nicht beachtet und fehlerhafterweise die Zuziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung unterlassen, hatte Erfolg. Die 6. Strafkammer des Landgerichts Regensburg dürfte diese Entscheidung kennen. ...

http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/11/06/der-fall-mollath-die-irrwe...
 

 

4

So erklärt Herr Dr. Strate die Notwendigkeit der Begutachtung

Das war Ende 2013.

Am Anfang des Jahres in einem Interview:

Sie wollen bei der Wiederaufnahme auf ein psychiatrisches Gutachten verzichten – wieso?

Wenn es gelingt, schlüssig darzutun, dass den Ausführungen des Herrn Mollath in seinen verschiedenen Strafanzeigen und Eingaben real Erlebtes zugrunde lag, bedarf es nur eines gesunden Menschenverstandes, um zu erkennen, dass die Unterbringung in der Psychiatrie von Anfang an nicht rechtens war. Es ist dann nicht nötig, einen Psychiater durch einen besseren zu ersetzen.

http://www.merkur-online.de/aktuelles/bayern/mollath-geradliniger-charak...

 

5

Sehr geehrter Gast xy,

Herr RA Strate hat mit den von Ihnen zitierten (von mir ebenfalls bereits verlinkten) Erläuterung die "Heranziehung" eines Sachverständigen nach § 246a StGB bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung erläutert, nicht die "Begutachtung".

Zum Zeitpunkt seiner Erläuterung hat er wohl noch nicht damit gerechnet, dass tatsächlich auf Grundlage ständiger Anwesenheit in der Hauptverhandlung ein Gutachten erstellt werden sollte.

Ich habe damals (Dezember 2013) Folgendes geschrieben:

Ich halte es für fraglich, ob sich die vorgeworfenen Taten überhaupt nachweisen lassen. Aber wenn jetzt eine neue psychiatrische Begutachtung geplant ist, bedeutet dies zunächst nur, dass das LG Regensburg den Prozess grundsätzlich genauso gestalten will wie andere Prozesse, in denen es Anhaltspunkte für eine die Schuldfähigkeit tangierende psychische Erkrankung des Angeklagten gibt.

Da die Begehungszeitpunkte der vorgeworfenen Taten im Fall Mollath mittlerweile neun bzw. über zwölf Jahre zurückliegen, wird es – vorsichtig ausgedrückt – kein Gutachter leicht haben, den Zustand zur Tatzeit zweifelsfrei zu beurteilen. Ich glaube fast, dass dies unmöglich ist, ganz unabhängig von einer gegenwärtigen Diagnose.

Was für ein nichtjuristisches Publikum vielleicht schwierig ist, ist die logisch zutreffende, aber faktisch gegenläufige Anwendung von in dubio pro reo  bei den §§ 63, 20, 21 StGB, wenn Zweifel verbleiben: Ein Angeklagter hat im Rahmen des § 20 StGB ein (unverzichtbares) Recht darauf, dass Zweifel an seiner Schuldfähigkeit zur Tatzeit zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Wenn also nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Angeklagte zur Tatzeit schuldunfähig war, dann ist er mangels Schuld freizusprechen. Für eine belastende Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB muss aber wiederum zu seinen Gunsten im Zweifel davon ausgegangen werden, dass die Straftaten nicht infolge dieses Zustands begangen wurden. Es reicht hier nicht (anders als in § 20 StGB), dass die Voraussetzungen der Unterbringung lediglich nicht auszuschließen sind.

Beide Fragen (§ 20 und § 63) sind deshalb voneinander getrennt zu erörtern und zu beurteilen.

Ganz unabhängig vom konkreten Fall ist generell anzumerken: Je größer der zeitliche Abstand zwischen Begutachtung und vorgeworfener Straftat ist, desto eher werden hinsichtlich der Tatzeitschuldfähigkeit Zweifel bestehen, die dann in § 20 StGB und § 63 StGB eben gegenläufig zugunsten eines Angeklagten wirken.

Falls Herr Mollath sich nicht explorieren lässt, wozu er auch nicht verpflichtet ist (einen Ratschlag in der einen wie der anderen Richtung halte ich an dieser Stelle für unangemessen), müsste wiederum eine Beurteilung auf "Aktengrundlage" erfolgen. Dies ist rechtlich zulässig, aber wirft natürlich die Frage auf, welche Aktenbestandteile dem Gutachter zur Verfügung gestellt werden und wie er diese (was in früheren Gutachten sträflich vernachlässigt wurde) auch kritisch würdigt.

Im ersten Mollath-Gutachten ist die Tatzeitschuldunfähigkeit und der symptomatische Zusammenhang für § 63 StGB kaum schlüssig begründet worden. Gutachter und Gericht haben weitgehend spekulativ angenommen, Herr Mollath, den sie zum Urteilszeitpunkt für psychisch krank hielten, sei mit Gewissheit auch schon zur mehrere Jahre zurückliegenden Tatzeit schuldunfähig bzw. zumindest vermindert schuldunfähig gewesen und die Taten hätten auf seiner Erkrankung beruht.  Dieser symptomatische Zusammenhang zwischen Erkrankung und Tat wird vom Gesetz vorausgesetzt, damit „die Anlasstat nicht in sachfremder Weise zum bloßen Auslöser für die Unterbringung wegen einer psychischen Störung werden kann, die strafrechtlich nicht relevant geworden ist.“ (Zitat van Gemmeren in MüKo StGB Rn. 56 zu § 63). Im Verstoß gegen diesen gesetzlich verankerten Grundsatz lag auch ein entscheidender Fehler im Fall Mollath.

Die in der Hauptverhandlung verfolgte Verteidigungsstrategie hinsichtlich der (früheren) psychiatrischen Gutachten ist mir im Übrigen nicht bekannt. Zunächst hatte die Vorsitzende versucht, Herrn Mollath damit zu beruhigen, dass man ja wohlmöglich auf den psychiatrischen Sachverständigen ganz verzichten könne. Diese Einschätzung hat sich nicht bestätigt.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

"Heranziehung eines Sachverständigen", "Begutachtung", "Stellungnahme" - interessante Unterscheidungen, jedoch: man hat ja gesehen, wie sie praktisch gehandhabt werden.

"Wie im Fall Mollath" wird es heißen, sollte noch einmal versucht werden, die Situation einer interessierten Öffentlichkeit zu erklären.

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Sehr geehrter Gast xy,

"Heranziehung eines Sachverständigen", "Begutachtung", "Stellungnahme" - interessante Unterscheidungen, jedoch: man hat ja gesehen, wie sie praktisch gehandhabt werden.

"Wie im Fall Mollath" wird es heißen, sollte noch einmal versucht werden, die Situation einer interessierten Öffentlichkeit zu erklären.

Vielleicht haben Sie (wie viele andere)  ja übersehen, zu welchen Ergebnissen der Sachverständige Nedopil gekommen ist; ich denke, dies ist nicht erst sekundär zu berücksichtigen. Diese Ergebnisse sind - jedenfalls in den Diskussionen hier - etwas untergegangen.

Aber betrachten Sie einmal die Berichterstattung über die Äußerungen Nedopils und die Berichterstattung über den Konflikt Strate/Mollath in den Hauptmedien, dann werden Sie feststellen, dass die Stellungnahme Prof. Nedopils Herrn Mollath in der Öffentlichkeit eher genützt hat, jedenfalls aber weit weniger geschadet hat als der in der Öffentlichkeit ausgetragene Konflikt zwischen RA Strate und Mollath. Einer Bewertung, wer für diesen Konflikt "verantwortlich" ist, enthalte ich mich. 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrter Gast xy,

Vielleicht haben Sie (wie viele andere)  ja übersehen, zu welchen Ergebnissen der Sachverständige Nedopil gekommen ist; [...]

 

... das wichtigste Ergebnis der Heranziehung des Sachverständigen Prof. Nedopil liegt in seiner unkorrigierbaren Überzeugung, dass es abwegig sei, einen Gutachter - in diesem Fall Dr. Wörthmüller - mit Leuten, die in "ominöse" Bankgeschäfte verwickelt sein könnten, in Verbindung zu bringen. Dies zeigt deutlich die Unfähigkeit Nedopils, Realität und Wunschvorstellungen voneinander unterscheiden zu können. Für den Hinweis von Dr. Strate auf staatsanwaltliche Feststellungen (als Erklärungsversuch) war Prof. Nedopil in keiner Weise zugänglich und antwortete diesbezüglich kompromisslos und stur:
 
"Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft überzeugen mich nicht!"
 
Hiermit hat sich der Sachverständige Nedopil eine 1a-Verdachtsdiagnose auf eine psychische bzw. Persönlichkeitsstörung selbst gestellt. Und der Meinung Prof. Nedopil nach: "Im klinischen Sinne gilt dann, eine Verdachtsdiagnose so lange aufrecht zu erhalten, bis belegt werden kann, dass die Diagnose falsch ist. Das sei auch im forensischen Bereich so [...]".
 
Diese Episode aus dem 13. Verhandlungstag kann man sich "wie Pornos" (Prof. F. Pfäfflin) unter folgendem Link runterladen:
       
http://www.ein-buch-lesen.de/2014/07/wiederaufnahme-gustl-mollath-13-tag...
 
 
Stresstest - "Großraum Krefeld"

4

... einige Gedanken zum Prozessverlauf vom Richter i.R. Joachim Bode:
 

Quote:
[...] Im derzeitigen Prozessverlauf haben sich die in der Anklageschrift formulierten Vorwürfe gegen Mollath regelrecht pulverisiert, was vorauszusehen war. Die in den Wiederaufnahmeanträgen enthaltenen Gegenentwürfe zu den falschen Feststellungen des Nürnberger Urteils von 2006 haben sich, soweit sie juristisch zu überprüfen waren, voll bestätigt, manche sind in ihrer Brisanz weit übertroffen worden.

Hier nur eine kleine Ergänzung:

Nach meiner völlig unmaßgeblichen Einschätzung stammten Inhalt und Niederschrift des ärztlichen Attestes über die angeblichen Verletzungen nicht nur aus Feder, sondern auch Kopf der Mollath-Ex – selbstredend unter Mithilfe der fachlich versierten Freundin -, während die angebliche Unterschrift eines Arztes möglicherweise dem Routinebetrieb der Praxis geschuldet war. Da werden kurz vor Feierabend oftmals zahlreiche Unterschriften im Schnellverfahren geleistet – auf die Sprechstundenhilfe ist ja Verlass. Kleinigkeiten wie einige merkwürdige, weil selten vorkommende Schreibfehler im Text des Attestes bleiben da selbstredend unbemerkt.
 
Aus völlig unerfindlichen Gründen hat die Strafkammer nach Klärung der Anklagepunkte die Anhörung des Gutachters verfügt und sich damit völlig unnötig in Widerspruch zu der anfangs bekannt gegebenen Rechtslage gesetzt. Der dünne und dümmliche Hinweis auf eine angeblich „schwierige Beweissituation“ kann keine Rechtfertigung dafür abgeben, die Logik des Verfahrens auf den Kopf zu stellen und darüber hinaus noch durch die Ermöglichung negativer Charakterisierung des Angeklagten rechtswidrig in dessen Persönlichkeitsrecht einzugreifen. [...]


 
http://opablog.net/2014/08/02/wenn-sich-unwissenschaftlicher-hokuspokus-...
 
 
Stresstest - "Großraum Krefeld"

 

4

 

Herr Strate hatte vor einigen Wochen oder Monaten gegenüber den Medien verkündet, ein Gutachten sei überflüssig. Jetzt hat er nach meiner Kenntnis kein offizielles Widerwort gegen die Anwesenheit von Prof. Nedopil verlauten lassen, sondern diese sogar noch prozessökonomisch begründet. Es gab - nach meinen Informationen - wohl einige rechtlich irrelevante negative Äußerungen über die Anwesenheit, aber keine förmliche Beanstandung.

Wenn die Begutachtung ohne Rechtfertigung gegen den Willen (auch für die Stellungnahme wurden ja Daten erhoben, wenn auch zu wenig) eine Menschenrechtsverletzung darstellen soll, dann hätte doch zumindest im Gerichtssaal etwas dagegen unternommen werden müssen. Ich vermute, dass der EGMR darauf Wert legt.

Das positive an der Aussage von Prof. Nedopil ist, dass er gezeigt hat, dass es möglich ist, dem Gericht mitzuteilen, dass kein Gutachten erstattet werden kann, weil zu wenig Fakten vorliegen. Dies hätten die vorigen Gutachter - zumindest zum Teil - auch machen können. Aufgrund eines angeblich erstatteten Gutachtens erfolgte ja dann die Entscheidung zur Unterbringung. Da der Sachverständige dem Gericht aufgrund seiner Sachkunde lange bekannt war, wusste er, dass seine Äußerungen kein Gutachten sind, weil die Mindestanforderungen unerfüllt waren. Dennoch war er in der Lage, basierend auf dem "Gutachten" jährlich dem Gericht die Fortsetzung der Unterbringung vorzuschlagen.

Wer beurteilt jetzt eigentlich, wann welche Verhaltensweisen pathologisch sind? Wo gibt es da die ausführliche Liste?

 

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Sehr geehrter Professor,

vieleicht gestatten Sie eine Verständnisfrage.

 

Wenn wir die Frage bezüglich des Vorliegens des §20 hier herausgelöst betrachten, dann hat Nedopil wenn ich mich recht entsinne, sich dahingehend geäussert, dass er bezüglich der Körperverletzungen eine psychische Störung nicht ausschliessen kann.

 

Was bedeutet dies denn nun, wenn wir das mit dem in dubio Grundsatz verknüpfen?

 

Ist dadurch der §20 bejaht?

 

Sie sehen es mir hoffentlich nach, dass ich den Befund von Nedopil schon in der Herleitung für kaum tragfähig halte und in meiner Bewertung eher in den Bereich einer vagen Vermutung rücken würde.

 

Im vorliegenden Fall liegt die Problematik doch darin, dass der Angeklagte ein gegenläufiges Interesse hat. Das Vorliegen des § 20 also in vielerlei Hinsicht als für ihn ungünstig empfindet.

 

Es erscheint mir eine prekäre Logik, dass je dünner die Stellungnahme des SV ausfällt, der in dubio Grundsatz das Vorliegen von §20 umso mehr verstärkt.

 

Unterliege ich einem Denkfehler?

 

Beste Grüsse

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Max Mustermann schrieb:

Es erscheint mir eine prekäre Logik, dass je dünner die Stellungnahme des SV ausfällt, der in dubio Grundsatz das Vorliegen von §20 umso mehr verstärkt.

Unterliege ich einem Denkfehler?

Beste Grüsse

 

Ja, Sie unterliegen einem Denkfehler. Der "in dubio-Grundsatz" spielt nur hinsichtlich der Frage eine Rolle, ob der Angeklagte zu bestrafen sei, und in dem Kontext ist es für ihn eben besser ("pro reo"), nicht bestraft zu werden. Aus einer solchen Entscheidung folgt ja nicht zwingend ein Beschluss gemäß § 63 StGB, da gibt es ja keinen Automatismus: Wenn ein Gutachter erklärt, der Angeklagte sei weder gefährlich noch therapierbar,  aber leide unter der unverrückbaren Wahnvorstellung, dass er kostenlos mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren dürfe, dann ist das nichts viel anders als ein permanentes Montatsticket im öffentlichen Nahverkehr.

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Sehr geehrter Gast,

vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir eine Antwort zukommen zu lassen.

Vielleicht habe ich mich bei der Formulierung meiner Frage missverständllich ausgedrückt.

Mir ging es nur um eine isolierte Betrachtung der formalen Eingangsvorraussetzungen des §20.

 

Wenn man den Ausführungen des Professors folgt, hat der Angeklagt ein unverzichtebaren Anspruch darauf, dass §20 Berücksichtigung findet. Weiter weist der Professor darauf hin, dass mit zunehmenden Zeitablauf, dass Vorliegen des §20 gerade unter der Berücksichtigung der "schwindenden" Datenlage entsprechend verstärkt nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Genau in derselben Problematik steckt ja auch der SV. Eine fundierte Aussage wird nach diesem langen Zeitablauf immer schwieriger zu treffen sein.

 

Der SV sagt nun aber nicht: " Zu der Frage kann ich mich lege artis nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit äussern." Sondern tut es insofern durch das "schwächere" Mittel der Stellungnahme.

 

Mit der Formulierung "nicht auszuschliessen" begibt er sich nach meinem Verständnis ja nur in den Bereich einer blossen Denkmöglichkeit hinein ohne Angabe einer Wahscheinlichkeit.

 

Es ist somit ein gewaltiger Unterschied, ob der SV sagt: "Dazu kann ich nichts sagen" oder "Nicht auszuschliessen, denkbar ist alles."

 

Damit habe ich nun eigentlich nur noch einmal auf umständliche Weise dargestellt, dass §20 aufgrund in dubio umso mehr bejaht wird, je dünner der Aussagegehalt des SV ist.

 

Für mich eine prekäre Logik.

 

LG

 

 

 

 

 

 

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Ich hatte ganz am Anfang (der Beitrag #5) hier nochmals einen Rückblick auf den 9. Prozesstag geworfen. Dabei ging es vor allem um den Herrn Wörthmüller. Inzwischen ist das Wortprotokoll (letzte Nacht eingestellt) da und es ist tatsächlich so, (lt. dem Wortprotokoll) das Herr Wörthmüller mit dem Vermögensberater (mit dem Frau Maske mit einem Dritten eine Firma gegründet hatte) nicht "nur" ein Nachbarliches Verhältnis hatte, sondern auch ein Geschäftliches. Der Artikel in der Berliner Zeitung, nachdem Herr Roggenhofer nicht nur einfach "Nachbar" war sondern auch für Herrn Wörthmüller (zumindest) eine Immobilie verwaltet. Unter diesem Gesichtspunkt ist Herr Wörthmüller von vornherein "Befangen" gewesen. Da kann ich die Ausflüchte von wegen dem Ausklammern des "Schwarzgeldthemas" nicht nachvollziehen. Es besteht auf jeden Fall ein Interessenkonflikt. Auch manches andere, was in der Presse so Plakativ und selektiv übernommen wurde ist beim lesen des Wortprotokolls nicht mehr so ungewöhnlich. Man könnte sogar den Eindruck bekommen, das Herr Wörthmüller seine Ausdrucksweise scheinbar recht bescheiden kontrolieren kann. Da ist z.B. das angeblich ungewöhnliche Auftreten von Herrn Mollath, als er Herrn Wörthmüller auf seinem Grundstück angesprochen hatte. Lt. Presse habe Herr Mollath dort angeblich eine "Plastiktüte mit einer Comikfigur" um den Hals getragen. Im Wortprotokoll liest sich das so:

Ich weiß nur, dass er einen Plastikbeutel um den Hals hängen hatte, wie man es manchmal bei der WM gesehen hat, so diese – wie nennt sich das, dass man Zugang zu was hat. So eine Art Plastikbeutel mit Art Comicfigur drauf. Das fand ich bemerkenswert, dass er das da umhängen hatte.

Also pustet Herr Wörthmüller eine Sichthülle für Besucherausweise (wie sie z.B. bei jedem Kongress -auch im Psychiatrischen Bereich- üblich sind) zu einem Plastikbeutel hoch. Falls es überhaupt solch eine Ausweishülle war. Ich meine irgendwo mal gelesen zu haben, das Herr Mollath oft mit einem Brustbeutel unterwegs war. Ich erlebe es selbst immer wieder, das vorsichtige Menschen mit einem Brustbeutel unterwegs sind (das wurde immer als eine recht sichere Methode gegen Taschendiebe dargestellt). Diese sind oft mit Kinder- und Jugendmotive bestückt, da Erwachsenen-Brustbeutel eher rar sind. Dann steht dort immer wieder der Vorwurf im Raum, das Herr Mollath Herrn Wörthmüller auch beschuldigt habe zu dem Schwarzgeldkreis zu gehören. Auch Herr Wörthmüller versucht Texte von Herrn Mollath in diese Richtung zu schieben. Ich kann dies so nicht herauslesen:

RiLG Lindner: Im Brief vom 5.8.04 schreibt Herr Mollath – Sie schildern ja das Gespräch zu der Frage, ob Sie das Gutachten doch machen können -, da wird geschrieben: Da ich die Verbindung von Dr. Wörthmüller zu den Schwarzgeldverschieberkreisen aufgedeckt habe und nachweisen kann, musste er sich Dr. Wörthmüller letztlich für befangen erklären.

Worauf Herr Wörthmüller sagte:

M. Wörthmüller: Das trifft nicht zu, ich habe weder mit Schwarzgeldverschiebung zu tun, ich habe auch kein Schwarzgeld oder Geld in der Schweiz, damit habe ich nicht zu tun, das ist das erste.

und in einem weiteren Schreiben schrieb Herr Mollath:

RA Horn: Es gibt ein weiteres Schreiben des Herrn Mollath vom 23.09.04 Bl. 221 ff. d.A. Dort auf Bl. 3: da führt er aus: RA Ophoff konnte bewegt werden, samstagmittag in die Klinik zu kommen, denn ich bestand auf eine Rechtsberatung. weil ich sonst nicht über seinen Vorschlag verhandeln kann: er schreibt ein für mich passendes Gutachten, dafür bleibt seine Beziehung zu Schwarzgeldverschiebern in Form von Bernhard Roggenhofer (was ich ihm kurz vorher nachwies) unter uns.

Herr Mollath schreibt eindeutig von einer Beziehung zu den Schwarzgeldverschiebern(-kreisen) und nicht von einer Verstrickung mit derselben. Das Herr Wörthmüller nun Beziehungen zu dem Kreis hatte, den Herr Mollath als Schwarzgeldverschieber bezeichnet musste Herr Wörthmüller ja auf konkrete Anfrage eines der Richter zugeben:

RiLG Lindner: Haben Sie mit Roggenhofer Kontakte über das nachbarliche hinaus? Also geschäftlich? M. Wörthmüller: Nein, er verwaltet eine Immobilie, aber nicht mein Vermögen. Er macht Verwaltungstätigkeit, damit hab ich zu tun, aber sonst nicht.

Womit sich der Kreis zu meiner Einleitung oben wieder geschlossen hat. Einige andere recht eindrucksvolle Inhalte dieser Zeugenbefragung (wie z.B. mal einfach Platt gesagt "schnelles Heimkommen gegen Gutachten") habe ich mal außen vor gelassen. Das Wortprotokoll vom 9. Verhandlungstag kann man hier herunterladen: Mitschrift der Hauptverhandlung am 17.7.2014 in dem Strafverfahren gegen Gustl Mollath (9. Tag)

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@ Prof. Müller

Aber betrachten Sie einmal die Berichterstattung über die Äußerungen Nedopils und die Berichterstattung über den Konflikt Strate/Mollath in den Hauptmedien, dann werden Sie feststellen, dass die Stellungnahme Prof. Nedopils Herrn Mollath in der Öffentlichkeit eher genützt hat, jedenfalls aber weit weniger geschadet hat als der in der Öffentlichkeit ausgetragene Konflikt zwischen RA Strate und Mollath

Exakt, so ist es.

Einer Bewertung, wer für diesen Konflikt "verantwortlich" ist, enthalte ich mich.

Das ist sicher klug.

So wichtig die Öffentlichkeit für die Freilassung Mollaths war, so problematisch erscheint die "Öffentlichkeitsarbeit" spätestens jetzt. Insofern greifen auch Überlegungen allgemeinerer Art  zum Verhältnis zwischen Verteidiger und Mandant, etwa von Schwenn,  viel zu kurz, denn es ist schon ein besonderes Verhältnis. Besonders ist auch, dass nicht nur der Mandant, sondern auch der Verteidiger wortstarke Unterstützer haben, die "die richtige Sicht der Dinge" propagieren und dafür sorgen, dass Kritik tabu ist (was während der laufenden Verhandlung auch nachvollziehbar ist). Tatsächlich kann aber niemand, der in der Öffentlichkeit agiert, erwarten, dass jede einzelne seiner Aktionen immer nur auf Zustimmung stößt.

 

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Gast schrieb:

So wichtig die Öffentlichkeit für die Freilassung Mollaths war, so problematisch erscheint die "Öffentlichkeitsarbeit" spätestens jetzt. Insofern greifen auch Überlegungen allgemeinerer Art  zum Verhältnis zwischen Verteidiger und Mandant, etwa von Schwenn,  viel zu kurz, denn es ist schon ein besonderes Verhältnis. Besonders ist auch, dass nicht nur der Mandant, sondern auch der Verteidiger wortstarke Unterstützer haben, die "die richtige Sicht der Dinge" propagieren und dafür sorgen, dass Kritik tabu ist (was während der laufenden Verhandlung auch nachvollziehbar ist). Tatsächlich kann aber niemand, der in der Öffentlichkeit agiert, erwarten, dass jede einzelne seiner Aktionen immer nur auf Zustimmung stößt.

Dass Gustl Mollath einmal Nerven gezeigt hat, ist ihm doch gar nicht vorzuwerfen.

Es ist nun einmal so, dass seine 27 Anträge objektiv nicht über das hinausgehen, was Strate durch die Wahrunterstellung der bankseitigen Beihilfen durchgesetzt hat.

Strate hat sich damit in die Lage versetzt, den Fall 1:1 so darzustellen, wie Mollath sich das die ganze Zeit wünscht.

 

Dass Gustl Mollath NACH diesem Erfolg ein Interview gibt, zeigt dass er dem Prozessverlauf nicht folgen konnte.

 

Und das ist wahrlich bedauerlich.

Von Strate in einer Sänfte zum Sieg getragen zu werden und es selbst noch nicht einmal zu merken.

 

Damit hat Mollath sich insofern diskreditiert, als dass er als Angkläger der Zustände der Psychiatrie nicht mehr so richtig taugt. Bisher war die Vertrauens- und Glaubwürdigkeit so hoch, dass jeder nur sagen konnte :"Wie kann denn solch ein rationaler Mann nur 7,5 Jahre weggesperrt werden? Merken die Ärzte denn gar nichts?"

 

Wenn er nun sich aber diametral zu einem objektiven Verfahrensgeschehen stellt, dann erscheint gerade das nicht mehr rational.

 

Es tut mir irgendwie leid für ihn. Da ist er auf der Siegerstrasse und wird mit Pauken und Trompeten gewinnen und hat nun doch irgendwie verloren. Schade.

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http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/psychiatrische-gutachten-zwischen-irrsinn-und-verbrechen-13075145.html diskutiert den Fall aus Sicht der Psychatrie. Mir scheint ein “schwieriger” Mollath bessere Argumente für eine Veränderung des Umgangs mit §63 zu liefern als ein “heiliger”. Gegen absichtlich einen Finanzskandal vertuschende Akteure kann man wenig unternehmen, gegen faule und nachlässig agierende erscheint eine gesetzliche Korrektur inclusive besserer Kontrolle und Überwachung überfällig. Dass ein Nedophil die damalige Diagnose “nachvollziehen” kann, sollte uns besonders zu denken geben: Eine Gesellschaft kann dadurch charakterisiert werden, wie sie mit unbequemen und wenig kooperativen Mitgliedern umgeht. Totalitäre Systeme nehmen da wenig Rücksicht. In was für einem Staat wollen wir leben? Wie soll unser System mit Menschen umgehen, die sich nicht anpassen, denen es zuwider ist, anderen etwas vorzuspielen, um ihre Ziele zu erreichen? Ein guter Strafverteidiger wird sich immer so Verhalten, dass er für seinen Mandanten das bestmögliche Urteil herausholt. Damit wird es mit einem überrieben geradlienig agierenden Klienten immer Probleme geben. Trotzdem darf das nicht dazu führen, dass solche Menschen über Jahre weggesperrt werden. 

Auch und gerade solche Menschen, die nicht sofort realisieren, wenn sie gewonnen haben, die nach ihren negativen Erfahrungen traumatisiert und übervorsichtig sind, sollte unser System vor so einem Schicksal bewahren. Ich sehe nicht, wie dadurch Mollaths Glaubwürdigkeit gelitten haben sollte. 

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@ Kurt

Sie weisen zurecht auf die gesellschaftliche und politische Dimension der Psychiatrie hin, auch haben Sie völlig recht, dass der Instrumentalisierung des Systems durch kriminell handelnde Akteure nicht immer beizukommen ist. Aber: es ist schwierig, aus heutiger Sicht Aussagen darüber zu machen, was die damaligen Gutachter mit ihren eingeschränkten Möglichkeiten hätten leisten können, außer dass sie das hätten deutlich machen müssen, was Nedopil ja klar gesagt hat. Die damaligen Gutachter haben eben nicht nur ein irgendwie unbequemes und unkooperatives Mitglied der Gesellschaft gesehen, sonden hatten von begangenen Straftaten auszugehen und sie hatten Hinweise, dass es sich um ernstzunehmende Krankheiten handeln könnte – dass sie das nicht verifizieren konnten, kann man ihnen nicht anlasten. Auch der HVB-Bericht war noch nicht veröffentlicht, und selbst wenn es ihn schon gegeben hätte, hätte dieser nicht automatisch die bekannten Diagnosen widerlegt – auch eines der besonders hartnäckigen Missverständnisse. Zur Verdeutlichung eine Passage aus dem von Ihnen verlinkten Artikel, in der der Forensiker Müller-Isberner zitiert wird: "„Das Verhalten ist erst medizinisch relevant, wenn der Anlass sich verselbständigt und alle Proportionen verlorengehen.“ Wenn also ein Nachbarschaftsstreit zum Lebensinhalt wird. Es gebe zwei Kriterien, nach denen er zwischen „normal“ und „krank“ unterscheidet: Leidet der Mensch unter seinem Zustand? Bekommt er sein tägliches Leben auf die Reihe?“" Wenn man sich die damalige Situation vergegenwärtigt, kann man schon nachvollziehen, dass Mollath nicht die Situation beherrschte, den "größten Schwarzgeldskandal" aufzuklären, sondern von dieser beherrscht wurde mit den bekannten Folgen, u.a. derjenigen, die Gefahr für sich selbst zu verkennen. Also es ist keineswegs so, dass Mollath nur ein unbequemer Zeitgenosse war, der ohne sein Zutun "verräumt" wurde.

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Gast schrieb:

@ Kurt

Sie weisen zurecht auf die gesellschaftliche und politische Dimension der Psychiatrie hin, auch haben Sie völlig recht, dass der Instrumentalisierung des Systems durch kriminell handelnde Akteure nicht immer beizukommen ist. Aber: es ist schwierig, aus heutiger Sicht Aussagen darüber zu machen, was die damaligen Gutachter mit ihren eingeschränkten Möglichkeiten hätten leisten können, außer dass sie das hätten deutlich machen müssen, was Nedopil ja klar gesagt hat. Die damaligen Gutachter haben eben nicht nur ein irgendwie unbequemes und unkooperatives Mitglied der Gesellschaft gesehen, sonden hatten von begangenen Straftaten auszugehen und sie hatten Hinweise, dass es sich um ernstzunehmende Krankheiten handeln könnte – dass sie das nicht verifizieren konnten, kann man ihnen nicht anlasten.

 

So? Man kann es ihnen nicht anlasten, dass sie über den Menschen Mollath so gut wie nichts wussten, nicht einmal seinen maßgeblichen Kontext wirklich wahrnahmen,vielmehr erklärten, die von ihm beklagten Geldschiebereien seien Phantasieprodukte, während sie Mollaths Ausführungen dazu entweder nicht lasen oder in ihren Gutachten unterschlugen?

 

Sie sollen nicht wahrgenommen haben, dass alle Straftaten nur behauptet und bestritten, aber nicht nachgewiesen waren?

 

Sie sollen nicht gewusst haben, dass die Psychiatrie keine einzige Methode zur Herleitung valider Ergebnisse kennt?

 

Sie sollen nicht gewusst haben, dass sie den Mollath vor den geschilderten Hintergründen in die Unfreiheit schickten?

 

Und wer ließ ihn Hofspaziergänge in Fußfesseln machen?  Auch dafür war Dr. Leipziger, der Gutachter aus dem Strafverfahren, verantwortlich!

 

Was Sie beschönigen wollen, kann mann nicht seriös beschönigen. Es ist schon beschämend, entsprechende Versuche wahrnehmen zu müssen.

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Gast schrieb:
Also es ist keineswegs so, dass Mollath nur ein unbequemer Zeitgenosse war, der ohne sein Zutun "verräumt" wurde.
Ich empfehle Ihnen, sich mit den Vorgängen zu beschäftigen, die zur Erstellung des "Gutachtens" geführt haben, das Mollath als "gefährlich" abstempelte.

Der SV hatte nicht genügend Material, um eine solche Gefährlichkeit zu konstatieren, das Verfahren stand kurz vor der Einstellung. Erst als mit weiteren Strafanzeigen aus dem Umkreis der damaligen Ehefrau wegen Reifenstechereien "nachgelegt" wurde (die zum damaligen Zeitpunkt erst aufgenommen, aber nicht Mollath zugeordnet werden konnen), lief es im Sinne derer, die Mollath von der Bildfläche verschwinden lassen wollten.

Gast schrieb:
auch haben Sie völlig recht, dass der Instrumentalisierung des Systems durch kriminell handelnde Akteure nicht immer beizukommen ist
Genau das muss aber ein System, das den Anspruch der Rechtsstaatlichkeit erhebt, leisten: es muss durch Qualitätsstandards und -kontrolle einen solchen Missbrauch verhindern.

Da derzeit weder Standards noch deren Kontrolle verbindlich sind und Richter befreundete Ärzte mit Gutachten beauftragen können, ohne dass jemand kontrolliert, ob diese auch fachlich und zeitlich dazu in der Lage sind, ein die wissenschaftlichen Mindeststandards erfüllendes Gutachten abzugeben, besteht kein wirksamer Schutz vor Willkür und von Rechtsstaatlichkeit kann keine Rede sein.

Mein Name schrieb:
Genau das muss aber ein System, das den Anspruch der Rechtsstaatlichkeit erhebt, leisten: es muss durch Qualitätsstandards und -kontrolle einen solchen Missbrauch verhindern.

Da derzeit weder Standards noch deren Kontrolle verbindlich sind und Richter befreundete Ärzte mit Gutachten beauftragen können, ohne dass jemand kontrolliert, ob diese auch fachlich und zeitlich dazu in der Lage sind, ein die wissenschaftlichen Mindeststandards erfüllendes Gutachten abzugeben, besteht kein wirksamer Schutz vor Willkür und von Rechtsstaatlichkeit kann keine Rede sein.

Gegen kriminille Energie ist man nie gefeit.

Mit Mindeststandards könnten Sie  m.E. diese Verwurstungen psychiatrischer Anflüge des Impressionismus als Buchstabensalat verhindern, aber nicht mehr inhaltliche Gültigkeit erreichen.

 Bei diesen Gutachten war doch der Mindeststandard doch noch nicht einmal das grosse Problem.

Die Juristen hätten die Werke nur einmal lesen brauchen. Die sind doch nicht alle doof. Sprache ist deren Handwerkszeug. Die wissen doch auf einen Blick, dass da nur Mist drin steht.

 

Wenn natürlich so Ignoranzmaschinen wie ein Brixner am Werke ist, der aufgrund der Arbeitsüberlastung sowieso nur das gewünschte Fazit liest. Ja dann ist das übel.

 

Privat zeigt jeder Jurist eigentlich den Psychiatern still und heimlich den Vogel.

Beruflich will er keinen Ärger und schmeisst vor allen Dingen keinen Sand ins Getriebe.

Da wird exekutiert. Wofür gibts denn auch Vorschriften? Die exkulpieren dabei doch auch wunderbar.

Und wenn wieder Erwarten einem Jahre später der Mist vorgehalten wird, kann sich der kluge Richter an nichts erinnern.

 

 

 

 

3

 

http://www.welt.de/regionales/hamburg/article118851853/Der-Mann-der-Gust...

 

"Auch wenn er gutes Geld verdient und man sich Strate inzwischen leisten können muss – er hat etwas von einem Punk in Robe. Strate verteidigt am liebsten Unsympathen, frei nach dem Motto seines Vorbilds, der amerikanischen Anwaltlegende Alan Dershowitz: "Je unsympathischer, desto besser." Nicht selten geht der notorische Zweifler, der es immer ganz genau wissen will und lieber ein Gutachten mehr als zu wenig verlangt, den Richtern auf die Nerven. Für Strate ist die Strafprozessordnung seine stärkste Waffe."

 

"Je unsympathischer, desto besser", warum dann jetzt ein Gezeter um den Mandanten?

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Es gibt ja einigermaßen sichere Methoden in der forensischen Psychopathologie

aber sie werden von der forensischen Psychiatrie und Unterbringungsjustiz missachtet

#6, 1.8.14, @Prof Müller:

"Nur weil es (bislang) keine sicheren Methoden gibt, zwischen für die Allgemeinheit gefährlichen und  ungefährlichen Personen zu unterscheiden, bedeutet das nicht, dass es Personen mit einem Gefährdungspotential überhaupt nicht gibt."

Zu den einigermaßen sicheren Methoden gehört eine inhaltlich gehaltvolle Exploration, die im Allgemeinen eine zu schaffende Vertrauensbasis voraussetzt und  am besten mit einem subjektwissenschaftlichen Ansatz einhergeht. Nachdem das Vertrauen oder die Vertrauensbasis in den Sachregistern der großen Forensischen Standwerke keine Rolle spielt, wundert es  keinen Fachkundigen, dass die forensische Psychiatrie hier nichts zustande bringt. Sie wissen Wesentliches nicht (Differentielle Psychologie der Persönlichkeit, Entwicklungs-, Sozialpsychologie, Exploration, wissenschaftliche Methodik)  und wenn sie etwas wissen, wenden sie es nicht an und beachten die elementaren Voraussetzungen für eine Begutachtung nicht.

So wichtig eine Exploration ist, so darf man doch nicht übersehen, dass sie im günstigen Fall eine notwendige, keine hinreichende Bedingung vorstellt.  Ob man mündlich oder schriftlich exploriert, spielt hinsichtlich der Voraussetzungen keine Rolle. Die direkte mündliche Exploration hat aber den Vorteil, dass detailliert und sofort Verständnis- oder Ausdrucksprobleme besprochen werden können. Bei genauer Betrachtung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. dass die Befragten ihre innere Befindlichkeit wahrnehmen (Siehe: "Wie geht es Ihnen?") können
  2. dass die Befragten ihre inneren Wahrnehmungen angemessen beurteilen und bewerten können
  3. dass die Erfassung der inneren Befindlichkeit diese auch tatsächlich repräsentiert
  4. dass die Befragten den Sachverhalt einräumen können
  5. dass die Befragten den Sachverhalt einräumen wollen
  6. dass die Befragten den Sachverhalt ihrer inneren Wahrnehmungen angemessen ausdrücken (verbalisieren) können
  7. dass die Untersucherin angemessen exploriert (> Fehler)
  8. dass die Untersucherin die Äußerungen der Befragten so wie gemeint versteht
  9. dass die Untersucherin die Äußerungen der Befragten angemessen beurteilt und bewertet

In den bisherigen - rein formalistisch orientierten - Testtheorien werden 1) 2) 3) 4) 5) 6) unkritisch vorausgesetzt und gewöhnlich nicht weiter thematisiert,  was ich für einen schweren methodischen Fehler - auch der Psychologen - halte, weil hier das Fundament, die Basis, betroffen ist. Stimmt schon die Basis nicht, ist der gesamte Überbau in Frage gestellt und sei er mathematisch noch so eloquent ausgearbeitet. Bevor wir zum Quantitativen vorrücken können, muss das Qualitative der Datenerfassung angemessen geregelt und aufbereitet sein.

Quelle: http://www.sgipt.org/forpsy/NFPMRG/DatF.htm#Voraussetzungen%20der%20G%C3...

 

Fazit: Obwohl es gute Methoden gibt, nutzen diese nichts, wenn sie nicht angewendet werden (können). Man muss erst das Problem der allgemeinen methodischen und wissenschaftlichen Verwahrlosung wahrnehmen, bevor man es angemessen lösen kann. Ein guter Anfang wäre, sämtliche forensisch-psychiatrischen Zertifizierungen einzustellen und neu anzufangen - ohne die crème de la crème, denn diese ist verantwortlich für die methodische und wissenschaftliche Verwahrlosung.

Sehr geehrter Herr Dr. Sponsel,

soweit ich in Klammern Erläuterungen hinzufüge, sind die nicht für Sie gedacht - Sie wissen das Hinzugefügte natürlich.

 

Sie schreiben:

RSponsel schrieb:

Es gibt ja einigermaßen sichere Methoden in der forensischen Psychopathologie

Was heißt "einigermaßen" sicher? Wie groß darf der α-Fehler im statistischen Mittel sein (falsche Prognose: vom Probanden geht keine Gefahr aus, obwohl er  gefährlich ist), wie groß darf der β-Fehler im statistischen Mittel sein (falsche Prognose: vom Probanden geht eine Gefahr aus, obwohl er nicht gefährlich ist), damit eine Methode aus Ihrer Sicht "einigermaßen sicher" ist?

RSponsel schrieb:

aber sie werden von der forensischen Psychiatrie und Unterbringungsjustiz missachtet

Die "einigermaßen sicheren" Methoden werden von der institutionalisierten PSychiatrie nach Ihren Worten missachtet. Das könnte man verstehen -  wenn dies erfolgte, weil "einigermaßen sicher" als nicht gut genug verstanden würde.

 

Doch damit kein Missverständnis aufkommen kann: Das sagen Sie, sehr geehrter Herr Dr. Sponsel, nachdem Sie zahllose Gutachten untersucht haben, unter anderem alle "Mollath"-Gutachten, und dabei so viele und so gravierende Fehler feststellen mussten, dass Ihnen die Haare gelegentlich zu Berge standen - Ihren Worten folgend.

Sie sind also erstens in der Lage, Ihre Einschätzung aufgrund Ihrer Studien zu fundieren, zweitens meinen Sie in diesem Kontext offensichtlich, dass die angewandten "Methoden" nicht einmal "einigermaßen sicher" seien - was nur bedeuten kann:  Ihre Studien haben ergeben, dass es völlig unvertretbar ist, auf der von der Psychiatrie vertretenen Basis Entscheidungen zu treffen, die schwerwiegende Folgen haben.

Habe ich Sie richtig verstanden, sehr geehrter Herr Dr. Sponsel?

LG

 

Stella

5

RSponsel schrieb:

Fazit: Obwohl es gute Methoden gibt, nutzen diese nichts, wenn sie nicht angewendet werden (können). Man muss erst das Problem der allgemeinen methodischen und wissenschaftlichen Verwahrlosung wahrnehmen, bevor man es angemessen lösen kann. Ein guter Anfang wäre, sämtliche forensisch-psychiatrischen Zertifizierungen einzustellen und neu anzufangen - ohne die crème de la crème, denn diese ist verantwortlich für die methodische und wissenschaftliche Verwahrlosung.

"Gute Methoden", die "einigermaßen sicher" sind, ohne dass man auch nur einschätzen könnte, wie oft man mit diesen Methoden zu falschen Ergebnissen kommt?

 

Sie wollen den einen Schlendrian abschaffen, indem Sie einen neuen einführen: Von 1. bis 9. in dem von Ihnen angegebenen Schema ist der Subjektivismus das Problem: Kann der Proband sich nachvollziehbar ausdrücken? Kann der Gutachter ihn korrekt verstehen? Kann der Gutachter schließlich eine korrekte Bewertung vornehmen und aus allem den korrekten Schluss ziehen (und wie das geht, das lassen Sie ja auch noch völlig offen...)?  

 

Es sticht ins Auge, dass Ihr nur "einigermaßen sicheres" Verfahren nur dann in dem von Ihnen gewünschten Sinne funktionieren kann, wenn alles mit größtmöglicher Sorgfalt erfolgt und der Gutachter nur von dem Willen beseelt ist, eine korrekte empfehlung abzugeben. Sobald diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind,  haben Sie genau das, was Sie jetzt auch haben: Irgendwie wird exploriert, irgendwie macht der Gutachter sich ein Bild, irgendwie gibt er eine Empfehlung. Ganz abgesehen von Fällen, in denen der Gutachter krumme Wege geht, um eine Empfehlung geben zu können, die er zwar selbst nicht für korrekt hält, die sein Auftraggeber aber nach seiner Überzeugung haben will.

 

So kann das nichts werden: Man muss ganz neue Wege gehen, Wege, die mit der Messung von Gefühlen als Reaktionen auf bestimmte Reize einhergehen, z.B. So kommt man zu objektiven Daten, und aus denen kann man auch Schlüsse ziehen - wenn man entsprechende Forschungen hinter sich hat, die wir aber noch vor und haben!

5

RSponsel schrieb:

Fazit: Obwohl es gute Methoden gibt, nutzen diese nichts, wenn sie nicht angewendet werden (können)

zum Beispiel weil der zu Untersuchende nicht mit dem Psychologen sprechen will. Dann fallen die 9 Punkte nämlich schonmal weg.

 

Und dann? Stellt sich der Experte hin und erzählt: "Der spricht nicht mit mir, dann kann ich leider nicht gutachten." Nimmt dann der Richter den Würfel oder schaffen wir § 63 besser ab?

 

Das Problem mit der Prognose besteht doch genau dann, wenn man eben keine gewünschten Informationen bekommt. Herr Sponsel erklärt uns hier mit vielen Worten, dass Psychologie nur dann richtig funktioniert, wenn der Kandidat mitspielt. 

Auf dem Niveau komme ich aber sogar mit nur 2 Punkten auf eine sichere Vorhersage:

1. Der Betroffene weiss, ob er zu (weiteren) Gewalttaten neigt
2. Der Betroffene sagt es, wenn er es weiß.

Beides Ja -> § 63 (und Psychologen braucht man dafür auch nicht)
 

Also hat Prof. Müller vollkommen Recht:
"Nur weil es (bislang) keine sicheren Methoden gibt, zwischen für die Allgemeinheit gefährlichen und  ungefährlichen Personen zu unterscheiden, bedeutet das nicht, dass es Personen mit einem Gefährdungspotential überhaupt nicht gibt."

I.S. schrieb:

Also hat Prof. Müller vollkommen Recht:

"Nur weil es (bislang) keine sicheren Methoden gibt, zwischen für die Allgemeinheit gefährlichen und  ungefährlichen Personen zu unterscheiden, bedeutet das nicht, dass es Personen mit einem Gefährdungspotential überhaupt nicht gibt."

 

Diese Aussage ist aber keine Erklärung dafür, dass in untauglicher Weise willkürlich (alle Bewertungen und Entscheidungenspielen sich im Kopf des Gutachters ab, wobei niemand genau weiß, wie er das macht) "diagnostiziert" und"prognostiziert" wird, und diese Aussage an sich ist auch keine Antwort auf die gestellte Frage, wie viele falsch positive Opfer hingenommen werden dürfen (?).

Dass der Vorwurf, staatliche Stellen hätten grob willkürlich gehandelt, generell zu einer Wahndiagnose führt, ist zudem ein schwerer Anschlag auf die demokratische Meinungsfreiheit. Anhand des Falles Mollath sieht ja auch der Herr Prof. Müller, dass das Eingeständnis staatlich praktizierter Willkür offensichtlich nicht zum Repertoire der Justiz gehört, dass also eine erhebliche Gefahr besteht, berechtigte Kritik
abzuwürgen, indem man den Kritiker für wahnhaft krank erklärt. Das ist dann kein Unterschied mehr zu dem, was wir Jahrzehnte lang an der Sowjetunion kritisiert hatten, getragen übrigens von der ganzen Macht der deutschen Parteien und Medien...

Dass verhältnismäßig geringfügige Straftaten ausgerechnet dann zu 63er Fällen aufgebauscht werden, wobei es auch auf die Beweisbarkeit nicht mehr so genau ankommt, wenn jemand steif und fest behauptet, er und/oder nahe Angehörige sei bzw. seien Opfer von Staatsterror (z.B.: ungerechtfertigte Herausnahme eines Kindes aus der Familie), darf sicherlich auch nicht hingenommen werden.

Dass Herr Prof. Müller auf meine beiden letzten an ihn gerichteten Beiträge nicht eingeht, ist sehr bedauerlich.

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@Gast

> Wenn also ein Nachbarschaftsstreit zum Lebensinhalt wird. 

Bitte lesen sie zum Thema Nachbarschaftsstreit das Wortprotokoll

http://strate.net/de/dokumentation/Mollath-Hauptverhandlung-2014-07-17.pdf insbesondere die Worthmüller-Aussage. Es ist ja nicht nur ein Problem, das es keine Exploration gab, sondern dass die Akten einseitig interpretiert wurden. Eine Krankheit läßt sich aus den Akten gerade nicht ableiten, und die Ursachen, die zu solch einer krassen Fehldiagnose führten müssen beseitigt werden, wollen wir unseren Staat weiter Rechtsstaat nennen. 

5

@Sponsel

"dass sie im günstigen Fall eine notwendige, keine hinreichende Bedingung vorstellt..."

 

In einem Kommentar zu http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/psychiatrische-gutachten-zwisc... Max Kuehn:
 
"jeder Patient der nur das tut was ihm der Psyscho-Doc sagt, wird bald das sein Vertrauen haben und kann dann den Psyscho-Doc manipulieren. Selbst als Suizid gefährdeter konnte ich meine Psyschotherapeutin nach drei Sitzungen davon überzeugen, das ich keine stationäre Behandlung brauche.Gerettet hat mich dann mein Familienumfeld. Daher können die Gutachten der Psyschater nur den Augenblick wieder geben, sie können ihre Vermutungen festhalten doch sie können in keinen Menschen hinein schauen und wer etwas raffiniert ist, der bekommt das Gutachten was er braucht."

 

Dass eine Krankheitsdiagnose eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine tatsächliche Krankheit ist, kann ich nachvollziehen. Ist es aber nicht auch umgekehrt so, dass eine Gesundheitsdiagnose
mit einem erheblichen Unsicherhaitsfaktor versehen ist, dass geschickte Kranke den Gutachter manipulieren können? Wenn ein Gutachten nur beurteilen kann, wie gut sich der Begutachtete verstellen kann, hätte es wenig Sinn.

5

Das, worüber hier ständig ohne genaue Kenntnisse diskutiert wird, nämlich die Mollath-Hauptverhandlung vom 28.07.2014, befindet sich seit 04.08.2014, 07:22 Uhr als Wortprotokoll auf der Website des Verteidigers Dr. Strate, nämlich hier:

http://www.strate.net/de/dokumentation/index.html

Dateiname: Mollath-Hauptverhandlung-2014-07-28.pdf

5

Eine einigermaßen sichere Datenbasis ergibt sich aus sachkundiger Exploration

#40 Stella vom 04.08.2014

Statistische Raten helfen im Einzelfall nicht. Die mindestens 75% falsch Positiven können aber nur völlig entrückte und schamlose forensische Psychiater und Unterbringungsrichter einfach so hinnehmen. Ein Münzwurf wäre treffsicherer.

Wir brauchen eine Vertrauensbasis, etwa indem in einem ersten Schritt sämtliche DGPPN Zertifikate zurückgezogen und die Gutachter neu aufgestellt werden. Als erstes müssten sie lernen, eine Vertrauensbasis herzustellen und als zweites dann, richtig zu explorieren. Da der Fisch bekanntlich vom Kopf her stinkt, muss die crème de la crème von forensischen Aufgaben beurlaubt werden.

Es sind nicht nur die Mollathgutachten. Ich habe noch in kaum einem forensisch-psychiatrischen Gutachten eine richtige, d.h. vollständige ICD-10 Verschlüsselung gesehen. Und ich habe noch in keinem einzigen forensisch-psychiatrischen Gutachten eine lege artis Begründung für eine Persönlichkeitsstörung gesehen. Die können oder wollen das einfach nicht, obwohl die Kriterien und Regeln ja vorliegen.

Am schlimmsten sind aber ohne Zweifel Akten- und Meinungsachten ohne persönliche Exploration und Untersuchung. Das nenne ich methodisch und wissenschaftliche Verwahrlosung par excellence. Ich könnte auch sagen reiner Okkultismus oder ein forensisch-psychiatrisches Wahnsystem, nämlich mit unkorrigierbarer Gewissheit meinen, gutachten zu können, ohne zu wissen

Es gibt in der Psychopathologie keine objektiven Methoden ohne Einbeziehung des Subjektiven und es gibt keine objektiven Daten, die nicht der subjektiven Interpretation bedürften

#41 C64 vom 04.08.2014

Wer die notwendigen Bedingungen 1-9 einer verwertbaren Exploration kennt - die forensischen Psychiater kennen sie nicht (Beweis: nirgendwo veröffentlicht)  - kann sich um ihre Evaluation und Validierung kümmern. Das ist natürlich nicht einfach, mitunter sehr schwierig. Deshalb will Exploration (Vernehmen) ja gelernt sein. Und daher rührt mein "einigermaßen". Auch gute Explorationsergebnisse sind - nur oder immerhin-  einigermaßen sicher. Aber um ein Vielfaches sicherer als die Phantasien der okkulten Akten- und Meinungsachter Typ Dr. Leipziger, Prof. Dr. Kröber oder Prof. Dr. Nedopil.

Im Einzelfall nützen irgendwelche Forschungsergebnisse wenig. Es braucht, das sieht Nedopil* völlig richtig -  obwohl er sich wie die crème de la crème nicht daran hält - eine individuelle Delinquenztheorie. Und eine solche dürfte es ohne gute Exploration kaum geben.

*Nedpopil (2005), S. 195: "Um zu wissenschaftlich begründeten individuellen Risikoabschätzungen zu kommen, bedarf es einer wissenschaftlichen Theoriebildung und der Entwicklung von Hypothesen zur  Genese der Delinquenz des zu begutachtenden Patienten (Pollock, 1990; Rubin, 1972)."

 

@ Dr. Sponsel, #42,#43

 

Ihre "Methodik" ist nicht "Methodik", sondern baut darauf, dass ein Psychiater alles "richtig" macht, ohne dass Sie sagen, wie er es richtig macht - stattdessen reden Sie an der Stelle von guter Ausbildung und Erfahrung. Ihre Angriffe auf den sichtbar gewordenen Status Quo, dokumentiert u.a. durch die Behauptung, aktuell habe man es mit einer Quote von 75% falsch positiver Gutachten zu tun, wirken zwar beeindruckend - in Wahrheit haben Sie aber nichts anderes zu bieten: Auf Basis eines Gesprächs und vorhandener Akten überlegt ein Psychiater sich, welche Kathegorisierung nach ICD-10 am besten passen könne. Und dann findet tier im Gutachter noch die Überlegung statt, ob der dem Probanden Gefährlichkeit attestieren solle, oder nicht. Im Grunde alles wie gehabt, und das vor dem Hintergrund, dass Sie selbst eine Quote von 75% falsch positiv schätzen.

 

Nein, Dr. Sponsel, so gelangt man nicht zu einer wissenschaftlichen Psychiatrie, die valide Ergebnisse produzieren kann, so konserviert man Unwissenschaftlichkeit, Motto: "Der König ist tot (was hatte er uns enttäuscht!), es lebe der (neue) König (mit dem wird bestimmt alles besser!).

5

Gast schrieb:

 

Gustl Mollath und die Tücken des Maßregelvollzugs

 

http://blog.psychologie-heute.de/gustl-mollath-und-die-tuecken-des-massr...

 

Quote:
[...] Gustl Mollath verweigerte sich seiner Unterbringung im Maßregelvollzug. Offenbar wurde seine Haltung bei den regelmäßigen prognostischen Einschätzungen (zur Erprobung seiner Entlassung) als Beleg für seine fortbestehende, deshalb gefährliche Aggressivität gewertet – womit die Notwendigkeit seiner Unterbringung begründet und festgeschrieben wurde. So entstand ein therapeutisches wie juristisches Patt, das die öffentliche Diskussion in Bewegung brachte und die Anordnung des Wiederaufnahmeverfahrens aufhob.

(Hervorhebung von Stresstest)
 
http://blog.psychologie-heute.de/gustl-mollath-und-die-tuecken-des-massr...
 
... wer und wann hat die Anordnung des Wiederaufnahmeverfahrens im Fall Mollath aufgehoben?
 
 
Stresstest - "Großraum Krefeld"

5

... das "Reifenstecherei-Opfer" und Psychiater Dr. Thomas Lippert gibt eine nicht näher definierte Schuld der Psychoanalyse:
 

Quote:
Thomas Lippert sagte am 5. August 2014 um 23:05 :

Schuld hat im wesentlichen die Psychoanalyse.

Ich distanziere mich förmlich vom Inhalt des geposteten Pamphlets:

http://www.psychiatrie-und-ethik.de/wpgepde/der-fall-mollath-nach-einem-...


 
http://gabrielewolff.wordpress.com/2014/07/04/der-fall-gustl-mollath-die...

 

Stresstest - "Großraum Krefeld"

0

Ergänzung: Der Vorwurf der generellen Willkür ergibt sich daraus, dass sowohl die Bestimmung des Prüfungsumfanges  als auch alle Bewertungen und Entscheidungen ausschließlich im Kopf des Gutachters stattfinden, wobei es völlig im Dunkeln bleibt, warum so und nicht anders. Man kann hier nicht einmal von einer Methodik reden - denn eine Methodik führte bei ihrer Anwendung durch verschiedene Gutachter stets zum Selben Ergebnis, weil sie auf festen Regeln für die Bestimmung des Prüfungsumfanges und die Vornahme von Bewertungen und Entscheidungen baute.

0

So ist es in Anbetracht der herrschenden Begutachtungen auch Unsinn, wenn eine "hohe Wahrscheinlichkeit" dafür gefordert wird, dass es zu neuen "erheblichen   Straftaten" komme:

 

Was ist eine "hohe Wahrscheinlichkeit?" 99%, oder 95%, oder 80% oder, oder?  Vor allem aber: An dieser Stelle wäre es egal, wofür man sich entschiede:  Die Ermittlung objektiver Wahrscheinlichkeiten kann von den Gutachtern auf derzeitiger Basis ohnehin nicht geleistet werden (anders als bei wissenschaftlich durchgeführten Prognosen)!

 

Man hat es ja auch gesehen, als im Falle Mollath ein Gutachter zunächst behauptet hatte, von Mollath würden "wahrscheinlich" Straftaten zu erwarten sein, was dazu führte, dass Rechtsanwalt Dr.. Miachael Kleine-Cosack erklärte, dass das nicht reichen würde, um Mollath festzuhalten, höchstrichterliche Rechtsprechung forderte dafür eine "hohe Wahrschewinlichkeit" der Begehung zukünftiger Straftaten.

 

Daraufhin änderte der Gutachter (auf Wunsch des Gerichtes?) seine "Prognose" dahingehend, dass er von "hoher Wahrscheinlichkeit" sprach.  Sonst brauchte er nichts zu ändern, alles andere passte nach wie vor (und hätte auch zu jeder anderen "Prognose" gepasst...).

 

Gibt es denn wirklich noch Leute, die nicht sehen (wollen), was von dieser Art der Psychiatrie zu halten ist?

5

Sehr geehrte Stella,

Sie scheinen anzunehmen, dass ich die konkreten Gutachten im Fall Mollath hier verteidigen wolle (Ihr Beispiel zum Gutachten  Pfäfflin), eine - angesichts dessen, was ich hier  seit mehr als 1,5 Jahren geschrieben habe - absurde Annahme. Das will ich nicht - im Gegenteil. Zunächst meinten Sie, jede Psychiatrie sei (notwendig) willkürlich. Darauf habe ich geantwortet, dies gebe allen Psychiatern ein Alibi für "schlechte" Gutachten. Ohne auf diesen Einwand einzugehen, unterscheiden Sie nun doch zwischen "sauberen" und "unsauberen" Methoden. Sie stimmen mir also zu (?). Dann wieder verorten Sie mich (wohl irrtümlich, weil Sie meine Beiträge nicht gelesen haben) bei denjenigen, die eine missbräuchliche Anwendung des § 63 StGB für richtig halten.

Unter diesen Umständen ist es sehr schwierig zu diskutieren. Eine Kritik der existierenden psychiatrischen Gutachtenpraxis geht m.E. nur über eine konkrete Kritik. Wer, wie Sie anfangs dieser Debatte, jede denkbare Psychiatrie allein deshalb für notwendig(!) willkürlich hält, weil es subjektive Spielräume gibt, hat ein sehr enges Wissenschaftsverständnis und müsste in der Konsequenz damit etwa die Hälfte der derzeit an Universitäten gelehrten Fächer (einschließlich weiten Teilen der der somatischen Medizin) ablehnen. Ich möchte aber gar nicht in eine allgemeine Wissenschaftsdiskussion eintreten, der Fall Mollath ist selbst komplex genug.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

 

Sie schreiben:

Henning Ernst Müller schrieb:

Sie scheinen anzunehmen, dass ich die konkreten Gutachten im Fall Mollath hier verteidigen wolle (Ihr Beispiel zum Gutachten  Pfäfflin), eine - angesichts dessen, was ich hier  seit mehr als 1,5 Jahren geschrieben habe - absurde Annahme. Das will ich nicht - im Gegenteil.

Sie scheinen allerdings zu hoffen, dass das im Falle Mollath Erlebte Ausnahmecharakter habe - oder weshalb sonst wollen Sie an der herrschenden Psychiatrie festhalten?

 

Sie schreiben weiterhin:

Henning Ernst Müller schrieb:

Zunächst meinten Sie, jede Psychiatrie sei (notwendig) willkürlich. Darauf habe ich geantwortet, dies gebe allen Psychiatern ein Alibi für "schlechte" Gutachten. Ohne auf diesen Einwand einzugehen, unterscheiden Sie nun doch zwischen "sauberen" und "unsauberen" Methoden.

Ich hatte nicht behauptet, dass Psychiatrie notwendig willkürlich sei, sondern, und das ist ein erheblicher Unterschied, dass die herrschende Psychiatrie notwendig willkürlich sei, dass Psychiatrie aber nicht willkürlich sein dürfe. Dass ich generell zwischen sauberen (wissenschaftlichen) und unsauberen (unwissenschaftlichen) Methoden unterscheide, trifft zwar zu, bedeutet aber nicht, dass ich der herrschenden Psychiatrie zuspreche, über saubere Methoden zu verfügen - das tut sie eben gerade nicht.

 

Sie schreiben weiterhin:

Henning Ernst Müller schrieb:

Sie stimmen mir also zu (?).

Nein, ich stimme Ihnen nicht zu, soweit Sie meinen, die herrschende Psychiatrie verfüge über saubere Methoden, sondern widerspreche Ihnen in diesem Punkte energisch. Ich hatte Sie weiter oben sogar darum gebeten,  mindestens 1 sauberes Verfahren zu nennen, über das die Psychiatrie nach Ihrer Meinung verfüge, und, falls Sie den Standpunkt beibehalten wollen, die Psychiatrie verfüge über saubere Methoden, so fordere ich Sie auf, ein solches sauberes Verfahren zu nennen.

Sie schreiben weiterhin:

Henning Ernst Müller schrieb:

Dann wieder verorten Sie mich (wohl irrtümlich, weil Sie meine Beiträge nicht gelesen haben) bei denjenigen, die eine missbräuchliche Anwendung des § 63 StGB für richtig halten.

Sehr geehrter Herr Prof. Müller, ich halte Sie nicht für einen Freund des Unrechts, und gerade deshalb verwundert es mich ja, dass Sie an einer Psychiatrie festhalten wollen, die zwangsläufig (nicht gleichbedeutend mit: in allen Fällen) Unrecht produziert und die denen, die ein Werkzeug der Willkür haben wollen, das perfekte Werkzeug ist.

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Unter diesen Umständen ist es sehr schwierig zu diskutieren. Eine Kritik der existierenden psychiatrischen Gutachtenpraxis geht m.E. nur über eine konkrete Kritik. Wer, wie Sie anfangs dieser Debatte, jede denkbare Psychiatrie allein deshalb für notwendig(!) willkürlich hält, weil es subjektive Spielräume gibt, hat ein sehr enges Wissenschaftsverständnis und müsste in der Konsequenz damit etwa die Hälfte der derzeit an Universitäten gelehrten Fächer (einschließlich weiten Teilen der der somatischen Medizin) ablehnen.

 

Noch einmal: Ich richte mich nicht gegen jede denkbare Psychiatrie, sondern gegen die herrschende Psychiatrie, und die kennt tatsächlich keine objektiven Verfahren und keine Produktion valider Ergebnisse, sondern baut ausschließlich auf subjektiven Einschätzungen, auf absolut nichts anderem, und ist deshalb eben - selbst ohne Kenntnis auch nur eines einzigen Gutachtens - abzulehnen. Um das sicher festzustellen, braucht man auch keine Gutachten zu lesen, die auf nichts anderem als auf subjektiven Einschätzungen und zum Teil gar auf Lügen und Täuschungen bauen, Letzteres eben dann, wenn ein Psychiater ein bestimmtes Ergebnis produzieren will, die Tatsachen dazu aber nicht zu passen scheinen.

 

So, wie dort gearbeitet wird, verkürzt gesagt, kann man nicht erwarten, dass taugliche Ergebnisse produziert werden, und kriminell wird es, wenn geringfügige Anlassstraftaten dazu herhalten müssen, Leute auf Basis solcher Psychiatrie nach §§ 81 StPO und 63 StGB zwangsweise in der Psychiatrie unterzubringen.

 

Sie unterstellen mir, siehe oben, ich hätte Ihre Beiträge nicht gelesen oder würde Sie falsch einschätzen - die Wahrheit ist, dass es mir unbegreiflich ist, wie jemand, der sich als Verteidiger der Gerechtigkeit gibt, so wie Sie, sich mit einer untauglichen Psychiatrie abfinden kann, die immer wieder ihre Opfer erzeugt und die bei  Bedarf ein teuflisches Werkzeug der Willkür ist.  Diese Ansicht wird ja nicht nur von mir vertreten,  sie wird  erkennbar auch von Herrn Dr. Rudolf Sponsel bestätigt, der sich dabei auf die gründliche Prüfung einer größeren Zahl von forensischen Gutachten stützen kann.

 

Vielleicht geht es Ihnen ja nur um den Fall Mollath, aus meiner Sicht geht es um Grundsätzliches, und vielleicht geht es Ihnen ja nur um das Diskutieren um des Diskutieren willens, während es mir und den meisten anderen hier darum geht, dass wir einen demokratischen Rechtsstaat wollen, der diesen Namen auch verdient hat

 

 

LG

 

Stella

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Methoden- und Methodenproblembewusstsein in der (forensischen) Psychiatrie

#50, Stella vom 06.08.2014

Ich habe mal begonnen, die letzten 250 Jahre Methoden- und Methodenproblembewusstsein in der (forensischen) Psychiatrie genauer unter die Lupe zu nehmen. Das (bisherige) Ergebnis ist - nach Auswertung von 28 Arbeiten - ebenso ernüchternd wie erschütternd:

http://www.sgipt.org/forpsy/NFPMRJ/Methode/MdMU.htm

Und nicht vergessen: Methodisch vorgehen heißt, Schritt für Schritt, ohne Lücken, von Anfang bis Ende, Wege und Mittel zum (Erkenntnis-) Ziel angeben. Dieses Verständnis scheint aber auch in der Unterbringungsjustiz weitgehend zu fehlen, sonst wäre nicht verständlich, wie viele okkulte Meinungsachten - wahrscheinlich nicht nur in Bayern - durchgewunken werden. Und die Rechtswissenschaft schaut zu ...

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