Klare Kante: Vorläufige Einstellung in Akte muss den Aussteller erkennen lassen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.06.2014

OWi-Akten sind naturgemäß Massensachen. Da kann es auch schonmal etwas ungenauer laufen. So war das bei einem Fall, den das OLG Hamm zu entscheiden hatte. Die etwas labberige Bearbeitung bei der Verwaltungsbehörde führte zum Verfahrenshindernis der Verjährung:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 54 km/h zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt und ihm ein einmonatiges Fahrverbot auferlegt.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts in allgemeine Form, erhebt eine Verfahrensrüge und macht das Verfahrenshindernis der Verjährung geltend.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Verfahren nach §§ 46 OWiG, 206a StPO einzustellen.

II.

Das angefochtene Urteil war auf die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin aufzuheben und das Verfahren nach §§ 46 OWiG, 206a StPO einzustellen, da Verfolgungsverjährung nach § 26 Abs. 3 StVG eingetreten ist.

Der Betroffene soll die ihm zur Last gelegte Tat am 08.02.2013 begangen haben. Zunächst lief die dreimonatige Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 3 StVG. Der am 27.02.2013 erlassene Bußgeldbescheid konnte ihm zunächst nicht zugestellt werden, da die Adressangabe (möglicherweise aufgrund einer Verwechslung des Wohnortes schon bei Aufnahme des Sachverhalts durch die Polizei) falsch war. Der Erlass dieses Bußgeldbescheides hat die Verjährung zum Zeitpunkt des Erlasses nicht unterbrochen, da er nicht binnen zwei Wochen zugestellt werden konnte (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG).

Mit einer nicht unterzeichneten und auch sonst die Person des Ausstellers namentlich nicht erkennen lassenden, offensichtlich nicht automatisierten Verfügung vom 08.03.2013 wurde das Verfahren vorläufig eingestellt. In der Folgezeit erließ die Verwaltungsbehörde am 21.03.2013, 08.04.2013, 08.05.2013 und 29.05.2013 Anordnungen zur Feststellung des Aufenthalts des Betroffenen. Die vorläufige Einstellung war vorliegend nicht geeignet die Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG zu unterbrechen. Nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ist die Verjährung bei – wie hier – schriftlichen Anordnungen in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem die Anordnung unterzeichnet wird. Mangels Unterzeichnung lässt sich dieser Zeitpunkt nicht feststellen. In der Rechtsprechung wird als Unterzeichnung auch ein Handzeichen für ausreichend erachtet (OLG Dresden DAR 2004, 534; OLG Hamm, Beschl. v. 11.08.2005 – 2 SsOWi 312/05 – juris; OLG Zweibrücken NZV 2001, 483). Darüber hinaus soll selbst das Fehlen eines solchen Handzeichens unschädlich sein, wenn sich der behördliche Wille der Unterbrechungshandlung auf andere Weise mit Gewissheit feststellen lässt (OLG Hamm a.a.O.; BayObLG, Beschl. v. 20.11.2003 – 1 ObOWi 459/03 –juris LS; vgl. auch OLG Saarbrücken ZfSch 2009, 532). Ob an dieser Ansicht im Hinblick auf den Wortlaut des § 33 Abs. 2 OWiG in dieser Allgemeinheit festgehalten werden kann, mag hier dahinstehen. Im vorliegenden Fall lässt sich der o.g. behördliche Wille nicht mit Sicherheit feststellen. Die Verfügung über die vorläufige Einstellung lässt noch nicht einmal ihren Aussteller (etwa durch einen aufgedruckten Namenszusatz) erkennen und während die Verfügungen zur Aufenthaltsermittlung jeweils eine – wenn auch unleserliche – Unterschrift aufweisen, ist dies bei dieser Verfügung nicht der Fall.  Angesichts dessen kann nicht mit letzter Sicherheit entschieden werden, ob es sich bei der Verfügung lediglich um einen Entwurf oder aber um eine vom behördlichen Willen getragene Unterbrechungshandlung handelt. Angesichts dessen hatten auch die nachfolgenden Anordnungen zur Aufenthaltsermittlung keine verjährungsunterbrechende Wirkung.

Als der Bußgeldbescheid dem Betroffenen am 26.06.2013 schließlich zugestellt wurde, war bereits Verfolgungsverjährung eingetreten, da ansonsten keine verjährungsunterbrechenden Handlungen ersichtlich sind.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 46 OWiG, 467 Abs. 1 StPO. § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO ist hier schon deswegen nicht anwendbar, weil die Verjährung hier vor der Zustellung des Bußgeldbescheids an den Betroffenen eingetreten ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Vorschrift nicht anwendbar ist, wenn Verjährung bereits vor Erlass des Bußgeldbescheids eingetreten ist (OLG Düsseldorf NZV 2002, 521, 522; vgl. auch KG StV 1991, 479), denn dann wäre das Entstehen von Auslagen für den Betroffenen ganz oder im Wesentlichen vermeidbar gewesen. Entsprechendes muss gelten, wenn hier eine erneute Zustellung des Bußgeldbescheides, mehrere Monate nach seinem Erlass veranlasst wird und die Tat inzwischen verjährt ist.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 25.3.2014 - 1 RBs 45/14

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