Betreuungsunterhalt bei behindertem Kind und studierender nichtehelicher Mutter

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 20.05.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht8|4535 Aufrufe

Die nicht verheirateten Kindeseltern studierten zunächst beide. Im Oktober 2010 kam ihr Kind T. zur Welt. Es leidet unter dem sog. Down-Syndrom und ist in Pflegesteife II eingestuft. 

Die Mutter hat das seit der Schwangerschaft und der Geburt unterbrochene Studium wiederaufgenommen. Sie lebt seit der Trennung im Haushalt ihrer Eltern. 

Das Kind besucht von täglich 09.00 Uhr bis 15.00 Uhr eine Kindertagesstätte.

Die Kindertagesstätte ist für behinderte Kinder besonders eingerichtet und verfügt über ausgebildete Betreuungskräfte und Therapeuten. Während der Ferien und an den Wochenenden versorgt ausschließlich die Mutter das Kind. T. benötigt nach dem Aufstehen ca. eine Stunde, um sein Frühstück zu sich zu nehmen, wobei er gefüttert werden muss. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts verlässt die Antragstellerin morgens um 08:30 Uhr das Haus und gibt T. um 09:00 Uhr bei der Kindertagesstätte ab. Ab 09:30 Uhr ist die Antragstellerin wieder zu Hause und geht dann dem Studium nach. Spätestens um 14:30 Uhr verlässt sie wieder das Haus, um das Kind gegen 15:00 Uhr bei der Kindertagesstätte abzuholen. Danach findet wieder die persönliche Betreuung durch die Antragstellerin statt. T. konnte zunächst zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Kindertagesstätte infolge seiner Behinderung weder gehen noch stehen, weder sprechen noch kauen sowie nicht selbstständig essen oder trinken. Der Antragsgegner hat unwidersprochen vorgetragen, dass T. inzwischen erhebliche Fortschritte gemacht habe und zwischenzeitlich auch laufen könne. Vierteljährlich nimmt das Kind in Begleitung seiner Mutter an einer ärztlich verordneten Intensiv-Therapie-Woche in B. teil. Außer den wöchentlichen zusätzlichen Therapieeinheiten muss die Mutter mit dem Kind täglich zusätzliche Übungen zuhause absolvieren.

Der Vater hat sein  Studium abgeschlossen und ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter leistungsfähig.

Bis Oktober 2012 hat er Betreuungsunterhalt an die Mutter gezahlt. Strittig ist der Betreuungsunterhalt ab November 2012.

Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 28.04.2014 - 2 UF 238/13) unterscheidet für die Zeit bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres (Oktober 2013) und die Zeit danach:

a) In den ersten 3 Jahren nach der Geburt kann die Mutter Betreuungsunterhalt verlangen,  soweit sie keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, weil wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit von ihr nicht erwartet werden kann. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass die Kinderbetreuung der alleinige Grund für die Nichterwerbstätigkeit ist. Bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres trifft die betreuende Mutter einschränkungslos keine Erwerbsobliegenheit. Die Mutter kann grundsätzlich nicht auf eine Fremdbetreuung verwiesen werden. Die Mutter verliert ihren Unterhaltsanspruch während der ersten drei Lebensjahre des Kindes auch dann nicht, wenn sie neben der Kinderbetreuung ihr Studium fortsetzt.

In der Höhe rechnet der Senat mit dem Existenzminimum von 800 €, der studentische Bedarf von 670 € wäre m.E. zumindest zu diskutieren gewesen.

b) Die Zeit des Betreuungsunterhalts ist über die Dreijahresfrist zu verlängern, wenn dies der Billigkeit entspricht. In Betracht kommen kindes- und elternbezogene Gründe.

Dass die Antragstellerin wegen der Geburt und der nachfolgenden Betreuung des Kindes ihr Studium unterbrochen hat, während der Antragsgegner in diesem Zeitraum sein Studium abschließen konnte, stellt nach Auffassung des Senats für sich allein keinen Umstand dar, der aus Billigkeitsgründen eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltes rechtfertigen würde.

Im Hinblick auf die Zeit der Unterbringung in der Kindertagesstätte sei der Mutter eine Halbtagestätigkeit zumutbar. Mit einer solchen könne sie den ihr zustehenden Unterhalt in Höhe von 800 € selbst sicherstellen und habe keinen Anspruch mehr gegen den Vater.

Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen. Man darf gespannt sein.

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8 Kommentare

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Wer braucht in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland schon Akademiker - Pakete sortieren für Zalando oder Amazon sind die wahren Zukunftsbranchen ...

Die Mutter soll also nachmittags das Kind betreuen und die vorgeschriebenen Übungen absolvieren und vormittags arbeiten, um die Kita zu finanzieren und hat keinerlei Möglichkeiten zur beruflichen Entwicklung - und der Vater trägt überhaupt nichts zum Kindesbetreuung bei?

Nicht gerade das, was ich mir unter Art. 6 (1),(2) und (4),(5) sowie Art. 3 (2) GG vorstelle.

Der Vater hat für das Kind Barunterhalt gemäß DT zu zahlen.

I.Ü. Macht es (hinsichtlich des Partnerunterhalts) halt immer noch einen großen Unterschied, ob man Kinder verheiratet oder nicht verheiratet in die Welt setzt.

Hopper schrieb:
 der studentische Bedarf von 670 € wäre m.E. zumindest zu diskutieren gewesen.
Weshalb? Wenn die Mutter de facto zum Studienabbruch verurteilt wird, wie kann dann ein "studentischer Bedarf" in Frage kommen?

Und aus welchem sachlichen Grund soll das Existenzminimum eines Studenten, der nicht zuhause wohnt, geringer liegen als das eines Nichtstudenten?

Hallo,

 

mit einer haltags-Tätigkeit zwischen 09:00 Uhr und 15:00 Uhr 800,00 EUR netto verdienen? Respekt, wo spielt der Fall? In Zuffenhausen?

 

M.E. hätte doch hier eine Kombination aus kind- und elternbezogenen Gründen dazu herhalten können, zumindest für einen Übergangszeitraum (Dauer Unterbrechung Studium) eine weitere Unterhaltspflicht zu bejahen.

 

MfG

Peter H.

Ich denke, einige Kommentatoren sollten folgendes bedenken. Auf der einen Seite ist die Erziehung eines behinderten Kindes sicher kein leichtes Los, welches man niemandem wünschen würde. Auf der anderen Seite sollte man nicht automatisch die Mutter zu einem armen Opfer stempeln, die irgendwie ohne Ihr zutun und ohne ihren Willen an ein Kind gekommen ist. Ich würde aufgrund der fehlenden Ehe davon ausgehen, dass hier der Vater sich eher kein Kind gewünscht hatte. Weiterhin hat sie das Kind betreuen lassen, so würde ich das Urteil zumindest intepretieren, doch die Fortsetzung des Studiums scheinbar nicht zur Priorität gemacht. Klar musste sie nicht, aber wenn etwas als wichtiges und in einer solchen Lebenssituation notwendiges Ziel erscheint, nutzt man doch jede Möglichkeit. Ich würde bei dem Urteil davon ausgehen, dass vermutlich das Studium eher nicht in absehbarer Zeit erfolgreich abschließbar war. Daneben ist hier die Frau nicht mittellos, nach den drei Jahren lebt üüblicherweise ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gegenüber den Eltern wieder auf. Es sei denn, dieser ist längt verloschen, weil das Studium nicht mit entsprechendem Eifer betrieben wurde. Wenn sich Opfer und Täterrollen in den Köpfen festsetzen, ist es manchmal schwer, die Möglichkeit in Betracht zu fassen, dass es möglicherweise gerade auch aus Kindswohlgründen nicht erstrebenswert ist, bei temporär unpassender Lebensplanung Plan B=Kind zu einem Studienfinanzierungs- und alternativen Lebensmodell zu machen, mit dem auch die Eltern bei den Ausbildungskosten entlastet werden.

 

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