Prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Großbritannien: 1,4 Millionen moderne Tagelöhner

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.05.2014

Ein Artikel von Theurer in der FAZ vom 7.5.2014 beschreibt sehr plastisch eine besonders problematische Entwicklung des modernen Arbeitslebens in Großbritannien: die Rückkehr der Tagelöhner. Es geht um Arbeitnehmer, die auf der Basis sog. „zero hour contracts“ tätig werden. Der Arbeitnehmer hat sich auf Abruf bereit zu halten, erhält aber keine Garantie, dass er auch arbeiten kann. In den vereinbarten Zeiten muss er sich zur Verfügung halten. Nicht selten erfahren die Arbeitnehmer offenbar erst am selben Tag, ob ihre Arbeitskraft in Anspruch genommen wird oder nicht. Schon im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass solche Nullstundenverträge in Großbritannien zunehmen und manche Unternehmen – wie z.B. McDonald´s – schon 90% ihrer Mitarbeiter auf dieser Basis beschäftigten. Nunmehr ist eine brisante Erhebung des britischen Statistikamtes bekannt geworden, die verdeutlicht, dass diese prekäre Beschäftigungsform weit größere Bedeutung hat als bisher angenommen. Rund 1,4 Millionen solcher Arbeitsverhältnisse sollen demnach auf der Insel existieren. Der Umfrage zufolge nutzt rund die Hälfte aller Unternehmen im Tourismus, in der Gastronomie und der Lebensmittelwirtschaft solche Arbeitsverträge. Und selbst im Buckingham Palace kann man solchen Tagelöhnern – als „guide“ – begegnen. Erstaunlich spät ist jetzt die Debatte darüber in Gang gekommen. Ein generelles Verbot solcher Nullstundenverträge wird allerdings weder von der Regierung noch der Opposition gefordert. Offenbar wird der Flexibilität des Arbeitsmarktes (Nachwirkungen der Thatcher-Ära?) überaus große Bedeutung beigemessen. Außerdem fallen solche Arbeitnehmer aus der Arbeitslosenstatistik heraus, schließlich besitzen sie ja einen Arbeitsvertrag. Im deutschen Arbeitsrecht wären solche Gestaltungen nicht denkbar. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie die Rechtsprechung des BAG zur Arbeit auf Abruf (NZA 2006, 423) setzen hier Grenzen. Damit ist nicht gesagt, dass die Realität im deutschen Arbeitsleben stets der Rechtslage entspricht. 

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