Bewährungswiderruf trotz neuer Bewährungsstrafe

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.04.2014

§ 56f StGB verhält sich über den Bewährungswiderruf. Hier ging es um § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB: 

(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person

1.    in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,

Was ist aber, wenn die "neue Verurteilung" wieder zu einer Bewährung führte? Gilt dann diese neuere Bewährungsprognose auch für die Beurteilung des Widerrufsgrundes? Das OLG Hamm hat das jetzt für den Fall einer Bewährungsaussetzung eines Strafrestes und einer neuen Bewährungsverurteilung im Strafbefehlswege verneint:

I.

Der schon vielfach (meistens) wegen Diebstahls vorbestrafte Verurteilte wurde durch das Amtsgericht Bonn mit Urteil vom 12.09.2007 wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt.  Nach Verbüßung von 2/3 dieser Strafe hat die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung der Reststrafe mit Beschluss vom 02.04.2009 (rechtskräftig ab dem 17.04.2009) zur Bewährung           ausgesetzt und die Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung von 2/3 zum 16.06.2009 angeordnet. Die  Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Mit Schreiben vom 18.06.2012 hat die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten unter Hinweis auf eine Reihe laufender Ermittlungsverfahren darauf hingewiesen, dass ein Straferlass zur Zeit ausscheide und der Verurteilte auch mit einem Widerruf rechnen müsse.

Wegen Taten, die in der Bewährungszeit begangen wurden, ist der Verurteilte inzwischen mehrfach rechtskräftig verurteilt worden. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Koblenz wurde gegen ihn wegen Diebstahls eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 10 Euro verhängt. Die Tat hatte der Verurteilte am 16.07.2011 begangen. Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.12.2012 (45 Ns 56/12 – 221 Js 877/09) wurde gegen ihn eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten verhängt. Den zu Grunde liegenden Diebstahl (CDs im Gesamtwert von 180 Euro) hatte der Verurteilte am 25.04.2009 begangen. Schließlich wurde gegen ihn mit Strafbefehl des Amtsgerichts Siegburg vom 19.12.2013 (208 Ds 64/11 – 665 Js 1721/10) eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr wegen Diebstahls in vier Fällen verhängt. Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Zu Grunde lagen dem u.a. Diebstahlstaten, die am 31.03.2012 und am 20.07.2012 begangen worden waren. Es handelte sich um Ladendiebstähle (u.a. Modelautos im Wert von 154 Euro). Der Strafbefehl ist nach §§ 407, 408a StPO erlassen worden, weil der Verurteilte zur Hauptverhandlung nicht erschienen war,

Nach schriftlicher Anhörung des Verurteilten hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss die Reststrafenaussetzung zur Bewährung unter Hinweis auf die neue Verurteilung durch das Landgericht Dortmund nach § 56f Abs. 1 StGB widerrufen.

Gegen den Beschluss wendet sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde, mit der er geltend macht, dass mildere Maßnahmen nach § 56f Abs. 2 StGB ausreichend seien. Er bemühe sich um eine Therapie, mit der er sein „pathologisches Kaufen“ aufarbeiten wolle. Vom 12.12.2013 an bis Ende Januar  sei er zu diagnostischen Zwecken in der Uniklinik Bonn, Abteilung für Neurologie/Psychiatrie gewesen. Danach könne man sich ein konkretes Bild von seiner Krankheit machen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das statthafte und zulässige Rechtsmittel des Verurteilten ist unbegründet. Ein Widerrufsgrund i.S.d. § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt mit der Tat vom 25.04.2009, im Übrigen aber mit den Taten vom 16.07.2011 und vom 31.03.2012 vor. Die Bewäh-rungszeit begann mit der Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses  (vgl. § 56a Abs. 2 StGB;  Fischer, StGB, 60. Aufl., § 57 Rdn. 37; Stree/Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 56a Rdn. 3) am 17.04.2009, nicht erst mit der Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft.

Mildere Mittel i.S.d. § 56f Abs. 2 StGB reichen hier nicht aus. Zwar liegt die letzte aktenkundig gewordene Straftat des Verurteilten inzwischen über 1 ½ Jahre zurück. Der Verurteilte zeigt auch Therapiebemühungen, um seine von ihm behauptete Krankheit des „pathologischen Kaufens“ zu bekämpfen. Andererseits ist zu sehen, dass der Verurteilte über mehrere Jahrzehnte hinweg immer wieder wegen Dieb-stahls in Erscheinung getreten ist und ihn weder bereits vollstreckte Freiheitsstrafen noch laufende Bewährungen von der Begehung neuer Straftaten abgehalten haben. Gerade auch die in größeren Zeitabständen begangenen neuen Straftaten in der hier relevanten Bewährungszeit zeigen, dass der bisher nach der letzten bekannt gewor-denen Tat eingetretene Zeitablauf nicht hinreichend relevant für eine günstige Prog-nose ist. Die –wenn auch späten - Therapiebemühungen des Verurteilten sind zwar anerkennenswert, letztlich begründen aber auch sie keine günstige Prognose. In dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.12.2012 wird zwar eine Behandlungsbedürftigkeit des Kauf- bzw. Stehlverhaltens des Verurteilten gesehen. Eine erfolgreiche Therapie hat aber insoweit noch nicht stattgefunden. Ausweislich des Entlassungsberichts der Therapieeinrichtung N vom 27.06.2013 wurden die Therapieziele nicht erreicht. Der Aufenthalt in der Uniklinik C diente bisher nur der Diagnose, nicht aber der Therapie.

Auch der Umstand, dass in der zuletzt erfolgten Verurteilung durch Strafbefehl des Amtsgerichts Siegburg vom 13.12.2013 die Strafe wiederum zur Bewährung aus-gesetzt worden ist, gebietet nicht, vom Widerruf abzusehen. Grundsätzlich ist es zwar naheliegend, sich bei der Stellung der Prognose der sachnäheren Einschätzung des Tatrichters anzuschließen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die neue Entscheidung nicht nachvollziehbar oder nur formelhaft begründet worden ist (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 03.02.2009 – 2 Ws 15/09 = BeckRS 2009, 23031 m.w.N.). Die Strafaussetzung zur Bewährung im genannten Strafbefehl wurde überhaupt nicht begründet. Der Tatrichter hat den Verurteilten in der Hauptverhandlung überhaupt nicht gesehen. Seine Erkenntnisse hinsichtlich einer Legalprognose gingen daher nicht über die hinaus, die der Senat hat. Einem solchen Strafbefehl kann daher keinerlei präjudizielle Wirkung zukommen.

Der Widerruf ist auch nach Ende der Bewährungszeit möglich. Auf einen Vertrauensschutz kann sich der Verurteilte angesichts des entsprechenden Hinweises der Strafvollstreckungskammer nicht berufen.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 6.2.2014 - 1 Ws 36/14

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen