BGH-Senate bleiben uneins

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 30.03.2014

Von dem Anfragebeschluss des 4. Strafsenats, der hinsichtlich der Frage, ob eine Bewertungseinheit beim Handeltreiben in nicht geringer Menge auch mehrere zugrundeliegende Einfuhrfahrten in nicht geringer Menge (hier: jeweils 1 kg Kokain) zu einer Tat verklammern kann, von der entgegenstehenden Rechtsprechung des 3. Strafsenats abweichen will, habe ich bereits eingehend berichtet (s. meinen Beitrag vom 8.9.2013).

Jetzt hat der 3. Strafsenat geantwortet: Er hält an seiner Auffassung fest, sowohl hinsichtlich der Konkurrenzfrage Handeltreiben/Einfuhr als auch bezüglich der Frage, ob die bloße Überschneidung von Zahlungsvorgängen mehrere Taten des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit verknüpfen kann.

Es bleibt also bei den Meinungsverschiedenheiten zwischen den Strafsenaten.

Der 4. Strafsenat hat nun zwei Möglichkeiten, wie er weiter vorgehen kann. Entweder er beharrt auf seiner abweichenden Meinung, dann muss er die Sache dem Großen Senat für Strafsachen zur endgültigen Entscheidung vorlegen. Oder er schließt sich dem 3. Strafsenat an, dem zwischenzeitlich bereits der 2. Strafsenat beigetreten ist (s. meinen Beitrag vom 8.2.2014).

Der Beschluss des 3. Strafsenat vom 6.2.2014, 3 ARs 7/13 = BeckRS 2014, 05298, lautet auszugsweise wie folgt:

Der Senat gibt zu erwägen, ob die Annahme des 4. Strafsenats, die Anfahrt nach Rotterdam stelle einen identischen Teilakt sowohl des Handeltreibens mit den Betäubungsmitteln der vorangegangenen als auch des Handeltreibens mit den Betäubungsmitteln der abzuholenden Lieferung dar, nicht zuletzt mit Blick auf die weitreichenden Folgen beim Strafklageverbrauch (BGH, Beschluss vom 13. April 1999 - 4 StR 42/99, NStZ 1999, 411; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. April 1996 - 5 StR 147/96, StV 1996, 650; s. auch BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 - 2 StR 520/96, BGHSt 43, 252, 257) Bedenken begegnen müsste.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es auch bedenklich erschiene, allein aufgrund des Umstands, dass der Angeklagte bei Abholung der Folgelieferung die vorangegangene Lieferung bezahlte, Tateinheit zwischen beiden Taten über die Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit anzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. April 1999 - 4 StR 42/99, NStZ 1999, 411; vom 27. Juni 2008 - 3 StR 212/08, NStZ 2009, 392; anders bisher BGH, Beschluss vom 22. Januar 2010 - 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97 mwN). Dem mitgeteilten Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, ob über die örtliche und zeitliche Nähe von Bezahlung der Altlieferung und Abholung der Neulieferung hinaus eine derartige innere Verknüpfung der beiden Vorgänge gegeben war, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte.

Jedenfalls vermag der Senat die Rechtsauffassung des anfragenden 4. Strafsenats nicht zu teilen, zwischen den Tatbeständen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG liege - ohne das Hinzutreten von Besonderheiten im konkreten Fall - annähernde Wertgleichheit vor, so dass eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in aller Regel mehrere voneinander unabhängige Taten der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat verklammern könne. Das Verbrechen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe stellt gegenüber dem - mit Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl. I S. 1302) ebenfalls als Verbrechen ausgestalteten - Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, der eine Mindeststrafe von lediglich einem Jahr vorsieht, ungeachtet der gleichen Obergrenze des jeweiligen Strafrahmens (jeweils 15 Jahre, vgl. § 38 Abs. 2 StGB) das schwerer wiegende Delikt dar (BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - 4 StR 708/93, BGHSt 40, 73, 74 f.; Beschluss vom 7. November 2007 - 1 StR 366/07, NStZ-RR 2008, 88). Diese gesetzgeberische Wertung würde nicht hinreichend berücksichtigt, ließe man das weniger schwerwiegende Delikt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mehrere selbständige Taten der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat verklammern.

Auch die Ansicht des anfragenden 4. Strafsenats, es komme für die Verklammerung der Einfuhrtaten nicht auf die Umstände an, die zur tateinheitlichen Verknüpfung zu einer Tat des Handeltreibens nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG geführt hätten, begegnet Bedenken: Soll - wie hier - allein die Fahrt zum Tatort in den Niederlanden die im Übrigen voneinander unabhängigen, gesonderte Handelsmengen betreffenden Betäubungsmittelgeschäfte zu einer Tat des Handeltreibens verbinden, darf aus Sicht des Senats nicht außer Acht gelassen werden, dass die Fahrt in die Niederlande - bezogen allein auf die spätere Einfuhr von Betäubungsmitteln - lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung darstellen würde, was ebenfalls dagegen spricht, dass dieser Teilakt des Handeltreibens die Kraft hat, auch die Einfuhrtaten zu verklammern und damit alle begangenen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz insgesamt zu einer Tat im Rechtssinne zu verbinden.“

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