Anwaltsbeiordnung in Gewaltschutzsachen - nicht nötig

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 05.03.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht7|3633 Aufrufe

sagt erneut der 10. Familiensenat des OLG Celle (Beschluss vom  08.01.2014 - 10 WF 2/14).

Drei Wochen nach einem entsprechenden Vorfall hatte die Antragstellerin  vertreten durch ihre Anwältin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in  einer Gewaltschutzsache, verbunden mit einem VKH-Antrag gestellt. Die Tatsachen waren ordnungsgemäß glaubhaft gemacht.

Das AG erlies die beantragte eAO ohne mündliche Verhandlung, bewilligte VKH, lehnte jedoch die Beiordnung der Anwältin mangels Erforderlichkeit ab.

Hiergegen legt die Anwältin persönlich (nicht etwa im Namen Ihrer Mandantin) Beschwerde ein.

Das machte die Beschwerde von vornherein unzulässig. Durch die Nichtbeiordnung ist rechtlich allein der betroffene Beteiligte, nicht aber sein Wahlanwalt beschwert (wirtschaftlich dürfte das  etwas anders aussehen).

Die Beschwerde hält der Senat aber auch für unbegründet


Zwar kann im Einzelfall die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG auch dann geboten sein, wenn dem kostenarmen Beteiligten nur mit entsprechender anwaltlicher Unterstützung eine in zeitlicher Hinsicht sachgerechte Rechtsverfolgung ermöglicht wird. Das kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn eine außergewöhnliche Eilbedürftigkeit konkret feststeht. Eine solche - das gemäß §§ 49 Abs. 1, 214 Abs. 1 Satz 2 FamFG für eine einstweilige Anordnung ohnehin erforderliche „dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden“ übersteigende - besondere Eilbedürftigkeit bestand im vorliegenden Streitfall jedoch auch unter Berücksichtigung des eigenen Verhaltens der Antragstellerin unzweifelhaft nicht.

Die vorliegend erfolgte Gewaltschutzanordnung beruht zentral auf einem glaubhaft gemachten einmaligen Vorfall vom 28. Oktober 2013, bei dem der Antragsgegner die Antragstellerin geschlagen und bedroht haben soll, sowie darauf, daß die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, bereits seit geraumer Zeit mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln durch den Antragsgegner belästigt worden zu sein. Der entscheidende Vorfall vom 28. Oktober 2013 lag allerdings im Zeitpunkt der Antragstellung bereits drei Wochen zurück, so daß die Antragstellerin selbst ganz offenkundig nicht von einer tagesaktuellen Eilbedürftigkeit ausgegangen ist. Ein Handlungsbedürfnis hat die Antragstellerin vielmehr überhaupt erst dann entwickelt, als an einem auch von der Antragstellerin genutzten Pkw ihres Stiefvaters der Reifendruck verringert worden sein soll. Allerdings hat die Antragstellerin weder glaubhaft gemacht noch selbst ausdrücklich behauptet, daß die Manipulationen am Fahrzeug ihres Stiefvaters gerade von dem Antragsgegner vorgenommen wurden - sie selbst hat vielmehr lediglich eine dahingehende Vermutung geäußert.

Insofern kann auf diesen - nicht glaubhaft gemachten - Gesichtspunkt jedenfalls auch keine nunmehrige besondere Eilbedürftigkeit für eine Gewaltschutzverfügung hergeleitet werden, die - selbst wenn tatsächlich aufgrund übergroßer Nachfrage bei der Rechtsantragsstelle des zuständigen Amtsgerichtes Hannover die Antragsstellung dort nicht kurzfristig möglich gewesen sein sollte - für sich allein unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ausnahmsweise eine Anwaltsbeiordnung erforderlich machen könnte.

In die gleiche Richtung geht der Beschluss vom 29.01.14 ( 10 WF 25/14). Frau sitzt im Frauenhaus. Antrag auf Beiordnung wird damit begründet, dass es zur Geheimhaltung ihrer Anschrift der Beiordnung zwingend deshalb bedürfe, weil bei Anträgen bei der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts eine Geheimhaltung der eigenen Anschrift unmöglich sei.   Auch das kann den 10. Senat nicht überzeugen.
Es ist zwar zutreffend, dass gerade in Gewaltschutzsachen nicht selten Zustellungen über den eigenen Anwalt erbeten werden. Dies ist indessen, wie auch vom Amtsgericht im Nichtabhilfebeschluss erkannt, nicht zwingend. Die Antragstellerin verfügt über eine Postfachadresse, die sie nicht nur gegenüber dem Gericht, sondern auch gegenüber anderen Behörden erkennbar erfolgreich nutzt. Damit ist eine Anwaltsbeiordnung auch nicht allein aus Geheimhaltungswünschen betreffend die eigene (Wohn-)Anschrift erforderlich.
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7 Kommentare

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Frauen, die von ihren Ehemännern oder Lebensgefährten verprügelt wurden, oder die von Stalkern sexuell belästigt und bedroht wurden, sind meistens derart mit ihren Nerven runter, daß sie auf sich alleine gestellt ihre Dinge nicht regeln können, sondern der Hilfe eines wohnungsnahen Rechtsanwaltes oder eines wohnungsnahen Opferschutzvereins, bei dem sie jederzeit persönlich vorsprechen können, bedürfen. Der 10. Senat des OLG Celle hat die typische Lebenswirklichkeit anscheinend verkannt (es sei denn, das gerade in dem dem 10. Senat vorliegenden Fall ausnahmsweise einmal eine besonders gebildete und zugleich besonders starke und zugeich besonders kaltblütige und zugleich besonders abgekochte und zugleich besonders nervenstarke und zugleich besonders toughe Frau betroffen gewesen wäre).

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Lieber Kollege Hannen, Sie verkennen hier, daß es der Jusitz (hier wie auch im Strafrecht) nicht um den Schutz der Rechtsuchenden geht. Entscheidend sind die Kosten für die schnöseligen Anwälte, die den jeweiligen Richtern am Anfang des folgenden Monats von ihrem eigenen Gehalt abgezogen werden. Und überhaupt: Rechtsanwälte stören sowieso immer und überall.

Einspruch, Herr Hoenig.

Ich bin selbst Richterin und handhabe Beiordnungen großzügig. Auf Nebenkriegsschauplätze begebe ich mich ungern. Warum auch.

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Interesant ist der Hinweis auf die Postfachadresse, wie dort eine PZU zugestellt werden soll ist mir sehr unklar. Der zweite Fall riecht nach Verfassungsbeschwerde, denn hier wird die vermögenslose Partei und die vermögende schlicht nicht gleichbehandelt. Schauen wir mal, ob sich der Kollege so sehr geärgert hat, dass er es macht. Jedenfalls tut es weh, so etwas zu lesen.

Ich freu mich immer, wenn ich nicht nur mit Naturalparteien im Termin sitze...;) Ich kenne bei uns auch wenig Richter, die die Anwaltsbeiordnung in Familiensachen derart streng handhaben.

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Zitat Volker Hannen, LL.M., RA in #1

"(es sei denn, das gerade in dem dem 10. Senat vorliegenden Fall ausnahmsweise einmal eine besonders gebildete und zugleich besonders starke und zugeich besonders kaltblütige und zugleich besonders abgekochte und zugleich besonders nervenstarke und zugleich besonders toughe Frau betroffen gewesen wäre)"

Als Opfer einer ehemaligen Gewaltschutzanordnung, also behaupteter Täter ohne Tat, "deren Tatsachen ordnungsgemäß glaubhaft gemacht wurden", frage ich:

Gibt es denn solche Frauen in der Wirklichkeitsvorstellung der Juristen und Opferverbände? Gibt es Frauen, die mit Opferabo zu Unrecht Schutzleistungen beanspruchen? Schaden diese nicht nur ihren Opfern (Männern und Kindern) sondern auch dem Rechtsstaat? Schaden Juristen und Opferverbände, die die Existenz dieser Frauen als kaum vorstellbare Ausnahme faktisch ausschließen, den Männern, Kindern und den Rechtsstaat. Schadet diese Ignoranz ganz allgemein den wirklichen Opfern von Gewalt, ob Kindern, Frauen oder Männer?

Wer verdient an dieser Ignoranz und wodurch?

Auf beiden Seiten:

Gerichts- und Anwaltsgebühren im Gewaltschutzverfahren + Gerichts- und Anwaltsgebühren in Strafverfahren + Gerichts- und Anwaltsgebühren in Familiensachen. Da kommt was zusammen.

Jeder Fall erhöht zudem den Bedarf an Förderung für die Opferschutzverbände, Studien und Gutachten. Die Opferzahlen steigen angeblich trotzdem weiter. Was passiert eigentlich, wenn die Gewalt gegen die Erwartung doch einmal nachlässt? Werden dann Einige arbeitslos?

Naja, da kann man ja wohl nachsteuern oder? Medien, Politik und Behörden weiter eindringlich informieren und beraten, dann klappt das schon mit den Opfern und den Schutzgebühren. Wen interessieren schon die "Täter", solange sie nicht wirklich gewalttätig werden.

 

@Blaufichte

"Naturalpartei" kannte ich nicht, ist witzig! Verwenden das alle Juristen oder nur Richter?

 

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