BAG zur heimlichen Videoüberwachung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 20.02.2014

In dem Einzelhandelsbetrieb der Beklagten war es zu erheblichen Fehlmengen beim Leergut gekommen. In der ersten Jahreshälfte 2009 waren über 7.000 Euro mehr Pfand an die Kunden ausgekehrt worden, als Leergut an die Hersteller zurückgereicht wurde. Darauf gründete sich der Verdacht auf Pfandbonmanipulationen im Kassenbereich. Mit Zustimmung des Betriebsratsvorsitzenden richtete die Beklagte zusätzlich zu der seit Jahren bestehenden und den Mitarbeitern bekannten "offenen" Videoüberwachung des Kassenbereichs für die Dauer von drei Wochen eine zweite, verdeckte Videoüberwachung ein. Aus den Aufzeichnungen ging hervor, dass sich unter der Leergutkasse des Getränkemarkts ein Plastikbehälter befand, in dem Geld aufbewahrt wurde. Außerdem war zu erkennen, dass die Klägerin am 16.7.2009 gegen 8:45 Uhr, am 22.7.2009 gegen 16:13 Uhr und am 23.7.2009 gegen 18:34 Uhr diesem Behältnis Geld entnahm und in ihre Hosentasche steckte. Die Vorgänge als solche sind unstreitig.

Die Klägerin wendet sich gegen die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses. Sie wendet - u.a. - ein, dass die Videoaufzeichnungen prozessual nicht verwertbar seien. Zur Überzeugung des BAG ist die fristlose Kündigung unwirksam. Ob die ordentliche Kündigung wirksam ist, stehe noch nicht fest. Der Rechtsstreit wurde insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG Hamm zurückverwiesen. Allerdings:

Bei der Prüfung, ob die ordentliche Kündigung vom 11.9.2009 wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten der Klägerin sozial gerechtfertigt ist, darf das Landesarbeitsgericht seine Überzeugung nicht auf den Inhalt der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen stützen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig. Ob dies unmittelbar aus § 6b BDSG oder doch aus § 32 BDSG folgt, kann im Ergebnis offen bleiben. Ein Verwertungsverbot ergibt sich in jedem Fall aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, die nicht durch überwiegende Beweisinteressen der Beklagten gerechtfertigt ist.

BAG, Urt. vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11, BeckRS 2014, 66050

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

3 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Ein wichtiges Urteil zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ein klares Zeichen an den Arbeitgeber, dass der Zweck nicht die Mittel heiligt.

 

Das BAG zeigt ein feines Gespür für Grundrechtsverletzungen und für den Schutz von Menschenrechten im Betrieb.

 

 

3

Das Kamerabilder nicht nutzbar sind, bedeutet ja nicht, dass die Chefs darauf verzichten werden.
Wenn man durch die Kamera von so einer "schwarzen Kasse" weiß, dann kann man die "offiziell" auch anderweitig (zufällig) entdecken und klauende Mitarbeiter überführen, ohne dass man die Kamerabilder als Beweismittel im Prozess braucht.

Da sind wir wieder bei der Grundproblematik bzw. bei der bedauernswerten Grundhaltung:

 

"Der Zweck heiligt die Mittel".....

1

Kommentar hinzufügen