EuGH zur Urheberechtsverletzung durch Verlinkung

von Fabian Reinholz, veröffentlicht am 13.02.2014

Der EuGH hat heute entschieden, dass Verlinkungen zu urheberrechtlich geschützten Inhalten keine Urheberrechtsverletzung darstellen, wenn der Urheber die Inhalte auf der Website, zu der verlinkt wird, für jedermann zum freien Abruf bereithält. In diesem Fall soll es sogar keine Rolle spielen, ob der Nutzer die Verlinkung erkennen kann oder ob die Inhalte so in die Ausgangsseite eingebettet sind, dass der Nutzer nicht bemerkt, dass sie sich auf einer anderen Seite befinden.

Ausgangspunkt für die Entscheidung des EuGH ist eine Vorlage eines schwedischen Gerichts. Vor diesem Gericht hatten Journalisten der Zeitung Göteborgs-Posten gegen eine Firma  Retriever Sverige geklagt. Anlass der Klage: Die Firma Retriever Sverige betreibt eine Internetseite, auf der die Besucher von den Klägern verfasste Presseartikel abrufen konnten. Der Abruf erfolgte durch Verlinkung zu den Presseartikeln, die auf der Internetseite der Göteborgs-Posten frei abrufbar sind. Nach Ansicht der Kläger sei es für die Besucher der Seite von Retriever Sverige nicht klar erkennbar, dass sie auf eine andere Seite weitergeleitet wurde, um zu den Artikeln zu gelangen.

Das Schwedische Gericht fragte sich nun, ob die Verlinkung eine urheberrechtlich relevante Handlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 (sog. Infosoc-Richtlinie) ist und legte dem EuGH u. a. folgende Fragen vor:

1. Liegt eine öffentliche Wiedergabe eines bestimmten Werkes vor, wenn ein anderer als der Inhaber des Urheberrechts an diesem Werk auf seiner Internetseite einen anklickbaren Link zu diesem Werk bereitstellt?

2. Ist es für die Beurteilung der ersten Frage von Bedeutung, ob das Werk, auf das der Link hinweist, auf einer jedermann ohne Beschränkungen zugänglichen Internetseite zu finden ist oder ob der Zugang in irgendeiner Weise beschränkt ist?

3. Ist bei der Beurteilung der ersten Frage zwischen dem Fall, in dem das Werk nach dem Anklicken des Links durch den Nutzer auf einer anderen Internetseite erscheint, und dem Fall zu unterscheiden, in dem das Werk nach dem Anklicken durch den Nutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es auf derselben Internetseite erscheint?

Der EuGH meint zu diesen Fragen:

Ja, die Verlinkung zu einem im Internet befindlichen Werk stellt eine Wiedergabe des Werkes dar. Allerdings sei die Wiedergabe nicht öffentlich wenn sie sich nicht an ein neues Publikum richtet. An ein neues Publikum richtet sich die Wiedergabe dann nicht, wenn sie nach dem Willen des Urhebers einen Personenkreis erreicht, der auch ohne weiteres Zugang zu den Werken auf der Internetseite hat, auf der sich die verlinkten Werke befinden. Da die Presseartikel auf der Internetseite der Göteborgs-Posten frei abrufbar sind, richten sich die Artikel an denselben Kreis von Personen, der über die Links zu den Inhalten gelangt. Folglich wird kein neues Publikum erreicht und die Verlinkung ist urheberrechtlich erlaubt. Anders sei dies nur dann, wenn die Internetseite mit den Presseartikeln nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich wäre, u. B. weil Zugangsbeschränkungen bestehen.

Daher sei es irrelevant, ob die Artikel so verlinkt sind, dass sie wie ein eigenes Angebot auf der Internetseite von Retriever Sverige erscheinen oder der Besucher dieser Seite bemerkt, dass sich die Presseartikel auf einer anderen Internetseite befinden.

4. Darf ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers vorsehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 hinausgehen?

Diese Frage verneint der EuGH.

Die EuGH betrachtet die öffentliche Wiedergabe durch Verlinkung weit weniger differenziert als der BGH, der nach normalen Links, deep Links und embedded Content unterscheidet. Die Art der Verlinkung auf die geschützten Inhalte spielt für den EuGH aber keine Rolle. Der Zugang zum Werk durch Verlinkung genügt für eine Wiedergabe.

Der EuGH macht es sich damit sehr einfach. Die Einbettung von auf Youtube abrufbaren Videos (zB im Wege des Framing) in fremde Internetseiten wäre danach keine öffentliche Wiedergabe und damit stets urheberechtskonform, da kein neues Publikum erreicht wird. Dies, obwohl die Videos wie eigener Content des Linksetzenden erscheinen.

Zwar liegt dem EuGH noch eine weitere ähnlich gelagerte Vorlagefrage des BGH (v. 16.05.2013 - I ZR 46/12 – Die Realität) vor. Dieser möchte nämlich vom EuGH wissen, ob die Einbettung von auf Youtube abrufbaren Videos in eine andere Internetseite ausnahmsweise eine Form der öffentlichen Wiedergabe darstellt, obwohl damit keinem neuen Publikum Zugang zu den Videos verschafft wird. Mit seiner heutigen Entscheidung dürfte der EuGH aber die Beantwortung der Vorlagefrage vorweggenommen haben, zumal er die Vorlagefrage 4 „Darf ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers vorsehen“ verneint hat.

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6 Kommentare

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Nun: Ob der EuGH hier wirklich und letztlich nicht unterscheidet/unterscheiden würde - bzw. weniger differenziert als der BGH vorgeht - kann man vielleicht (noch) gar nicht sagen. Der EuGH hatte einen Fall von "schlichten" Links zu beurteilen und bezieht sich in seinen Gründen auch auf eine "Wiedergabe wie die im Ausgangsverfahren" und eben auf "anklickbare Links". Ich meine, dass die Art der hier für zulässig erklärten und nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG beurteilten sogar Verlinkung recht klar umrissen ist? Vor diesem Hintergrund dürften wir wohl durchaus gespannt auf die Entscheidung der Vorlagefragen im Fall "Die Realität" sein.

Wie sich also das Kriterium "neues Publikum" bei embedded Content auswirken wird, ist (noch) offen.

 

Beste Grüße!

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Mit der Signalwirkung für die "typischen" Embeddingfälle sehe ich das etwas differenzierter. Der EuGH schreibt in Rz. 31:

 

"Demgegenüber sind in dem Fall, in dem ein anklickbarer Link es den Nutzern der Seite, auf der sich der Link befindet, ermöglicht, beschränkende Maßnahmen zu umgehen, die auf der Seite, auf der das geschützte Werk zu finden ist, getroffen wurden, um den Zugang der Öffentlichkeit allein auf ihre Abonnenten zu beschränken, und es sich damit um einen Eingriff handelt, ohne den die betreffenden Nutzer auf die verbreiteten Werke nicht zugreifen könnten, alle diese Nutzer als neues Publikum anzusehen, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten, so dass für eine solche öffentliche Wiedergabe die Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Werk auf der Seite, auf der die ursprüngliche Wiedergabe erfolgte, nicht mehr öffentlich zugänglich ist oder wenn es nunmehr auf dieser Seite nur einem begrenzten Publikum zugänglich ist, während es auf einer anderen Internetseite ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zugänglich ist. "

Ich verstehe den EuGH so, dass er zum Ausdruck bringt "Wer sein Werk irgendwo im Internet frei zugreifbar bereithält, muss auch mit jeder Art von Zugriffsermöglichung rechnen".

 

Das durchschnittliche Katzenvideo ist auf Youtube aber nicht vom Urheber oder mit dessen Zustimmung eingestellt worden. Genau so liegt es auch in der mit Spannung erwarteten "Die Realität"-Entscheidung des EuGH. Der BGH schrieb in seinem Vorlagebeschluss

 

"Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „ Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war -nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung - auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar. "

 

Der jetzt entschiedene Fall betrifft also nur das 2-Personen-Verhältnis aus Urheber und vermeintlichem Verletzer. Der noch zu entscheidende Fall spielt sich im Dreieck zwischen Urheber, dem Einbinder und dem Hochlader ab.

 

Im Ergebnis bin ich jedoch bei der Ansicht des EuGH: Embedding zu sanktionieren, würde in weiten Teilen des Web 2.0 für erhebliche Unannehmlichkeiten sorgen. Es wäre auch ungerecht. Um beim Facebook-Katzenvideo zu bleiben: Der aus den eingestellten Inhalten Einnahmen erzielende Plattformbetreiber haftet teilweise privilegiert, den einzelnen Nutzer würde möglicherweise die volle Verantwortung treffen.

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Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Werkquelle ist berechtigt.

Zitat EuGH: "Jedoch kann eine Wiedergabe wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die dieselben Werke umfasste wie die ursprüngliche Wiedergabe und wie diese im Internet, also nach demselben technischen Verfahren, erfolgte, nach ständiger Rechtsprechung nur dann unter den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fallen, wenn sie sich an ein neues Publikum richtet, d. h. an ein Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten."

Die "Svensson-Entscheidung" zu Ende gedacht, würde es bedeuten, dass eine öff. Wiedergabe vorliegt, wenn zwar durch den Link dasselbe Publikum erreicht wird als durch die Werkquelle erreicht werden sollte, aber eben nicht der Urheber, sondern ein Dritter - ohne Zustimmung des Urhebers - die Werkquelle geschaffen hat (dh Katzenvideo bei Youtube einstellt).

Nur hat das für die Frage keine Bedeutung, ob embedded Content bei der Frage der öff. Wiedergabe anders zu beurteilen ist als die "erkennbare" Verlinkung. Die bislang differenzierte Betrachtung des BGH (zu Eigen machen etc.) spielt dann keine Rolle mehr.

 

 

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Zur Frage des "Embedding" sind m.E. noch die Nutzungsbedingungen von Youtube zu berücksichtigen. Diese gestatten für jedes hochgeladene Video auch das Embedding. Um die Beachtung von Urheber- und Leistungsschutzrechten muss sich der Uploader selbst kümmern. Damit ist Youtube zunächst raus aus der Störerhaftung und muss - wie üblich - nur auf Hinweis (ggf. mit Nachweis der Urheberschaft) tätig werden.

Sicherlich gibt es auch noch einen Unterschied zwischen Katzenvideos und dem Fall "Die Realität". Im Zweifel erteilt nämlich der ursprüngliche Hersteller des Katzenvideos schon durch Hochladen ins Internet auf irgendeinen frei zugänglichen Webspace konkludent ein internetweites Nutzungsrecht. Das beinhaltet notwendigerweise die Vervielfältigung. Interessant wäre zu prüfen, ob der Hersteller - ich scheue mich bei einem solchen Video doch vor dem Begriff "Urheber" - bei Verwertung auf Youtube und entsprechenden finanziellen Vorteilen dann eine angemessene Vergütung nach §§ 32, 32c UrhG geltend machen könnte.

So liegt der Fall bei aber bei "Die Realität" ja gerade nicht, denn dort ist die erste Veröffentlichung im Internet nicht durch den Berechtigten erfolgt. Deswegen muss m.E. auch die Wertung anders ausfallen als bei dem Link auf Presseartikel, die ebenfalls von Berechtigten eingestellt worden sind. Da es sich um Streaming handelt, wird der typische Konsument dieses Videos sich auf die Schranke des §44a UrhG berufen können (diejenigen, die annehmen, das ginge nicht, wenn das ursprüngliche Video ohne Berechtigung hochgeladen wäre, bekommen es anders hin). Dass es aber einen Anspruch gegen den Uploader geben muss, scheint mir völlig einleuchtend. Man darf gespannt sein, welche Begründung der EuGH geben wird.

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Die Entscheidung des EuGH könnte dazu führen, dass die Einfügung des § 87f UrhG (Leistungsschutz für Presseverleger) leerläuft. Denn mit einer geschickten technischen Verbindung kann man nach diesem Urteils ganze Zeitungsartikel auf Seiten anderen Internetseiten anzeigen, ohne dass es der Erlaubnis des  Presseverlegers bedarf. Der § 87f UrhG könnte also teilweise nicht zum Ziel des Gesetzgebers führen.

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EuGH hat entschieden: Embedding ist keine öffentliche Wiedergabe iSd Richtlinie zur Informationsgesellschaft (SZ).

Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof noch erklärt, dass Framing wegen des "Zu-eigen-Machens" durch den Nutzer unter ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe falle.

Dies sei aber, so der EuGH, "im Wesentlichen das Charakteristikum der Framing-Technik". Auch werde durch Framing kein neues Publikum erschlossen, weil davon auszugehen sei, "dass der Inhaber des Urheberrechts, als er die Wiedergabe erlaubte, an alle Nutzer des Internets gedacht hat". Auch werde beim Framing keine andere Technik angewendet.

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