Jeder dritte Straftäter wird innerhalb von drei Jahren rückfällig
von , veröffentlicht am 09.02.2014
Über die Rückfallquote wird immer wieder auch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Deshalb sind die „harten“ Fakten wichtig:
Aus der vom Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministerium am 04.02.2014 vorgelegten bundesweiten Rückfalluntersuchung «Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen – Eine bundesweite Rückfalluntersuchung 2007 bis 2010 und 2004 bis 2010» zeigt sich: Etwa jeder dritte Straftäter wird innerhalb von drei Jahren nach Verurteilung oder Entlassung aus der Haft erneut straffällig. Die höchste Rückfallrate besteht danach mit mehr als 50% bei Raubdelikten und schweren Formen des Diebstahls.
Für die Untersuchung wurde anhand von Eintragungen in das Bundeszentralregister für den Zeitraum 2007 bis 2010 erfasst, ob Verurteilte sich nach Ablauf der Vollstreckung ihrer Strafe legal bewähren. Zudem wurde eine frühere Studie einbezogen, die den Zeitraum 2004 bis 2007 untersuchte.
Es zeigt sich, dass die Rückfallraten bei einer Verlängerung des Beobachtungszeitraumes von drei auf sechs Jahre zwar mäßig, aber dennoch deutlich von 36% auf 44% ansteigen. Die überwiegende Mehrheit der Rückfalltaten ereignet sich aber innerhalb der ersten drei, die Hälfte sogar innerhalb des ersten Jahres nach Verurteilung oder Entlassung. Am häufigsten rückfällig würden Täter von Raubdelikten und schweren Formen des Diebstahls mit mehr als 50%. Straßenverkehrsstraftäter (ausgenommen Fahren ohne Fahrerlaubnis) und wegen Tötungsdelikten Verurteilte wiesen mit weniger als 20% die niedrigsten Rückfallraten auf.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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10 Kommentare
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Gibt es Länder in denen es geringere Rückfallquoten gibt ?
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Lieber Herr von Heintschel-Heinegg,
natürlich sind die Rückfallraten viel zu hoch und belegen teilweise die Ungeeignetheit der strafrechtlichen Sanktionen bzw. dass eine "Resozialisierung" durch Strafe überhaupt nur unzureichend möglich ist. Allerdings sind die Folgeentscheidungen (also die Sanktionen bei den Rückfalltaten) meist niedriger als die Bezugsentscheidung, weil die Taten weniger schwerwiegend sind.
Folgendes ist auch erwähnenswert:
Die schwersten Sanktionen (Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe ohne Bewährung) haben die höchsten Rückfallraten:
Mögliche Gründe hierfür:
1. Die Rückfallgefahr ist bei den schwereren Straftaten durchschnittlich höher bzw. die Richter haben bei der Verurteilung zutreffend eine ungünstige Prognose abgegeben
2. Die Vollstreckung bzw. der Vollzug der Freiheitsstrafe/Jugendstrafe ist nur ungenügend in der Lage, eine bestehende erhöhte Rückfallgefahr durch "resozialisierende Behandlungsmaßnahmen" zu beseitigen
3. Die Vollstreckung bzw. der Vollzug der Freiheitsstrafe/Jugendstrafe ist für den Rückfall unmittelbar Mitursache (z.B. weil Entlassenen aus dem Strafvollzug eher weniger Chancen verbleiben, sich in Freiheit zu bewähren)
Beste Grüße
Henning Ernst Müller
Nochsoeingast kommentiert am Permanenter Link
@Professor Müller:
Ich denke, für potentielle Opfer von Straftaten und für die Gesellschaft insgesamt ist eine Erfolgsquote von 64 % für die Dauer von 3 Jahren und 56 % für 6 Jahre ganz ordentlich, wenn man berücksichtigt, dass der Strafvollzug z.B. nicht erzieherische Defizite, Entwicklungsstörungen und sonstige biographische Beeinträchtigungen von sagen wir 16 + x Jahren Kindheit und Jugend rückgängig machen kann.
Eine andere Erklärung für die hohe Rückfallquote bei Jugendstrafe ohne Bewährung könnte auch sein, dass diese Sanktion - wenn nicht gerade ein Ersttäter wegen Schuldschwere gleich zu Jugendstrafe verurteilt wird- meist erst nach einem langen, langen Weg von § 45, §§ 45,47 JGG, Ermahnungen, Sozialdiensten, Betreuungsweisung, Arrest, Drogenberatungsgesprächen, 27 JGG, Jugendstrafe mit Bewährung, Verlängerung der Bewährungszeit...verhängt wird. MaW bei einer gewissen Resistenz gegen sämtliche bis zur Jugendstrafe "ohne" angebotenen niederschwelligeren Sanktionen/Hilfestellungen des Jugendstrafrechts und in der Konsequenz auch eine gewisse Resistenz gegen die im Jugendstrafvollzug möglichen Resozialisierungsangebote?
Gibt es dazu genauere Untersuchungen, die nicht nur die reine Rückfallquote nach einer Reststrafenaussetzung, sondern auch die vor der erstmaligen Vollzugsstrafe durchlaufene Delinquenzbiographie berücksichtigen ?
Atticus Finch kommentiert am Permanenter Link
Wie kann man für das Veurteilungsjahr 2004 untersuchen, ob Mörder wieder rückfällig geworden sind? Die ersten 2004 verurteilten Mörder können selbst unter Anrechnung von U-Haft noch nicht entlassen worden sein. Allenfalls könnte es sich mithin um Kriminalität innerhalb der JVA handeln (zumeist Drogendelikte, Körperverletzungen, Beleidigungen).
Was man unter "Rückfall" versteht, wird auch nur unzureichend dargestellt. Ist der Totschläger rückfällig, wenn er drei Jahre später einen Lutscher stiehlt, der Räuber, wenn er eine Beleidigung begeht? Diebe und Räuber sind oftmals drogenkrank, ihre Taten waren Beschaffungskriminalität. Kein Wunder, wenn sie untherapiert in der JVA hocken und kurz nach der Entlassung wieder rückfällig werden.
Der Aussagewert der Untersuchung tendiert gegen Null.
Nochsoeingast kommentiert am Permanenter Link
@Atticus:
Es geht mE nicht um die Erstverurteilung bis 2004, sondern um die eingetragenen Verurteilungen nach (Teil)Vollstreckung
"anhand von Eintragungen in das Bundeszentralregister für den Zeitraum 2007 bis 2010 erfasst, ob Verurteilte sich nach Ablauf der Vollstreckung ihrer Strafe legal bewähren"
D.h. andererseits, dass etwaige Straftaten im Vollzug, die nicht vor Ablauf der Vollstreckung begangen wurden, nicht eingerechnet sind, das dürfte die Studie in gewisser Weise angreifbar machen.
Marcel kommentiert am Permanenter Link
Der Strafvollzug ist für viele Straftäter eine große Chance, endlich einmal zu einer Berufsausbildung zu kommen.
Diejenigen Straftäter, die diese Chance ergreifen, und im Strafvollzug eine Berufsausbildung (etwa als Schlosser oder Schreiner oder was auch immer) abschließen, haben in den mir bekannten Fällen ein erheblich reduziertes Rückfallrisiko bzgl. einschlägiger Straftaten (z.B. Raub) aufzuweisen (was nicht heißt, daß sie sich in einer Konfliktsituation im Zorn nicht dennoch z.B. zu einer Körperverletzung hinreißen lassen, oder etwa aus irgendeiner Laune heraus gelegentlich spontan sonstige "Gelegenheitstaten" beghen).
Diejenigen Straftäter, die keine Berufsausbildung haben, und im Strafvollzug auch keine Berufsausbildung machen wollen, haben dagegen ein höheres Risiko.
Am höchsten erscheint mit das Rückfallrisiko bei denjenigen Straftätern, die sich im Vollzug jedweder Arbeit verweigern.
Wenn die Freiheitsstrafe jedoch zu kurz für eine Berufsausbildung ist, oder wenn die Gefangenen zu häufig verlegt werden, kann der Strafvollzug die Resozialisierungschancen des Gefangenen meist allenfalls geringfügig verbessern. Dann überwiegen oft die negativen Einflüsse der Haft, insbesondere, wenn solche Mitgefangene in der JVA Einfluss haben oder gewinnen, die eine nachhaltig rechtsfeindliche Gesinnung verbreiten.
Am schlimmsten ist es, wenn in einer JVA unter den Gefangenen zusätzlich zu einer Atmosphäre von rechtfeindlicher Gesinnung auch noch der Missbrauch von illegalen Drogen angesagt und "hip" und üblich oder weit verbreitet ist.
Man kann also wohl nicht generell sagen, daß eine Freiheitsstrafe das Rückfallrisiko senken oder erhöhen würde - vielmehr kommt es wohl immer auf die Umstände im Einzelfall an.
Leider können diese bei der Strafmaßbemessung durch das verurteilende Gericht meistens nicht hinreichend vorausgesehen werden.
Prof. Sophia-El... kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg ,
ist Ihnen von etwas von Statistiken über den sog. Warnschussarrest bekannt?
Danke schon einmal im Voraus
Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrte Frau Professor von Pockerell,
leider ist mit keine Statistik bekannt. Aber ich gebe die Frage an Herrn Kollegen Müller weiter, den ich bitte, sich an dieser Stelle im blog zu melden, wenn ihm als Kriminologen etwas bekannt ist.
Beste Grüsse
Bernd von Heintschel-Heinegg
Name kommentiert am Permanenter Link
Liebe Frau Prof. von Pockarell,
nachdem Sie sich nun mutig in das Neuland Internet begeben haben, kann ich Ihnen eine sehr nützliche Seite empfehlen: www.google.de (das rot geschrieben sind so genannte Hyperlinks; einfach draufklicken).
Sollte Ihnen das zu unübersichtlich sein, hier neben einem Zeitungsartikel noch der Link zum Wikipedia-Artikel (ebenfalls eine nützliche Seite).
Gehören Sie allerdings zu den Internetausdruckern, hier noch als Service einige Veröffentlichungen:
Auch der umtriebige Kollege Pfeiffer hat sich ein lukratives Stück vom Fleischtopf der öffentlichen Gelder geholt, seine Evaluation endet allerdings erst nächstes Jahr.
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrte Frau Prof. von Pockarell,
wenn Sie eine Evaluation zum Rückfall nach dem Warnschussarrest (etwa im Vergleich zum Rückfall ohne Warnschussarrest) suchen, so werden Sie bislang nur wenig aussagekräftiges dazu finden, weil man für eine Rückfall-Untersuchung eine gehörige Zeit nach Entlassungabwarten muss (interessant wird es nach 3 Jahren). Der Warnschussarrest ist ja erst 2013 eingeführt worden; im Moment sind die Fallzahlen einfach noch nicht ausreichend. In dem von "Mein Name" verlinkten Forschungsprojekt des KFN wird eine erste Auswertung von Zentralregisterdaten für den Juli 2015 angekündigt.
Was ist zu erwarten? Da der Arrest bislang eine eher mäßige Erfolgsrate aufweist, die Aussetzung zur Bewährung (ohne Warnschuss) eine relativ gute, ist leider zu befürchten, dass der Warnschussarrest die gute Erfolgsrate der Bewährungsaussetzung eher verschlechtert. Es wird nach bisherigen Erfahrungen also eher nicht eintreten, was sich die Befürworter davon versprechen, nämlich eine (erfolgreiche) "Warnung" vor dem Freiheitsentzug. Allerdings: Greifen Gerichte in Fällen, in denen sie bisher eine zu vollstreckende Jugendstrafe verhängt hätten, nunmehr zur Bewährung plus Warnschussarrest, könnten auch andere Erfahrungen gemacht werden. Leider mangelt es allen solchen Rückfalluntersuchungen entscheidend daran, dass man keine Zufalls-Kontrollgruppe bilden kann.
Mit besten Grüßen
Henning Ernst Müller