Wann ist Zeitarbeit "vorübergehend"?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 05.02.2014

Diese Frage gehört zu den derzeit umstrittensten des deutschen Arbeitsrechts (zusammenfassend zuletzt Nießen/Fabritius NJW 2014, 263 ff.). § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG bestimmt seit Ende 2011, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend erfolgt. Unklar ist u.a., ob das Gesetz damit (nur) die längerfristige Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers verbietet, oder ob es (sogar) unzulässig ist, auf einer dauerhaft zur Verfügung stehenden Stelle immer wieder ("vorübergehend") andere Leiharbeitnehmer zu beschäftigen. Unklar sind ferner die zulässige Zeitspanne der Beschäftigung und die Rechtsfolgen ihrer Überschreitung.

Die Trägerin eines Krankenhauses hatte eine Stelle für eine/n Gesundheits- und Krankenpfleger/in in der Gerontopsychiatrie zu besetzen. Die Stelle stand unbefristet zur Verfügung. Externe Bewerberinnen und Bewerber wurden allerdings darauf hingewiesen, dass die Einstellung nicht durch die Trägerin selbst, sondern durch die AHP GmbH und die Beschäftigung sodann im Wege der Arbeitnehmerüberlassung erfolge. Die AHP GmbH stellte Frau K ein. Die Krankenhausträgerin beantragte bei ihrem Betriebsrat, Frau K für die Dauer eines Jahres auf der Stelle beschäftigen zu können. Betriebsverfassungsrechtlich handelt es sich hierbei um eine "Einstellung" i.S. von § 99 Abs. 1 BetrVG, auch wenn individualrechtlich gar kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet wird. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung, weil die personelle Maßnahme seiner Auffassung nach gegen das Gesetz verstieß (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Die Krankenhausträgerin beantragte die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung (§ 99 Abs. 4 BetrVG).

Ihr Antrag hatte vor dem LAG Hamburg Erfolg:

Der Begriff "vorübergehend" in § 1 Abs. 2 AÜG ist arbeitnehmer-, nicht arbeitsplatzbezogen. Eine vorübergehende Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen ist also nicht grundsätzlich verboten.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das LAG die Rechtsbeschwerde zugelassen.

(LAG Hamburg, Beschluss vom 4.9.2013 - 5 TaBV 6/13, BeckRS 2013, 75020)

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

4 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Ein schönes Beispiel dafür, dass sich Richter sprachlich passend machen, was ihnen nicht passt. "Die Überlassung von von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend" bezieht sich eindeutig auf die Verträge zwischen den Unternehmen, das die Stellen zu vergeben haben und dem Unternehmen, das Personal zur Verfügung stellt und nicht auf die Personen, also die Arbeitnehmer selbst.

3

Eine eindeutige Festlegung, dass "vorübergehend" arbeitsplatz- und nicht personenbezogen zu verstehen ist, gibt es nicht. Die Instanzgerichte entscheiden gegenläufig, das BAG hat dazu bisher m.E. nach keine klare Aussage getroffen. Auch die Gesetzesbegründung ist schwer in eine Richtung zu interpretieren. Würde es lauten "Die Überlassung auf Arbeitsplätze beim Entleiher erfolgt vorübergehend", würde ich Ihnen bzgl. Eindeutigkeit zustimmen. Das steht da aber nicht. Es steht "Arbeitnehmer" und in älteren Entscheidungen wurde darauf abgestellt, ob der Arbeitnehmer eine Rückkehrmöglichkeit zum Verleiher hat.

So auch die Gesetzesbegründung:

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

regelt ein auf vorübergehende Überlassungen

angelegtes Modell der Arbeitnehmerüberlassung, bei

dem die Überlassung an den jeweiligen Entleiher im Verhältnis

zum Arbeitsvertragsverhältnis zwischen dem Verleiher

und dem Leiharbeitnehmer vorübergehend ist.

 

Auch hieraus kann ich keine eindeutige arbeitplatzbezogene Einordnung erkennen. Vielleicht lassen Sie erst einmal das BAG oder den Gesetzgeber diese Frage klären, bevor Sie den Richtern im Fall Rechtsbeugung vorwerfen.

0

Aus der Praxis für die Praxis:

Die nachstehend geschilderte Sache wurde verglichen, zeigt aber, welches "Potential" die Vorschrift hat:

Ein von mir vertretener Leiharbeitnehmer wurde vom Verleiher gekündigt mit der ihm gegebenen mündlichen Erklärung, der entleihende Kunde sei mit ihm nicht zufrieden. Offiziell griff der Arbeitgeber dann zu der "Begründung", der bisherige Arbeiteinsatz beim Entleiher drohe die Phase des nur "Vorübergehenden" zu überschreiten, also habe man den Mann "betriebsbedingt" entlassen müssen, weil eine andere, nur vorübergehender Einsatzmöglichkeit bei einem anderen Kunden nicht vorhanden sei.

Ich halte das BAG- Urteil vom Dez, 2013 für höchst fragwürdig.

Das BAG hat "the easyest way out" gewählt und sich die Sache leicht gemacht, indem es an den Gesetzgeber verwiesen hat. Leider hat derr den Rechtsbegriff "vorübergehend" zeitlich nicht definiert, aber:

DAS BAG hätte Rechtsfortbildung betreriben können, wenn es gewollt hätte und eine zeitliche Höchstgrenze für "vorübergehend" definieren können.

Betroffenen  Leiharbeitern wurde so im Streit zwischen Gericht und Gesetzgeber der SCHWARZE PETER zugeschoben (eine Art "Vertrag zu Lasten Dritter").

Ich selbst habe einen Mandanten  vor dem Arbeitsgericht vertreten, der  mehr als 10 Jahre (!) am Stück bei sehr guten Leistungen in einem Einsatz- Betrieb eingestzt war.

Die Übernahmeklage habe ich (wegen des BAG_ Urteils) verloren.

Hinzu kommt, das es tarifvertragliche Übernahmeregelungen (z.B. in der Metalliondustrie) gibt, die dem Leiharbeiter einen Übernahmeanspruch  nach ununternbrochenem Einbsatz von 2 Jahren gewähren(TV LEIZ). Dieser Übernahmeanspruch kann  aber durch abweIchende Betriebsvereinbarunghen vor Ort problemlos und "rechtmäßigerweise" wieder ausgehebelt werden. ALSO:

Das Urteil gibt den Leiharbeitern  "Steine statt Brot" und die  Einsatzbetriebe sowie Leiharbeitsfirmen  freuen sich darüber, dass sie weitermachen können wie bisher.

Und die  grosse Koalition hat immer noch nicht (Stand März 2015) die im Koalitionsvertrag vom Dez. 13 vereinbarte gesetzliche Regelung zugunsten der Leiharbeiter verabschiedet, die einen Übernahmeanspruch bereits nach 18 Monaten vorsieht.  Das hat ja Zeit !?

NUR: Soweit werden es die Einsatzbetriebe zeitlich nicht kommen lasssen, sondern den betroffenen Leiharbeitern kurz vor Ablauf der 18 Monate  "abservieren".

Ihnen- den Leiharbeitern- wird also nicht einmal gedient sein, wenn Schwarz- Rot das Gesetz verschärft haben wird. Schade!

3

Kommentar hinzufügen