Keine Prozesskostenhilfe bei Verlust des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes durch Austritt aus der Gewerkschaft

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 02.01.2014

Das BAG hat im Beschluss vom 18.11.2013 – 10 AZB 38/13 sich auf den Standpunkt gestellt, dass dann, wenn eine Partei während eines Rechtsstreits aus Gründen, die mit der Prozessführung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes in Verbindung stehen, aus der Gewerkschaft austritt und damit den Verlust der bisherigen Vertretung in Kauf nimmt, die Gewährung von Prozesskostenhilfe ausscheidet, wenn nachvollziehbare Gründe für den Gewerkschaftsaustritt fehlen. Im konkreten Fall musste sich die Klägerin nach dem Gewerkschaftsaustritt so behandeln lassen, als hätte sie weiterhin Anspruch auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz, sodass ihr keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden konnte. Das BAG hat in der Entscheidung somit in sehr weitgehender Weise einen hypothetischen Sachverhalt berücksichtigt. Allerdings fragt man sich dann an dieser Stelle, welche Grenzziehung dann überhaupt noch möglich ist. Wenn schon beim Gewerkschaftsausstritt auf hypothetische Verhältnisse abgestellt wird, ist der Schritt bis zu der Frage, ob überhaupt Bedürftigkeit vorliegt, wenn man keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat oder nicht in die Gewerkschaft eingetreten ist, mehr als nahe?

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2 Kommentare

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Was für eine seltsame Entscheidung. Wieso prüft das Gericht die "Vernünftigkeit" des Gewerkschaftsaustritts? Die Klägerin war nicht verpflichtet, in der Gewerkschaft zu sein. Es stand ihr daher frei, nach ihrem Belieben auszutreten. Hätte sie angegeben, die Beiträge sparen zu wollen oder weil sie mit dem politischen Kurs der Gewerkschaft nicht einverstanden sei, wäre ihr das wohl nicht entgegengehalten worden. Wieso soll etwas anderes gelten, wenn sie mit dem gewährten Rechsschutz nicht zufrieden war? Ist es Sache des Gerichtes, darüber zu befinden, ob dieser Grund besser oder schlechter ist, oder ob - was hier tatsächlich geprüft wurde - das Misstrauen der Klägerin gegenüber ihrem Anwalt vernünftig erschien oder nicht?

In der Tat müsste man beim Ansetzen dieser Messlatte konsequent bei jedem Antragsteller fragen, wieso er denn nicht durch Rechtsschutzversicherung oder Gewerkschaftseintritt vorgesorgt habe, und überprüfen, ob der Richter die dann genannten Gründe als vernünftig beurteilt oder nicht.

Das Gericht überschreitet dort meines Erachtens seinen Auftrag. Es hat über Rechtsstreitigkeiten zu befinden, nicht die persönliche Lebensführung der Beteiligten als vernünftig oder unvernünftig zu bewerten.

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Die (Nicht)Berücksichtigung von negativen Entwicklungen in den Vermögensverhältnissen während eines bereits laufenden Prozesses (wie in dem vom BAG entschiedenen Fall), wo die Entstehung von Kosten bereits absehbar ist bzw. feststeht, gehört zum "Stand der Technik" in der Rechtsanwendung im PKH-Recht. lMacht sich eine Partei in Kenntnis der konkreten Notwendigkeit der Prozessführung vermögenslos, miss sie dafür gute Gründe. Diese lagen bei dem Gewerkschaftsaustritt wegen eben nur vermeintlicher Mängel der gewerkschaftlichen Vertretung nicht vor, wie das BAG zutreffend entschieden hat. Nur weil jemand subjektiv unzufrieden ist, rechtfertigt dies nicht, nunmehr die Allgemeinheit mit den Kosten der Prozessführung wegen unzureichenden Einkommens und Vermögens zu belasten.

 

Ebenso sollte es zum allgemeinen Wissensstand gehören, dass es vorher nicht darauf ankommt, warum zu einem Zeitpunkt, zu dem die Partei mit einem Prozess nicht konkret rechnen musste, d. h. vor Kenntnis der Notwendigkeit der Prozessführung, diese keine Rechtsschutzversicherung abschließt, nicht in eine Rechtsschutz gewährende Organisation (Gewerkschaft, Arbeitgebervereinigungen usw.) eintritt oder vorhandenes Vermögen "verjubelt". Empfehlenswerte Fundstelle zum gesamten Problem des "fiktiven Vermögens": Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 6. Auflage, 2012, Rn. 353  m. w. N.

 

Das im Blog aufgeworfene Rechtsproblem existiert demnach nicht

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