BAG zur Versetzung an einen anderen Arbeitsort

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 02.01.2014

Selbst wenn der Arbeitsort im Arbeitsvertrag ausdrücklich genannt ist, kann der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts (§ 106 GewO) berechtigt sein, dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zuzuweisen, ohne eine Änderungskündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) aussprechen zu müssen. Das ist die Kernaussage eines jetzt veröffentlichten Urteils des BAG (vom 10.08.2013 - 10 AZR 569/12, BeckRS 2013, 74788). Sei im Arbeitsvertrag ein bestimmter Ort angegeben, an dem die Arbeit zu beginnen ist, so müsse darin nicht zwingend eine vertragliche Festschreibung des Arbeitsorts liegen. Es könne sich auch um die schriftliche Fixierung der erstmaligen Ausübung des Weisungsrechts handeln.

Die Klägerin ist als Flugbegleiterin bei der beklagten Fluggesellschaft beschäftigt. In ihrem Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1994 heißt es:

Die Mitarbeiterin wird ab 03.12.1994 im Bereich Flugbetrieb, Beschäftigungsort Münster/Osnabrück, als Flugbegleiterin eingestellt.

2011 schloss das Unternehmen mit der bei ihr gebildeten Personalvertretung einen Interessenausgleich und einen Sozialplan ab. Dieser sah die Schließung zahlreicher Standorte, darunter Münster/Osnabrück, vor. Die Klägerin wurde nach Düsseldorf versetzt. Dagegen wendet sie sich mit ihrer Klage. Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Aus dem Urteil des BAG:

Der Arbeitsvertrag enthält keine das Direktionsrecht beschränkende Festlegung des Arbeitsorts.

Unter Ziff. 1 des Arbeitsvertrags ist vorgesehen, dass die Klägerin am Beschäftigungsort Münster/Osnabrück „eingestellt" wird. Darin liegt keine vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts auf Münster/Osnabrück als Arbeitsort. Die betreffende Passage des Vertrags ist mit „Beginn der Tätigkeit" überschrieben und legt lediglich fest, wo die Arbeitnehmerin bei Vertragsbeginn ihre Arbeit aufnehmen soll. Die Regelung bestimmt nicht den Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern den Ort ihrer erstmaligen Ausübung. Die Regelung in § 3 Abs. 8 BV Nr. 1 (= Betriebsvereinbarung Nr. 1 für das Bordpersonal der Eurowings vom 15.09.1993 - Verf.), nach der der Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden kann, beschreibt den Umfang des Weisungsrechts, der ausdrücklich auch die Arbeitsleistung an anderen Orten einschließt.

BAG, Urt. vom 10.08.2013 - 10 AZR 569/12, BeckRS 2013, 74788.

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Die Entscheidung liegt nach meinem Empfinden AGB-rechtlich bedauerlicherweise auf der Linie des BAG-Urteils vom 29.06.2011, Az.: 7 AZR 774/09, in: BeckRS 2011, 76303. Ohne dogmatische Herleitung werden bestimmte Klauseln in AGB deklariert als „nicht Vertragsbestandteil geworden“.  Damals glaubte man, auf diese Weise in der Sache 7 AZR 774/09 einen undurchsichtigen Passus zur Befristung der AGB-rechtlich vorgeschriebenen Transparenzkontrolle entziehen zu können. Das war doppelt misslich: erstens fehlte die Begründung, warum denn die Klausel kein Vertragsbestandteil gewesen sein soll, zweitens kann Intransparenz im Sinne des AGB-Rechts gerade deshalb vorliegen, weil nicht zu erkennen ist, was Vertragsinhalt wurde und was nicht.

Die hier nun von Prof. Rolfs vorgestellte BAG-Entscheidung vom 28.08.2013 weist m. E. leider ähnliche Defizite auf. Die AGB-Klausel lautete „Die Mitarbeiterin wird ab 03.12.1994 im Bereich Flugbetrieb, Beschäftigungsort Münster/Osnabrück, als Flugbegleiterin eingestellt“ und trug die Überschrift „Beginn der Tätigkeit“. Wohlgemerkt: es handelte sich um die erste Arbeitsstelle der Flugbegleiterin bei diesem Arbeitgeber und nicht etwa um einen abändernden Arbeitsvertrag mit einer schon länger beschäftigten Arbeitnehmerin. Zwangsläufig fielen die Begründung des Arbeitsverhältnisses und die Regelung des Einsatzorts in eins. Dennoch nimmt das BAG eine künstliche Aufspaltung nach Zeitabschnitten vor, als würde die Klausel einen lesbaren Teil („wo muss ich denn heute arbeiten?“) und einen unlesbaren Teil („offen bleibt, wo ich morgen arbeiten muss“) enthalten. Strukturell betrachtet heißt das: es wurde auf ganz verkehrte Weise ein Blue-pencil-Test vorgenommen: „Wir streichen auch das, was gar nicht drinsteht.“  Der fragliche Passus, so das BAG, beziehe sich nämlich lediglich darauf, „wo die Arbeitnehmerin bei Vertragsbeginn ihre Arbeit aufnehmen soll“. Die Betonung liegt auf „bei Vertragsbeginn“. Damit sei also nicht der Arbeitsort vertraglich festgelegt. Er könnte ja später woanders liegen. Das sehe man an der Überschrift. Die heiße ja „Beginn der Tätigkeit“.

 

Eine solche Auslegung kann ich nicht mehr nachvollziehen. Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag bei Neueinstellung, die expressis verbis das Datum des 03.12.1994 enthält, trägt doch deshalb die Überschrift „Beginn der Tätigkeit“, weil darin konkret der Tag genannt wird, an dem das Arbeitsverhältnis beginnt. Wieso sollte denn durch Überschrift und Datierung zusätzlich auch der Arbeitsort terminiert werden können? Und das ausgerechnet mit einer Formulierung, in der die Worte „Beschäftigungsort Münster/Osnabrück“ gerade außerhalb des Hauptsatzes „Die Mitarbeiterin wird ab 03.12.1994 im Bereich Flugbetrieb als Flugbegleiterin eingestellt“ durch einen Einschub innerhalb zweier Kommata von der auf das Datum bezogenen Aussage über den Beschäftigungsbeginn sowohl grammatisch und auch vom Sinngehalt gänzlich abgekoppelt sind?  Und was wären die Konsequenzen? Muss man jetzt künftig bei erstmaliger Eingehung eines Vertragsverhältnisses (Kauf, Miete, Arbeitsvertrag) bei Regelung einer Frage A ausdrücklich in die AGB einrücken, dass das auch über den Tag hinaus gelten soll, an dem der Vertrag geschlossen wurde? Weil andernfalls A „nicht Vertragsinhalt“ wird, sondern nur eine deklaratorische Momentaufnahme bei Vertragsbeginn darstellt?

 

Ich halte es für besonders betrüblich, dass sich Erläuterungen, welche anerkannten Auslegungsregeln das BAG angewendet hat, um zu diesem bemerkenswerten Ergebnis zu gelangen, in der Entscheidung leider nicht finden. Ich kann den Urteilsgründen auch nicht entnehmen, ob die die Auslegungsregeln des AGB-Rechts, z. B. die zu Lasten des Verwenders vom Gesetz aufgestellte Unklarheitenregel (§ 305 c Abs. 2 BGB), angewandt wurden, oder ob sie gerade nicht angewandt wurden, etwa in der Vorstellung, das sei nicht nötig, weil die Klausel „nicht Vertragsbestandteil wurde“. Wenn letzteres der Fall war, dann scheint mir besonders bedauerlich, dass sich in der Entscheidung erst recht keine Darstellung findet, nach welchen Grundsätzen das BAG darüber entscheidet, ob etwas Vertragsbestandteil in AGB ist und ob nicht.  

 

 

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