"Institutioneller Rechtsmissbrauch" bei dauerhafter Beschäftigung in Teilzeit

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 28.12.2013

Anfang 2012 hatte der EuGH in der Rechtssache Kücük (Urt. vom 26.01.2012 - C-586/10, NZA 2012, 135) die von § 14 Abs. 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit der langjährigen Kettenbefristung von Arbeitsverträgen (mit sachlichem Grund) als Verstoß gegen das Unionsrecht beanstandet. Daraufhin hat das BAG die Rechtsfigur des "institutionellen Rechtsmissbrauchs" (§ 242 BGB) bemüht, um in Extremfällen den Arbeitnehmern zu einem unbefristeten Arbeitsvertrag zu verhelfen (BAG, Urt. vom 18.07.2012 - 7 AZR 783/10, NZA 2012, 1359).

Das LAG Baden-Württemberg hatte jetzt über einen Fall zu entscheiden, in dem es zwar nicht um den Bestand des Arbeitsverhältnisses, aber um den Umfang der Arbeitszeit ging. Der Kläger war zunächst befristet und ist seit dem Jahr 2000 unbefristet bei der beklagten katholischen Schulträgerin als Lehrer beschäftigt. Sein Lehrdeputat beträgt 12 Wochenstunden, was damals der Hälfte (heute etwas weniger als der Hälfte) eines Vollzeitdeputats entsprach. Durch Zusatzvereinbarungen wurde seine Lehrverpflichtung jedoch durchgängig jeweils für ein Schuljahr erhöht, mal nur um wenige Stunden, mal auf das Vollzeitdeputat von derzeit 25 Stunden. Unter Einschluss der von 1996 bis 2000 abgeschlossenen Arbeitsverträge haben die Parteien auf diese Weise insgesamt 20 befristete Verträge bzw. Arbeitszeiterhöhungen vereinbart. Der Kläger hat mehrfach um eine unbefristete Vollzeitstelle gebeten. Die Beklagte hat dies abgelehnt.

Das Arbeitsgericht Ulm hat der Klage teilweise stattgegeben. Der Kläger könne eine dauerhafte Beschäftigung im Umfang von 16 Wochenstunden (also vier mehr als bisher) beanspruchen. Anspruch auf eine Vollzeitstelle mit 25 Unterrichtsstunden habe er aber nicht. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers blieben beim LAG Baden-Württemberg ohne Erfolg:

Die Grundsätze, die das BAG zum institutionellen Rechtsmissbrauch zur Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 TzBfG entwickelt hat, finden auch bei der Inhaltskontrolle der Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen nach § 307 BGB Anwendung, falls eine wertungsmäßige Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen besteht. Eine derartige Vergleichbarkeit liegt etwa vor, wenn der Arbeitgeber bei einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit über Jahre hinweg (im Entscheidungsfall: 11 Jahre) nur befristete Aufstockungen der Arbeitszeit angeboten hat, obwohl der Arbeitnehmer den Wunsch nach einem unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis geäußert hatte.

(LAG Baden-Württemberg, Urt. vom 17.06.2013 - 1 Sa 2/13, BeckRS 2013, 71890)

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