Verletzen Pornogucker Urheberrechte? Anmerkungen zum Redtube-Fall

von Fabian Reinholz, veröffentlicht am 17.12.2013

Massenabmahnungen kennt man ja inzwischen. Selbst wenn sich die Abmahnungen auf eine klare Rechtslage stützen ist, wird ein solches Vorgehen allgemein als irgendwie unsympatisch oder unethisch empfunden. Verständlicherweise erregt nun die „Redtube-Abmahnwelle“ besonderen Ärger, denn anders als Abmahnungen wegen Filesharing, fehlenden Impressi oder falschen Widerrufsbelehrungen stützten sich die Abmahnungen auf eine wohl unzutreffende Rechtsauffassung.

Zur Erinnerung: In Anspruch genommen werden Nutzer von Pornoplattformen wie redtube.com, weil sie dort abrufbare Filmchen angeschaut haben. Die Plattformbesucher konsumieren die Filme im Wege des sog. „Streaming“. Dabei werden die Videos online abgespielt, sie müssen dazu nicht auf den Rechner des Nutzers heruntergeladen werden. Allerdings findet notgedrungen für die Dauer des Anschauens eine vorübergehende Speicherung einzelner Teile der Videos auf dem eigenen Rechner statt.

Dies ist im urheberrechtlichen Sinn eine Vervielfältigung. Die Vervielfältigung ist eine (in § 16 UrhG) gesetzlich geregelte Nutzungsform eines urheberrechtlich geschützten Werks (vom Urheberschutz eines Pornofilms bzw. einzelner Teile hiervon sei einmal ausgegangen). Die Vervielfältigung bedarf der Zustimmung des Urhebers. Die Hersteller der Pornos wehren sich gegen die Abrufbarkeit ihrer Filme über die Streaming-Plattform Redtube, haben einer solchen Vervielfältigung im Zweifel also nicht zugestimmt. Hierauf stützt sich der Vorwurf der abmahnenden Rechtsanwälte aus Regensburg. Allerdings wenden sich die Anwälte nicht – was nahe liegen würde - an den Betreiber der Plattform, sondern an die Plattformnutzer. Diese müssen nun herhalten, weil Urheber sich schwer tun, wirksam gegen die Plattformen vorzugehen.

Zu Unrecht: § 44a UrhG gestattet vorübergehende Vervielfältigungen (Kopien), wenn diese flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, […] eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben.

§ 44a UrhG geht zurück auf die sog. EU-InfoSoc-Richtlinie von 2001. Um den Erfordernissen der Informationsgesellschaft und den neuen (Online-)Technologien Rechnung zu tragen, sollten bestimmte technisch notwendige und begleitende Vervielfältigungshandlungen vom ausschließlichen Verfügungsrecht des Urhebers ausgenommen werden. Der Gesetzgeber hatte dabei insbesondere kurzfristige Speicherungen beim Browsing und Caching im Sinn (siehe RL 2001/29 EG, Erwägungsgrund 33; BT-Drucksache 15/38, Seite 18). Ob § 44a UrhG auch das Streaming erfassen soll ist umstritten und gerichtlich bislang nicht geklärt. Es spricht aber einiges dafür, dass für das Streaming nichts anderes gelten kann. Wie beim Caching finden auch beim Streaming nur vorübergehende Vervielfältigungen statt. Sie sind notwendiger Bestandteil der Streamingtechnik und haben auch keine eigene wirtschaftliche Bedeutung. Sie sollen vielmehr nur den Konsum des Werks durch den Endverbraucher ermöglichen. Selbst wenn Streaming-Portale wie Redtube die wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten der (Porno-)Filmindustrie beeinträchtigen, erfolgt die Beeinträchtigung nicht auf Konsumentenebene und nicht aufgrund der Zwischenspeicherung, sondern allenfalls bei den Anbietern entsprechender Streaming-Portale und der Art und Weise der Verfügbarmachung der Filme.

Die Vervielfältigungen sind auch rechtmäßig. „Rechtmäßig“ ist eine Nutzung nach § 44a UrhG, wenn sie vom Rechteinhaber zugelassen bzw. nicht durch das Gesetz beschränkt ist (siehe RL 2001/29 EG, Erwägungsgrund 33). Keinen gesetzlichen Beschränkungen unterliegt jedoch der Konsum eines Werks, egal ob es sich um eine Fernsehsendung oder einen Pornofilm handelt. Und dies mit gutem Grund: soll doch der Werkgenuss nicht durch das Urheberrecht beschränkt werden, damit Streitragen im Zusammenhang mit der urheberrechtlichen Nutzung nicht auf dem Rücken der Konsumenten ausgetragen werden.

Darüber hinaus erlaubt § 53 UrhG das Anfertigen von Kopien zum privaten Gebrauch. Zum privaten Gebrauch gehört auch und gerade das Anschauen von Filmen in den eigenen vier Wänden. Allerdings kann sich auf § 53 UrhG nicht berufen, wer zur Herstellung der Kopie auf eine Vorlage zurückgreift, die offensichtlich rechtswidrig erstellt oder zugänglich gemacht wurde. Dies soll verhindern, dass sich Nutzer die Werke aus erkennbar illegalen Quellen beschaffen (als Beispiel wird hier oft kino.to genannt). Wie so häufig stellt sich aber auch im Fall Redtube die berechtigte Frage, ob die Nutzer der Plattform wissen oder wissen müssen, dass und welche Videos dort rechtswidrig bereitgehalten werden. Wo es sich nicht um reine Piratenportale handelt, kann man von einer offensichtlich illegalen Quelle nicht sprechen.

Somit bestehen beste Voraussetzungen, sich gegen die Abmahnungen zu wehren. Hinzu kommt, dass die Beschaffung der Tatsachengrundlagen, nämlich die IP-Adressen der Nutzer, durch die abmahnenden Anwaltskollegen rechtlich fragwürdig ist. Hierzu lohnt sich ein Blick in die Blogs der Kollegen Stadler und bei Telemedicus.

Dass nun private Nutzer ausbaden müssen, dass Musik und Filmindustrie jahrelang versäumt haben, die Rechtslage in einem Musterprozess zu klären, ist ärgerlich. Zumal der Verdacht naheliegt, dass man für Massenabmahnungen gerade die Pornogucker ausgesucht hat, von denen man sich wenig Gegenwehr verspricht, weil es ihnen unangenehm sein könnte, Anwälte einzuschalten und öffentliche Prozesse zu führen.

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9 Kommentare

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"Die Hersteller der Pornos wehren sich gegen die Abrufbarkeit ihrer Filme über die Streaming-Plattform Redtube"

Haben sie irgendwelche Belege, welche Firmen das sind? Die Briefkasten-Firme The Archive etwa? Combat Zone, der eigentliche Rechteinhaber der abgemahnten Filme hat nichts dagegen, dass die Filme auf redtube sind, sonst hätten sie sie einfach über DCMA entfernen lassen können. Auch wenn The Archive tatsächlich irgendwelche Verwertungsrechte für Deutschland gekauft haben sollte, können sie natürlich nicht per DCMA löschen lassen. Ist ihnen bekannt, wie DCMA http://www.dcma.mil/ funktioniert? DCMA ist auch die rechtliche Basis von youtube. 

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Vom Beck-Blog hätte ich mehr Tiefgang erwartet. Neben dem Müller-Beitrag in der LTO hätte auch

 

http://www.juraserv.de/startseite/abmahnung-der-u-c-kanzlei-fuer-porno-s...

 

genannt werden müssen, wenn man auf

 

http://archiv.twoday.net/stories/572463488/

 

nicht hinweisen möchte, da man die dort erörterte Laufbilderproblematik für zu speziell oder nicht schlüssig bearbeitet ansieht.

Zu kurz kommt in den diversen Stellungnahmen regelmäßig die Auseinandersetzung mit dem EuGH-Urteil C 403/08. Siehe früher

 

http://www.melchior-ra.de/recht-aktuell/items/ag-leipzig-streaming-illeg...

 

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Als Unwort des Jahres schlage ich den Begriff "rechtliche Grauzone" vor, den all die vielen "weissen Ritter" gerne zitieren, die den Betroffenen "helfen" wollen, indem sie ihnen das Geld aus der Tasche ziehen. Womöglich schädigen sie den Ruf der Rechtsanwälte mehr als die Gegenseite. Im Falle einer legalen Quelle wie Redtube (DCMA) gibt es keine Grauzone. Und wer http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/11-2012/beitrag.html liest, kommt zum Schluss, dass Streaming auch sonst legal ist. Ein weiterer Kandidat ist "Nutzung in gewerblichem Ausmass". Da scheinen tatsächlich einige auf die Idee zu kommen es läge "Nutzung in gewerblichem Ausmass" vor, wenn jemand einen Porno streamt/anschaut, weil er den Urheberrechtsinhaber um eine Nutzungsgebühr prellt. Soll das auch gelten, wenn ich einen Song höre, den ein ausländischer Kurzwellensender ausstrahlt, für den der Sender in Deutschland keine Nutzungslizenz hat? Das klingt absurd. Wer sich genauer über den redtube Fall informieren möchte dem empfehle ich http://www.mersch.com/cmscontent/fileupload/newZ1new_fileupload_url1_eZ2... , technische Hintergrundinfos finden sich auf http://blog.kowabit.de/ .

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Auf einen weiteren Sachverhalt weist http://www.mersch.com/cms... hin, der in der Diskussion bis jetzt etwas unterging, den der Erpressbarkeit:
"Damit sind die betroffenen Personen nun im Grunde erpressbar, denn wer
kann schon wissen, an wen die gesammelten Informationen in Zukunft sonst
noch gehen. Waren unter den Abgemahnten vielleicht in der Öffentlichkeit
stehende Personen, Politiker, Prominente, die gemeinhin auf ihren Ruf
bedacht sind und es vielleicht auch sein müssen? Nun, über diese Menschen
wissen Dritte jetzt einige äußerst aufschlussreiche private Dinge."

Genau deshalb müssen wir uns entweder auf den Richtervorbehalt verlassen können (was offensichtlich nicht der Fall ist) oder von der Vorratsdatenspeicherung die Finger lassen. Alles andere verletzt unsere Grundrechte in eklatanter Weise.

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Die ganze Sache scheint von Anfang an als groß angelegter Betrug geplant worden zu sein, wie sich aus verschiedenen Quellen, die sich insbesondere mit der Herkunft der IP Adresse beschäftigen (siehe hier: http://blog.kowabit.de/porno-sein/), entnehmen lässt.

Nicht umsonst fließen die eingeforderten Beträge auf ein Konto in die Schweiz, wo es dem Regess der Angstzahler oder auch der Beschlagnahme durch Ermittlungsbehörden entzogen ist.

Kein vernünftiger Anwalt würde seine Gebühren auf ein Konto des Mandanten im Ausland überweisen lassen. Es ist auch unwahrscheinlich, dass der Abmahner die Gebühren bei mehreren tausend Abmahnungen bereits im Vorraus gezahlt hat. Vielmehr spricht einiges dafür, das alle unter einer Decke stecken und die ergaunerten Beträge aufgeteilt werden.

Würde sich letztlich die abwegige Rechtsauffassung der Abmahner zumindest zeitweise durchsetzen (was bei mit Neuländern besetzten Gerichten durchaus möglich scheint), wäre das Internet, wie wir es kennen, in Deutschland am Ende, da man die Rechtsauffassung bezüglich der Zwischenspeicherung als unerlaubte Verfielfältigung ohne weiteres auch auf alle Medieninhalte (Bilder oder Texte) erweitern kann. Auch diese Inhalte werde bekanntlich zunächst im Cache gespeichert und dann erst auf dem Bildschirm wiedergegeben.

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Natürlich sind viele "abgemahnte" im Recht und würden in letzter Instanz auch ihr Recht bekommen, aber wer kann sich das leisten? Keine Versicherung zahlt für sowas und einer Anwaltskanzlei ist es egal wie oft man in Berufung geht, die machen immer weiter. Am Ende gewinnt der, der das meiste Geld für Verhandlungen hat!

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