"Ups - gibt doch keine Bewährung"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.11.2013
Rechtsgebiete: BerichtigungStrafrechtVerkehrsrecht2|3267 Aufrufe

Kann ja mal passieren: Das Schöffengericht berät...der Vorsitzende schreibt das ergebnis in ein Urteilsfomular...und vergisst, die Bewährungsaussetzung zu streichen, was er aber noch in der mündlichen Urteilsbegründung merkt und korrigiert. Der Angeklagte ist darüber natürlich nicht so glücklich und legt (erfolglos) Revision ein:

Die zulässige Sprungrevision ist unbegründet.

Weder die Rüge der Verletzung formellen Rechts noch die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge verhelfen ihr zum Erfolg.

1.

Die in zulässiger Form (§ 344 Abs. 2 StPO) erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Ein Verstoß gegen § 268 Abs. 2 StPO kann nicht festgestellt werden,

a)

Die hier vorgenommene Berichtigung der Urteilsformel des Inhalts, dass die Vorsitzende nach deren Verlesung nachträglich die Worte „deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird“ gestrichen hat, kann nicht mit Erfolg beanstandet werden.

Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die Urteilsformel sogar außerhalb der Hauptverhandlung durch Gerichtsbeschluss hätte berichtigt werden können. Zwar gehört die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung grundsätzlich nicht zu den zulässigen Inhalten einer Berichtigung der Urteilsformel wegen offensichtlicher Unrichtigkeit (vgl. OLG Düsseldorf, VRS 89, 124, 125; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 268 Rdnr. 11), jedoch drängt sich im vorliegenden Fall ausnahmsweise ein anderes Ergebnis auf. Denn im Rahmen der verlesenen Urteilsformel war von vornherein ausdrücklich die Zustimmung zur Zurückstellung der Vollstreckung gemäß § 35 BtMG erklärt worden. Dieser Teil der Urteilsformel ergibt nur dann Sinn, wenn die Vollstreckung der Strafe nicht bereits gem. § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt worden war. Hinzu kommt, dass die Vorschrift des § 56 Abs. 1 StGB gerade nicht in der Liste der angewendeten Strafvorschriften aufgeführt war. Im Übrigen ist die mündliche Mitteilung der Urteilsgründe von maßgebender Bedeutung für die Beurteilung, ob es sich um einen Fehler handelt, der für alle Verfahrensbeteiligten klar zutage liegt und sich somit als offensichtliche Unrichtigkeit erweist (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1999, 112, 113). Hier hat die Vorsitzende bei Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe näher ausgeführt, weshalb im Fall des vielfach – auch einschlägig – vorbestraften Angeklagten keinesfalls eine für ihn positive Entscheidung nach § 56 Abs. 1 StGB getroffen werden konnte. Vor diesem Hintergrund war eindeutig erkennbar, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Letzteres stellt die Revision auch nicht in Frage.

Jedenfalls ist die Urteilsformel noch rechtzeitig vor Abschluss der Urteilsverkündung berichtigt worden.

Die Berichtigung der Urteilsformel ist möglich, solange die Urteilsverkündung noch nicht abgeschlossen ist (vgl. BGHSt 25, 333, 336; Meyer-Goßner, a.a.O., § 268 Rdnr. 9). Abgeschlossen ist die Urteilsverkündung mit dem letzten Wort der mündlichen Bekanntgabe der Urteilsgründe (vgl. BGHSt a.a.O.; OLG Hamm, VRS 57, 35, 36; OLG Koblenz, VRS 49, 194, 196).

Zwar trägt der Verteidiger des Angeklagten mit Nachdruck vor, das letzte Wort der Urteilsverkündung sei bereits gesprochen gewesen, als er die Vorsitzende auf den Widerspruch zwischen Urteilsformel und -gründen hingewiesen habe, jedoch gelangt der Senat zu einem anderen Ergebnis. Letzteres folgt allerdings nicht allein aus dem Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2013. Soweit dort protokolliert ist, das Tenorierungsversehen sei „während der Urteilsverkündung“ erfolgt, handelt es sich nicht um eine wesentliche Förmlichkeit des Protokolls, so dass sich die formelle Beweiskraft des Sitzungsprotokolls (§ 274 S. 1 StPO) hierauf nicht erstreckt. Der Senat hat aber im Wege des Freibeweises (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 274 Rdnr. 18) und in freier Beweiswürdigung feststellen können, dass der Hinweis des Verteidigers (und darauf aufbauend die sofortige Berichtigung der Urteilsformel) noch vor Abschluss der Urteilsverkündung erfolgt ist. Der Angeklagte hat keinen tatsächlichen bzw. objektiven Anhaltspunkt für seine Einschätzung, die Urteilsverkündung sei bereits abgeschlossen gewesen, vorgetragen, insbesondere nicht, die Vorsitzende habe beispielsweise bereits mit der Rechtsmittelbelehrung begonnen oder gar die Sitzung geschlossen und die Verfahrensbeteiligten verabschiedet. Vielmehr stützt er seinen Vortrag, die Vorsitzende habe bereits „zu Ende gesprochen“ bzw. sie hätte „keinen weiteren Satz mehr angefügt“, auf die persönliche Einschätzung seines Verteidigers, der „allein aus Gründen der Höflichkeit so lange geschwiegen habe, bis die Vorsitzende ihre Ausführungen beendet habe“. Demgegenüber ergibt sich sowohl aus der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden vom 23. März 2013, ihrer Verfügung vom 28. Januar 2013 sowie auch der Erklärung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft vom 30. Januar 2013, dass die Urteilsverkündung noch nicht abgeschlossen gewesen ist, als der Verteidiger des Angeklagten den vorbeschriebenen Widerspruch aufgezeigt hat. So hat die Vorsitzende in ihrer Verfügung vom 28. Januar 2013 nachvollziehbar erläutert, sie habe „noch etwas zur Kostenentscheidung ausführen wollen“, weil sie hierzu „zumindest immer eine kurze Erklärung abgebe“. Der Senat hat keinen Grund, an der Richtigkeit der vorgenannten Erklärungen zu zweifeln.

b)

Die Revision kann auch nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass nach stattgefundener Berichtigung die neu gefasste Urteilsformel nicht förmlich verkündet worden ist.

Bereits nach allgemeinem Grundsatz ist es nicht revisibel, wenn die Urteilsformel nicht durch Verlesen der vorher niedergelegten Entscheidung verkündet wird (vgl. OLG Hamm, VRS 60, 206; OLG Düsseldorf, VRS 88, 358; Meyer-Goßner, a.a.O., § 268 Rdnr. 20).

 

Dies gilt auch, sofern - wie im vorliegenden Fall - zunächst ein Fehler bei der Verlesung der Urteilsformel aufgetreten ist, dieser noch während der Urteilsverkündung korrigiert und es hiernach unterbleibt, die Urteilsformel nochmals, also in der korrigierten Fassung zu verlesen. Auch in diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass allen Verfahrensbeteiligten eindeutig erkennbar war, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Letzteres steht hier – wie bereits ausgeführt – außer Frage. Das Vorbringen des Angeklagten, ihm sei nach Schluss der mündlichen Verhandlung nicht bewusst gewesen, „wozu er denn nun verurteilt worden sei“, kann aus Sicht des Senats nicht nachvollzogen werden, zumal selbst sein Verteidiger mit Schriftsatz vom 22. Januar 2013 ausgeführt hat, es werde „nicht verkannt, dass das Gericht wohl im Ergebnis eine Strafe ausurteilen wollte, die eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung beinhaltet“.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 3.9.2013 - 5 RVs 71/13

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2 Kommentare

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Die Vorsitzende hat aber hier den Irrtum nicht selbst bemerkt, sondern die Urteilsformel erst auf den Hinweis des Verteidigers hin korrigiert. Da in der Begründung des OLG Hamm so viel Wert darauf gelegt wird, dass die Berichtigung noch während der Urteilverkündung erfolgt sei, sollten Strafverteidger in künftigen Fällen mit dem Hinweis auf solche Fehler lieber abwarten, bis das Gericht die Verfahrensbeteiligten aus dem Gerichtssaal verabschiedet. So jedenfalls die Quintessenz aus dem mitgeteilten Beschluss, oder?

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Aus Sicht des Angeklagten wäre es tatsächlich sicher besser gewesen, wenn der Verteidiger nichts gesagt hätte. Bei richtiger Urteilsbegründung wäre dann ein Widerspruch von Tenor zu Gründen festzustellen, der wohl zur Aufhebung führen würde...und dann vielleicht zu einem aus Sicht des Angeklagten besseren Ergebnis. 

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