Falsch blinkender Vorfahrtsberechtigter: Der andere Fahrer darf darauf nicht vertrauen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.11.2013
Rechtsgebiete: falscher BlinkerVerkehrsrecht|2917 Aufrufe

Die Versuchung ist groß, wenn der bevorrechtigte Fahrzeugführer den Blinker betätigt und sich hierdurch für den Nachrangigen eine schnelle Möglichkeit zur Weiterfahrt eröffnet. Kommt es dann zum Unfall, weil der Bevorrechtigte "falsch geblinkt" hatte, stellt sich im Rahmen der Haftung die Frage: Durfte der andere auf den "falschen Blinker" vertrauen?

Kommt es auf Straßenkreuzungen oder -einmündungen zu einem Zusammenstoß zwischen den Fahrzeugen eines nach links einbiegenden Wartepflichtigen und eines Vorfahrtberechtigten, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Wartepflichtige die Vorfahrt des Berechtigten schuldhaft verletzt hat (grdl. BGH VRS 5 [1953]  182; VersR 1959,  792 [793]; st.Rspr..). Diesen Anschein hatte die Klägerin zu widerlegen, was ihr nicht gelungen ist.

Verkehrsverstöße des Bevorrechtigten führen nicht zum Verlust der Vorfahrt, sondern i. d. R. nur zu einer Mithaftung (BGHSt. 20, 238; st. Rspr.). Wie falsche oder irreführende Richtungszeichen zu bewerten sind, hat der Senat zuletzt in seiner Entscheidung NZV 2009,  457 offen gelassen. Der Senat hat früher die Auffassung vertreten, dass der Wartepflichtige im Grundsatz auf das angekündigte Abbiegen vertrauen darf, solange nicht konkrete Anhaltspunkte die Abbiegeabsicht in Zweifel ziehen (OLGR München 1998, 474; KG DAR 1990,  142).
Die Gegenmeinung vertritt die Auffassung, dass der Wartepflichtige trotz eingeschalteter rechter Blinkleuchte des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs nur dann auf dessen Abbiegen vertrauen darf, wenn sich dieses außer durch die Betätigung der Blinkleuchte in der Gesamtschau der Fahrsituation - sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selber - zweifelsfrei manifestiert (OLG Hamm, NJW-RR 2003, 975; vgl. auch OLG Saarbrücken NJW-RR 2008,  1611). Die Rechtsfrage braucht auch hier nicht entschieden werden, da die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, wie oben unter Ziff. 1 näher erläutert wurde, konkrete Anhaltspunkte ergeben, dass der Zeuge Se. die durch den Blinker angekündigte Abbiegeabsicht in Zweifel ziehen und deshalb von einem Einfahren in die bevorrechtigte Straße Abstand nehmen musste.

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts steht daher fest, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs zwar über längere Zeit den rechten Fahrtrichtungszeiger betätigt hatte, es konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, dass er mit seinem Fahrzeug so verlangsamt hat, dass er den Einbiegevorgang problemlos hätte durchführen können, auch ein rechts einordnen oder beginnendes rechts abbiegen war nicht festzustellen. Unter diesen Umständen durfte der klägerische Fahrer nicht darauf vertrauen, dass der Zeuge S. rechts abbiegt und die Straße für den Linksabbieger freigibt (vgl. hierzu auch König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 8 StVO Rd. 54 m. w. N. zur Rechtsprechung).

OLG München, Schlussurteil vom 06.09.2013 - 10 U 2336/13    BeckRS 2013, 16306

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