BAG zu einer Stichtagsregelung bei Weihnachtsgratifikation

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 15.11.2013

Ein wichtiges Urteil des BAG (Urteil vom 13. November 2013 - 10 AZR 848/12, PM 69/13)) - – gerade zur rechten (Weihnachts-)Zeit. Alle Jahre wieder freuen sich viele Arbeitnehmer auf eine Sonderzahlung (Weihnachtsgratifikation), die sie sehr häufig als Bestandteil ihrer Gesamtvergütung begreifen. Solche Sonderzahlungen können auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen. Häufig wird die Leistung vom Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag im Bezugszeitraum abhängig gemacht. Ob solche Klauseln der AGB-Kontrolle standhalten, ist allerdings zweifelhaft und hängt nach der Ansicht des BAG vom Zweck der Leistung ab. Damit bestätigt das BAG seine zuletzt eingeschlagene Richtung. Zu entscheiden war in einem jetzt bekannt gemachten Urteil über folgende Fallkonstellation: Der Kläger war seit 2006 bei der Beklagten, einem Verlag, als Controller beschäftigt. Er erhielt jährlich mit dem Novembergehalt eine als Gratifikation, ab dem Jahr 2007 als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. Die Beklagte übersandte jeweils im Herbst eines Jahres ein Schreiben an alle Arbeitnehmer, in dem „Richtlinien“ der Auszahlung aufgeführt waren. In dem Schreiben für das Jahr 2010 hieß es ua., die Zahlung erfolge „an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis“ befänden; Verlagsangehörige sollten für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts erhalten. Im Lauf des Jahres eintretende Arbeitnehmer erhielten die Sonderzahlung nach den Richtlinien anteilig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund seiner Kündigung am 30. September 2010. Mit der Klage hat er anteilige (9/12) Zahlung der Sonderleistung für das Jahr 2010 begehrt. Zu Recht wie das BAG jetzt befand. Die Sonderzahlung solle nach den Richtlinien einerseits den Arbeitnehmer über das Jahresende hinaus an das Unternehmen binden und damit die Betriebstreue belohnen, diene aber zugleich der Vergütung der im Laufe des Jahres geleisteten Arbeit (Sonderzahlung mit Mischcharakter). In derartigen Fällen seien Stichtagsregelungen wie die in den Richtlinien vereinbarte nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel benachteilige den Kläger unangemessen. Sie stehe im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, weil sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entziehe. Der Vergütungsanspruch werde nach den Richtlinien monatlich anteilig erworben. Anhaltspunkte dafür, dass die Sonderzahlung Gegenleistung vornehmlich für Zeiten nach dem Ausscheiden des Klägers oder für besondere - vom Kläger nicht erbrachte - Arbeitsleistungen sein sollte, seien nicht ersichtlich. Arbeitgeber, die auch künftig an Stichtagsregelungen festhalten wollen, müssen bei der Ausgestaltung der Modalitäten sehr genau darauf achten, dass der Zweck der Sonderzahlung allein in der Belohnung für erbrachte und künftige Betriebstreue liegt. Das sollte bereits im Wortlaut klargestellt werden, muss sich darüber hinaus aber auch aus den sonstigen Modalitäten ergeben. Es bleibt zu hoffen, dass alsbald weitere höchstrichterliche Entscheidungen Klarheit über die maßgeblichen Abgrenzungskriterien herbeiführen.

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