OWi-Verfahren, das ins Strafverfahren übergeleitet wurde bleibt Strafverfahren - auch, wenn OWi rauskommt!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.11.2013

Mal wieder etwas schönes Verfahrensrechtliches aus dem OWi-Bereich. Da erteilt das Gericht im OWi-Verfahren den Hinweis, dass eine Straftat begangen sein könnte und leitet hierdurch das OWi-Verfahren in ein Strafverfahren um. Schließlich verurteilt es doch nur wegen der ursprünglich verfolgten OWi. Wie geht es nun mit den Rechtsmitteln weiter? Klar: "Einmal Strafrozess - immer Strafprozess!"

Zum Sachverhalt:

Das AG hat den Angekl. (und ehemals Betroffenen) am 31.01.2013 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit
des Führens eines Kfz. unter der Wirkung eines berauschenden Mittels nach § 24A Absatz II, III StVG in
Tateinheit mit unerlaubter Benutzung eines Mobiltelefons (§ 23 Absatz Ia StVO) zu einer Geldbuße von 520 € verurteilt und gegen ihn entsprechend der schon im Bußgeldbescheid vorgesehenen Ahndung ein Fahrverbot von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Absatz IIa 1 StVG verhängt. Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten „Rechtsbeschwerde“ rügt der Betr. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das OLG hat die Sache ohne eigene Sachentscheidung gem. §§ 348 Absatz II i. V. m. 79 III 1 OWiG an das für das Rechtsmittel der Berufung zuständige LG abgegeben.

Aus den Gründen:

I.

Das Rechtsmittel ist als strafprozessuale Berufung anzusehen und als solche von dem zuständigen Berufungsgericht durchzuführen.

1. Mit dem vom AG unter dem 21.11.2012 nach Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid vom 28.09.2012 zusammen mit der Bestimmung des Hauptverhandlungstermins an den Betr. (und seinen Verteidiger) erteilten Hinweis nach § 81 II 1 i. V. m. § 81 Absatz I 2 OWiG, wonach „auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Absatz I,  II StGB in Betracht“ komme, ist das Bußgeldverfahren endgültig, d. h. unanfechtbar und unwiderruflich (BGHSt 29, 305/ 308) in das Strafverfahren übergleitet worden;
zugleich erhielt hierdurch der (bislang) „Betroffene“ gemäß  § 81 Absatz II 2 OWiG „die Rechtsstellung des
Angeklagten“, worauf das AG ebenfalls zutreffend hingewiesen hat.

2. Für das Rechtsmittelverfahren finden damit ausnahmslos die Vorschriften der StPO auch dann Anwendung, wenn der Betr. unbeschadet der bewirkten Überleitung ins Strafverfahren - wie hier - ‚nur‘ wegen einer oder mehrerer Ordnungswidrigkeiten schuldig gesprochen und gegen ihn deshalb ‚lediglich‘ auf eine Geldbuße, gegebenenfalls unter gleichzeitiger Verhängung eines bußgeldrechtlichen Fahrverbots, erkannt wird (OLG Hamm, Beschluss vom 03.04.2008 -  4
Ss OWi 182/08 = BA 46 [2009], 280; Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 81 Rn. 24; Burhoff/Gübner, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 2557, jeweils m. w. N.). Ist damit das angefochtene Urteil im Strafverfahren ergangen, kann es nur mit den strafprozessualen Rechtsmitteln der Berufung oder der Revision angefochten werden.

3. Die mit Telefax-Schreiben seines Verteidigers vom 01.02.2013 an diesem Tag eingelegte
„Rechtsbeschwerde“ des Betr., die er nach Zustellung des schriftlichen Urteils vom 31.01.2013 an seinen
Verteidiger am 15.02.2013 mit am 15.03.
2013 eingegangenem weiteren Telefax-Schreiben seines Verteidigers vom 14.03.2013 mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat, ist demgemäß, wie die GenStA im Rahmen ihrer Antragsschrift vom 14.06.2013 zutreffend feststellt, als strafprozessuale Berufung anzusehen und durchzuführen. Hiervon geht nicht zuletzt das Gesetz selbst, wie sich u. a. aus § 313 Absatz III StPO
ergibt, aus (vgl. neben KK/Wache OWiG 3. Aufl. § 82 Rn. 21 und Göhler/Seitz § 82 Rn. 25 zuletzt auch OLG Bamberg, Beschl. v. 27.09.2012 - 2 Ss OWi 1189/12 =
NStZ 2013,182 f. = OLGSt STPO § 300 Nummer 3 = VRR
2013, 149 f., jew. m. w. N.; siehe auch BGHSt 35,
 290 ff.= DAR 1988,  314 ff. = NStZ 1988, 465 f.).

4. Dem steht nicht entgegen, dass das AG selbst und mit ihm Verteidigung und StA jeweils unzutreffend von der Statthaftigkeit einer „Rechtsbeschwerde“ ausgehen. Gemäß § STPO § 300 StPO ist der Irrtum in der korrekten
Bezeichnung des statthaften Rechtsmittels vielmehr unschädlich und die Falschbezeichnung dahin umzudeuten, dass der vom Rechtsmittelführer erstrebte Zweck möglichst erreichbar ist; im Zweifel gilt das Rechtsmittel als eingelegt, das die umfassendere Nachprüfung erlaubt (Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 300 Rn. 3). Danach ist ein unzutreffend als „Rechtsbeschwerde“ bezeichnetes Rechtsmittel in aller Regel als Berufung zu behandeln. Trifft der Angekl. nämlich unter den zulässigen strafprozessualen Rechtsmitteln der Berufung und der Revision keine Wahl, so sieht das Gesetz in erster Linie das Rechtsmittel der Berufung vor; ein nicht näher bezeichnetes Rechtsmittel ist damit als Berufung zu behandeln (Meyer-Goßner § 335 Rn. 2). Nichts anderes kann im Grundsatz gelten, wenn der Angekl. - wie hier - der irrigen Auffassung ist, gegen das angefochtene Urteil sei die Rechtsbeschwerde gegeben. Einer solchen unrichtigen Bezeichnung ist nicht zu entnehmen, welches der beiden ihm wahlweise eröffneten Rechtsmittel der Angeklagte ergreifen wollte. Da sich der Rechtsmittelführer in derartigen Fallkonstellationen der Wahlmöglichkeit zwischen Berufung und Revision regelmäßig gerade nicht bewusst gewesen sein wird, ist deshalb eine gegen das Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde regelmäßig als Berufung zu behandeln (OLG Hamm und OLG Bamberg, jew. a. a. O.). Anhaltspunkte dafür, dass der Angekl. vorliegend auf eine Nachprüfung des Urteils in tatsächlicher Hinsicht verzichten wollte, so dass ausnahmsweise von einer Revision auszugehen wäre (OLG Bamberg a. a. O.; KK/Wache § 82 Rn. 21 und Göhler/Seitz § 82 Rn. 25, jeweils m. w. N.), fehlen.

II.

Die Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung obliegt dem LG. Entsprechend § 348 StPO erklärt sich der Senat deshalb für unzuständig und gibt die Sache an das für die Berufung des Angeklagten zuständige LG ab.

OLG Bamberg, Beschluss vom 24.06.2013 - 3 Ss OWi 824/13    BeckRS 2013, 11542

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