Bayerische Staatsanwälte sollen jahrelang intensiv ermittelt haben, nur um ein "Leck" im LKA aufzuklären?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 12.11.2013

Die Süddeutsche und die Abendzeitung berichteten heute über einen Fall, der schon vergangene Woche über den Regionalblog Regensburg Digital  Aufmerksamkeit erregt hat:

Es geht um den Passauer Journalisten Hubert Denk und eine undichte Behördenstelle.

Denk hatte Anfang 2010 im Passauer Bürgerblick u.a. über eine Hauptverhandlung berichtet, die sich aus den Umkreis der Ermittlungen gegen den Labor-Unternehmer Schottdorf ergeben hatte. Schottdorf wird vorgeworfen, mit einem Netzwerk von medizinischen Labors die Versichertengemeinschaft um große Summen (angeblich 78 Millionen Euro) geschädigt zu haben, es geht um Abrechnungsbetrug. Allerdings ist die Rechts- und Tatsachenlage alles andere als einfach zu beurteilen. Zu früheren Vorwürfen gegen Schottdorf vgl. diesen Spiegel-Artikel. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde in den Nuller-Jahren beim LKA eine "SoKo Labor" eingerichtet, die bis 2008 tätig war. Seit Februar 2012, also seit 1,5 Jahren liegt in Augsburg offenbar eine Anklage gegen Schottdorf vor (Bericht: Augsburger Allgemeine), eröffnet wurde bisher nicht.

Im Zuge der genannten Ermittlungen stießen die Ermittler auch auf eine Parteispende Schottdorfs aus dem Jahr 2005. Schottdorf hatte der CSU über ihren damaligen Ministerpräsidenten Stoiber 20.000 Euro (woanders heißt es 25.000 Euro) gespendet.

Kopien der Spendenbelege und eines Briefs an Stoiber gelangten auf bisher unbekanntem Weg an Hubert Denk, der darüber  berichtete. Die Angaben in seinem Artikel (Print) entsprachen zwar der Wahrheit. Dennoch versuchte Schottdorf mit Hilfe seiner Rechtsanwälte den Artikel Denks zu unterdrücken, angeblich erzeuge er in seiner Gesamtheit einen falschen Eindruck. Vor dem OLG Köln fanden Schottdorf und RA Gauweiler mit dieser „Eindrucksthese“ aber kein Gehör, sie zogen die Klage zurück.

Die Grünen fragten 2010 im Landtag nach der Spende und der schrittweisen Reduktion der Soko Labor. Das Justizministerium antwortete relativ ausführlich unter Bezugnahme auf einige der Ermittlungsverfahren gegen Schottdorf.

Auch eine weitere Anfrage, diesmal  von den Freien Wählern,  wurde 2011 vom Justizministerium ausführlich beantwortet.

Liest man diese Antworten, könnte man annehmen, damit strebe der Fall nun auf rechtsstaatlichem  Wege seiner Erledigung entgegen: Ob Schottdorf, der wegen ähnlicher Vorwürfe  auch schon einmal freigesprochen wurde, sich tatsächlich strafbar gemacht hat, soll das LG Augsburg demnächst klären. Dass Journalisten im Staat des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung auch kritisch berichten dürfen, steht ebenfalls völlig außer Frage.  Auch wurden die Hintergründe der Ermittlungen zu der Spende von der Pressesprecherin der StA München damals ja freimütig bestätigt (Quelle):

"Die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München I, Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger, bestätigte gegenüber Bürgerblick, dass Anfang Juli 2007 in dem Verfahren „Schottdorf“ Unterlagen über eine Parteispende zur CSU über 25.000 Euro aufgetaucht seien. Der Fall sei der politischen Abteilung übergeben, überprüft, jedoch keine strafbare Handlung erkannt worden: „Die Spende wurde ordnungsgemäß angemeldet, verbucht und veröffentlicht“. Das dem Scheck beigefügte Begleitschreiben an den Ministerpräsidenten habe nur der „Hoffnung" Ausdruck verliehen, "dass alles gut wird.“ Der ehmalige SOKO-Leiter des LKA hatte im Zeugenstand den Inhalt als „Erwartungshaltung“ interpretiert."

Offenbar ist die Staatsanwaltschaft aber anderer Auffassung. Jedenfalls nach Auskunft des Verteidigers von Denk wird seit drei Jahren intensiv ermittelt, wer den Spendenbeleg an Hubert Denk geleitet hat. Nach Angaben seines Anwalts sollen schon 35 Polizeibeamte, Richter und ein früherer Staatsanwalt vernommen worden sein, offenbar um dem „Leck“ auf die Spur zu kommen (Quelle). Sollte der Aufwand zum Auffinden eines Lecks tatsächlich so groß gewesen sein, wie Regensburg Digital mit Berufung auf den Verteidiger Denks berichtet, und sollte es wirklich nur um diesen einen "Verrat" gehen, wäre das in der Tat  eine ziemlich überzogene Ermittlungstätigkeit und damit eine Ressourcenverschwendung, der der neue Justizminister nachgehen müsste.

Angeblich soll die Nürnberger Staatsanwaltschaft auch gegen Denk wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes ermitteln (§ 201 StGB). Dieser Tatbestand setzt allerdings ein "Abhören" oder ein unbefugtes "Aufnehmen" des nicht öffentlich gesprochenen Wortes voraus. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Journalist seine Information durch eine solche Aktivität erlangt hat und nicht etwa durch ein "Leck", werden allerdings nicht genannt. Auch wäre zu beachten, ob nicht "überragende öffentlcihe Interessen" entgegenstehen. Da die Tatsache der Spende und die Umstände der Ermittlungen schon vor dem Artikel Denks in öffentlicher Hauptverhandlung erörtert worden waren, scheint mir auch fraglich, ob es sich inhaltlich überhaupt um ein schützenswertes Geheimnis handelte (vgl. Fischer, Rn.4 zu § 203 StGB).
(den vorstehenden Absatz habe ich nach dem Diskussionsbeitrag von "Gastmann", s.u., korrigiert)

Auch eine „Anstiftung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen“ §§ 353 b, 26  StGB, wie der andere Vorwurf angeblich lautet, erschiene mir nicht unmittelbar einleuchtend. Welche „wichtigen öffentlichen Interessen“ sollen denn gefährdet worden sein durch Bekanntwerden des Spendenbelegs – nachdem die Tatsache der Spende ohnehin schon in einer öffentlichen Hauptverhandlung Thema war?  Eine Berichterstattung über angebliche "Skandale" oder Missstände reichen in einer demokratischen Gesellschaft nicht aus, um ein gewichtiges öffentliches Interesse zu gefährden (so Fischer Rn. 13b zu § 353 b StGB). Zudem ist bei der Frage der Teilnahme an § 353 b StGB durch Journalisten Art. 5 GG zu beachten, in dem die Pressefreiheit und damit auch der Informantenschutz garantiert ist (vgl. dazu BVerfGE 117, 244: Fall CICERO) .

Nun, bisher stehen noch Reaktionen der Staatsanwaltschaften bzw. des Ministeriums auf die Meldungen aus. Ich bin gespannt, ob die Vorwürfe, die der Anwalt Hubert Denks erhebt, tatsächlich zutreffen.

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6 Kommentare

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1) Der Tatbestand der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes ist in § 201 StGB geregelt und stellt keineswegs ein Sonderdelikt dar. Nach der Beschreibung des Tatvorwurfs zu urteilen geht es aber vermutlich eher um § 202b StGB (auch kein Sonderdelikt). § 203 II Nr. 1 StGB schließlich wäre zwar ein Sonderdelikt, könnte aber qua Anstiftung oder Beihilfe verwirklicht sein.

2) "Wichtige öffentliche Interessen" iSv § 353b StGB können nach h.M. auch dadurch gefährdet werden, daß die Tatsache des Geheimnisbruches bekannt und so das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Tätigkeit der Behörden erschüttert wird. Es ist deshalb auch gar nicht zu beanstanden, dass die Justiz sich jetzt etwas Mühe gibt, die undichte Stelle zu ermitteln. Um mehr als Befragungen geht es dabei doch auch gar nicht (jedenfalls ist von Waterboarding bislang nichts bekannt geworden).

3) Die Cicero-Entscheidung des BVerfG wäre nur einschlägig, wenn es  -  ohne zureichende tatsächliche Anhaltspunkte  -  zu einer mit einem Grundrechtseingriff verbundenen Ermittlungsmaßnahme gegen den Journalisten gekommen wäre (Durchsuchung, Beschlagnahme, Abhören etc. mit dem Ziel, die Identität des Informanten zu ermitteln). Das ist offensichtlich nicht der Fall. Die Strafbarkeit eines Journalisten wegen Anstiftung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen wird auch durch das BVerfG (natürlich) nicht in Frage gestellt.

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Sehr geehrter Herr Gastmann,

ad (1): Sie haben Recht. Ich war durch die Erwähnung von § 203 StGB in einem Bericht irritiert worden. Habe meinen Beitrag nun korrigiert (s.o.).

ad (2): Von einer "Erschütterung" der Öffentlichkeit durch diesen "Geheimnisverrat" habe ich bisher nichts bemerkt. M. E. wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Tätigkeit der Behörden auch eher dadurch erschüttert, dass ein Großteil der Verfahren mangels Verfolgungsressourcen eingestellt werden bzw. aus demselben Grund die Tendenz zu (nicht-öffentlichen) Absprachen in komplexen Fällen über die letzten Jahrzehnte hinweg zugenommen hat.

ad (3): Die Cicero-Entscheidung spielt m. E. sehr wohl eine Rolle, insbesondere in lange andauernden Ermittlungsverfahren gegen Journalisten, die durchaus Eingriffscharakter haben. Dass sich auch Journalisten strafbar machen können, habe ich nicht in Frage gestellt, jedoch ist eben hier auch bei der Strafbarkeitsfrage  - wenn es faktisch darum gehen sollte, die Identität von Informanten aufzuklären -  die Pressefreiheit zu beachten.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Warum soll es auf jeden Fall ein Behördenleck gegeben haben?

Den Brief haben bei der CSU sicher auch einige in der Hand gehabt. Parteiinterne Meinungsverschiedenheiten könnten dazu führen, dass von dort etwas an die Presse herausgegeben wird.

 

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Beim "Hoeneß"-Leck wurde ja auch nicht gerade wenig ermittelt, unter anderem ein Finanzamt durchsucht und dann auch eingestellt? 

 

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