BAG zur Kündigung mit Namensliste

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 29.10.2013

In der vergangenen Woche hatte das BAG Gelegenheit, sich zum Verhältnis von Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) und der daraus resultierenden Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen (§ 1 Abs. 4 KSchG) einerseits und einem Interessenausgleich mit Namensliste (§ 1 Abs. 5 KSchG) andererseits zu äußern.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie. Der Kläger, Jahrgang 1970 und ledig, ist seit 1998 bei ihr als Werkzeugmacher beschäftigt. Im Dezember 2009 fiel die Arbeitgeberin in die Insolvenz. Der Insolvenzverwalter schloss mit dem Betriebsrat im Februar 2010 einen Interessenausgleich (§ 112 Abs. 1 BetrVG) ab, der eine Auswahlrichtlinie und eine Namensliste enthielt. Nach dem Punkteschema, das die Auswahlrichtlinie enthielt, verfügte der Kläger über zwei Sozialpunkte mehr als sein Kollege Herr Y, der derselben Vergleichs- und Altersgruppe zugeordnet war. Trotzdem war auf der Namensliste der Kläger namentlich als einer derjenigen Arbeitnehmer genannt, dem betriebsbedingt gekündigt werden durfte. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2010. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage. Nach seiner Auffassung ist die soziale Auswahl grob fehlerhaft, weil der Insolvenzverwalter sein Arbeitsverhältnis und nicht dasjenige von Y gekündigt habe. Die Auswahlrichtlinie räume dem Arbeitgeber keinen Beurteilungsspielraum ein. Seine Klage hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg. Arbeitsgericht und LAG haben angenommen, die Kündigung verstoße gegen die Auswahlrichtlinie. Die Sozialauswahl sei deshalb grob fehlerhaft.

Das BAG ist auf die Revision des beklagten Insolvenzverwalters zum gegenteiligen Ergebnis gekommen. Es hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG Hamm zurückverwiesen. Nach seiner Überzeugung können Arbeitgeber und Betriebsrat Auswahlrichtlinien i.S. von § 1 Abs. 4 KSchG später oder zeitgleich - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste - ändern. Setzten sich die Betriebsparteien in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gölte die Namensliste. Daher konnte der Klage mit der vom LAG gegebenen Begründung nicht stattgegeben werden. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts steht aber noch nicht fest, ob die Kündigung wirksam ist. Das wird das LAG nachzuholen haben.

BAG, Urteil vom 24.10.2013 - 6 AZR 854/11.

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen