Lappen weg bei Mischkonsum von Alkohol, Cannabis und Amphetamin?

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 17.10.2013

In meinem Beitrag vom 22.4.2012 habe ich über die ständige Rechtsprechung der Obergerichte berichtet, wonach es eine absolute Fahruntüchtigkeit bei illegalen Betäubungsmitteln - anders als bei Alkohol - nicht gibt, sondern eine Straftat nach den §§ 315c, 316 StGB nur dann vorliegt, wenn Tatsachen festgestellt werden, die darauf schließen lassen, dass der Genuss dieser Mittel in der konkreten Verkehrssituation zu dessen Fahruntüchtigkeit geführt hat (sog. relative Fahruntüchtigkeit), z.B. ungewöhnliche Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen bei der Polizeikontrolle (z.B. BGH, Beschl. v. 21.12.2011, 4 StR 477/11 =  BeckRS 2012, 2532).

Aber wie verhält es sich, wenn ein Fahrzeugführer nicht nur Alkohol, sondern auch illegale Betäubungsmittel konsumiert hat?

Dies hat nun das Landgericht Gießen wie folgt entschieden (Beschl. v. 12.09.2013 - 7 Qs 141/13): Auch wenn der für Alkohol existierende Grenzwert von 1,1 Promille nur knapp unterschritten und andere berauschende Mittel (THC, Amphetamin) nachgewiesen sind, ist Fahruntüchtigkeit nur bei Feststellung konkreter Ausfallerscheinungen gegeben.

Fehlen solche Ausfallerscheinungen, liegt folglich nur die Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG vor, die zwar zu einem Fahrverbot führen kann, nicht aber einen Entzug der Fahrerlaubnis rechtfertigt.

Auch die Tatsache, dass der Beschuldigte im vorliegenden Fall 13,5 Gramm Haschisch während der Fahrt mit sich führte, kann einen Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht begründen. Hierzu führt das Gericht aus:

Dieses Vergehen nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG allein genügt jedoch nicht, um eine Prognose dahingehend zu stellen, der Beschuldigte werde die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen kriminellen Interessen unterordnen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit ist vielmehr zu beachten, dass der Beschuldigte bislang nicht vorbestraft ist. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass der Beschuldigte wegen seines Umgangs mit Betäubungsmitteln zu Aggressionen und/oder Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr neigt. Er hat sich vielmehr freiwillig der Verkehrskontrolle unterzogen und nicht etwa versucht, ihr durch ein riskantes Fahrmanöver zu entgehen. Anders als etwa bei einer Drogenkurierfahrt (vgl. dazu BGH, Beschluss v. 27.04.2005 - GSSt 2/04) wurde zudem lediglich eine relativ kleine Betäubungsmittelmenge im Fahrzeug des Beschuldigten aufgefunden.

Aus strafrechtlicher Sicht ist der Lappen bei einem Mischkonsum von Alkohol (unterhalb 1,1 Promille) und illegalen Betäubungsmitteln also nicht „weg“, da unter „Lappen weg“ im allgemeinen Sprachgebrauch der Entzug der Fahrerlaubnis zu verstehen sein dürfte. Aus Sicht der Führerscheinstelle sieht das aber anders aus, da jedenfalls der Konsum von Amphetamin in der Regel einen Fahrerlaubnisentzug nach sich zieht (s. dazu Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Auflage, Vorbem. zu §§ 29 ff., Rn. 335).

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