LAG Rheinland-Pfalz: Fristlose Kündigung wegen Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 09.10.2013

Der 1953 geborene Kläger ist seit 1995 im Kurbetrieb der Beklagten als Masseur beschäftigt. Er leidet unter chronischem Bluthochdruck. Wegen eines Karzinoms wurde ihm die linke Niere entfernt. Er befindet sich wegen dieser Krankheiten in Dauerbehandlung. Am 20.06.2012 suchte der Kläger die Praxis seiner Hausärztin auf, die ihn für die Zeit vom 20.06. bis zum 29.06.2012 krankschrieb. Ihre Diagnose lautete: „Belastungsdyspnoe sowie Verdacht auf koronare Herzerkrankung.“ Der Kläger litt nach seinen Angaben unter zunehmendem Herzrasen, Atemnot und einer starken Zunahme von Wasser in den Beinen. Allein das Gehen habe ihm erhebliche Probleme bereitet, er sei erschöpft gewesen und habe sich ständig ausruhen und erholen müssen. Sein Pulsschlag habe nach normalem Treppensteigen ca. 120/min. betragen. Erfreulicherweise habe sich sein Gesundheitszustand durch die Einnahme des Medikaments Molsidomin in einer erhöhten Dosierung wesentlich gebessert. Er habe sich daher zum Ende der Krankschreibung in der Lage gefühlt, leichte körperliche Arbeiten zu verrichten.

Bei der Beklagten ging aus den Reihen der Belegschaft der Hinweis ein, dass der Kläger während der Krankschreibung im Wohnhaus seiner Tochter Renovierungsarbeiten durchführe. Deshalb beauftragte die Beklagte am 25.06.2012 eine Detektei mit der Observierung des Klägers. Der Kläger wurde drei Tage vom 26. bis 28.06.2012 von Detektiven beschattet, die u.a. folgendes feststellten:

- Besuch im Baumarkt "Bauhaus"

- Schleifarbeiten mit Schleifmaschine und Atemschutzmaske

- Fenster geputzt und „abgerubbelt“

- Arbeiten mit Akkuschrauber oder -bohrer

- Diverse Fahrten zwischen seinem Haus und der Baustelle

- Diverse Putzarbeiten, Säuberung von Arbeitsmaterial, Tragen von Kartonagen und einer Holzpalette

- Schrank ausgeladen aus Pkw

An den drei Tagen war der Kläger jeweils zwischen 8,5 und 9 Stunden auf der Baustelle, im Baumarkt oder auf Transportfahrten.

Nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat seine Kündigungsschutzklage abgewiesen: Es stelle einen die fristlose Kündigung rechtfertigenden "wichtigen Grund" i.S. von § 626 Abs. 1 BGB dar, wenn ein Arbeitnehmer unter Vorlage eines ärztlichen Attestes der Arbeit fern bleibt und sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt. Auch der dringende Verdacht, der Arbeitnehmer habe sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit unlauteren Mitteln erschlichen, könne einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen.

Die Beklagte habe den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Der Kläger habe zumindest an drei Tagen auf der Baustelle im Wohnhaus seiner Tochter körperlich anstrengend gearbeitet. Seine Aktivitäten beim Innenausbau ließen sich mit der festgestellten Arbeitsunfähigkeit nicht in Einklang bringen. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Kläger nicht infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war und demzufolge auch in der Lage gewesen wäre, seiner vertraglichen Tätigkeit als Masseur nachzukommen.

(LAG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 11.07.2013 - 10 Sa 100/13, BeckRS 2013, 71999)

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