Volksverhetzung durch Piusbruder Williamson - erneute Verurteilung

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 07.10.2013

Vor über drei Jahren hatte ich in einem Blogbeitrag über die Verurteilung des Piusbruders Williamson berichtet, der im Jahr 2009 in Bayern einem schwedischen Fernsehsender ein Interview gab, in dem er die Tötung von Juden in Gaskammern abstritt. Das damalige Urteil wurde - wegen Fehlern in Anklage und Eröffnung - vom OLG Nürnberg in der Revision gekippt. Nach neuer Anklageerhebung und neuer Verurteilung durch das AG kam es nun vor zwei Wochen in der Berufungsinstanz vor dem LG Regensburg nach der mittlerweile fünften Verhandlung zu einer neuen Verurteilung des Bischofs (Zeitungsbericht). Bekanntlich ist die öffentliche Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust in Deutschland nach § 130 Abs.3 StGB strafbar, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Aus meiner Sicht ist, auch wenn ich die Norm durchaus kritisch sehe, der objektive Tatbestand erfüllt. Fraglich war allenfalls der subjektive Tatbestand, nämlich, ob dem Angeklagten bewusst war, dass seine Äußerungen auch in Deutschland verbreitet werden würden und deshalb geeignet waren, den hiesigen öffentlichen Frieden zu stören. Dass er das Verbot kannte, ging aus dem Interview selbst hervor.

Der Regionalblog Regensburg Digital fasst die mündliche Begründung des Vorsitzenden (das Urteil  lautete wie schon in der Vorinstanz: Geldstrafe - 90 Tagessätze) so zusammen:

"Dass Williamson den Holocaust geleugnet und sich der Volksverhetzung schuldig gemacht habe, könne wohl niemand ernsthaft in Zweifel ziehen. „Wer die Existenz von Gaskammern bestreitet, leugnet einen wesentlichen Teilaspekt. Was braucht es denn sonst noch?“, so Boeckh. Getan habe Williamson dies vorsätzlich und im vollem Bewusstsein der möglichen Folgen. Generell sei ein Interview immer öffentlich und dass Journalisten solche Aussagen aufgreifen und verbreiten würden, sei klar gewesen. „Es ist auch allgemein bekannt, dass Fernsehen über Satellit zu empfangen ist.“

Niemand, auch nicht Williamson, könne so blauäugig sein, nicht zu überblicken, was seine Äußerungen für eine Brisanz gehabt hätten. Dass sie Deutschland verbreitet werden würden – zumal er sie hier getroffen hatte – liege auf der Hand, auch angesichts der gerade anstehenden Wiederaufnahme der Piusbruderschaft in den Schoß der katholischen Kirche. Und es gebe gerade in Deutschland gute Gründe, weshalb Holocaustleugnung strafbar sei. Es gelte, den Anfängen zu wehren. Dass der öffentliche Friede durch Williamsons immer noch „massiv gestört“ sei, liege auf der Hand. „Sonst würden wir hier nicht seit fünf Jahren verhandeln.“"

Die Verteidigung hat Revision eingelegt (Quelle).

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10 Kommentare

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Williamson hat seine Aussagen nie geleugnet. Seine Anwälten berufen sich aber darauf, dass die Leugnung des Holocausts in Schweden – wo das Interview ausgestrahlt wurde – nicht strafbar ist.

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In meinen Augen wäre ein Kriegsgericht wie das der Nürnberger Prozesse der Allierten oder der Menschengerichtshof das Richtige für den Piusbruder. 90 Tagessätze für so eine Lüge ist unglaublich wenig. Der Verteidiger sollte sich schämen, dass so eine Äußerung nicht strafbar sein soll, weil sie in Schweden abgegeben wurde.

 

 

 

 

 

 

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Ein rechtspolitischer Gedanke: Ist es nicht erstaunlich, daß alle anderen freiheitlich-demokratischen Länder ohne einen derartigen Gesinnungsparagraphen auskommen? Aussagen, wie denen von Williamson, muß man argumentativ begegnen, nicht mit Mitteln des Strafrechts. Letzteres macht die eigene Position unglaubwürdig.

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@ RA Splendor

Aussagen, wie denen von Williamson, muß man argumentativ begegnen, nicht mit Mitteln des Strafrechts.

 

Solche Menschen und da gibt es im "rechten radikalen Sumpf"  oder im rechten  "Sektensumpf" viele, kann man nicht mit argumentativ überzeugen.

 

 

 

 

 

 

 

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Wäre vom Gesetzgeber gewollt, dass jegliche Billigung, Leugnung oder Verharmlosung der Verbrechen des NS-Regimes strafbar wäre, so wäre das im Gesetz so auch formuliert worden. Dann hätte es des Einschubes " die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören" nicht bedurft.

Mir fällt auf, dass die Rechtsprechung sich keinerlei Gedanken darüber macht, ob und wann der öffentliche Frieden gestört wurde. Das wird sicher zu bejahen sein, wenn die Leugnung vor versammelter Anhängerschaft stattfindet und die Leugnung dazu dient, die Anhänger aufzuwiegeln und ggf. zu Gewalt zu animieren.

Hier geschah es aber in einem Interview.

Ich kann nicht erkennen, dass im vorliegenden Fall der öffentliche Frieden gestört wurde. Es gab lediglich Diskussionen in Print- und Onlinemedien, in Funk und Fernsehen. Ist mit diesen Diskussionen bereits die Störung des öffentlichen Friedens zu bejahen? Kann eine Diskussion eine Störung sein?

Mir scheint, zumindest fehlt es diesem Gummiparagraphen an der notwendigen Bestimmtheit.

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Das einzige Argument, welches der Vorsitzende zur Störung des öffentlichen Friedens vorbringen konnte, ist nicht mehr als ein klassischer Zirkelschluss:

"Dass der öffentliche Friede durch Williamsons immer noch „massiv gestört“ sei, liege auf der Hand. „Sonst würden wir hier nicht seit fünf Jahren verhandeln.“"

Das heißt im Klartext: Da wir (seit 5 Jahren) verhandeln, muss wohl der öffentliche Friede gestört sein. Und wenn der öffentliche Friede gestört wird, dann muss darüber verhandelt und ggf. geurteilt werden.

Ich meine: Hier liegt gar nichts auf der Hand. Sehr schwaches Argument des Vorsitzenden, welches nicht im Geringsten belegen kann, wodurch nun der öffentliche Friede gestört wurde.

Zur Erinnerung: Der BGH definiert eine Störung des öffentlichen Friedens wie folgt:

Nach ständiger Rechtsprechung ist der öffentliche Frieden dann gestört, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird oder wenn potentielle Täter durch Schaffung eines “psychischen Klimas”, in dem Taten wie die angedrohten begangen werden können, aufgehetzt werden können (vgl. BGH, Urteile vom 9. August 1977 – 1 StR 74/77, NJW 1978, 58, 59; vom 2. April 1987 – 4 StR 55/87, BGHSt 34, 329, 331; Beschluss vom 19. Mai 2010 – 1 StR 148/10).

Hier ist nicht erkennbar, ob und ggf. warum das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert sein sollte. Auch sind keine Taten durch aufgehetzte Bürger zu befürchten. Der öffentliche Friede wird also nur durch etwas Unbestimmtes gestört, welches jedenfalls 5-jährige Verhandlungen zur Folge hatte. Da muss doch was sein, das liegt doch auf der Hand, sonst würden wir nicht 5 Jahre verhandeln ... Haha. Der Frieden wird gestört, weil dieser Piusbruder die Unverschämtheit hat, sich über 5 Jahre hinweg gegen seine Verurteilung zu wehren. Das ist dann Störung des öffentlichen Friedens nach Lesart der bayerischen Justiz. Ich meine: Willkür pur.

Insofern kann ich auch nicht erkennen, warum der objektive Tatbestand erfüllt sein sollte, und widerspreche Herrn Prof. Müller entschieden.

 

 

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Sehr geehrter Gast1,

Sie schreiben:

Der Frieden wird gestört, weil dieser Piusbruder die Unverschämtheit hat, sich über 5 Jahre hinweg gegen seine Verurteilung zu wehren. Das ist dann Störung des öffentlichen Friedens nach Lesart der bayerischen Justiz. Ich meine: Willkür pur.

Insofern kann ich auch nicht erkennen, warum der objektive Tatbestand erfüllt sein sollte, und widerspreche Herrn Prof. Müller entschieden.

Sie übersehen offenbar, dass der Tatbestand gar keine öffentliche Friedensstörung verlangt, sondern nur die Eignung der Tat dazu. Ich stimme mit Ihnen überein, dass dies kein Merkmal ist, das sich von selbst versteht und die Subsumtion des Merkmals zirkelschlüssig erfolgt, wenn quasi die Tatsache des Strafverfahrens selbst als Friedensstörungseignung herangezogen wird. Der Bericht aus regensburg digital enthält sicher nur die verkürzte Wiedergabe der Urteilsbegründung des Vorsitzenden. Ich kann mir denken, dass er den Grund des Strafverfahrens nicht als einzigen genannt hat. Hier einmal ein Zitat aus dem Beck´schen Online Kommentar zum StGB, hier Rn 21 zu § 130 Abs.1 StGB:

Vorausgesetzt ist die konkrete Eignung der Äußerung zur Störung des öffentlichen Friedens, was weder den Eintritt einer Friedensstörung, noch auch nur eine konkrete Gefährdung voraussetzt (BGH NJW 2001, 624, 626; OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 368, 369; OLG Köln NJW 1981, 1280, 1281; LK/Krauß StGB § 130 Rn 64). Konkrete Tatumstände müssen bei genereller Betrachtung zu der Befürchtung Anlass geben, dass das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit durch die Äußerung erschüttert werde (BGH NStZ 2007, 216, 217; BGH NJW 2005, 689, 691; BGH NJW 2001, 624, 626; BGH NJW 1979, 1992; OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 368, 369; LG Mannheim NJW 1994, 2494, 2498; AG Linz am Rhein NStZ-RR 1996, 358, 359; krit Fischer NStZ 1988, 159, 161; Koch JuS 2002, 123, 126; Stegbauer NJ 2005, 225, 226; Hoyer Die Eignungsdelikte 1987, 139; Fischer StGB § 130 Rn 13a mwN; Rn 22.1), wofür es hinreicht, dass eine Vertrauenserschütterung innerhalb der Bevölkerungsgruppe zu befürchten ist, gegen die sich die Hetze wendet (BGH NStZ 2007, 216, 217; BGH NStZ-RR 2006, 305, 306) oder dass in empfänglichen Kreisen die Neigung zu Rechtsbrüchen gegen die angegriffene Gruppe geweckt oder verstärkt werden könnte (BGH NJW 1961, 1364, 1365; OLG Stuttgart v 19.5.2009 – 2 Ss 1014/09; OLG Koblenz MDR 1977, 334, 335; OLG Hamburg MDR 1981, 71; LG Frankfurt/M NJW 1988, 2683, 2685; AG Linz am Rhein NStZ-RR 1996, 359, 359).

Der Gesetzgeber geht zwar davon aus, dass nicht notwendig schon jede öffentliche Leugnung, Verharmlosung etc. strafwürdig ist, nach den Kommentierungen liegt eine Eignung zur Friedensstörung bei öffentlcihen Behauptungen nach § 130 Abs.3 StGB aber regelmäßig vor. Als Indiz der Eignung können danach auch angesehen werden: Die öffentliche Resonanz, Presseberichte, Anzahl von Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft etc. All das kann im Fall Williamson angeführt werden. Bei der Interpretation der "Eignung" zur Friedensstörung ist auch der Schutzzweck der Norm und die Intention des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Es geht darum, in dem Land, in dem diese Verbrechen begangen wurden, schon an sehr niedriger Schwelle jegliche solche öffentlichen (einflussreichen) Stimmen zu unterdrücken, mit denen die nationalsozialistischen Verbrechen verharmlost werden.

Ich sehe den Tatbestand insgesamt, wie schon oben gesagt, durchaus kritisch, aber unabhängig davon sehe ich im Falle des Bischofs Williamson das Merkmal der "Eignung zur öffentlichen Friedensstörung" im Sinne des § 130 Abs.3 StGB als erfüllt an. Die Aussagen dieses Bischofs als Autoritätsfigur sind geeigneter als z.B. die eines Schülers an einer unbedeutenden Provinzschule. 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

„Wer die Existenz von Gaskammern bestreitet, leugnet einen wesentlichen Teilaspekt. Was braucht es denn sonst noch?“, so Boeckh.

 

So ein Unsinn. Die Beweise für den Masenmord mittels Vergasung sind zweifelhaft, nicht zweifelhaft ist, dass in den Vernichtungslagern massenhaft Juden, Sinti Roma und andere zumindest mit bedingtem Vorsatz gemordet wurden  - ob man sie nun vergaste oder zusammengepfercht und unterversorgt verrecken ließ - was macht das für einen Unterschied?

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@Gast,

wie schon gesagt, der Blog, aus dem ich oben zitiert habe, gibt selbstverständlich nicht die gesamte Urteilsbegründung wieder, sondern nur kleine Ausschnitte. Wer das Interview von Williamson kennt, weiß, was er behauptet. Sie können es auch in wikipedia nachlesen.  Kein vernünftiger Mensch wird dann bestreiten, dass Williamson den Holocaust in quantitativer und qualitativer Dimension leugnet und auch weitere neonazistische und antisemitische Thesen schwingt. Von keiner dieser unsäglichen Thesen hat er sich in der Zwischenzeit eindeutig distanziert. Bedauert hat er allerdings, dass er mit seinen Äußerungen anderen Schmerz bereitet hat. Seine Verteidiger haben natürlich gutes Recht, sich gegen die Verurteilung ihres Mandanten einzusetzen, aber nach meiner Überzeugung hat er den Tatbestand der Norm erfüllt.

Henning Ernst Müller

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