Sachgrundlose Befristung - LAG Baden-Württemberg widerspricht BAG

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.10.2013

Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Bundesarbeitsgericht hat das Tatbestandsmerkmal „bereits zuvor“ im Wege einer (gewagten) Rechtsfortbildung in seiner neueren Rechtsprechung (Urteil vom 6.4.2011, NZA 2011, 905; 21.9.2011, NZA 2012, 255) dahin ausgelegt, dass in Anlehnung an die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB Vorbeschäftigungen beim selben Arbeitgeber, die länger als 3 Jahre zurückliegen, nicht zu berücksichtigen sind. Für diese rechtspolitisch sicherlich sinnvolle, methodisch hingegen fragwürdige Eingrenzung des Vorbeschäftigungsverbots hat das BAG aus den Reihen des Schrifttums viel Kritik einstecken müssen (vgl. z.B. Höpfner, NZA 2011, 893). Auch bei den Instanzgerichten regt sich noch Widerstand gegen die neue Linie. Den Aufstand probt nunmehr das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 26. September 2013 - 6 Sa 28/13). Der Ausgangsfall war weniger eklatant als derjenige, über den das BAG zu befinden hatte: Der Kläger war bei einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie aufgrund jeweils befristeter Arbeitsverträge vom 27. August 2007 bis 30. November 2007 und wieder vom 1. Februar 2011 bis 30. Juni 2011, verlängert bis 31. Mai 2012 und noch einmal verlängert bis 31. Januar 2013 beschäftigt. Mit seiner Klage hat er sich gegen die Befristung seines letzten Arbeitsvertrages gewandt. Das LAG nimmt offenbar einen Verstoß gegen das Vorbeschäftigungsverbot an. Es hält ausweislich der Pressemitteilung die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm und den aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers, keine Frist in das Gesetz aufzunehmen, durch das BAG für überschritten. Jedenfalls hätte das BAG die Norm dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorlegen müssen. Außerdem weiche die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts von der des 2. Senats ab, so dass der 7. Senat das Verfahren zur Wahrung der Rechtseinheit nach § 45 ArbGG hätte durchführen müssen. Das LAG Baden-Württemberg hat die Revision zum BAG zugelassen. Die Aufhebung der Entscheidung durch das BAG dürfte vorprogrammiert sein.

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3 Kommentare

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Das LAG ist zu Recht der Auffassung des BAG nicht gefolgt. Laut BAG ist der Wortlaut  "bereits zuvor" mehreren Bedeutungen zugänglich. Er könne z.B. auch im Sinne von "unmittelbar zuvor" verstanden werden. Die Verwendung der Worte " bereits zuvor" bedeute nicht zwingend "jemals zuvor". Diese Deutung des BAG ist abwegig. "Bereits zuvor" ist ganz eindeutig nur im Sinne von "jemals zuvor" oder "irgendwann zuvor" zu verstehen.

Dass die Gesetzesgeschichte des TzBfG gegen die von ihm vertretene Auffassung spricht gesteht das BAG sogar selbst zu.  In der Gesetzesbegründung heißt es ausdrücklich: ".. künftig nur bei Neueinstellung zulässig, d.h. bei der erstmaligen Beschäftigung." Klarer kann die Aussage kaum sein. Wenn aber die Gesetzesmaterialien eine unmittelbare Antwort auf die zu entscheidende Rechtsfrage geben sind allgemeine Zwecküberlegungen, wie das BAG sie anstellt, absolut überflüssig.(vgl. Honsell,Historische Argumente im Zivilrecht,S.97/98: Dem historischen Argument kommt dann ein erhebliches, von weiteren Überlegungen entlastendes Gewicht zu.) Auch das Bundesverfassungsgericht hat im übrigen erst kürzlich in seiner Deal-Entscheidung den Gesetzesmaterialien im Rahmen der Gesetzesauslegung eine erhebliche Indizwirkung zuerkannt. Das BAG hat also entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und entgegen dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers entschieden, so dass es sich eindeutig um eine contra-legem-Entscheidung handelt. (vgl. zu allem ausführlicher Wedel, AuR 2011,413 in einer kritischen Anmerkung zu der BAG-Entscheidung)

 

Rechtsanwalt Dr.Thomas Wedel, Oberasbach

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Gerade wurde die Urteilsbegründung veröffentlicht:

Hier die wichtigsten Passagen:

Die Kammer teilt die semantischen Bemühungen des Bundesarbeitsgerichts nicht und hält den Wortlaut der Norm "bereits zuvor" für eindeutig, so dass die Vorschrift ihrem Wortlaut nach jegliche vorbeschäftigung erfasst.

Der 7.Senat des BAG räumt selbst ein, dass die Entstehungsgeschichte des Gesetzes für das Fehlen einer zeitlichen Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbots sprechen kann, weil der Gesetzgeber entsprechende Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren (z.B. Preis BT-Drucks. 14/4625 S.18) nicht aufgenommen hat. Damit verbietet sich auch eine Rechtsfortbildung wie sie der 7.Senat vorgenommen hat.

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Zu dieser Streitfrage sind zwischenzeitlich zwei weitere interessante Urteile ergangen: Arbeitsgericht Kiel vom 25.4.14 (2 Ca 32b/14) und LAG Baden vom 21.2.14 (7 Sa 64/13).

Das Arbeitsgericht Kiel folgt dem BAG und argumentiert dahingehend, dass "bereits zuvor" sprachlich auch als "unmittelbar zuvor" verstanden werden könne und insbesondere eine verfassungsorientierte Auslegung ein Verständnis als "jemals zuvor" ausschließe. Das LAG Baden hat demgegenüber zutreffend ausgeführt, dass "bereits zuvor" bedeute, dass jedes frühere Arbeitsverhältnis der Befristung entgegensteht, gleich ob es erst wenige Tage oder viele Jahre zuvor beendet worden war. Die Wortlautakrobatik (Höpfner NZA 2011,897) und verzweifelten semantischen Bemühungen (Wedel AuR 2014,31) des BAG wirken nach Ansicht das LAG gekünstelt und seien wohl dem gewünschten Ergebnis geschuldet.    Das Arbeitsgericht Kiel gesteht sogar selbst zu, dass der historische Gesetzgeber den Begriff "bereits zuvor"  als "jemals zuvor" verstanden hat. Gegenstand der Auslegung durch die Gerichte seien aber die Gesetze selbst und nicht der wie auch immer manifestierte Wille des Gesetzgebers. Es sei nicht maßgeblich was der Gesetzgeber zu regeln meinte, sondern was er geregelt hat. Hierzu ist zu sagen: Der Gesetzgeber meinte "jemals zuvor" zu regeln (siehe Gesetzesbegründung) und er hat auch "jemals zuvor" geregelt (siehe Gesetzeswortlaut). Im übrigen verweise ich auf meinen vorstehenden Kommentar #1. In Kürze wird das BAG über die Revisionen gegen die beiden Urteile des LAG Baden entscheiden. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG sich den sehr starken Argumenten der Gegenmeinung nicht ebenso verschließt wie das Arbeitsgericht Kiel.

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