Beschuldigter fährt mit Auto das Opfer auf Fahrrad an - keine gefährliche KV!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.09.2013

Mal wieder was verkehrsrechtliches vom 4. Strafsenat des BGH:

SV:

...Nachdem D. K. hinter einem Stromkasten Schutz gesucht hatte, fuhr die Ange- klagte in einem Abstand von nur etwa 30 cm an ihm vorbei. D. K. kehr- te daraufhin sogleich zu seinem Bruder A. zurück und warnte ihn vor der Angeklagten. Als beide mit ihren Fahrrädern nebeneinander auf der Straße und dem angrenzenden Gehweg fuhren, fuhr die Angeklagte mit ihrem Pkw zielgerichtet auf den Zeugen A. K. auf, der dadurch von seinem Fahrrad stürzte. A. K. spürte sofort Schmerzen am Rücken und hatte Schwie- rigkeiten beim Atmen. An seinem Fahrrad entstand ein Schaden in Höhe von ca. 100 Euro. Die Angeklagte beschleunigte ihr Fahrzeug und entfernte sich ohne anzuhalten...

Rechtliche Würdigung:

Das Auffahren mit dem Pkw auf das Fahrrad des Zeugen A. K. und dessen anschließender – zu Rückenschmerzen und Atemnot führender – Sturz (Fall II. 8 der Urteilsgründe) können die Annahme einer vollendeten ge-fährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht rechtfertigen. Eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begeht, wer seinem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper ein-wirkendes gefährliches Tatmittel eine Körperverletzung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB beibringt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 292/12 Rn. 10, StV 2013, 438 f.; Beschluss vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11 Tz. 5). Wird – wie hier – eine Person durch ein gezieltes Anfah-ren mit einem Kraftfahrzeug zu Fall gebracht, setzt die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB voraus, dass bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist. Erst infolge des anschließenden Sturzes erlittene Verletzungen, die nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen sind, können für sich allein die Beurteilung als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht tragen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 292/12 Rn. 10 aaO; Beschluss vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11 Tz. 5; Beschluss vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405).

BGH, Beschluss vom 30.7.2013 - 4 StR 275/13

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8 Kommentare

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Dem BGH waren die tatsächlichen Feststellungen insgesamt zu knapp. Die haben wohl eine Subsumtion unter "das Leben gefährdende Behandlung" nicht hergegeben.

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Jau, da schließe ich mich an. Ich gehe auch mal davon aus, dass der BGH einen Blick in die sonstige Akte geworfen hat (selbst wenn nur das Urteil selbst Gegenstand der Revision nach Sachrüge ist). Wenn dieses Merkmal tatsächlich in Betracht gekommen wäre, hätte sich sicher ein Hinweis gefunden...

Nachdem der Radfahrer nicht aufgeladen wurde auf Motorhaube oder Scheibe, sondern nur gestürzt ist ohne Verletzungen nur mit "Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens" , dürfte die Lebensgefahr auch ohne  Blick in die Akten nicht gerade nahe gelegen haben. Sturz mit dem Rad, sei es alleine oder fremdverschuldet ist ja gottseidank nicht immer gleich lebensgefährlich.

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Interessant wäre die Konstellation, wenn der Angeklagte mit einem Baseballschläger gegen das Fahrrad geschlagen hätte, wodurch der Zeuge vom Rad fiel.

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Ok, es war nicht das Auto, das unmittelbar auf den Körper des Opfers eingewirkt hat. Es war das Fahrrad. Das wurde aber von der Angeklagten gezielt angefahren, damit das Opfer durch dieses verletzt werde.

Liegt es wirklich so fern, dass die Angeklagte auf diese Weise das Fahrrad als ein gefährliches Werkzeug benutzt hat?

Was für eine perfide Spitzfindigkeit!

Als ob es aus Täter- oder Opfersicht einen Unterschied machen würde, ob die Verletzungen durch den Sturz oder den Anstoß entstanden sind. Die besondere Gefährlichkeit des PKWs gegenüber dem Radfahrer wurde auch so verwirklicht.

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Wem das Herz durchschossen wird, stirbt ja genau genommen auch nicht notwendigerweise am Loch im Herzmuskel sondern am daraus resultierenden Blutverlust... Probleme der juristischen Zuordnung von Schuss und Tod sind nicht bekannt.

Zu Tat-Intention und Ausführung und Vorhersehbarkeit von Tatfolgen gibt es doch eigentlich bereits genügend juristische Grundlagen.

Wer einen Radler vorsätzlich mit einem Kfz vom Rad rammt, verursacht den Sturz vorsätzlich und dies mit billigender oder intendierter Inkaufnahme der Sturzverletzungen.

Traut sich der 4.Senat des BGH selber noch aufs Fahrrad nach seinem Urteil?

 

 

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