Schockwerbung - noch alle Tassen im Schrank?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 24.09.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht7|6755 Aufrufe

Zum Mittel der Schockwerbung wollte (will?) ein Anwalt aus NRW greifen. Er lies 3 verschiedene Motive auf Kaffeetassen drucken.

Motiv 1:

Ein 6-8jähriges Mädchen wird von einer jungen Frau gezüchtigt. Dabei liegt das Mädchen mit entblößtem Gesäß nach oben bäuchlings über den Knien der Frau. Diese wiederum sitzt auf einem Sofa und schlägt das Kind mit einem wohl hölzernen Gegenstand auf das nackte Gesäß. Das Kind scheint zu schreien, jedenfalls zu wimmern. Das skizzierte Motiv ist farbig abgebildet.

Die Abbildung wird mit dünnen gekreuzten, roten Streifen durchstrichen. Links neben der Abbildung befindet sich der Text:

„Körperliche Züchtigung ist verboten (§ 1631 Abs. 2 BGB)“

Rechts neben der Abbildung sind die Kanzleidaten (Name, Adresse, Telefon-Nummer, Telefax-Nummer, E-Mail-Adresse und Internetadresse des Klägers abgedruckt.

Motiv 2:

Eine junge Frau liegt mit entblößtem Gesäß bäuchlings auf dem Schoß eines wohl älteren Mannes, der dabei auf einem Stuhl oder Hocker sitzt, Pfeife raucht, einen länglichen Gegenstand in Form eines Lineals in der rechten Hand führt, um von oben herab auf das nackte Hinterteil der Frau zu schlagen. Diese schaut mit bestürztem Gesichtsausdruck über ihre rechte Schulter, während sie die Züchtigung, ohne sich zu wehren, über sich ergehen lässt.

Links neben der Abbildung befindet sich der Text:

„Wurden Sie Opfer einer Straftat?“

Rechts neben der Abbildung befinden sich die klägerischen Kanzleidaten

Motiv 3

Eine junge Frau sitzt in schwarzer Abendgarderobe auf der Matratze eines bezogenen Bettes in einem Schlafzimmer. Sie hält sich - offensichtlich in Selbsttötungsabsicht - mit beiden Händen eine Pistole mit Mündungslauf unter ihr Kinn. Sie weint oder hat geweint. Jedenfalls zeigt ihr Gesichtsausdruck tiefe Verzweiflung.

Links neben der Abbildung befindet sich der Text:

„Nicht verzagen, R… fragen“

Rechts neben der Abbildung befinden sich wiederum die klägerischen Kanzleidaten.

Wegen aller 3 Tassenmotive bat der Anwalt die für ihn zuständige Kammer um eine Burteilung der berufsrechtlichen Zulässigkeit. Prompt erhielt er den Hinweis:

Die von Ihnen beabsichtigte Werbemaßnahme auf Kaffeetassen ist nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht und dem Wettbewerbsrecht vereinbar und daher von Ihnen zu unterlassen

Die dagegen gerichtete Klage des Anwalts wies der Anwaltsgereichtshof als unzulässig ab:

Erst wenn der Kläger entgegen den streitgegenständlichen Hinweisen der Beklagten, die wohl in der Sache zutreffend sein dürften, die von ihm beabsichtigten Werbemaßnahmen tatsächlich durchführt und die Beklagte diese Maßnahmen sodann missbilligt bzw. den Kläger zur Unterlassung auffordert, liegt darin ein anfechtbarer Verwaltungsakt

AnwGH NRW, Urteil vom 06.09.2013 - 2 AGH 3/13

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7 Kommentare

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Was ist das denn? Ein VA soll etwa erst dann vorliegen, wenn gegen die Maßnahme verstoßen wird, oder genauer: der Verstoß der Maßnahmeregelung vorhergeht? Soll das ein schlechter Witz sein?

Der Kollege kann ohne Genehmigung Werbung betreiben. Daher kommt dem Verbot - wohl zutreffender: Dem verweigerten Segen der Kammer - auch kein Regelungscharakter mit Außenwirkung zu. Die Entscheidung des Anwaltsgerichtes erscheint demnach richtig.

3

Einer Unterlassungsanordnung ("...daher von Ihnen zu unterlassen") wird i.d.R. kaum Regelungscharakter fehlen können. Auch der AnwGH sieht in ihr einen VA, aber nur dann, wenn der Kläger "die von ihm beabsichtigten Werbemaßnahmen tatsächlich durchführt". Warum also nicht auch in der vorbeugenden Unterlassungsanordnung? Was ist an ihr so anders, dass sie kein VA sein soll? 

 

So auch BGH Beschl. v. 25.11.2002:

 

Erteilt der Vorstand einer Rechtsanwaltskammer einem Kammermitglied eine derartige mißbilligende Belehrung, so stellt diese nach der Rechtsprechung des Senats eine hoheitliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen; als solche ist sie nach § 223 Abs. 1 BRAO anfechtbar (vgl. Senatsbeschluß vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96 - NJW-RR 1997, 759 und vom 17. Dezember 2001 - AnwZ (B) 12/01 - NJW 2002, 608; Feuerich/Braun BRAO 5. Aufl. § 73 Rn. 19 ff).

 

... Schockwerbung? Solchermassen visualisierte Situationen vermitteln doch nur zweifelsfrei die Tragödie solcher Aktivitäten - und der Hinweis auf Hilfe ist einfach nur konsequent. Wenn das mit dem anwaltlichen Berufsrecht und dem Wettbewerbsrecht nicht vereinbar ist, sollte man das ändern.

... zum Vergleich: drastische, medizinische Visualisierungen auf Zigarettenverpackungen sind längst verpflichtend eingeführt. Allerdings fehlt dort die Ergänzung mit Adressen von einschlägig spezialisierten Kliniken und Ärzten - auch ein Manko.

... es ist mehr als bedenklich, dass man einem Anwalt untersagt, potenziellen oder tatsächlichen "Opfern" auch auf ungewöhnliche Weise seine Hilfe anzubieten. Menschen in Notlagen oder vor sich ankündigenden Notlagen schnell oder präventiv zu erreichen und zu unterstützen, ist das Einzige was zählt.

... die Polizei in NRW ist sich für ungewöhnliche Werbemassnahmen offenbar nicht zu schade :-)))

"Das ultimative Lockmittel der nordrhein-westfälischen Polizei ist ein HipHop-Video, das mit vermeintlich flotten Paarreimen Jugendliche zum Dienst bei der Staatsmacht verleiten will, Motto: "Korrekt, du fragst nicht nach dem Stundenlohn, du kriegst ne Waffe, kriegst ne Mütze und ein Megafon."

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/kranke-und-alte-beamte-so-angeschlagen-ist-die-polizei-in-nrw-a-925205.html

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