Totenkopf mit Polizeimütze auf Facebook kein Kündigungsgrund

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 19.09.2013

Ein Hamburger Polizist veröffentlichte auf seiner Facebook Seite das Foto eines Totenkopfes mit Polizeimütze und wurde deshalb im April dieses Jahres von der Stadt Hamburg außerordentlich gekündigt. Gestern entschied das Arbeitsgericht Hamburg: zu Unrecht. Das Gericht stellte fest, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist und verurteilte die Freie und Hansestadt Hamburg zur Weiterbeschäftigung des Klägers im Polizeidienst. Der Fall erregt vor seinem brisanten Hintergrund das öffentliches Aufsehen.  Der Polizist war als Objektschützer der Joseph-Carlebach-Schule (Stadtteil: Rotherbaum) der Jüdischen Gemeinde in Hamburg eingesetzt und nahm das Totenkopffoto im Wachcontainer vor der Schule auf, bevor er es auf seiner persönlichen Facebook Seite veröffentlichte. Die beklagte Stadt Hamburg stützt ihre Kündigung auf eine rechtsradikale und fremdenfeindliche Gesinnung des Klägers, gerade in Anbetracht der gesteigerten Treuepflichten im öffentlichen Dienst. Die Arbeitgeberin wirft ihm außerdem vor, schon in der Vergangenheit Kollegen mit Migrationshintergrund beleidigt zu haben. Der gekündigte Polizist hingegen bezeichnet das Bild als „Scherzfoto“ und verteidigt sich, er habe zu keiner Zeit den Totenkopf als Symbol der SS-Totenkopfverbände benutzt oder verstanden und bedauere, seinerzeit nicht erkannt zu haben, dass es unangemessen ist, ein solches Foto vor einer jüdischen Einrichtung aufzunehmen. Er sei weder in verfassungsfeindlichen Organisationen politisch aktiv noch hege er ein nationalsozialistisches oder rechtsradikales Gedankengut. Die weiteren Vorwürfe der Stadt bestreitet er. Nach Ansicht der Kammer liegt kein Kündigungsgrund vor, weil die Arbeitgeberin nicht dargelegt und nachgewiesen habe, dass der Kläger das Foto aufgrund einer rechtsradikalen Gesinnung aufgenommen und in das Internet gestellt hat. Der Vorfall sei unzureichend, um daran zu zweifeln, dass der gekündigte Polizist nicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten werde. Maßgeblich sei, dass der fotografierte Totenkopf nicht zwangsläufig Ausdruck einer rechtsradikalen Gesinnung ist, sondern dass ein Totenschädel vielfach auch in anderen Zusammenhängen, etwa bei einem Fußballverein, als Symbol verwendet werde. Auch sei nicht ersichtlich, dass es einen Zusammenhang mit dem Totenschädel und der lediglich im Hintergrund zu sehenden Schule gäbe, die auf dem Foto nur Ortskundige erkennen könnten.  Weiterhin führt das Gericht aus, die Darstellung der Polizei zu den Vorfällen aus der Vergangenheit sei nicht aussagekräftig genug, um das Foto mit dem Totenschädel in einem anderen Licht sehen zu können. Die Stadt Hamburg als Arbeitgeberin prüft nun, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Strafrechtliche Konsequenzen hat der gekündigte Polizist vorerst jedenfalls nicht zu erwarten. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte wegen des Totenkopffotos zwar Vorermittlungen aufgenommen, ein förmliches Ermittlungsverfahren jedoch nicht eingeleitet. In den Augen der Behörde handle es sich bei der Fotografie lediglich um eine "schlichte Geschmacklosigkeit“.

(ArbG Hamburg, Urteil vom 18.9.2013, 27 Ca 207/13; Pressemitteilung vom 18.9.2013)

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Wieder fragt sich, ob in Deutschland - wenn es nach der Arbeitsgerichtsbarkeit geht - eigentlich keiner mehr selbst denken muss. Ob rechtsradikal oder nicht: Ein Polizist macht Fotos mit Totenkopf vor einer jüdischen Einrichtung: Da muss man nicht wissen, dass das bedrohlich ist für die Betroffenen, die ja Ortskundige sind und ihre Einrichtung auf dem Foto nicht zufällig wiedererkannt haben? Oder dürfen wir unserem Freund und Helfer nicht einmal ein ganz kleines bisschen Geschichtskenntnis zutrauen?

Damit unsere Polizisten sich nicht daneben benehmen, müssen wir wohl demnächst noch Arbeitsanweisungen so detailliert wie folgt ausgeben:

"Es ist Ihnen nicht gestattet, vor jüdischen Einrichtungen Totenkopfsymbole für Fotos zu verwenden."

oder

"Sie dürfen friedlich gegen einen Bahnhofsbau demonstrierende Menschen nicht derart mit Wasserwerfern und Tränengas beschießen, dass sie erblinden."

oder

"Sie dürfen wehrlose Asylanten nicht in Gefängniszellen verbrennen lassen und müssen helfen, wenn sie um Hilfe rufen."

Sonst heißt es noch: "Das wusste ich nicht. Das hätte man mir 'mal erklären müssen."

Es lebe der mündige, integre Angestellte (oder hier: Beamte)!

 

 

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