Richtungswechsel in der Rechtsprechung des BGH beim Zusammentreffen von Handeltreiben und Einfuhr?

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 08.09.2013

Der Sachverhalt: Ein Drogendealer fährt zu seinem Lieferanten in die Niederlande, kauft dort 1 Kilogramm Kokain und schmuggelt das Rauschgift anschließend nach Deutschland. Den Kaufpreis i.H.v. 44.000 Euro muss er erst nach dem Weiterverkauf bei der nächsten Lieferung bezahlen. So geschieht es: 10 Tage später bezieht der Dealer von seinem Lieferanten in den Niederlanden ein weiteres Kilogramm Kokain und bezahlt die 44.000 Euro. Bei der folgenden 3. Lieferung weitere 12 Tage später bezahlt der Dealer die 2. Lieferung und kauft wieder 1 Kilogramm Kokain.

Die Frage: Für wie viele Taten muss sich der Dealer verantworten?

Hinsichtlich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Mindeststrafe ein Jahr Freiheitsstrafe) geht der 4. Strafsenat mit Beschl. v. 31.7.2013, 4 StR 223/13, davon aus, dass die überschneidenden Handlungsakte des Ankaufs des Kokains und der Bezahlung der vorausgehenden Lieferung im Wege der Bewertungseinheit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden werden (kritisch zu einer Verklammerung durch Überschneidung von Zahlungsvorgängen der 3. Strafsenat in NStZ 2009, 392 und  Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Auflage, § 29/Teil 4, Rn. 433).

Ändert sich hieran etwas durch die gleichzeitig begangene Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, für die das Gesetz immerhin eine Mindestfreiheitsstrafe von 2 Jahren vorsieht? Ist im vorliegenden Fall also von einem Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG auszugehen oder von 3 solcher Fälle?

Die Antwort des 4. Strafsenats: Nach Auffassung des 4. Strafsenats in der vorgenannten Entscheidung verbindet das Handeltreiben auch die Einfuhrfahrten zu einer Tat der unerlaubten Einfuhr, die mit dem Handeltreiben in Tateinheit steht. Er möchte daher wie folgt entscheiden:

„Eine - infolge tateinheitlicher Verknüpfung mehrerer Bewertungseinheiten - einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbindet mehrere zu deren Verwirklichung vorgenommene Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.“

Entgegenstehende Entscheidung des 3. Strafsenats: Der beabsichtigten Entscheidung des  4. Strafsenats steht der Beschluss des 3. Strafsenats vom 15. Februar 2011, 3 StR 3/11, entgegen. Dort hat der 3. Strafsenat für den Fall einer tateinheitlichen Verknüpfung mehrerer Bewertungseinheiten zu einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ohne nähere Ausführungen angenommen, dass das einheitliche Delikt des Handeltreibens nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht die Kraft hat, die schwerer wiegenden Taten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Tateinheit zu verklammern. Er geht vielmehr von jeweils selbständigen Taten des Handeltreibens in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus.

Die Folge – ein Anfragebeschluss: Der 4. Strafsenat fragt daher in einem sog. Anfragebeschluss beim 3. Strafsenat an, ob an der entgegenstehenden Rechtsprechung im Beschluss vom 15. Februar 2011, 3 StR 3/11, festgehalten wird. Hierzu ist ein Senat nach § 132 Abs. 2 GVG verpflichtet, wenn er von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweichen will.

Mögliche Befassung des Großen Senats für Strafsachen: Sollte der 3. Strafsenat an seiner Auffassung festhalten, könnte der 4. Strafsenat die Rechtsfrage dem Großen Senat für Strafsachen vorlegen (§ 132 Abs. 3 GVG).

Es bleibt also spannend im Betäubungsmittelrecht…

Ich übrigens präferiere die Sichtweise des 3. Strafsenats!

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