Richterunterschrift echt?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.08.2013
Rechtsgebiete: OLG HammUnterschriftStrafrechtVerkehrsrecht3|3821 Aufrufe

Unterschriftsfragen hatten wir schon häufiger im Blog, meist ging es um Anwälte, die tatsächlich/vermeintlich zu kurz unterschirieben hatten. Hier mal ein Fall einer Urteilsunterschrift:

Die ordnungsgemäß erhobene Rüge der Verletzung des § 275 Abs. 2 S. 1 StPO ist nicht begründet. Entgegen der in der Revisionsbegründung vertretenen Ansicht genügt die Unterzeichnung des Urteils noch den Anforderungen, die von der Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Unterschrift gestellt werden.

Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Die Unterschrift soll gewährleisten, dass das Schriftstück auch tatsächlich vom Unterzeichner herrührt. Deshalb reicht es aus, dass ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individuell gestalteter Namenszug vorliegt, der die Absicht erkennen lässt, eine volle Unterschrift zu leisten, das Schriftstück also nicht nur mit einem abgekürzten Handzeichen zu versehen (vgl. BGH, NJW 1985, 1227; NJW 1997, 3380, 3381; OLG Köln, NStZ-RR 2011, 348, 349; BayObLG, NStZ-RR 2003, 305, 306; OLG Oldenburg, NStZ 1988, 145). Der Bundesgerichtshof hat ergänzend - im Zusammenhang mit einer Unterschrift unter einem bestimmenden anwaltlichen Schriftsatz - darauf hingewiesen, dass zumindest in Fällen, in denen kein Zweifel an der Urheberschaft bestünde, ein „großzügiger Maßstab“ anzulegen sei (so BGH, NJW 1997, 3380, 3381, vgl. auch BFH, NJW 2000, 607). Der Senat folgt der bereits vom BayObLG (a.a.O.) vertretenen Ansicht, dass die vorstehenden Grundsätze auch für die Unterzeichnung eines Urteils durch den Strafrichter gem. § 275 Abs. 2 S. 1 StPO heranzuziehen sind.

Die hier zu beurteilende Unterschrift ist ein Grenzfall. Die Zweifel, die der Verteidiger des Angeklagten vorgetragen hat, sind nicht von der Hand zu weisen. Der Senat hält gleichwohl in einer Gesamtschau den Schriftzug für noch ausreichend, um von einer wirksamen Unterzeichnung gem. § 275 Abs. 2 S. 1 StPO auszugehen. Im Rahmen dieser Gesamtschau ist auch der dem Namenszug vorangestellte Hinweis auf den Doktortitel des Unterzeichners („Dr.“) zu berücksichtigen.

Ohne Zweifel stammt das Urteil von dem Richter, der die Hauptverhandlung geleitet hat. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2013, alle während des Verfahrens gefassten Beweisbeschlüsse sowie die Ladungs- und Zustellungsverfügungen sind in gleicher Weise – wenn auch teils ohne Voranstellung des Doktortitels - unterzeichnet. Der Schriftzug des Unterzeichners ist dem Senat darüber hinaus auch aus anderen Verfahren bekannt und kann eindeutig dem erkennenden Tatrichter - Richter am Amtsgericht Dr. S - zugeordnet werden.

Der Schriftzug ist auch hinreichend individuell gestaltet und geht über die Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader) bzw. geschlängelter Linien, die in keinem erkennbaren Bezug zu den Buchstaben des Namens stehen und daher für eine wirksame Unterzeichnung nicht genügen (vgl. nur OLG Köln, a.a.O.), hinaus. Insoweit kann dahinstehen, ob allein in dem mehrfach auf- und abwärts geschwungenen Bogen der Anfangsbuchstabe des Nachnamens („R“) hinreichend zu erkennen ist oder jedenfalls der Endbuchstabe („r“) eindeutig zu lesen ist. Denn jedenfalls durch die klar zu erkennende Voranstellung des Doktortitels („Dr.“) wird die individuelle Charakteristik der Unterschrift hergestellt. Auch wenn der Doktortitel als akademischer Grad nicht Bestandteil des Namens ist (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 8. August 2012 - 11 W 1282/12 -; Zimmermann, MDR 1997, 224 m. w. Nachw.), kann seine Verwendung dem Schriftbild im Ganzen die nicht ohne weiteres nachzuahmenden charakteristischen Merkmale einer Unterschrift verleihen und so - wie im vorliegenden Fall - die Identität des Unterzeichners eindeutig erkennen lassen.

Aufgrund der deutlich lesbaren Voranstellung des Doktortitels bestehen auch keine Zweifel daran, dass der Richter das Urteil mit seinem vollen Namen hat unterschreiben wollen. Demgegenüber sprichts nichts dafür, er habe das Urteil nur für den inneren Betrieb mit einer Abkürzung seines Namens abzeichnen („paraphieren“) wollen.

Unter Zugrundelegung des von der Rechtsprechung entwickelten großzügigen Maßstabes sind insgesamt die Voraussetzungen einer wirksamen Unterzeichnung gegeben.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 14.5.2013 - 5 RVs 39/13

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3 Kommentare

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Ich finde diese ganze Rechtsprechung albern. Wenn der vermeintliche Urheber sagt, es handele sich um seinen Unterschrift, muß das genügen. Alles andere ist Willkür. Aber: wer in aller Welt unterschreibt mit dem Zusatz "Dr." ...?  :-)

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Potentiell unglaublich...

 

Nein, es muss eben nicht genügen, wenn die Merkmale einer Unterschrift nicht erfüllt sind, und das legt nicht der Richter oder ein Anwalt fest, sondern wird dadurch bestimmt, dass die Haftungsfrage eindeutig klärbar ist, d.h. der/die Betreffende muss (ohne extremen Aufwand und ohne sich gerade durch die (nicht vorhandene) "Unterschrift" der Identifikation zu entziehen) eindeutig identifizierbar sein.

 

Infolge fehlender Staatshaftung steht nämich jeder Richter/Rechtsanwalt/Staatsanwalt/Beamte persönlich für das Urteil / seine Handlungen usw. ein.

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Dazu ist der Doktortitel also gut: auch unleserliche Unterschriften wirksam zu machen.

Das erklärt, wieso Ärzte so schlechte Handschriften aufweisen. Wer seinen Namen nicht lesbar schreiben kann, benötigt einen Doktortitel, um wirksam Arbeits-, Mietvertrag o. ä. unterschreiben zu können. Den gibt es am leichtesten nach einem Medizinstudium.

Interessant wäre, ob die Obergerichte bereit wären, diese Rechtsprechung auch auf weniger herausgehobene Titel auszudehnen, bspw. einen Dipl.-Ing. oder sogar einen B. A. Das würde Menschen mit schlechter Handschrift unter Umständen längere Studienzeiten ersparen und dazu beitragen, den Ingenieurmangel zu beheben.

Alternativ könnte den Betroffenen in Dr. h. c. wegen besonderer Leistung in der Hieroglyphie verliehen werden. Das ist zwar weniger prestigeträchtig, dürfte formal aber zur Wirksamkeitsherbeiführung der Unterschrift ausreichen.

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