LG Berlin verhängt Bewährungsstrafe für die Einfuhr von 22 kg Marihuana –Staatsanwaltschaft ist unzufrieden, BGH nicht!

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 27.07.2013

Das Landgericht Berlin verurteilte einen angeklagten ausländischen Drogenkurier (hier: Niederländer), der im Auftrag eines deutschen Hintermannes Marihuana nach Deutschland einführte, zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung. Das ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich. Das Besondere an diesem Fall ist jedoch die vom Angeklagten eingeschmuggelte Menge, nämlich 22 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10%. Bei derzeitigen Verkaufspreisen von mindestens 10 Euro pro Gramm für hochwertiges Marihuana auf der unteren Handelsebene liegt der Marktwert des Rauschgifts immerhin bei mindestens 220.000 Euro.

Der Normalstrafrahmen für die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG liegt bei Freiheitsstrafe zwischen 2 und 15 Jahren, so dass das Landgericht bei Anwendung dieses Strafrahmens wegen der großen Betäubungsmittelmenge als sehr gewichtigen Strafschärfungsgesichtspunkt kaum auf die Mindeststrafe hätte erkennen können. Das Landgericht Berlin nahm aber einen minder schweren Fall nach § 30 Abs. 2 BtMG an, womit sich der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe zwischen 3 Monaten und 5 Jahren reduzierte. Als Strafmilderungsgesichtspunkte führte die Strafkammer dabei die fehlenden Vorstrafen des Angeklagten, sein Geständnis, die Sicherstellung der Drogen und die Tatsache, dass die Kurierfahrt polizeilich überwacht wurde, an. Dies wollte die Staatsanwaltschaft nicht hinnehmen, sondern legte gegen das Urteil Revision ein, die vom Generalbundesanwalt auch vertreten wurde. Ohne Erfolg, wie der BGH durch Urteil vom 11.06.2013, 5 StR 184/13 (BeckRS 2013, 10756) entschied, denn er verwarf das Rechtsmittel u.a. mit folgender Begründung:

Mit Strafrahmenwahl (§ 30 Abs. 2 BtMG bei gleichzeitiger Annahme eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG ohne Verbrauch der Strafrahmenverschiebung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB), Strafbemessung und Strafaussetzung § 56 Abs. 2 StGB) hat das Tatgericht den vom Revisionsgericht hinzunehmenden Rahmen des Vertretbaren nicht überschritten. Die ausschlaggebende Berücksichtigung der Unbestraftheit des Angeklagten, seiner Geständigkeit von Beginn an, der Sicherstellung des Rauschgifts und der konkreten Ungefährlichkeit der von Anfang an polizeilich überwachten Tat im Rahmen der zutreffend vorgenommenen Gesamtbetrachtung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Deren Ergebnis ist auch angesichts der insgesamt sehr hohen Wirkstoffmenge der eingeführten Betäubungsmittel nicht unvertretbar. Dass das Landgericht diesen - selbst festgestellten - Umstand bei seiner Rechtsfolgenentscheidung in der Gesamtwürdigung nicht ausreichend berücksichtigt hätte, lässt sich der mangelnden Hervorhebung im Rahmen des strafschärfend gewerteten Umstands der Einfuhr einer „erheblichen Menge an Marihuana" in diesem Zusammenhang ebenso wenig entnehmen, wie dies in umgekehrter Weise für den Umstand der vergleichsweise geringeren Gefährlichkeit der Art des gehandelten Rauschgifts gilt. Eine beanstandungswürdige Berücksichtigung sonstiger Strafmilderungsgründe liegt nicht vor. Die von der Generalstaatsanwaltschaft aufgestellte Behauptung, die dem Angeklagten zugutegehaltenen Milderungsgründe träfen ,so oder so ähnlich auf nahezu alle Rauschgiftkuriere zu‘, ist offensichtlich unzutreffend.“

Die Entscheidung zeigt erneut, wie unterschiedlich die Gerichte in den einzelnen Bundesländern und die jeweiligen Strafsenate des BGH Betäubungsmittelstraftaten in der Strafhöhe beurteilen. Ein Beispiel hierfür mit einem Beschluss des 1. Strafsenats, der eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren wegen Handeltreibens mit 150 bis 350 Gramm Heroin und 200 bis 250 Gramm Amphetamin in 4 Fällen als „milde“  bezeichnet hat, werde ich in einem der nächsten Blog-Beiträge vorstellen.

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4 Kommentare

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Niemand sollte wegen des Umgangs mit Cannabis in den Knast gesteckt werden! Von daher hat das LG im Rahmen der derzeit (leider noch) gültigen Gesetze eine gute Entscheidung getroffen. Der Täter hat vorliegend niemandem geschadet und selbst die abstrakte Gefahr für andere lag wegen der Überwachung der Kurierfahrt doch gar nicht vor. Dass bei BtM-Delikten überhaupt Strafen wie die o.g. 5 Jahre (und mehr) verhängt werden, während eine "normale Vergewaltigung" mit 3-4 Jahren geahndet wird, ist im Übrigen ein schlechter Scherz. Die Strafverfolger sollten den Menschen lieber die Freiheit lassen, sich selbst zu schädigen, und sich stattdessen um die wirklich Kriminellen kümmern. Es kann ja wohl nicht sein, dass am Bahnhof jeden Tag Junkies wegen Kleinkram festgenommen werden und gleichzeitig nur ein Bruchteil aller Einbruchdiebstähle, die für die Opfer sehr traumatisch sein können, aufgeklärt wird. Das BtMG ist eine menschenfeindliche Ressourcenverschwendung!

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Da BtM-Delikte nun mal Straftaten sind, sind die entsprechenden Täter (regelmäßig) genauso Kriminelle wie Vergewaltiger oder Einbrecher. Warum soll man dann nicht entsprechend gegen sie vorgehen?

Auch das Argument der Selbstschädigung ist auch völlig haltlos. Im Zusammenhang mit der Freiheit der Selbstschädigung sind nämlich zum einen die damit verbundenen Folgen für die Allgemeinheit zu berücksichtigen (Krankenkosten, Sozialhilfe, wenn der Betroffene hinreichend tief gefallen ist), die dieser Freiheit entgegen stehen können. Insbesondere wenn auf Grund des von Ihnen propagierten möglichst straffreien Vertriebs die Produkte eine immer größere Anzahl von Personen schädigen kann. Vielleicht haben Sie schon mal von Prävention gehört?

Zum anderen ist das Problem der Suchtmittel schließlich, dass man nicht mehr so leicht davon loskommt. Wenn jemand dann von dem Zeug abhängig ist und, obwohl er aufhören will, nicht mehr aufhören kann, ist es äußerst zynisch von freiwilliger Selbstschädigung zu sprechen.

Auch mit den weniger harten Drogen sollte man nicht leichtfertig umgehen und den Konsum als völlig normal oder ungefährlich darstellen, denn gesicherte Kenntnisse, dass sie (langfristig) völlig ungefährlich sind, gibt es gerade nicht. (Und jetzt kommen Sie bitte nicht mit dem Argument, dass Alkohol ja auch ein Suchtmittel und trotzdem frei verkäuflich ist.)

Ihr Post war jedenfalls so undifferenziert und kurzsichtig. So wie man es leider meistens von Befürwortern eines möglichst freien BtM-Konsums/Vertriebs zu hören bekommt.

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Ich kann auch differenzierter, aber ihr Posting scheint mir keine gute Ausgangslage für eine sachliche Diskussion zu sein (meins freilich auch nicht :-)). Na gut, ich versuche es trotzdem: Lesen Sie doch bitte einmal folgende Untersuchung. Vielleicht verstehen Sie dann, worum es liberalen Menschen geht. Wie man auch nach 40 Jahren gescheitertem Drogenkrieg noch an die Wirksamkeit der Prohibition glauben kann, ist mir ein Rätsel. Das größte Missverständnis scheint mir zu sein, dass sie nicht akzeptieren wollen, dass es auch Legalisierungsbefürwortern darum geht, die Schäden des Drogenkonsums einzudämmen. Und das funktioniert nun einmal nicht mit Strafrecht, sondern nur mit Gesundheits-, Sozial und Bildungspolitik. Prävention geschieht nicht durch Repression...

 

Darf ich fragen, warum dieses Posting immer wieder kommentarlos gelöscht wird? Was soll die Zensur? Unbequeme Wahrheit?

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Keine Antwort? Naja, so viel zur sachlichen Diskusssion. Schade, ich war gespannt, wie Sie das Drogenproblem lösen möchten.

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