Tüte mit Whiskey-Flaschen ist im Edeka übrigens keine Gewahrsamsenklave...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.07.2013

Die "Gewahrsamsenklave" ist auch so eine schöne juristische Erfindung, über die so mancher Laie nur schmunzeln kann. Eine Tüte mit ein paar Flaschen Whiskey ist noch keine ausreichende Enklave, führt also noch nicht zur Wegnahme i.S.d. § 242 StGB:

Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II.5 der Urteilsgründe suchte der Angeklagte am 9. Juni 2012 einen Edeka-Markt in A. auf, entnahm in den Geschäftsräumen sechs Flaschen Whiskey aus der Auslage und steckte diese in zwei mitgebrachte Tüten. Er führte auch eine weitere Tüte mit, die er mit Waren füllte, um beim Passieren der Kasse den Anschein eines regulären Einkaufs zu erwecken, wollte aber ohne weiteres das Ladenlokal auch mit dem Whiskey verlassen. Daran wurde er vom Zeugen B. gehindert, der den Vorgang bemerkt hatte. Der Angeklagte stellte die Tüten daher vor der Obstabteilung ab und versuchte ohne die Beute zu fliehen.
In dieser Handlung hat das Landgericht zu Unrecht einen vollendeten Diebstahl gesehen. Die Wegnahme im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB ist erst dann vollendet, wenn der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie unbehindert durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser seinerseits über die Sache nicht mehr verfügen kann. Im Selbstbedienungsladen liegt eine vollendete Wegnahme durch einen Täter, der die Kassenzone mit der Ware noch nicht passiert hat, insbesondere vor, wenn der Täter Sachen geringen Umfangs einsteckt oder sie sonst verbirgt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1986 – 4 StR 199/86, BGHR StGB § 242 Wegnahme 1). Dies war aber hier, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antrags-schrift vom 17. April 2013 zutreffend ausgeführt hat, nicht geschehen. Das Wegtragen der umfangreicheren Beute in zwei Tüten begründete innerhalb der Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers noch keine Gewahrsamsenklave.

BGH, Beschluss  vom 18.6.2013 - 2 StR 145/13 

Jetzt geht natürlich die Phantasie eines Juristen auf Reisen: Wo ist denn die Grenze, bei der eine mitgeführte Tüte/Tasche "in eine Gewahrsamsenklave umschlägt"? Und: Was genau sind denn "Sachen geringen Umfangs" und solche "nicht geringen Umfangs"? 

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